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Die drei Märchen des Papagaien

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Des Papagaien drittes Märchen

Es lebten einmal ein König und eine Königin, die hatten einen einzigen Sohn, der außer der Jagd kein anderes Vergnügen kannte. So zog er einmal auf einen ganzen Monat aus, nur von einem Diener begleitet. Wie er seinen Weg fürbaß ritt, kam er auch auf das Feld, wo die Puppe lag. Kaum sieht er sie, ruft er aus: »Meine Jagd ist zu Ende, auf! wir gehen wieder nach Haus!« Er steigt vom Pferde, hebt die Puppe vom Boden und setzt sie vor sich in den Sattel. Er staunt sie immer an und ruft einmal über das andere: »Die Puppe ist schon schön, wie schön muß erst die Herrin derselben sein!« So kommt er ins Schloß zurück, läßt in seiner Kammer eine Nische ausmauern, stellt die Puppe hinein, ein Glas davor, und dort sitzt er nun täglich vierundzwanzig Stunden lang, im Anschauen der Puppe versunken, und ruft immer wieder: »Die Puppe ist schön, wie schön muß ihre Herrin sein!« Nichts, gar nichts anderes wollte er mehr sehen, wurde ganz tiefsinnig, sodaß sein Vater die Aerzte des Landes zusammenrufen mußte. Die kamen, beschauten den Kranken und sagten: »Herr König, diese Krankheit kennen wir nicht, Ihr müßt sehen zu erfahren, welche Bewandtniß es mit der Puppe hat.«
Der Vater ging zum Sohn, der Sohn starrte die Puppe an und seufzte: »Ach, die Puppe ist schön, wie schön muß ihre Herrin sein!« Anderes brachte er aus ihm nicht heraus, und die Aerzte mußten, wie sie gekommen waren, wieder abziehen. Da berief der Vater in seiner Verzweiflung die Weisen des Landes und sprach: »Seht meinen Sohn, wie ist er so heruntergekommen. Er hat kein Fieber, er hat kein Kopfweh, und doch wird er täglich elender, und mein Reich wird ein anderer erben. Wißt Ihr mir denn keinen Rath?« – »Aber, Herr König«, sagte der Aelteste da, »habt Ihr denn nie von einem Mädchen gehört, das dem König von Spanien die Tochter gerettet hat und eine andere Königstochter heilte? Laßt diese herbeiholen, und will sie ihr Vater Euch nicht freiwillig geben, erklärt ihm den Krieg. Das ist unser Rath.«
Der König sendet flugs seine Botschafter zum Könige, die haben zu sagen, er möge das Mädchen im Guten senden, wo anders, werde er sie mit Gewalt holen. Inzwischen tritt das Mädchen ein, das jene Wunder vollbracht hatte, und wie sie den König in dieser Verlegenheit findet, fragt sie: »Was doch habt Ihr, Herr König?« – »Nichts, mein Kind, es handelt sich wieder um dich, ein anderer König will dich haben, und das bedeutet denn, daß ich nicht mehr Herr deiner bin. Was ist zu thun?« – »O«, rief das Mädchen, »laßt mich nur gehen, denn in kurzem bin ich wieder bei Euch.« So trat sie die neue Reise an.
Als sie den Königssohn sah, welcher sich wie eine Kerze fast verzehrt hatte, indem er immer und immer nur wiederholte: »Die Puppe ist schön, wie schön muß erst die Herrin sein« – sagte sie zum Könige: »Fast zu spät habt Ihr mich gerufen, dennoch will ich sehen, was sich thun läßt. Gebt mir acht Tage Zeit, laßt Salben und Speisen hereintragen, nach acht Tagen ist er entweder frisch und gesund oder todt.« Sie schloß sich nun mit ihm ein und lauschte auf die Worte des Königssohns, die man schon kaum noch verstehen konnte, da er die Seele schon zwischen den Zähnen hatte. Als sie ihn flüstern hörte: »Ah … Pup … schön … wie … Herrin sein« – erblickte sie ihre Puppe und rief: »Ah, Bösewicht, du hast mir meine Puppe gestohlen? Warte, ich will dir den Kopf zurechtsetzen.«
Wie der Prinz diese Worte hörte, kam er wieder zu sich und fragte: »Wie? Ihr seid die Herrin der Puppe?« – »Ganz gewiß bin ich es!« Da kehrte er zum Leben zurück, aß die Suppe, die sie ihm gab, bis er wieder hergestellt war. Darauf verlangte das Mädchen zu wissen, wie er zu der Puppe gelangt sei, und er erzählte ihr alles. Nach acht Tagen kam der König, und sie sagten ihm, daß sie Mann und Frau werden wollten. Der König fuhr vor Freude darüber, daß sein Sohn genesen, fast aus den Kleidern, schickte Briefe: einen an den König von Spanien, ihm zu melden, die Tochter habe die Puppe wiedergefunden, einen andern an den König, dessen Tochter sie geheilt, und einen dritten an ihren Vater, worin geschrieben stand, seine Tochter sei wiedergefunden. Die drei Könige kamen mit großem Gefolge an, es wurde ein prächtiges Hochzeitsfest gefeiert, denn der Königssohn heirathete wirklich die Königstochter, und sie lebten in Frieden bis an ihr Ende.
»Nun, meine Schöne«, fragte der Papagai, »hat Euch auch das Märchen gefallen?« – »Ja, mein Söhnchen!« – »Aber mit der Alten dürft Ihr mir nicht gehen, hört Ihr?«
Wie sie noch so sprachen, kam die Magd gelaufen und rief: »Frau, Frau, der Herr kommt!« Das war die Wahrheit. Der Herr kam, erschloß aufs neue Fenster und Thüren und umarmte die Frau. Wie sie zu Tische gingen, setzten sie den Papagaien in die Mitte der Tafel, und wie sie bei der Suppe waren, spritzt der Papagai dem Herrn etwas heiße Suppe in die Augen, der wird vor Schmerz zornig und will ihn schlagen. Da packt ihn der Papagai an der Kehle, erwürgt ihn und fliegt fort.
Er fliegt und kommt ins freie Feld. Hier ruft er: »Papagai bin ich, Mensch werd‘ ich« – und steht als ein stattlicher Mann, wie zuvor, mitten auf dem Felde und kehrt nach der Stadt zurück. Es begegnet ihm der Edelmann, der berichtet ihm in Eile: »Habt Ihr’s gehört, die arme Frau hat ihren Mann verloren, ein Papagai hat ihn erwürgt!« – »Die Arme, die Arme«, sagt der Notar, »ist das wirklich wahr?« Sie gehen auseinander, ohne der Wette zu erwähnen. Der Notar aber wußte, daß die Frau eine Mutter hatte, zu der ging er, um sie wegen der Heirath mit ihrer Tochter zu befragen. Die Sache ging gut, Mutter und Frau willigten ein, und sie heiratheten sich.
Am Abende fragte der Notar seine Frau: »Jetzt sage mir doch einmal, wer brachte deinen Mann um?« Sie antwortete: »Ein Papagai.« – »Und wie war die Geschichte mit dem Papagaien? Erzähle sie mir.« Die Frau erzählte alles bis zu dem Augenblick, wo der Vogel dem Herrn die Suppe in die Augen gespritzt hatte und entflogen war. »Ganz recht«, sagte der Notar, »ganz recht, denn war ich nicht der Papagai?« – »Ihr?« rief ganz erstaunt die Frau, »Ihr? Was doch sagt Ihr da?« – »Ja wohl, ich, und deinetwegen war ich Papagai geworden.«
Andern Tages ging der Notar zum Edelmann und ließ sich die vierhundert Goldstücke auszahlen, denn er hatte die Wette gewonnen.

Sie lebten zufrieden und glücklich und wohl,
Wir sitzen und kauen, und kauen hohl.

[Italien: Waldemar Kaden: Unter den Olivenbäumen. Süditalienische Volksmärchen]

 

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