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Märchenbasar

Die drei Soldaten

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Es waren einmal drei Burschen bei der Kavallerie, denen das Soldatenleben gar nicht nach ihrem Sinn war. Sie beschlossen zu desertieren, und bei guter Gelegenheit machten sie sich alle drei aus dem Staub. Sie wanderten lange durch abgelegene Täler und Wälder und wußten sich nirgends recht sicher.
Einmal fanden sie tief in einem Wald ein Schloß, und weil sie gerade Hunger hatten, so besannen sie sich nicht lange und gingen hinein. Sie trabten die Stiege hinauf und schauten überall hinein, ob sich denn niemand sehen ließe, von dem sie eine warme Suppe betteln könnten. Sie durchwanderten einen Gang nach dem anderen und schauten in ein Zimmer nach dem anderen. Aber sie mochten schauen, wie sie wollten, es ließ sich niemand sehen. Endlich sahen sie in einem Saal den ganzen Tisch voll Speisen, als ob er eben für die Herrschaft gedeckt wäre. Sie schauten einander an und sagten: »Da wird’s am besten sein, zuzugreifen, weil niemand da ist, der uns etwas schenkt. Und das Zeug da drinnen geht ohnehin zugrunde, wenn nicht wir es aufessen.«
Gesagt, getan. Sie gingen alle drei hinein und aßen mit einem solchen Appetit, daß eine Schüssel nach der anderen leer wurde. Das gefiel ihnen ganz gut, und sie meinten, da wäre jetzt gerade für sie der rechte Platz.
Als sie endlich die Löffel fortlegten und sich den Mund abwischten, kam auf einmal eine schöne Frau auf sie zugegangen und wollte sie anreden. Die drei Kameraden aber ließen sie nicht gleich zu Wort kommen und entschuldigten sich, daß sie sich selbst eingeladen hatten, und dankten lange für die guten Brocken, die sie bekommen hatten.
Die Frau sagte: »Ihr braucht euch nicht zu entschuldigen. Mir ist es recht, wenn ihr hier bleibt. Zu essen und zu trinken werdet ihr haben, soviel ihr wünscht, und ihr könnt da ein Leben führen wie Grafen. Aber das müßt ihr mir versprechen, daß ihr drei Jahre bleibt und daß in dieser Zeit jeder von euch tagtäglich drei Stunden betet. Wollt ihr auf diese Abmachung eingehen, so könnt ihr mir heute abend die Antwort sagen, und ihr fangt dann morgen mit eurem Beten an.«
Die Frau ging fort, und die Soldaten hielten Rat, was etwa zu tun sei. Sie kamen darin überein, daß es doch ein wohlfeiler Aufenthalt sei, wenn man nur drei Stunden zu beten brauche und dann alles im Überfluß habe. Und weil sie auch an ihre Sicherheit denken mußten, so gefiel ihnen das Schloß im Wald gar gut, so daß sie alsbald entschlossen waren, den Antrag anzunehmen und die drei Jahre hier zu bleiben.
Als abends die Frau erschien und sie fragte, wie sie sich besonnen hätten, da sagten sie ihr, daß sie entschlossen seien, im Schloß zu bleiben und alle Tage die drei Stunden zu beten.
Die Frau war damit zufrieden und ging wieder ihre Wege.
Da hätten es nun die drei Burschen fein genug gehabt, wenn sie es nur ausgehalten hätten. Sooft sie Hunger hatten, konnten sie sich an den gedeckten Tisch setzen, und sooft sie Bewegung haben wollten, konnten sie in dem schönen Lustgarten neben dem Schloß ihren Spaziergang machen. Nebenbei hatten sie den ganzen Tag nichts zu tun, als drei Stunden zu beten, und außerdem brauchten sie für nichts zu sorgen und an nichts zu denken. Aber zweien von ihnen behagte das Leben doch nicht recht, weil es ihnen zu langweilig war, und sie fingen wieder an, ans Desertieren zu denken.
Es dauerte auch nicht lange, da fand sich der dritte mutterseelenallein im ganzen Schloß und suchte umsonst alle Schlupfwinkel aus, um seine Kameraden zu finden. Als er so herumsuchte und nebenher ein bißchen schalt und brummte, stand auf einmal die schöne Frau wieder vor ihm und fragte ihn, wo er seine Kameraden habe.
»Die müssen davongelaufen sein«, erwiderte er, »ich habe schon das ganze Schloß durchsucht und keine Spur von ihnen entdeckt.«
»Nun denn, wenn sie aus dem Staube sind«, antwortete die Frau, »dann ist es euer Glück, daß wenigstens einer zurückgeblieben ist. Wärst du auch fort, so würde ich euch schon bekommen haben und hätte alle drei in Stücke zerrissen. Jetzt kannst du es anfangen, wie du willst. Entweder bleibst du neun Jahre da und betest alle Tage drei Stunden, oder du bleibst drei Jahre da und betest alle Tage neun Stunden. Ist deine Zeit um, so wirst du schon einen Lohn kriegen, daß du gewiß damit zufrieden bist.«
Der Soldat kratzte sich ein paarmal hinter den Ohren und besann sich ein wenig, war aber alsbald mit sich eins. »Neun Jahre«, sagte er, »das ist doch eine gar zu lange Zeit, und wenn ich’s in drei Jahren abmachen kann, so will ich lieber frisch darangehn und alle Tage neun Stunden beten.«
»Ist mir auch recht«, antwortete die Frau, »und in drei Jahren will ich alsdann wiederkommen, und wenn du ausgehalten hast, dir deinen Lohn geben.«
Hiermit ging sie fort, und der Soldat stand wieder mutterseelenallein im Schloß da.
Am anderen Tag in aller Frühe kniete er sich hin und fing an zu beten und betete neun Stunden lang, und so machte er’s am zweiten Tag wieder und am dritten auch, und so ging es fort alle drei Jahre.
Als die Frist verstrichen war, trat die Frau vor ihn und sagte: »Du hast dein Versprechen treulich gehalten, aber noch ist nicht alles zu Ende, und du mußt noch eine Probe bestehen.«
»Und was denn für eine«, fragte der Soldat, »kann ich sie wohl auch aushalten?«
»Aushalten kannst du sie schon, aber merke genau, was ich dir sage. Fürchten darfst du dich vor gar nichts, denn es mag kommen, was da will, ich werde dich allemal retten. Siehst du, da ist ein Kübel, in diesen steige hinein und geh um alles in der Welt nicht heraus. Du mußt dich darin stoßen lassen, aber das macht alles nichts. Es wird nur sein wie ein Traum, und wenn alles vorbei ist, werde ich kommen und dich wieder zurechtrichten.«
Der Soldat stieg in den Kübel hinein und versprach, drinnen zu bleiben, bis sie wieder käme. Sie ging fort, und kaum war sie weg, bekam der Soldat schon andere Gesellschaft. Drei abscheuliche Geister schritten zur Tür herein, stellten sich um den Kübel und riefen: »Heraus da, was darinnen ist.«
Wie da dem Burschen zumute war, das weiß man wohl, aber er regte sich nicht und blieb drinnen.
»Geh jetzt gleich heraus, oder wir machen dir den Garaus.«
Der Soldat rührte sich wieder nicht und hockte ruhig im Kübel. Da wurden die drei zornig, hoben ihre Eisenstecken auf und fingen an, auf ihn loszustoßen, daß es ein Elend war. Sie stießen so lange zu, bis sie ihn zu kleinen Stücken zerstoßen hatten. Hierauf stürzten sie den Kübel um, leerten alles auf den Boden, nahmen dann wieder ihre Eisenstecken und gingen fort.
Kaum waren sie zur Tür hinaus, kam die Frau herein, kniete sich hin, tat alles, was auf dem Boden lag, in ihre Schürze zusammen und schüttelte es wieder in den Kübel. Augenblicklich stand der Soldat wieder ganz und unverletzt darinnen und konnte sich selbst nicht genug wundern über das, was eben mit ihm vorgegangen war. Die Frau lobte ihn, weil er so treulich ausgehalten hatte, und fragte ihn dann, wie ihm alles vorgekommen sei.
»Gerade wie ein Traum«, sagte er.
»Siehst du, ich habe die Wahrheit gesagt«, erwiderte die Frau. »Aber noch ist’s auch nicht zu Ende. Siehst du, da ist ein Fleischstock. Leg dich darauf, und wenn sie wiederkommen und dich wegjagen wollen, so geh nicht. Sie werden dich zu Brät hacken, aber das macht alles nichts; es wird nur sein wie ein Traum, und wenn du brav aushältst, werde ich wiederkommen und dich herstellen.«
Der Soldat legte sich bereitwillig auf den Fleischstock, versprach ihr in allem zu gehorchen und sie ging wieder fort. Alsbald schritten die drei Geister zur Tür herein, jeder hatte ein Fleischbeil unter dem Arm, und machten sich an den Fleischstock: »Herab da, oder wir fangen an zu hacken.«
Der Soldat tat wie ein Toter und blieb liegen.
»Jetzt sagen wir’s zum letztenmal, geh herab, oder wir hacken.«
Der Soldat rührte sich wieder nicht, und augenblicklich huben die drei an, ihre Beile zu schwingen, und schwangen sie so lustig, daß man dazu hätte tanzen können. Sie hackten den Kerl zum feinsten Brät; als sie ihre Arbeit fertig hatten, gingen sie wieder.
Augenblicklich erschien die Frau, trat an den Hackstock, wischte alles in ihre Schürze und trug es zu dem Kübel. Kaum hatte sie das Brät hineingeleert, stand der Soldat ganz und unversehrt darinnen. Er mußte sich wundern über das, was mit ihm vorgegangen war, und es kam ihm gerade vor, als ob er geträumt hätte.
Sie lobte ihn, daß er so unerschütterlich ausgehalten habe, und redete ihm aufs neue zu: »Noch sind wir nicht ganz fertig. Du mußt noch etwas aushalten, und das ist das Ärgste. Setz dich da auf den Herd und geh nicht fort, mögen sie tun, was sie wollen. Sie werden sagen, du sollst mit ihnen gehn, aber bleib du nur sitzen und geh ja keinen Schritt. Dann werden sie drohen, dich zu verbrennen, und werden dir einreden, daß du das nimmermehr aushalten könntest. Geh du aber nicht fort und laß dich nur verbrennen. Alles wird sein wie ein Traum, und wenn es vorbei ist, will ich wiederkommen und dich herstellen.«
Der Soldat stieg aus dem Kübel, setzte sich auf den Herd und versprach, um alle Welt nicht von seinem Platz zu gehen. Die Frau ging fort, und es dauerte nicht lange, so kamen die drei wieder zur Tür herein. Sie machten sich an den Herd und redeten dem Burschen zu, er sollte die Dummheiten lassen und mit ihnen gehen. Der Soldat tat, als ob er nichts hörte. Jetzt fingen sie an, ganz arg vorzugehen. »Warte nur, wenn du nicht gehst, so wollen wir dich schon kleinkriegen. Sogleich machen wir ein Feuer an und werfen dich hinein, daß du zu Pulver verbrennst, solange die Welt steht.«
Der Soldat hörte wieder nichts, und die drei schritten an das Werk. Sie gingen fort, trugen Holz herbei und häuften es auf dem Herd auf. Dann machten sie Feuer an, und als der ganze Haufen lustig emporloderte, faßten sie den Soldaten und hielten ihn in die Flammen hinein. Weil er sich aber noch nicht entschloß, mit ihnen zu gehen, so schmissen sie ihn mitten in das Feuer hinein und ließen ihn braten und brennen, bis er zu Asche zusammengebrannt war. Dann ließen sie alles liegen und stehen und gingen wieder fort.
Sogleich kam die Frau zur Tür herein, trat an den Herd, kehrte die Asche fleißig in ihre Schürze und trug sie zu dem Kübel. Kaum hatte sie diese hineingeleert, da stand der Soldat ganz und unversehrt darinnen. Es kam ihm wieder vor, als ob er von einem Traum erwache, und er atmete recht leicht auf, weil die schwere Probe zu Ende war.
Die Frau redete ihn an und sagte: »Du hast nun alles ausgehalten, aber ganz fertig sind wir noch nicht. Du kannst jetzt indessen vorausgehen, ich muß noch ein wenig warten. Geh nur den Weg da hinüber durch den Wald, bis du zu dem kleinen Häuslein kommst. Vor diesem warte auf mich, aber geh ja nicht hinein und nimm nichts an, mag man dir anbieten, was immer man will. Auch gib recht acht, daß du nicht einschläfst, denn es könnte sonst nicht gut ausgehen. Ich werde bald nachkommen, und dann wollen wir den Weg miteinander fortsetzen.«
Der Soldat versprach, ihr zu gehorchen, und schlug den Weg ein, den sie ihm gezeigt hatte. In kurzer Zeit kam er zu dem Häuschen und dachte sich, da muß ich jetzt warten. Er setzte sich auf die Bank vor dem Haus und schaute immer gegen das Schloß hinüber, ob denn die Frau nicht bald nachkomme. Während er so verloren dreinschaute, kam ein altes Weib aus dem Haus, trat vor ihn und fragte, ob er vielleicht müde sei und etwas zu trinken möge.
»Nein«, sagte er, »müde bin ich nicht, und ich mag auch nichts zu trinken, nur auf jemand warten soll ich da.«
»Oh«, erwiderte die Alte, »ein bißchen Milch geht wohl doch«, und sogleich ging sie in das Haus und brachte eine Schüssel schöne, rahmige Milch. »Da«, sagte sie, »trinkt einmal. Weiß Gott, wie weit Ihr noch gehn müßt, und dann seid Ihr froh, etwas im Magen zu haben.«
Der Soldat sah die schöne Milch, und weil er einen großen Durst hatte, dachte er sich: Was wird denn dahinter sein, wenn ich die Milch trinke? Ich brauche es der Frau nicht zu sagen, und wenn ihr gar so daran gelegen wäre, sollte sie einmal herkommen. Er dankte der Alten, nahm die Schüssel und schlürfte die Milch bis auf den letzten Tropfen aus. Kaum hatte er die Schüssel zurückgegeben, fühlte er eine ungeheure Schläfrigkeit, ließ alsbald den Kopf sinken und schlief ein. Die Alte hatte nämlich Schlafpulver in die Milch getan und freute sich jetzt recht herzlich, als der Bursche zu schnarchen anfing, daß man es im ganzen Haus hörte. So schlief er lange Zeit und wußte um nichts, was neben ihm vorging. Als er aufwachte, fiel ihm sogleich ein, warum ihn die Frau gewarnt haben mochte, in diesem Haus etwas zu nehmen. Er bekam eine gewaltige Reue, weil er ihr nicht gehorcht hatte, und war über die alte Hexe nicht wenig erzürnt. Er wollte nicht länger vor dem Haus warten, denn er dachte, die Frau ist doch lange schon vorbei, und wenn ich länger bleibe, so spielt mir die Hexe noch einen üblen Streich. Er ging also langsam weiter und dachte unterwegs immer darüber nach, wie töricht er gewesen war, daß er der Frau nicht gehorcht habe. Sie hatte ihm ja einen großen Lohn versprochen, jetzt aber war sie fort, und er wußte nicht, wohin er ihr nachfolgen sollte.
Während er so in trüben Gedanken dahinschritt, begegnete ihm ein kleines, nettes Hündchen, das hüpfte lustig an ihm hinauf, als ob sie alte Bekannte wären, und ließ sich nicht abhalten, mit ihm zu gehen. Er nahm es denn als neuen Kameraden mit sich und machte allerlei Spaß mit ihm, um sich die Zeit und die Sorgen zu vertreiben. Von ungefähr fuhr er einmal in den Sack, da griff er ein Stück Papier, wunderte sich, was das zu bedeuten habe, und zog es heraus. Tatsächlich war etwas daraufgeschrieben, und was denn? Es hieß: »Wenn du in die Hauptstadt kommst, so frage, wo der Weg nach Neuholland geht.«
Er merkte wohl, daß man ihm den Brief während des Schlafes in die Tasche gesteckt hatte, griff daher sogleich noch einmal hinab, um zu sehen, ob denn der Brief allein hineingeraten war. Auf den ersten Griff zog er eine Bürste heraus und schaute sie von allen Seiten an, ob es denn bloß eine gewöhnliche Bürste sei. Er fand nichts Besonderes daran, wurde aufs neue unwillig und dachte: Da hast du einen schönen Lohn für dein langes Beten und Alleinsein. Während er so dachte, strich er mit der Bürste über die Hand, um zu versuchen, ob sie fein sei. Aber was machte er da für Augen, als nach den ersten Strichen fünf funkelnagelneue Dukaten der Reihe nach auf der Hand lagen. Da wurden seine Gedanken auf einmal freundlicher und er steckte die Dukaten zu sich. Dann strich er noch einmal, und richtig lagen wieder fünf Dukaten da.
Noch einmal – und wieder fünf. Wieder einmal – und noch fünf. »Jetzt kann’s ja nimmer fehlen«, jauchzte er, steckte Geld und Bürste zu sich und ging seinen Weg weiter. Es dauerte nicht mehr lange, da sah er in nicht gar weiter Ferne Turmknöpfe und Kuppeldächer glänzen, und er zweifelte keinen Augenblick, daß dies die Hauptstadt war. Er marschierte jetzt aus Leibeskräften darauflos, denn es war ihm darum zu tun, ein Wirtshaus zu erreichen und von seinen Dukaten Gebrauch zu machen. Das Hündlein bellte lustig voraus, und in kurzer Frist waren sie in der Stadt.
Da fragte nun der Soldat die ersten, die ihm begegneten, wo denn in dieser Stadt das beste und nobelste Wirtshaus sei. Sie zeigten es ihm, und er ging in seinem alten militärischen Rock hinein. Da schenkten sie ihm nicht viel Aufmerksamkeit, weil sie glaubten, wer einen so schlechten Rock trägt, kann auch nicht gut bei Kassa sein. Er schaffte nun für sich und das Hündlein ein vornehmes Essen an und verlangte dann, man solle ihm das schönste Zimmer zurechtrichten. Die Kellnerin sagte: »Zu essen will ich dir bringen, aber das schönste Zimmer brauchen wir für noblere Leute, als du bist.«
Er gab aber nicht nach, sie mochte Ausreden bringen oder es ihm geradezu abschlagen. Da ging die Kellnerin zum Wirt und sagte ihm, daß ein zerlumpter Soldat das vornehmste Zimmer wolle, was sie da tun solle.
»Sage nur, du willst ihm das Zimmer schon geben, begehre aber einen tüchtigen Haufen Geld dafür. Weiß Gott, wer er ist, vielleicht zahlt er ebenso gut wie ein anderer.«
Die Kellnerin kam in die Wirtsstube zurück und richtete dem Soldaten aus, daß ihm der Wirt das vornehmste Zimmer schon geben wolle, wenn er bezahlen wolle, soviel sie begehre.
»Und wieviel ist das?« fragte der Soldat.
Da begehrte die Kellnerin eine unverschämte Summe, und meinte, jetzt werde der ärmliche Gast schon nachgeben. Er tat aber, als ob ihn das gar nicht viel dünke, verlangte aber, sie sollte den Wirt holen. Sie tat es, und als der Wirt kam, zog der Soldat seine Bürste heraus, strich sie über die Hand und zählte fünf Dukaten herab. »Da«, sagte er, »hast du ein bißchen Vorschuß, damit du siehst, daß ich ein ordentlicher Zahler bin.«
Der Wirt war sehr erfreut über diesen Gast und sagte zur Kellnerin: »Siehst du, daß ich recht gehabt habe. Man kann den Leuten nicht immer am Rock ansehen, wer sie sind. Für das nächstemal laß dir das gesagt sein und besinne dich ein bißchen, ehe du einem etwas abschlägst.«
Der Soldat ließ es sich nun wohl sein, vergaß dabei aber nicht, was auf seinem Zettel stand. Während er mit dem Wirt plauderte, ließ er daher auch die Frage fallen, wo der Weg nach Neuholland gehe.
»O ja«, sagte der Wirt, »den Weg weiß ich wohl, aber du wirst ihn doch nicht selbst machen wollen.«
»Warum denn nicht?« fragte der Soldat.
»Nun ja. Es kommt ja doch niemand hinüber über die drei Gewässer, die dazwischen liegen. Denn man muß sich von hier bis zur ersten Insel und von dieser bis zur zweiten und von dort bis zur dritten von drei Riesen führen lassen, die keinen lebendig ans Land bringen, sondern jeden auffressen, der sich ihnen anvertraut.«
Der Soldat nahm sich das zu Herzen, ließ sich aber doch nicht abschrecken, weiter an die Fahrt zu denken.
Da ging er einmal zum Hafen hinaus, schaute hin über das weite Meer und dachte an die Fahrt, die er unternehmen sollte. Da sah er auf einmal nicht weit von sich am Ufer einen Löwen, der ruhig dalag und auf jemanden zu warten schien. Eine Tatze streckte er weit hinaus und schaute sie von Zeit zu Zeit mit trauriger Miene an. Der Soldat bemerkte, daß er in der Tatze einen Werchnagel stecken hatte, und hatte großes Mitleid mit dem Tier. Das Hündlein, das der Soldat immer bei sich hatte, lief sogleich hin und beleckte die durchstochene Tatze. Der Löwe ließ es gerne geschehen, und bald bekam auch der Soldat mehr Mut und ging näher hinzu. »Wenn du mir nichts zuleid tätest, wollte ich dir den Nagel gerne herausziehen«, sagte er zum Löwen. »Allein ich fürchte, du könntest mir das Mitleid schlecht bezahlen.«
Da reichte der Löwe, als ob er diese Rede verstanden hätte, die verwundete Tatze dem Soldaten dar und hielt den Kopf ein wenig schief, gerade so, als ob er ihn bitten wollte. Der Soldat faßte sich ein Herz, ergriff die dargebotene Tatze und zog den Nagel mit großer Leichtigkeit heraus.
Da machte der Löwe auf einmal ein ganz anderes Gesicht, stand auf und verneigte sich dankbar vor seinem Wohltäter. Der Soldat kehrte um und wollte wieder in das Wirtshaus gehen. Der Löwe aber folgte ihm nach und ließ sich nicht zurückhalten. Dem Soldaten war seine Begleitung auch nicht zuwider, und er dachte: Geld hab‘ ich genug, warum soll ich das arme Tier nicht bei mir behalten und seinen Hunger stillen? Weiß Gott, ob es nicht einmal dankbar sein wird! Als er in das Wirtshaus kam und den Löwen mit sich führte, kriegten die Leute einen gewaltigen Schrecken und wollten das Tier nicht hereinlassen. Da erzählte der Soldat, wie er zu dem Löwen gekommen war, und versprach, ordentlich zu zahlen, wenn er ihn in seinem Zimmer behalten dürfe.
Der Wirt wollte lange nicht ja sagen und wollte noch immer das Tier zurückscheuchen. Es ließ sich aber nicht abhalten, ging seinem Herrn nach, und Hund und Löwe wohnten nun mit dem Soldaten in einem Zimmer.
Da trug es sich zu, daß jemand einbrach und dem Soldaten sein Geld rauben wollte. Der Löwe aber verstand keinen Spaß, fiel über den Spitzbuben her und zerriß ihn zu kleinen Fetzen. Die Leute hörten den Lärm und liefen alle in das Zimmer. Da sahen sie nun, was der Löwe für ein treues Tier war, und verlangten nimmermehr, daß man ihn aus dem Haus jagen sollte.
Als drei Tage um waren, fragte der Soldat, was er schuldig sei, und zahlte noch weit mehr, als der Wirt begehrte, obwohl das auch nicht wenig war. Als er gezahlt hatte, sagte er, daß es jetzt sein voller Ernst sei, nach Neuholland zu reisen, der Wirt sollte ihm nur genau sagen, wie er hinkommen könne.
»Ja, wenn du halt unbedingt hin willst«, sagte der Wirt, »dann will ich dir wohl sagen, wie du es anfangen mußt. Ich habe eine Fahne, die man schwingen muß, wenn man will, daß der Riese von der Insel da drüben herkommt und einen hinüberbringt. Diese Fahne schwingt man auch dann, wenn man den zweiten und dritten Riesen herbeilocken will, daß sie einen abholen. Aber ich denke, wenn dich der erste geholt hat, so ist es genug, und du ersparst dir auf den zwei Inseln das Fahnenschwingen.«
Der Soldat merkte sich alles gut, ließ aber die furchtsamen Ermahnungen zum einen Ohr hinein und zum anderen heraus.
Am anderen Tag lieh er sich von dem Wirt die Fahne und ging damit hinab zu dem Hafen. Da schwang er sie drei-, viermal hoch in der Luft, und sogleich sah er, daß sich jenseits des Meeres ein Segel regte und zu ihm herüberfuhr. Inzwischen ging er noch hinauf in das Wirtshaus, nahm eine kleine Wegzehrung und handelte dem Wirt die Fahne ab, damit er auch auf der ersten und zweiten Insel damit Zeichen geben könnte.
Als er zum Hafen zurückkam, war das Schiff schon da, und darauf saß ein ungeheurer Riese, der ihn zu sich herankommen hieß. Der Soldat wollte die zwei Tiere vorausgehen lassen, der Riese aber sagte: »Den Löwen lasse ich nicht mit, und eher mußt auch du dableiben.«
Der Soldat bat eine Zeitlang, als aber der Riese nicht nachgab, setzte er sich mit dem Hündchen allein ins Schiff und hieß ihn abfahren. Der Riese nahm eine gewaltige Stange, stemmte sie in den Grund, und bald glitt das Schiff ein gutes Stück hinein in das Meer. Da konnte es auch der Löwe nimmer aushalten, hüpfte mit einem frischen Satz in das Wasser und schwamm seinem Herrn nach. Als er das Schiff erreichte, sprang er lustig hinein. Der Riese konnte nun nichts mehr machen, denn über das Tier herzufallen getraute er sich doch nicht recht, weil er nicht wußte, wer dabei den kürzeren ziehen würde. Er fuhr nun rüstig vorwärts, und in kurzer Zeit erreichten sie das Ufer der Insel.
Vor dem Aussteigen fragte der Soldat den Schiffer nach der Schuldigkeit.
»Oh, die Schuldigkeit ist klein«, bekam er zur Antwort. »Ich zerreiße dich, und dann ist alles bezahlt.«
Kaum hatte er das gesagt, sprang der Löwe ihm aufs Genick, warf ihn um und zerriß ihn zu kleinen Fetzen. Der Soldat war froh, den unehrlichen Schiffsmann los zu sein, stieg wohlgemut aus dem Schiff und durchwanderte mit seinen Tieren die Insel der ganzen Breite nach.
Als er am anderen Ufer ankam, schwang er wieder seine Fahne, da regte sich augenblicklich ein Segel jenseits des Meeres, und ein Riese kam mit einem geräumigen Schiff angefahren.
»Willst du mich für Geld und gute Worte nicht hinüberführen?« fragte der Soldat.
»O ja«, antwortete der Riese, »aber den Löwen mußt du zurücklassen.«
Der Soldat weigerte sich nicht lange, ließ den Löwen zurück und setzte sich mit dem Hündlein ins Schiff. Sie fuhren ab, und bald hüpfte der Löwe ins Wasser, schwamm dem Schiff nach und sprang hinein. Der Riese schien sich jetzt nichts mehr darauszumachen, ließ den Löwen und fuhr weiter. Als sie ans Ufer kamen, fragte der Soldat: »Was bin ich schuldig?«
»Oh, ganz wenig. Ist schon lange Zeit, daß der andere einen herübergelassen hat. Komm nur, ich will dich zerreißen.«
Das war noch nicht völlig gesagt, da hing ihm schon der Löwe am Rücken, warf ihn um und zerriß ihn zu kleinen Fetzen.
Nun stieg der Soldat aus, durchwanderte mit seinen Tieren die ganze Insel der Breite nach und kam an das andere Ufer. Hier schwang er wieder seine Fahne, und sogleich regte sich ein Segel jenseits des Meeres. Auf einem geräumigen Schiff kam ein Riese angefahren, der so wild dreinschaute, daß der Soldat etwas Wilderes sein Lebtag nicht gesehen hatte. Da waren die anderen zwei noch nichts gewesen gegen diesen Kameraden. Er vertraute aber auf seinen Löwen und fragte ruhig: »Wie ist’s, kann man überfahren?«
»Das schon«, war die Antwort, »aber den Löwen mußt du zurücklassen.«
Der Soldat widersprach nicht lange, setzte sich mit dem Hund hinein und ließ ihn abfahren. Sie waren ein kleines Stück vom Land, da hüpfte der Löwe ins Wasser, schwamm dem Schiff nach und sprang hinein. Der Riese machte nur ein noch wilderes Gesicht, sagte aber nichts mehr und ließ die Bestie mitfahren.
Als sie ans Ufer kamen, fragte der Soldat: »Nun, was ist meine Schuldigkeit?«
»Oh, die Schuldigkeit ist gering. Ich erinnere mich schon fast nimmer, daß mir die andern zwei einen herübergelassen haben. Darum komm nur her, ich will dich zerreißen.«
Kaum hatte er das gesagt, da sprang der Löwe wütend auf, packte ihn beim Kragen und zerriß ihn zu kleinen Fetzen. Der Soldat war über die Maßen froh, daß endlich auch dem letzten der Garaus gemacht war, und er wunderte sich sehr, wie etwa Neuholland ausschauen würde. Er stieg darum schnell aus dem Schiff und ging mit seinen Tieren rüstig landeinwärts.
Er ging einige Tage vorwärts und kam endlich zu einer Schäferhütte. Da war ein Schäfer, der für den König und die benachbarte Stadt viel zu hüten hatte. Der Soldat kehrte ein, redete allerlei mit dem Schäfer und fragte ihn, ob er nicht noch einen Hirten brauche.
»Nein«, sagte der Schäfer, »wo ich beim Hüten Gehilfen brauchen kann, da habe ich ihrer schon genug, und an einem Ort muß ich doch immer selbst sein, weil ich es dort einem Fremden nicht anvertrauen kann. Zudem ist mein eigentliches Handwerk die Schneiderei und das kann ich beim Hüten nebenbei betreiben, so daß ich nicht einen andern bezahlen muß, damit ich selber zu Hause bleiben kann.«
»Vom Bezahlen ist ja keine Rede«, fiel ihm der Soldat ins Wort, »ich hüte ja nur, weil ich eine Freude daran habe, nicht damit ich einen Lohn verdiene. Laß du mich mit der Herde gehen, und ich will dir mein Kostgeld allmonatlich blank ausbezahlen. Schau, da hast du ein bißchen Vorschuß.« Hiermit fuhr er in den Sack und zog fünf blanke Dukaten heraus.
Da bekam der Schneider Respekt und sagte ihm gleich, daß er als Hirt dableiben dürfe. »Du mußt dir aber etwas merken und es genau befolgen, sonst könnte es uns beiden nicht gutgehen.«
»Und was wäre das?« fragte der Soldat.
»Paß nur auf: Oberhalb des Waldes, in welchem du hüten darfst, sind drei Almen übereinander, jede Alm gehört einem Riesen. Die drei Riesen sind aber so wilde Kerle, daß sie alles abgrasen, was aus ihrem Boden kommt, und wenn du ein Stück Vieh auf eine solche Alm läßt, so ist es sicher verloren. Gib also acht, damit nichts hinkommt, sonst könnte ich dich nimmer brauchen.«
Der Soldat versprach, gut achtzugeben, und wurde als Hirt angenommen. Er zog alle Tage mit seiner Herde und mit den zwei Tieren, die er mitgebracht hatte, hinaus in den Wald und hatte die besten Zeiten, weil das Hündlein anstatt seiner hütete und er nur mitzugehen brauchte, damit es besser aussehe. Das Hündlein machte aber seine Sache so gut, daß nie ein Stück verlorenging, und der Soldat, der die anderen Hirten gern los haben wollte, sagte einstmals zum Schneider: »Du kannst die anderen Gehilfen jetzt gehen lassen, ich will alles allein tun, und wenn dabei etwas verlorengehen sollte, so kannst du von mir Ersatz verlangen.«
Der Schneider ließ sich das nicht zweimal sagen, weil er wußte, daß der Soldat Geld genug hatte und daher wohl ersetzen könnte, was etwa zugrunde ging. Er gab den übrigen Hirten ihren Abschied, und der Soldat mit seinem Hündlein hütete jetzt die ganze Herde allein.
Da kam ihm eines Tages die Lust, auf die verbotenen Almen hinaufzugehen, und er stand lange Zeit an der Markung, ohne recht zu wissen, ob er es wagen sollte oder nicht. Der Löwe merkte, was er wollte, und ging voraus. Der Soldat aber getraute sich noch immer nicht nach und dachte sich: Ich will einmal sehen, wie es dir geht. Du erwehrst dich leichter als unsereiner.
Während er so dachte, sah er einen ungeheuren Riesen, der auf den Löwen losmarschierte und schon wohlgefällig die großmächtigen Hände rieb, als ob es jetzt an einem guten Schmaus nimmer fehlen könnte. Der Löwe aber schaute ihn fest an, und als der große Kerl schon ganz nahe war, sprang er auf ihn los, packte ihn bei der Kehle und zerriß ihn, daß es zum Fürchten war. Da getraute sich auch der Soldat hinein, schnitt dem Leichnam die Zunge heraus und steckte sie in seine Hirtentasche. Das übrige ließ er liegen und wollte wieder umkehren. Der Löwe aber ging weiter und deutete ihm mit dem Kopf, auch mitzugehen. Er folgte dem braven Tier und ging mit.
Da kamen sie zu einem großmächtigen Schloß, darin waren ganze Haufen von Kostbarkeiten und allerlei Zeug, das der Riese zusammengeraubt hatte. Das freute den Soldaten über die Maßen, und er wünschte nur, daß der Löwe mit den anderen zwei Riesen einen ebenso kurzen Prozeß mache wie mit ihrem Kameraden. Nachdem er alles genug angeschaut hatte, ging er mit dem Löwen wieder zurück, um zu sehen, ob der Herde indes nichts widerfahren war. Als sie in den Wald kamen und der Soldat die Stücke zusammenzählte, fand er, daß das Hündlein ordentlich gehütet hatte und kein einziges Stück fehlte. Er fuhr heim, sagte aber weder dem Schneider noch sonst jemandem ein Wörtchen von der Erlegung des Riesen und dem Entdecken des Schlosses.
Am anderen Tag, als er die Herde in den Wald getrieben hatte, ließ er wieder das Hündlein Wache halten und ging hinein zu dem Schloß. Der Löwe aber ging noch weiter und kam ein Stück auf die zweite Alm. Der Soldat schaute ihm nach, denn er wollte wissen, ob nicht auch der zweite Riese Lust bekäme, das Tier aufzufressen. Richtig kam bald ein ungeheurer Riese auf den Löwen losmarschiert und rieb sich wohlgefällig die Hände. Der Löwe aber sprang ihn an, ehe er sich’s versah, und zerriß ihn, daß es zum Fürchten war. Nun getraute sich auch der Soldat hinzu, schnitt die Zunge aus dem Leichnam und steckte sie in seine Hirtentasche. Dann führte ihn der Löwe noch weiter, und sie kamen zu einem herrlichen Schloß, in welchem so viele Schätze aufgehäuft lagen, daß man Jahr und Tag Arbeit gehabt hätte, alles genau anzuschauen. Nun gingen sie zurück, und das Hündlein hatte inzwischen brav gehütet, so daß kein Stück fehlte. Nun blies der Soldat die Herde zusammen und zog heim.
Beim Nachtessen sagte er zum Schneider: »Morgen muß ich schon ein wenig früher weggehen, denn ich will die Herde doch einmal ein wenig weiter treiben als bisher.«
Dies sagte er zum Schneider, eigentlich aber wollte er deswegen früher auf dem Weg sein, damit er mit dem Löwen auf die dritte Alm gehen und auch dem letzten Riesen den Rest geben könnte.
Der Schneider wollte von dem Weitertreiben nichts hören und sagte: »Bleib du nur am alten Ort, du könntest leicht zu weit gehen; wenn etwas zugrunde ginge, müßtest du es zahlen!«
»Zahlen will ich alles, was zugrunde geht«, rief der Soldat und ließ sich in seinem Vorhaben nicht irremachen.
Am anderen Tag war er schon in aller Frühe auf und zog hinaus auf die erste Alm. Da ließ er die Herde mit dem Hündlein zurück und ging mit dem Löwen auf die zweite. Bei dem Schloß blieb er stehen und schaute dem Löwen nach, der über die Grenze auf die dritte hinüberging. Es dauerte nicht lange, da kam ein Riese, der hatte schon graue Haare, und der Soldat sah es ihm sogleich an, daß er unter allen dreien der älteste sein müsse. Oh, mein liebes Mandl, dachte er sich, du wärst wohl auch besser in deinem Schloß geblieben und hättest die alten Tage angenehmer verbracht. Während er so dachte, hatte der Löwe den alten Kerl schon auf den Boden geworfen und zerriß ihn so jämmerlich, daß selbst der Soldat anfing, Grausen und Mitleid zu spüren. Als aber der Riese gar keinen Zappler mehr machte, ging er hin, schnitt die Zunge aus dem Leichnam und steckte sie zu den anderen beiden in die Hirtentasche. Dann folgte er dem Löwen, der ihm weiterzugehen winkte, und sie kamen in ein Schloß, das noch weit herrlicher war als die anderen zwei und worin so viele und so schöne Kostbarkeiten aufgehäuft lagen, daß dagegen alles ein Pfifferling war, was der Soldat bisher gesehen hatte. Man weiß aber, daß der älteste Riese auch mehr zusammengebracht hat als die anderen zwei, die in ihren jungen Jahren ins Gras beißen mußten. Als der Soldat alles ein bißchen angeschaut hatte, kehrte er wieder um und kam auf die erste Alm. Als er sah, daß das Hündlein brav gehütet hatte und kein Stück fehlte, da blies er die Herde zusammen und trieb sie heim. Von nun an ließ er sein Vieh immer auf die Almen, sagte aber keinem Menschen etwas davon. Alle Leute staunten, wie schleunig das Vieh jetzt zunahm, und sie hätten gern gewußt, was etwa der neue Hirt für ein Mensch war. Sie fragten daher den Schneider; der wußte ihnen aber nichts anderes zu sagen, als daß er ein landfremder Mensch sei, der immer Geld genug habe und nie ein saures Gesicht mache.
Zwei Jahre hütete der Soldat bei dem Schneider und war in allen Dingen so brav, daß ihn sein Herr immer gerne bei sich behalten hätte. Da kam eines Tages die Kunde, daß in der Residenz ein Ringelreiten ausgeschrieben sei und daß derjenige, der im Vorbeireiten das erste Ringlein herabstäche, die erste, und wer das zweite herabstäche, die zweite Tochter des Königs zur Gemahlin bekommen sollte. Der Soldat hörte auch von dem Ringelreiten, und weil er das Reiten beim Militär von Grund auf gelernt hatte, bekam er große Lust, sich als Mitwerber einzufinden. Er fragte den Schneider, ob er nicht zu der Feierlichkeit in die Residenz gehen dürfe, denn er habe so etwas sein Lebtag nicht gesehen und möchte doch gern zuschauen.
Der Schneider aber schlug es ihm ab und sagte: »Ich will selbst in die Stadt gehen und das Ringelreiten ansehen, daher kann ich dich beim Hüten nicht ablösen, und du mußt dich schon bequemen, an diesem Tag selber auf die Herde zu schauen.«
Der Soldat schwieg still, dachte aber: Hüten wird schon mein Hündlein, deswegen kann ich hineingehen. Wenn ich aber nur ein Pferd hätte, damit ich auch mitreiten könnte, das bloße Zuschauen ist doch zu langweilig. Mit diesem Gedanken ging er immer umher, wußte sich aber lange nicht zu helfen.
Der bestimmte Tag kam heran, und er trieb in aller Frühe seine Herde hinaus. Als er zu den Almen kam, fiel ihm auf einmal sein Löwe ein, er lockte ihn und fragte: »Treuer Löwe, könntest beim Ringelreiten nicht du mich tragen?«
Auf diese Frage hub der Löwe an zu reden und antwortete: »Du hättest mich nur früher um etwas fragen sollen, ich hätte dir oft guten Rat geben können. Frage nur, sooft du etwas auf dem Herzen hast, und ich will dir allemal Auskunft geben. Jetzt aber geh in das erste Riesenschloß und hole dort für dich Speer und Harnisch und für mich Zaum und Sattel. Bin ich gezäumt und gesattelt, so werde ich als Pferd vor dir stehen und dich zum Ringelreiten tragen. Du wirst zwar Sieger sein, und kein einziger außer dir wird einen von den zwei aufgesteckten Ringen bekommen. Aber ich befehle dir, sobald als möglich wieder fortzureiten und dich beileibe nicht als Bräutigam anzubieten.«
Der Soldat freute sich über diese Antwort, versprach, in allem treu zu gehorchen, und ging sogleich in das Riesenschloß. Bald kam er mit Speer und Harnisch zurück, trug Zaum und Sattel in der linken Hand und legte es dem Löwen an. Im nämlichen Augenblick hatte er anstatt des Löwen das allerschönste Roß vor sich, schwang sich auf und ritt wie der Wind von dannen. Als er in der Residenz ankam, hieß es, alle Ritter seien schon geritten, aber kein einziger habe ein Ringlein herabgestochen.

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