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Märchenbasar

Die drei Soldaten

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Da ritt er auf den Kampfplatz, und alles schaute auf ihn, weil er der schönste von allen Rittern war. Er spornte das Pferd, kam im Flug ans Ziel, stach ein Ringlein herab, und es entstand ein großes Freudengeschrei, als man sah, daß der schönste Ritter ein Ringlein herabgestochen habe. Während die Leute jubelten, war aber der Sieger schon wieder auf und davon, und kein Mensch wußte, wo er hingekommen war.
Der Soldat ritt auf die Alm zurück, legte wieder seine Kleider an, zog dem Pferd Sattel und Zaum ab, und alsogleich stand der Löwe wieder vor ihm. Abends ging er heim, tat, als ob er gar nichts wüßte, und ließ den Schneider, der inzwischen auch zurückgekommen war, vom Ringelreiten erzählen. Der Schneider berichtete ihm alles genau, daß zuerst keiner ein Ringlein herabgebracht habe, daß aber zuletzt ein wunderschöner Ritter gekommen sei, dieser habe flink ein Ringlein herabgestochen und sei dann schleunigst davongeritten – niemand wisse, wohin. In drei Tagen sei wieder ein Ringelreiten, und jedermann sei gespannt, ob der schöne Ritter wieder erscheine.
Der Soldat stellte sich über das alles verwundert und bat den Schneider, das nächstemal sollte er doch ihn zur Feierlichkeit gehen lassen, damit er auch einmal den schönen Ritter sehe.
»Ach was«, schnarrte der Schneider, »du kannst dich mit deinen schmutzigen Kleidern in der Residenz ja nicht sehen lassen.«
Der Soldat gab sich zufrieden, ging am bestimmten Tag wieder zu seinem Löwen und fragte ihn, wie er es diesmal anfangen müsse.
Der Löwe sagte: »Heute nimmst du Speer, Harnisch, Zaum und Sattelzeug vom zweiten Schloß, aber alles von Silber. Habe ich Zaum und Sattel an, so werde ich wieder zum Pferd. Du reitest dann auf mir hinein und wirst gewinnen. Aber biete dich beileibe nicht als Bräutigam an, sondern reite schleunigst davon.«
Der Soldat ging in das Schloß, kam bald im silbernen Harnisch und brachte Speer, Zaum und Sattelzeug mit sich. Kaum hatte er den Löwen gezäumt und gesattelt, da hatte er das schönste Roß vor sich stehen, schwang sich auf und ritt im Fluge hinein. Als er auf dem Kampfplatz ankam, waren alle schon geritten, aber keiner hatte ein Ringlein gewonnen. Da freuten sich die Leute, als sie den schönen Ritter sahen, und jauchzten laut auf, als er wie der Wind an das Ziel flog und ein Ringlein herabstach. Er wollte nun davonreiten und bemerkte, daß der Kampfplatz mit einer Wand umgeben war. Aber das erschreckte ihn nicht, er gab dem Roß die Sporen, und es sprang mit ihm in einem lustigen Satz über die Mauer hinweg. Die Leute schauten ihm nach, aber da war er schon im Wald verschwunden, und kein Mensch wußte, wo er etwa zu suchen war. Als er auf die Alm kam, zog er sein Schäferkleid wieder an, nahm dem Roß Zaum und Sattelzeug ab, und der Löwe bekam augenblicklich seine frühere Gestalt.
Beim Abendessen ließ er sich wieder vom Schneider alles erzählen, als ob er gar nicht dabeigewesen wäre, und erfuhr auch, daß bald wieder ein Ringelreiten sein werde. Am bestimmten Tag, als er mit seiner Herde hinausgegangen war, fragte er den Löwen, wie er es dieses Mal anstellen müsse.
Der Löwe sagte: »Du nimmst jetzt Speer, Harnisch, Zaum und Sattelzeug von dem dritten Schloß, alles von Gold. Du wirst heute wieder das Ringlein herabstechen, aber mit dem Davonreiten mußt du dich diesmal in acht nehmen. Der König hat jetzt den Platz nicht nur ummauert, sondern auch Militär aufgestellt, damit es auf dich feuere, wenn du fort willst. Ich will aber schon einen günstigen Augenblick abwarten und ein Zeichen geben.«
Der Soldat ging in das dritte Schloß, kam im goldenen Harnisch zurück und brachte Speer, Zaum und Sattelzeug, alles von Gold. Beim Satteln und Zäumen verwandelte sich der Löwe in ein stattliches Roß, der Soldat schwang sich auf und ritt im Flug auf den Kampfplatz. Alle Ritter waren schon geritten, aber keiner hatte ein Ringlein bekommen. Alles freute sich, als der schöne Ritter im goldenen Harnisch erschien, und es entstand ein lauter Jubel, als er wie der Wind zum Ziel flog und ein Ringlein herabstach. Er gab jetzt nicht auf die Leute acht, sondern auf das Roß, und als er merkte, daß es gern davonliefe, richtete er sich zum schnellen Ritt zurecht, gab ihm die Sporen, und ehe man die Hand umkehrte, trug es ihn mitten durch die Soldaten hinaus. Sie feuerten ihm nach, fehlten aber alles, und bis sie wieder geladen hatten, war er schon tief in dem Wald. Kein Mensch wußte, wo er zu suchen war, und er konnte ungestört wieder seine alten Kleider anziehen und dem Roß Sattel und Zaum abnehmen. Da hatte er nun wieder seinen alten Löwen vor sich, dankte ihm und zog dann wohl bald mit der Herde heim. –
Beim Abendessen erzählte ihm der Schneider von dem Ritter im goldenen Harnisch und von den Soldaten, die ihm nachfeuerten. Der Soldat tat nichts dergleichen, als ob er davon etwas wüßte, und wartete ruhig ab, was da kommen sollte.
Dem König war es ganz und gar zu dumm, daß er seine Töchter in einem dreimaligen Ringelreiten gar nicht losgebracht hatte, und er sann Tag und Nacht darauf, wie etwa der hochgesehene1 Ritter erwischt werden könnte. Er ließ im ganzen Reich ausschreiben, daß sich alle Ritter bei Hof stellen sollten, und ebenso alle Fremden, die bisher ihre Heimat nicht angegeben hatten. Wer diesem Gesetz nicht nachkomme, der müsse es mit dem Tod büßen. Auf diese Weise meinte er den Ritter zu ertappen und so wenigstens für eine seiner Töchter einen Bräutigam zu kriegen.
Der Schneider hörte auch von diesem Befehl und dachte sich: Meinen Hirten sollte ich halt auch anzeigen. Aber was wird schon wegen dieses Soldaten sein, den wird der König doch nicht sehen wollen? So besann er sich lange, aber schließlich bekam doch die Furcht das Übergewicht, und er zeigte ihn an. Da kam sogleich vom König der Befehl, der Fremde habe sich in der Residenz einzufinden, und möge er auch ein noch so übles Aussehen haben.
Der Soldat ging nun der Stadt zu, und der Löwe begleitete ihn. Da fragte der Soldat: »Aber wie muß ich es denn heute machen, damit ich davonkomme?«
»Heute wirst du nimmer davonkommen«, antwortete der Löwe. »Aber ich will mit dir bis vor die Residenz gehen, will dort warten, und wenn du verraten bist, so komm heraus und frage mich, was du zu tun hast.«
Das merkte sich der Soldat, ging in die Residenz und ließ den Löwen vor dem Tor zurück. Als er hineinkam, wurde er vor allem gefragt, woher er sei. Er gab seine Heimat ordentlich an und erzählte auch, wie er hierhergekommen war.
Als er damit fertig war, wurden die zwei Prinzessinnen hereingeführt, und da meinte die ältere sogleich, sie hätte diesen Menschen schon einmal gesehen. Sie besann sich ein wenig und meinte, es müsse derjenige sein, der die drei Jahre im Schloß gebetet habe. Um Gewißheit zu erlangen, fragte sie ihn, und er gab sich auch als der Richtige zu erkennen. Zum Wahrzeichen zeigte er die Bürste und den Zettel vor, und die Prinzessin erkannte sogleich ihre eigene Schrift. Als er nun doch einmal erkannt war, erzählte er auch, daß er der Ritter sei, der alle dreimal gesiegt habe, und zeigte die Ringe vor. Die Prinzessin hätte nun schon eine rechte Freude gehabt, allein sie wunderte sich, warum er jedesmal davongeritten sei, ohne sich zu melden, und sie fragte um die Ursache.
Da mußte nun der Soldat freilich leere Ausreden suchen, aber darum war er eben nicht verlegen, und die Prinzessin ließ sich bald wieder besänftigen. Sie fragte ihn nun auch, woher er die kostbaren Waffen habe, und er erzählte von den drei Almen, wo er nicht hätte hüten sollen, wo aber gar nichts Furchtbares anzutreffen sei.
Als die Prinzessin ihre Neugier befriedigt hatte, erzählte sie ihm, daß sie, während er vor dem Haus schlief, mit ihrer Schwester vorbeigegangen sei.
»Der Bruder«, sagte sie, »hat zurückbleiben müssen, weil du meinen Befehl nicht befolgt hast und der Alten einen Trunk abgenommen hast. Denn ebendiese Alte war unsere Base, die uns und das Schloß verzaubert hatte, und weil du ihr etwas abgenommen hast, so blieb ihr noch so viel Gewalt, unseren Bruder zurückzubehalten.«
Nachdem sie ihm das erzählt hatte, forderte sie ihn auf, dazubleiben und mit ihr Hochzeit zu halten. Er sagte, er sei gern bereit dazu, nur wolle er bis morgen noch Urlaub haben, damit er ein wichtiges Geschäft erledigen könnte.
Die Prinzessin wollte ihn auf so lange Zeit nicht mehr fortlassen und sagte: »Könntest du das Geschäft nicht in kürzerer Zeit erledigen und in zwei Stunden wiederkommen?«
»Nun denn«, antwortete der Soldat, »ich will sehen, daß ich bald fertig werde und heute noch zurückkommen kann.«
Er nahm nun einstweilen Abschied von der Prinzessin und ging vor die Residenz hinaus zu seinem Löwen. Diesem erzählte er alles, was drinnen vorgegangen war, und fragte ihn, was jetzt zu tun sei.
Der Löwe antwortete: »Ich habe dir nun nichts mehr zu sagen, du hast alles richtig gemacht.«
Da fragte der Soldat den Löwen weiter: »Aber bevor ich die Prinzessin heirate, möchte ich doch meinen Dank bezeugen für die vielen Wohltaten, die du mir erwiesen hast. Denn wenn ich dich nicht gehabt hätte, so wäre ich nicht weit gekommen, und die Riesen hätten mich zehnmal aufgefressen.«
»Wenn du mir dankbar sein willst, so schlage mir den Kopf ab«, antwortete der Löwe.
Der Soldat war über diese Antwort nicht wenig erstaunt und sagte: »Das wäre ein schöner Dank, wenn ich meinem größten Wohltäter den Kopf abschlüge. Für so dumm wirst du mich doch nicht ansehen, begehre nur etwas anderes.«
Der Löwe aber beharrte darauf und verlangte wieder, er sollte ihm den Kopf abschlagen. Als der Soldat sah, daß es ihm ernst war, entschloß er sich endlich und sagte es zu.
»Aber ich will dir auch sagen, wo und mit welcher Waffe du es tun sollst«, sprach der Löwe. »Du mußt mir im königlichen Hof mit jenem Schwert den Kopf abhacken, das du bei dem letzten Ringelreiten geführt hast.«
Der Soldat versprach auch das und sagte: »Du mußt nur hier ein wenig warten, bis ich um Urlaub gebeten und dann das Schwert aus dem Riesenschloß geholt habe.« Hierauf ging er hinauf zur Prinzessin und sagte, sie solle ihm noch ein bißchen Urlaub geben, denn er müsse zuerst auf die Alpe gehen, ein Schwert holen, um damit dem Löwen, seinem größten Wohltäter, den Kopf abzuhacken.
Die Prinzessin suchte ihn von diesem Vorhaben abzubringen, als sie aber hörte, daß es der Löwe durchaus nicht anders wolle, da gab sie nach und ließ ihn auf die Alpe gehen.
Er eilte in das dritte Schloß, holte das Schwert, das er das letztemal getragen hatte, ging dann, als er zurückkam, mit dem Löwen in den Schloßhof und haute ihm mit einem Streich den Kopf ab.
Da stand statt des Löwen auf einmal ein schöner Jüngling vor ihm, tat seinen Mund auf und sagte: »Ich bin der Bruder deiner Braut, dessen Zauber nicht gelöst wurde, weil du meiner Schwester nicht gehorcht hast. Dadurch, daß du mir den Kopf abgeschlagen hast, ist der Base, die uns verhext hatte, der Garaus gemacht worden.«
Sie gingen nun zusammen hinauf in den königlichen Palast, da wurde der Prinz gleich erkannt, und es war eine Freude im ganzen Schloß, daß man sich’s nicht vorstellen kann. Der Soldat heiratete die Prinzessin und blieb bei Hof, der Prinz aber setzte nach dem Tod seines Vaters die Krone auf.
Du fragst nun, was mit den Riesenzungen und dem Hündlein weiter geschehen ist, aber davon kann ich dir nichts sagen. Ich denke, das Hündlein wird mit der Zeit der Schneider gekriegt haben, und die Riesenzungen werden in der königlichen Schatzkammer hinterlegt worden sein.

(mündlich bei Meran)
[Österreich: Ignaz und Joseph Zingerle: Kinder und Hausmärchen aus Süddeutschland]

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