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Märchenbasar

Die drei Witwen

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Es waren einmal drei Witwen, und jede von ihnen hatte einen Sohn. Domhnull dieser Satz steht so hieß er einer dieser Söhne. Er hatte vier junge Ochsen, und die beiden anderen hatten jeder nur zwei. Immer stritten sie sich darüber; man warf ihm vor, er hätte mehr Gras als die anderen. In einer finsteren Nacht gingen sie hinaus auf die Weide, griffen zu Domhnulls Ochsen und töteten sie. Als Domhnull wach wurde und nach seinem Ochsen sehen wollte, fand er sie dort tot daliegen. Da zog er ihnen die Haut ab, salzte sie ein und nahm eins der Felle mit in die große Stadt, um es zu verkaufen. Der Weg war so lang, dass ihn die Nacht überraschte, bevor er die Stadt erreicht hatte. Er schlug sich seitwärts in einen Wald und deckte sich das Fell über den Kopf. Da kam ein Schwarm Vögel und setzte sich auf das Fell. Er streckte seine Hand aus und griff einen von ihnen. Bei Tagesdämmerung ging er weiter. Er begab sich zu dem Hause eines begüterten Mannes. Der Mann kam an die Tür und fragte ihn, was er denn da in seinem Ochsenfell hätte. Er antwortete, er hätte einen Wahrsager darin. „Was kann er denn prophezeien?“ „Alles, was ihr wollt!“ , sagte Domhnull. „Dann laß ihn mal wahrsagen“, meinter der Mann. Er ging hin und drückte den Vogel, und der zirpte schrill auf. „Was sagt er?“, fragte der Mann. „Er sagt, du wolltest ihn kaufen und zweihundert Pfund dafür zahlen“, sagte Domhnull. „Allerdings, das stimmt ohne Zweifel. Und wenn er wirklich wahrsagen kann, dann will ich das schon für ihn zahlen“, sagte der Mann. So kaufte also der Mann also Domhnull den Vogel ab und gab ihm zweihundert Pfund dafür. „Aber verkauft ihn ja nicht weiter; es ist ja nicht ausgeschlossen, dass ich selbst ihn mir einmal wieder hole, Ich würde ihn Euch nicht für dreitausend Pfund lassen, wenn ich nicht gerade in großer Not wäre.“ Domhnull ging heim; der Vogel weissagte fortan aber keinen Pfifferling mehr.
Als er sich an sein Mahl machte, fing er an, sein Geld zu zählen. Wer sah da zu? Die, welche die Ochsen getötet hatten. Sie traten ein. „Ah, Domhnull“, staunten sie, „wie bist du zu alledem Geld gekommen, das hier liegt?“ „Auf eine Weise, die es euch auch leicht machen würde. Ich bin euch sehr dankbar, dass ihr meine Ochsen umgebracht habt“, sagte er. „Drum schlachtet auch eure Ochsen, zieht sie ab und nehmt die Felle mit in die große Stadt und ruft aus: „Wer will ein Ochsenfell kaufen?“, und ihr werdet das Geld nur so scheffeln.“ Sie schlugen ihre Ochsen tot und zogen sie ab. Sie begaben sich mit den Fellen in die große Stadt und riefen aus: „Wer will einen Ochsen kaufen?“ Sie trieben dies Geschäft den ganzen Tag lang. Als aber die Leute müde wurden, sich über sie lustig zu machen, kehrten sie heim. Nun wussten sie nicht, was sie angeben sollten. Sie waren ärgerlich wegen der Ochsen, die sie geschlachtet hatten.

Da sahen sie Domhnulls Mutter zum Brunnen gehen, fielen über sie her und erwürgten sie. Als Domhnull sich sorgte, weil seine Mutter so lange ausblieb, sah er sich nach ihr um und suchte sie. Er machte sich auf zum Brunnen und fand sie dort tot vor. Er wusste nicht, was er tun sollte. Dann schleppte er sie mit ins Haus. Am Morgen steckte er sie in die besten Kleider, die sie besaß, und nahm sie mit in die große Stadt. Er ging hinaus bis zum Hause des Königs und trug sie vor sich hin. Dort kam er an einen großen Brunnen. Dann steckte er seinen Stock am Brunnenrand und stellte sie mit der Brust gegen den Stock. Er ging nun an die Pforte, klopfte an, und die Magd eilte herunter. „Sage dem König“, richtete er aus, „da unten steht eine ehrwürdige Frau und möchte mit ihm verhandeln.“ Die Magd bestellte es dem König. „Sage ihm, er soll sie herüberholen“, meinte der König: „Der König trägt dir auf, du sollst sie herüberholen“, sagte die Magd zu Domhnull.
„Ich gehe nicht hin. Geh nur selbst, ich bin zu müde!“ Die Magd ging noch einmal zum König, um ihm zu sagen, dass der Mann sich nicht im geringsten rühren wolle.
„Dann geh eben selbst“, erwiderte der König. „Wenn sie dir nicht antworten will, musst du sie anstoßen; sie ist krank“, sagte Domhnull zu der Magd. Die kam bei der Alten an. „Gute Frau“, so redete die Magd sie an, „der König heißt Euch herüberkommen.“ Sie rührte sich nicht. Das Mädchen stieß sie an, aber sie sprach kein Wort. Domhnull sah, wie es herging. „Nehmt ihr den Stab vom Leibe“, sagte Domhnull, „sie ist wohl eingeschlafen.“ Die Magd tat es, und die Alte polterte kopfüber in den Brunnen. Da schrie er los: „O bei meinem Vieh! Meine Mutter ist im Brunnen ertrunken! Was soll ich nun tun?“ Dann schlug er die Hände gegeneinander und stimmte solch ein Geheule an, dass man es drei Meilen im Umkreise vernehmen konnte. Der König kam heraus. „Oh, mein Junge, sei nur still von der Sache, dann will ich dir auch deine Mutter bezahlen. Wieviel verlangst du denn für sie?“ „Fünfhundert Pfund“, sagte Domhnull. „Du hast sie in einer Minute“, versicherte der König. Domhnull bekam seine fünfhundert Pfund. Er ging dahin, wo seine Mutter war. Er zog ihr die Kleider ab, die sie anhatte, und warf sie dann in den Brunnen.

Als er nach Haus kam, zählte er sein Geld. Sie stellten sich auch wieder ein, die beiden andern, und wollten sehen, ob er seine Mutter beweinte. „Wo hast du denn all das Geld her?“ „Ich hab es da bekommen, wo ihr es auch bekommen könnt, wenn ihr den Mut dazu habt“, sagte er. „wie sollen wir das machen?“
„Bringt eure Mütter um und nehmt sie dann mit in die große Stadt und ruft aus: „Wer will tote alte Weiber kaufen?“ Und ihr werdet ein Vermögen zusammenhäufen.“ Als sie das hörten, gingen sie heim, und jeder von ihnen schlug mit einem Stein in einem Strumpf so lange auf seine Mutter los, bis sie tot war.
Am anderen Morgen zogen sie in die große Stadt. Sie riefen auch wirklich: „Wer will tote alte Weiber kaufen!“ Aber da fand sich niemand, der so etwas haben wollte. Und als die Leute müde wurden, sich über sie lustig zu machen, hetzten sie ihre Hunde auf sie und jagten sie nach Hause. Als sie in der Nacht heimkamen, legten sie sich hin und schliefen. Am nächsten Morgen aber, da sie erwacht, gingen sie zu Domhnull, packten ihn und steckte ihn in ein Faß. Das nahmen sie dann mit, um es von einer Felsspitze hinabzustürzen. Sie machten sich daran und brauchten dazu eine recht lange Zeit.
Da sagte der eine zum andern: „Der Weg war so lang und das Wetter war so heiß, da sollten wir erst einen Schnaps trinken.“ Sie kehrten ein und ließen ihn in seinem Faß draußen auf der Landstraße. Da hörte er ein Trippeltrappeln herannahen, und wer sollte das sein, wenn nicht der Schäfer mit hundert Schafen. Da machte er sich flugs daran und blies ein Stückchen auf der Maultrommel, die er bei sich hatte, in seinem Faß. Der Schäfer schlug mit seinem Stock gegen das Faß.
„Wer ist denn da drin“, rief er. „Ich bin’s“, sagte Domhnull. „Was machst du denn da drin?“, meinte der Schäfer. „Ich mache mein Glück“, frohlockte Domhnull, und nie hat man mehr Gold und Silber an einem Fleck gesehen. Ich habe schon tausend Börsen vollgestopft, und mein Glück ist beinah vollkommen.“
„Es ist aber schade“, sagte der Schäfer, „dass du mich nicht auch ein Weilchen hereinlassen willst.“ „Nein, das tue ich nicht. Ich brauche alles für mich!“ „Willst du mich denn wirklich nicht hereinlassen? Nicht eine Minute lang? Du hättest doch trotzdem genug!“
„Bei der Schrift, armer Mann, da es dir schlecht geht, will ich dich einlassen. Hebe mal den Deckel vom Faß herunter und komm her. Aber lange darfst du nicht drinbleiben“, sagte Domhnull. Der Schäfer nahm den Deckel ab, und er schlüpfte heraus. Er packte den Schäfer an den Beinen und steckte ihn mit dem kopf voran in das Faß. „Hier ist weder Gold noch Silber“, wandte der Schäfer ein. „Du wirst auch erst dann etwas sehen, wenn der Deckel auf dem Faß ist“, sagte Domhnull.
„Ich sehe auch nicht den leisesten Schatten hier drin“, jammerte der Schäfer. „Wenn du nichts siehst, so ist das deine Sache“, erwiderte Domhnull.

Damit ging er von dannen, legte den Umhang an, den der Schäfer gehabt hatte, und da er das getan, folgte ihm auch der Hund. Da kamen die anderen aus der Wirtschaft, griffen das Faß an und hoben es auf ihre Schultern. Dann zogen sie los. Der Schäfer stammelte nun jede Minute: „Ich bin drin – ich bin’s ja!“
„Gewiß, du Schurke; gewiß bist du’s!“, höhnten sie. Sie erreichten die Felsspitze und ließen das Faß mit dem Schäfer hinunterrollen.
Als sie sich umwandten, wen sahen sie da? Domhnull mit Umhang und Hund und inmitten einer Herde von hundert Schafen. Sie gingen zu ihm hinüber. „Oh, Domhnull“, riefen sie, „wie bist du denn hierhergekommen?“ „Grad so, wie ihr hierherkommen könnt, wenn ihr’s versuchen wollt! Als ich nämlich da drüben angelangt war, sagte man mir, ich hätte noch genügend Zeit, und brachte mich wieder hier rüber und gab mir hundert Schafe dazu, damit ich mein Glück machen könnte.“ „Und würde man uns das gleiche tun, wenn wir hingingen?“, sagten sie. „Das täte man. Ja ganz gewiß täte man’s!“ stimmte Domhnull zu. „Aber wie könnten wir da hingelangen?“, meinten sie. „Grad auf dem gleichen Wege, wie ihr mich hinübergeschickt“, sagte er.
Sie gingen also und trieben zwei Fässer auf und stiegen hinan. Oben aber kroch der eine hinein, und der andere schickte ihn den Fels hinunter. Jener aber brüllte auf, als er sich unten das Gehirn zerschlug. Der andere fragte Domhnull, was der gerufen habe. Er rief: „Rinder und Schafe, Geld und Gut“, sagte Domnhull. „Dann runter mit mir, runter mit mir!“, eiferte der andere. Er kroch nicht einmal in das Faß hinein. Er schoß kopfüber nach unten und brach sich den Schädel.
Domhnull aber kehrte heim und behielt nun ihr Land für sich.

Märchen aus Schottland

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