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In einer Kirche gab es eine Marmorstatue, deren Mund geöffnet war. Ein paar Männer unterhielten sich neben ihr, und einer sagte: »Diese Statue steht schon so viele Jahre mit offenen Mund da, ohne daß jemand ihr zu essen gegeben hätte.« »Nun, wenn sie essen will, soll sie in mein Haus kommen.« Der, der dies gesagt hatte, war sehr arm. Als er abends nach Haus gekommen war, klopfte es an die Tür und es war die Statue, welche sagte, sie sei hergekommen, um mit ihm zu Abend zu essen. Der Mann war ein wenig verwirrt und entgegnete wahrheitsgemäß, daß er nichts zu essen hätte, da er sehr arm sei. »Dann geh‘ in die Welt hinaus und bettle bis du mir zu essen geben kannst.« Mit diesen Worten entfernte sich die Statue, und der arme Mann hatte keine Ruhe mehr und ging in die Welt hinaus, um zu betteln. Nach einiger Zeit war er sehr reich und kam wieder in seine Heimat, suchte sein Haus und sah an dessen Stelle andere Häuser, doch alle sagten, sie könnten sich nicht daran erinnern, daß an der Stelle Bauarbeiten durchgeführt worden wären. Er ging in die Kirche und sah da die Statue, die er eingeladen hatte, noch an ihrem Platz, und als er sich ihr näherte sah er, daß ihr Mund noch immer geöffnet war, und er dachte bei sich: »Es ist schon so lange her, daß ich sie eingeladen habe, daß sie mich nicht mehr kennt.« Und als er noch näher trat, hörte er, wie die Statue sagte: »Ich kenne dich wohl, und nun, wo du reich bist wirst du mit mir essen gehen.« Und sie stürzte auf ihn nieder und tötete ihn.
[Portugal: T. Braga: Contos tradicionaes do povo portuguez]