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Die Frau, die auszog, ihren Mann zu erlösen

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Es war einmal ein König, der hatte drei Söhne. Der älteste der Prinzen war auch schon wieder verheiratet mit einer wunderschönen Prinzessin. Eines Tages erkrankte der König schwer, und er verlor darüber sein Augenlicht. Der König war verzweifelt, doch keiner konnte ihm helfen. Darauf ließ er alle Magier seines Reiches zusammenrufen. Die berieten sich lange, und am Abend trat ihr Ältester vor den Thron des Königs und sprach: »0 Herr, es gibt nur ein Mittel, um Euch das Augenlicht wiederzugeben. Weit am Ende der Welt liegt mitten im Meer eine einsame Insel. Auf dieser Insel steht am Felsengipfel ein Schloß. Im Hofe dieses Schlosses fließt ein Brunnen. Es ist der Brunnen des Lebens und der Gesundheit. Wenn ein Toter mit dem Wasser des Brunnens besprengt wird, wird er wieder lebendig, und ist einer blind wie Ihr, Herr, und das Wasser des Brunnens fällt auf seine Augen, so werden sie wieder sehend. Doch es ist sehr gefährlich, dieses Wasser zu holen, denn das Schloß mit dem Brunnen gehört einer Hexe, und keiner der Männer, die ausgezogen sind, das Wasser des Lebens zu holen, ist je wiedergekommen.«

Da ließ der König seine drei Söhne kommen, und er erzählte ihnen, was ihm die Magier offenbart hatten. Und er sprach zu ihnen: »Wer von euch auszieht, mir das Wasser des Lebens bringt und mir das Augenlicht wiederschenkt, dem werde ich das Reich und die Krone geben.«
Da sattelte der Jüngste sein Pferd und ritt eilends zum Tor hinaus, und er ritt 49 Tage und 49 lange Nächte. Und er kam zum Ende der Welt an das weite Meer. Am Meeresufer saß ein alter grauer Fischer bei seinem Boot.

»Gott grüße dich, Vater! « rief der jüngste Königssohn. »Rudere mich hinüber zu der Felseninsel. Ich muß das Wasser des Lebens und der Gesundheit holen, damit ich die Krone und das Reich bekomme. «

»Ach, mein Sohn«, sprach der alte Fischer, »bleibe hier. Die Hexe, die über die Insel herrscht und der der Brunnen gehört, ist eine mächtige Zauberin. So viele Ritter habe ich hinübergerudert, und keiner ist je wiedergekehrt.«

»Rudere mich hinüber!« rief der Jüngste. »Ich will das Reich und die Krone bekommen!«

Da ruderte der alte Fischer den jüngsten Königssohn zu der Felseninsel. Und der Prinz suchte sich den Weg zum Schloß. Als er den Schloßhof betrat, da sah er den Brunnen mit dem Wasser des Lebens und der Gesundheit. Sein silbernes Wasser plätscherte in ein Marmorbecken. Neben dem Brunnen aber stand ein wunderschönes junges Mädchen; ihre langen schwarzen Haare flossen bis zum Gürtel, und ihre Augen leuchteten dunkel wie die Nacht. Ihr Angesicht war zart und rein wie eine Magnolienblüte. Süß lächelte sie den Prinzen an und sprach mit sanfter Stimme: »Willkommen, mein Prinz; nimm deinen Krug und fülle ihn mit dem Wasser des Lebens.« Der Prinz tat, wie das schöne Mädchen ihm sagte. Darauf sprach sie zu ihm: »Bestimmt bist du hungrig und durstig. Ich will dir ein Stück Brot und einen Becher Wein bringen, und dann ruhe dich von deinem weiten Ritt bei mir aus. «

»Gerne! « rief der Prinz. »Aber wo ist die alte Hexe, der das Schloß und der Brunnen gehört?«

»Fürchte dich nicht«, sprach das Mädchen mit leiser, zarter Stimme. »Sie ist nicht hier .«

Das Mädchen ging in das Schloß und kam bald wieder mit einem Brot und einem Becher Wein zurück. Sie reichte dem Jüngling den Becher, und als dieser seine Lippen an den Becherrand setzte, erstarrte er zu Stein vom Scheitel bis zur Fußsohle. Die Hexe aber, denn das war das schöne sanfte Mädchen, rief ihre Diener und befahl ihnen, den Versteinerten in ein tiefes Gewölbe zu tragen.

Als nun der jüngste Prinz nicht wiederkehrte, sattelte der zweite Königssohn sein Pferd, und er ritt eilends zum Tor hinaus. Auch er ritt 49 Tage und 49 lange Nächte. Und er kam zum Ende der Welt an das weite Meer. Am Meeresufer saß ein alter grauer Fischer bei seinem Boot.
»Gott grüße dich, Vater!« rief der zweite Königssohn. »Rudere mich hinüber zu der Felseninsel. Ich muß das Wasser des Lebens und der Gesundheit holen, damit mein Vater das Augenlicht wiederbekommt und ich die Krone und das Reich erringe. «

»Ach, mein Sohn«, sprach der alte Fischer, »bleibe hier. Die Hexe, die über die Insel herrscht und der der Brunnen gehört, ist eine mächtige Zauberin. So viele Ritter habe ich hinübergerudert, und keiner ist je wiedergekehrt, und zuletzt brachte ich einen jungen Prinzen hinüber, und auch er kam nicht zurück.«

»Das war mein Bruder!« rief der zweite Königssohn. »Rudere mich hinüber, ich muß das Wasser des Lebens und der Gesundheit bekommen und versuchen, meinen Bruder zu befreien, und ich will die Krone und das Reich bekommen!«

Da ruderte der alte Fischer den zweiten Königssohn zu der Felseninsel. Und der Prinz suchte sich den Weg zum Schloß. Als er den Schloßhof betrat, da sah er den Brunnen mit dem Wasser des Lebens und der Gesundheit. Sein silbernes Wasser plätscherte in ein Marmorbecken. Neben dem Brunnen aber stand ein wunderschönes junges Mädchen; ihre langen schwarzen Haare flossen bis zum Gürtel, und ihre Augen leuchteten dunkel wie die Nacht. Ihr Angesicht war zart und rein wie eine Magnolienblüte. Süß lächelte sie den Prinzen an und sprach mit sanfter Stimme: »Willkommen, mein Prinz; nimm deinen Krug und fülle ihn mit dem Wasser des Lebens.« Der Prinz tat, wie das schöne junge Mädchen ihm sagte. Darauf sprach er: »Weißt du nicht, wo mein Bruder ist? Er ist hier in die Gewalt einer alten Hexe gefallen.«

»Ich werde dir helfen, ihn zu befreien«, sprach das Mädchen und lächelte den Prinzen an. Da bat er sie: »Willst du dann mit mir gehen und meine Frau werden? Denn ich liebe dich! «

Das schöne Mädchen lächelte und küßte ihn zur Antwort auf den Mund. Und als ihre Lippen die seinen berührten, erstarrte er zu Stein vom Scheitel bis zur Fußsohle. Die Hexe aber rief ihre Diener und ließ den Versteinerten in ein tiefes Gewölbe tragen.

Als nun auch der zweite der Prinzen nicht wiederkehrte, ließ der König seinen ältesten Sohn kommen. »Es ist sehr gefährlich, das Wasser des Lebens und der Gesundheit zu holen. Deine beiden Brüder sind nicht wiedergekehrt. Darum reite du. Du bist der Älteste. Versuche die Aufgabe zu erfüllen.«

Da nahm der älteste Prinz Abschied von seiner Frau und ritt langsam und traurig zum Tor hinaus, und er ritt 49 Tage und 49 lange Nächte. Und er kam zum Ende der Welt an das weite Meer. Am Meeresufer saß ein alter grauer Fischer bei seinem Boot.
»Gott grüße dich, Vater! « rief der älteste Königssohn. »Rudere mich hinüber zu der Felseninsel. Ich muß das Wasser des Lebens und der Gesundheit holen, damit mein Vater das Augenlicht wiederbekommt.«

»Ach, mein Sohn « , sprach der alte Fischer, »bleibe hier. Die Hexe, die über die Insel herrscht und der der Brunnen gehört, ist eine mächtige Zauberin. So viele Ritter habe ich hinübergerudert, und keiner ist je wiedergekehrt, und zuletzt brachte ich zwei Prinzen hinüber, und auch sie kamen nicht zurück.«

»Das waren meine Brüder!« rief der älteste Königssohn.

»Rudere mich hinüber, ich muß das Wasser des Lebens und der Gesundheit bekommen und versuchen, meine Brüder zu befreien, und ich will doch die Krone und das Reich bekommen! «

Da ruderte der alte Fischer den ältesten Königssohn zu der Felseninsel. Und der Prinz suchte sich den Weg zum Schloß. Als er den Schloßhof betrat, sah er den Brunnen mit dem Wasser des Lebens und der Gesundheit. Sein silbernes Wasser plätscherte in ein Marmorbecken, und der Hof war menschenleer .

Da betrat der Prinz das Schloß. Er ging durch alle Räume, und er sah keine Menschenseele darin, bis er in den letzten Raum kam. Da saß beim Feuer des Herdes eine alte, häßliche Hexe. »Gib meine Brüder heraus!« rief der Prinz. »Ich bin gekommen, um sie zu befreien!«
Höhnisch lachte die Hexe: »Ich ließ sie zu Stein erstarren. Sie liegen in meinem tiefsten Gewölbe, und bald wirst du ihr Schicksal teilen! «
Der Prinz aber zog sein Schwert und wollte auf sie eindringen. Doch siehe! Die Hexe verwandelte sich plötzlich in das Bild seiner Frau und sprach mit deren Stimme zu ihm: »Sei ohne Furcht. Ich bin gekommen, um dir beizustehen.« Der Prinz ließ sein Schwert sinken, die Hexe legte ihre Hand auf sein Herz, und da hörte es auf zu schlagen, und er erstarrte zu Stein vom Scheitel bis zur Fußsohle. Die Hexe aber rief ihre Diener und ließ den Versteinerten in ein tiefes Gewölbe tragen, wo schon all die andern Versteinerten lagen.

Als nun der älteste Königssohn nicht wiederkehrte, fiel der König in die Nacht der Verzweiflung. Er wurde so krank, daß er dem Tode nahe war. Die Frau des ältesten Prinzen aber weinte und klagte zwölf lange Tage und zwölf lange Nächte, und als sie keine Tränen mehr hatte, legte sie die Kleider ihres Mannes an und ritt schnell zum Tor hinaus, und sie ritt 49 Tage und 49 lange Nächte. Und sie kam zum Ende der Welt an das weite Meer. Am Meeresufer saß ein alter grauer Fischer bei seinem Boot.

»Gott grüß dich, Vater«, rief die Prinzessin, »rudere mich hinüber zu der Felseninsel, wo der Brunnen mit dem Wasser des Lebens und der Gesundheit fließt.«

»Ach, mein Söhnchen«, sprach der alte Fischer, »bleibe hier. Die Hexe, die über die Insel herrscht und der der Brunnen gehört, ist eine mächtige Zauberin. So viele Ritter habe ich hinübergerudert, und keiner ist je wiedergekehrt. Zuletzt brachte ich drei Prinzen hinüber, und auch sie kamen nicht zurück. Darum bleibe hier, du bist noch so jung und zart.«

Da weinte die Prinzessin und bat: »Rudere mich hinüber! « Der alte Fischer sah sie aufmerksam an und sprach: »Deine Gestalt ist so fein, deine Stimme klingt so hell. Wenn du nicht wie ein Mann gekleidet wärst, würde ich denken, du seist eine Frau.«

»Ich bin es, Vater«, sprach die Frau, »ich bin die Frau des ältesten Prinzen, den du hinübergerudert hast. Und wenn es mir nicht gelingt, die Prinzen und vor allem meinen lieben Mann zu erlösen, will ich lieber tot sein.«

Da rief der Fischer: »Wenn du eine Frau bist, wird es dir vielleicht gelingen, was so vielen Männern nicht gelungen ist. Die Hexe versteht es, in die Herzen der Männer zu schauen, und sie nimmt die Gestalt der Frau an, die er in seinem Herzen trägt. Du aber bist eine Frau, und sie wird in deinem Herzen nicht das Bild einer Frau erkennen. Aber sieh dich vor; nimm drüben weder Speise noch Trank und sprich kein Wort.«
»Danke, Vater, für den Rat! « rief die Prinzessin, sprang in den Nachen, und der Fischer ruderte sie zur Felseninsel. Und die Prinzessin suchte sich den Weg zum Schloß. Als sie den Schloßhof betrat, da sah sie den Brunnen mit dem Wasser des Lebens und der Gesundheit. Sein silbernes Wasser plätscherte in ein Marmorbecken. Die Prinzessin schöpfte von dem Brunnen in ihren Krug; als sie sich aber umwandte, stand ein schönes, zartes Mädchen hinter ihr .

»Sei gegrüßt, schöner Held«, sprach es freundlich. »Bestimmt bist du hungrig und durstig von dem langen Weg. Iß und trink und ruhe dich aus bei mir. « Doch die Prinzessin sprach kein Wort und zog ihr Schwert. Die Hexe erschrak, denn sie konnte im Herzen ihres Gegners kein Frauenbild erkennen. Sie verwandelte sich in ein freundliches altes Mütterchen, das mit zitternder Stimme bat: »Wirf dein Schwert weg, mein Sohn!« Doch die Prinzessin ließ sich nicht täuschen und bedrohte die Hexe weiter. Noch mehrmals wechselte diese ihre Gestalt, aber unbeirrt kämpfte die Prinzessin weiter, und die Spitze ihres Schwertes drang in das Herz der Hexe. Da erkannte diese, wer ihr Gegner war, und sie rief: »Eine Frau ist der Tod!« Dann hauchte sie ihre schwarze Seele aus und fuhr zur Hölle.

In diesem Augenblick fiel der Zauber von dem Schloß und den Versteinerten; sie kamen in den Schloßhof und dankten der Prinzessin, die sie erlöst hatte. Am glücklichsten aber waren die drei Brüder, und der älteste Prinz umarmte seine Gemahlin und küßte sie. Da nahmen die Erlösten die Schätze der Hexe, belohnten den alten Fischer reichlich und ritten heim. Als der kranke König sie heimkommen hörte, trat er unter das Tor, und die Prinzessin besprengte seine Augen mit dem Wasser des Lebens. Da wurde der König wieder sehend, nahm seine Krone, setzte sie der Prinzessin aufs Haupt und übergab ihr das Reich, und alle waren es zufrieden, und sie lebten in Glück und Frieden miteinander.

Märchen aus Spanien

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