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Märchenbasar

Die drei schönen Prinzessinen

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In alten Zeiten regierte in Granada ein maurischer König namens Mohammed, den seine Untertanen el Hayzari, den Linkshänder nannten. Einige Chronisten meinen, man habe ihm diesen Beinamen gegeben, weil er mit seiner linken Hand so gut umgehen konnte wie mit der rechten; andere glauben, daß er alles verkehrt anfaßte und linkisch verpfuschte, was zu regeln gewesen wäre. Wie auch immer dem sei, sicher ist, daß während seiner Regierungszeit Granada von schweren und Revolutionen heimgesucht wurde. Er selbst konnte nie in Frieden leben, und vom Unglück verfolgt oder infolge schlechter Verwaltung wurde er dreimal vom Throne gestoßen; dabei mußte er sogar bei einer Gelegenheit als Fischer verkleidet bis Afrika hinüberflüchten, um sein Leben zu retten. Doch war König Mohammed so tapfer wie ungeschickt und führte linkshändig den Krummsäbel so kräftig, daß er sich nach schweren Gefechten den Thron immer wieder zurückeroberte. Aber anstatt aus dem Missgeschick zu lernen und klug zu werden, wurde er hartherzig, eigenwillig und halsstarrig und bediente sich seines linken Armes, um seine Willkür zu behaupten. Über das Unglück, daß er so über sich und sein Reich brachte, berichten dem Forscher die alten arabischen Annalen Granadas; die hier folgende Geschichte soll nur von seinem häuslichen Leben erzählen:

Als dieser Mohammed eines Tages mit seinen Höflingen am Fuße der Sierra Elvira einen längeren Spazierritt unternahm, begegnete er einem Trupp seiner Leute, der von einem Streifzug durchs Grenzland der Christen siegesfroh zurückkehrte. Die Reiter führten einen langen Zug mit Beute schwer beladener Maulesel mit sich; auch sah man viele Gefangene beiderlei Geschlechts. Unter den Frauen und Mädchen fiel dem Herrscher ein schönes und reich gekleidetes Mädchen auf, das weinend auf einem kleinen Pferd saß, kaum auf die ihr zur Seite reitenden Duena hörte und deren tröstende Worte nicht zu verstehen schien. Der König, von der Schönheit des Mädchens bezaubert, erkundigte sich sogleich nach der Herkunft der Gefangenen. Der Anführer der Truppe konnte ihm melden, daß es sich um die Tochter der Alciden, des Burgvogtes, einer Grenzfestung handle, die man im Handstreich eingenommen und dann geplündert habe. Mohammed forderte das Christenmädchen als königlichen Beuteanteil und ließ es in den Harem der Alhambra bringen. Hier tat man alles, um die Auserkorene des Fürsten zu zerstreuen, ihren Kummer zu dämpfen und ihre Stimmung zu heben. Der närrisch verliebte König beschloß daraufhin, das schöne Mädchen zu seiner Gemahlin zu machen. Die Christin wies anfangs seinen Auftrag schroff ab, denn der Bewerber war ein Ungläubiger, ein offener Feind ihres Vaterlandes und, was das Schlimmste war, er zählte nicht mehr zu den jüngeren Jahrgängen, denn Silberlocken umrahmten sein ehrwürdiges Haupt. Als der König sah, daß alle Bemühungen fruchtlos blieben, beschloß er mit der Duena, die damals mit dem Mädchen gefangengenommen war, zu reden, da diese auf ihre junge Herrin bestimmt einen großen Einfluß ausübte. Dieser dienstbare Geist war Andalusierin von Geburt; doch kennt man ihren christlichen Namen nicht, denn in den maurischen Sagen nennt man sie immer „Die kluge Kadiga“, und klug war sie in der Tat, was aus ihrer Geschichte klar hervorgeht. Der maurische König hatte mit ihr eine kurze, geheime Unterredung. Dabei begriff sie, daß es ihm ernst war, und also machte sie seine Sache bei ihrer jungen Herrin zur ihrigen. „Schluß jetzt!“ rief sie eindringlich, „was gibt es denn da zu weinen und zu jammern? Ist es nicht besser, hier die Herrin zu sein, in diesem wundervollen Palast mit all den schönen Gärten und Brunnen, als in Eures Vaters altem Grenzturm zwischen nackten Felsen eingeschlossen leben? Daß dieser Mohammed ein Ungläubiger ist, was tut dies schon groß zur Sache? Ihr heiratet ihn und nicht seine Religion. Und daß er alt ist? Desto eher werdet Ihr Witwe und dann Eure eigene Herrin sein. Auf jeden Fall seid Ihr in seiner Gewalt und habt nur die Wahl zwischen Königin oder Sklavendasein. Sagt man nicht, es sei immer noch besser, seine Ware an den Räuber zu einem annehmbaren Preis zu verkaufen, als sie sich mit Gewalt nehmen lassen?“ Die Vorhaltungen der klugen Kadiga hatten Erfolg. Das spanische Mädchen trocknete ihre Tränen und wurde die Gemahlin Mohammeds des Linkshänders. Sie nahm auch zum Schein den Glauben ihres königlichen Gatten an; ihre Duena aber wurde sofort eine eifrige Bekennerin der Lehren des Propheten. Sie erhielt den arabischen Namen Kadiga und blieb die vertraute Dienerin ihrer Herrin. Nach angemessener Zeit wurde der maurische König stolzer und glücklicher Vater von drei hübschen Töchtern, die alle zur selben Stunde geboren wurden. Ihm wären wohl Söhne lieber gewesen, doch er tröstete sich mit der Überlegung, daß immerhin drei gleichzeitig geborene Töchter für einen einigermaßen bejahrten und obendrein noch linkshändigen Mann eine beachtenswerte Leistung wären. Wie es bei den moslemischen Sitten war, rief er bei diesem glücklichen Ereignis die bekanntesten Astrologen zu sich und bat sie, den drei kleinen Prinzessinnen ihr Horoskop zu erstellen. Gerne kamen die weisesten Männer des Reiches dem Wunsch ihres Landesherren nach, und ernst, mit den gelehrten Häuptern nickend, sagten sie: „Töchter, o König, sind immer ein unsicherer Besitz; aber diese hier werden deiner Wachsamkeit ganz besonders bedürfen, wenn sie in das heiratsfähige Alter kommen. Dann nimm sie in deine alleinige Obhut und vertraue sie keinem anderen Menschen an.“ Mohammed der Linkshänder wurde von seinen Höflingen und Hofschranzen als weiser König anerkannt, und er selbst betrachtete sich auch als einen von Gott gesegneten Landesvater. Die Prophezeiung der Astrologen verursachte ihm und seinem Hofstaat also wenig Kopfzerbrechen; er traute ihrem und seinem Verstande zu, die Überwachung der Infantinnen zu gegebener Zeit umsichtig zu organisieren und damit des Geschickes Mächte überlisten zu können. Die Drillingsgeburt war übrigens die letzte und einzige Trophäe des Königs. Seine Gemahlin gebar ihm darauf keine Kinder mehr und starb einige Jahre später, ihre jungen Töchter der Obhut seiner Liebe und der Treue der klugen Kadiga überlassend.

Viele Jahre gingen ins Land, ehe die Prinzessinnen das von den Astrologen genannte gefährliche Alter der Heiratsfähigkeit einrichteten. „Ein kluger Mann baut vor“, sagte sich der schlaue König und beschloß, den Wohnsitz seiner Töchter und ihres Hofstaates nach dem königlichen Schloß Salobrena zu verlegen und sie dort erziehen lassen. Dieser prächtige Palast stand inmitten einer starken maurischen Festung; die vor Jahren einer der granadinischen Fürsten auf den uneinnehmbaren Gipfel eines Berges an den Ufern des Mittelmeeres hinaufgebaut hatte. Salobrena war also so etwas wie ein Fruchtkern, von einer harten Schale umschlossen, und unmöglich schien es, mit den Bewohnern von außen her in Kontakt zu treten. Hier oben, fern von Granada und den Hofintrigen, den Ränken und politischen Verschwörungen, war eine Art von königlicher Pfalz, wo die mohammedanischen Potentaten unliebsame Verwandte einsperrten, die ihnen im Wege standen oder ihre Sicherheit zu gefährden schienen. Den Bewohnern dieses politischen Sanatoriums wurde übrigens jede Art von Wohlbefinden und Unterhaltung geboten, in deren unbeschränktem Genuß sie ihr Leben in üppiger Trägheit und wollüstiger Faulheit hinbrachten, bis sie endlich verfettet ins bestimmt nicht bessere Jenseits hinüberschlummerten. Nachdem diese Residenz von vielen Arbeitern und Künstlern zweckdienlich hergerrichtet worden war, übersiedelten die drei Infantinnen dorthin. Hier lebten sie von aller Welt abgeschlossen, doch mit ihren Freundinnen und von Sklaven bedient, die ihnen jeden Wunsch von den Augen ablasen. Sie spaziertem in den königlichen Schlossgärten umher, wo die herrlichsten Blumen wuchsen und die Bäume seltene Früchte trugen; sie spielten in duftenden Hainen und erfrischten sich in wohlriechenden Bädern. Von drei Seiten schaute die Burg auf ein reiches und gepflegtes Tal nieder, und weit hinten am Horizont leuchteten die Berge der Alpurjarra; in der anderen Richtung ging der Blick aufs sonnenbestrahlte offenen Meer hinaus, wo Fischer ihrem schweren Handwerk nachgingen und Kauffahrer dahinsegelten. Die Prinzessinnen wuchsen in dieser Umgebung unter ewig blauem Himmel im mildesten Klima der Welt zu wahren Schönheiten heran. Obgleich alle drei Schwestern die gleiche Erziehung genossen, waren sie in Bezug auf ihre Charaktereigenschaften von klein auf grundverschieden. Sie hießen Zaida, Zoraida und Zorahaida; und das war auch die Reihenfolge ihres Alters. Genau drei Minuten lagen zwischen der Geburt einer jeden. Zaida, die älteste, hatte einen unerschrockenen Geist und war ihren Schwestern in allem voraus, was sich ja schon bei ihrem Eintritt in diese Welt gezeigt hatte. Sie war neugierig und wissensdürstig, fragte viel und ging den Dingen gern auf den Grund. Zoraida war eine Künstlernatur von feinem Geist und Gefühl. Ein besonderer Sinn für alles Schöne und Ästhetische zeichnete sie aus, was ohne Zweifel der Grund war weshalb sie so gerne in Spiegeln und Blumen ihr eigenes Bild betrachtete; Blumen, Juwelen und kunstvoller Putz ließen ihr kleines Herz rascher schlagen. Zorahaida wieder war sanft und schüchtern, äußerst empfindsam und dazu noch von hingebungsvoller Zärtlichkeit. Mit Liebe pflegte sie die Blumen, Vögel und andere Tiere. Sanft und voll Liebe unterhielt sie sich mit ihren Schwestern; und nie sprach sie einen ihrer Wünsche in einem arroganten Tone aus. Sinnend und träumend saß sie oft stundenlang auf dem Balkon und schaute in milden Sommernächten zu den funkelnden Sternen hinauf oder auf das weite vom Mond bestrahlte Meer hinaus. In solchen Momenten konnte ein fernes Fischerlied; der leise Ton einer maurischen Flöte oder gar der Ruderschlag einer vorbeigleitenden Barke sie ganz und gar verzücken. Der geringste Aufruhr der Elemente aber erfüllte sie mit Schrecken und Angst, und ein einziger Donnerschlag reichte oft hin, sie in Ohnmacht fallen zu lassen. So gingen ruhig und heiter die Jahre dahin. Treu erfüllte die kluge Kadiga ihre Pflicht und sorgte unermüdlich für das Wohl der ihr anvertrauten Prinzessinnen. Das Schloß Salobrena lag wie bereits erwähnt, auf einem Berg an der Seite des Hügels. Die Anlage zog sich hin bis zu einem vorspringenden Felsen, der über die See hinausragte. Die Wellen schlugen sanft auf einen kleinen Strand, dessen Ufersand der Küste jede Rauheit nahm. Oben auf dem Felsenriff stand ein alter Wachtturm, der zu einem schönen Pavillon umgebaut worden war, durch dessen vergitterte Fenster die frische Seeluft hereinkam. Hier verbrachten die Infantinnen gewöhnlich schwülen Stunden während der Siesta-Zeit dann ruhig und zufrieden.

Die neugierige Zaida saß eines Tages an einem der Fenster des Pavillons und schaute übers Meer hin, während ihre beiden Schwestern auf weichen Ottomanen schliefen. Aufmerksam beobachte sie eine Galeere, die mit gleichmäßigen Ruderschlägen die Küste entlangfuhr und sich dem Turm näherte. Bald konnte sie auch feststellen, daß es sich um ein militärisches Fahrzeug handelte, das es mit Bewaffneten bemannt war. Die Galeere warf unterm Turm beim Felsen Anker, und eine große Anzahl maurischer Soldaten brachten mehrere christliche Gefangene an Land und stellten diese am schmalen Sandstrand auf. Zaida weckte sofort ihre Schwestern und berichtete ihnen eingehend über den Vorfall. Alles drei lugten dann vorsichtig durch die dichten Fenstergitter zur Küste hinunter, derart, daß sie von draußen nicht gesehen werden konnten. Unter den Gefangenen befanden sich drei reich gekleidete spanische Ritter. Sie standen in der Blüte ihrer Jugend und waren von edlem Aussehen; aus ihrem Wesen sprach Vornehmheit, und stolz schauten sie zu ihren Feinden und Wächter hinüber, die auf weitere Anordnungen bezüglich der mit Ketten beladenen Christen zu warten schienen. Die Infantinnen blickten voll gespanntem Interesse hinunter und konnten sich an den schönen jungen Männern nicht sattsehen. Was Wunder, daß die Erscheinung der drei Ritter aus adeligem Hause ihre jungen Herzen einigermaßen beunruhigte. Im Schloß kamen sie fast ausschließlich mit weiblicher Dienerschaft zusammen und sahen vom männlichen Geschlecht nur schwarze Sklaven und dann und wann einen Fischer oder einen Soldaten der Küstenwache. Die etwas arrogante Schönheit der drei hübschen Ritter in der Blüte ihrer Jugend mußte die Infantinnen aufs tiefste bezaubern. „Hat jemals ein edleres Wesen die Erde betreten, als jene Ritter in Scharlachrot?“ rief Zaida, die älteste der Schwestern. „Schau, wie stolz er sich benimmt, als ob alle rings um ihn seine Sklaven wären!“ „Aber seht nur jenen in Grün!“ rief Zaida, „welche Anmut, welche Hoheit, welche Eleganz!“ Zorrahaida aber schwieg und verriet ihren Schwestern nichts, doch insgeheim gefiel er der Ritter im blauen Gewand am besten. Die Prinzessinnen wandten von den Gefangenen kein Auge ab, bis sie in der Ferne ihren Blicken entschwanden. Dann seufzten die drei Infantinnen tief, drehten sich um, schauten sich einen Augenblick an und setzten sich sinnend und träumend in ihre Ottomanen. So traf sie bald danach die kluge Kadiga. Die Mädchen erzählten ihrer treuen Duena, was sie gesehen hatten. Schwärmend ließen sie ihren Zungen freien Lauf, daß sogar das welke Herz Kadigas rascher zu schlagen begann. „Arme Jungen!“ rief sie aus, „ihre Gefangenschaft und das harte Los, das ihrer harrt, wird manch edlem und schönem Mädchen in ihrem Heimatland großen Kummer und schweres Herzeleid verursachen! Ach, liebe Kinder, ihr habt keinen Begriff von dem Leben, das diese Ritter auf ihren Burgen und Schlössern, in Palästen und am Hofe ihres Königs führen! Welche Pracht bei den Turnieren herrscht, welche Bewunderung von seifte schöner Frauen ihnen entgegengebracht wird. Und dann dieser Minnedienst mit Liedern und Serenaden!“ Bei Zaida stieg die Neugierde aufs höchste. Ihre Fragen wollten kein Ende nehmen, und nach und nach entlockte sie der alten Dienerin die lebendigsten Schilderungen von Festen und Spielen, die sie in der Jugend in ihrem Heimatlande gesehen und erlebt hatte. Die schöne Zoraida richtete sich schnell auf, als Kadiga von den Reizen der spanischen Frauen berichtete, und ging zum großen Wandspiegel, wo sie sich insgeheim mit kritischem Blick, doch hochzufrieden betrachtete. Die zarte Zorahaida drückte sich wieder tief in die Kissen auf ihrer Ottomane und seufzte traurig in sich hinein, als von den feurigen Mondscheinserenaden die Rede war. Jeden Tag kam die neugierige Zaida wieder mit ihren Fragen, und jeden Tag wiederholte die kluge Duena ihre Erzählungen, denen die edlen Zuhörinnen mit größter Aufmerksamkeit lauschten, und manchmal seufzten sie tränenden Auges dabei. Endlich merkte die alte Frau, daß sie dabei war, ein großes Unheil anzurichten. Sie hatte übersehen, daß aus den ihr anvertrauten drei Kindern nunmehr kokette junge Frauen im heiratsfähigen Alter geworden waren, durch deren Adern heiß das Blut pulsierte und deren Herzen nach Liebe verlangten. Es wird Zeit, dachte sich die Duena daher, daß der König benachrichtigt wird, mag er dann verfügen, was ihm richtig erscheint.

Mohammed der Linkshänder saß eines Morgens in einer der kühlsten Hallen der Alhambra auf dem Diwan, als ein Bote von der Festung Salobrena in den Thronsaal geführt wurde, der Kadigas Glückwünsche zum Geburtstag seiner drei Töchter überbrachte. Die kluge Duena sandte dem König ein mit Blumen verziertes, feines Körbchen, in dem auf Weinlaub und Feigenblättern gebettet wie ein Pfirsich, eine Aprikose und eine Nektarine lagen. Als der Monarch die frischen Früchte im verführerischen Reiz beim Anflug ihrer Reife sah, da erriet er sogleich die Bedeutung dieses Geschenkes. Ernst geworden, überlegte er sich: „Die von den Astrologen angedeutete gefährliche Zeit ist also gekommen; meine Töchter sind im heiratsfähigen Alter. Vorsicht ist geboten! Doch was soll ich tun? Richtig ist, daß sie den Blicken der Männer entzogen sind; daß Kadiga klug und treu ihrer Pflicht nachkommt, aus das ist wahr! Die Astrologen verlangten aber, daß ich selbst die Mädchen in Obhut nehme und sie keiner anderen Person anvertraue! Um künftigen Verdruß und Ärger zu vermeiden, muß ich mich ab heute selbst um meine Töchter kümmern.“ So sprach Mohammed und ließ einen Turm auf der Alhambra zum Aufenthaltsort der Infantinnen ausbauen. Dann ritt er an der Spitze seiner Leibwache bis Salobrena, um die drei Schönheiten mit Kadiga und dem Hofstaat in höchst eigener Person auf die Königspfalz in Granada zu bringen.
Ungefähr drei Jahre waren verflossen, seitdem der König seine Töchter zum letzten Mal gesehen hatte. Er traute seinen Augen nicht, als er die wunderbare Veränderung gewahrte, die während dieses Zeitraums mit ihrem Äußern vor sich gegangen war. Sie hatten in wenigen Monaten jene mysteriöse Grenzlinie des weiblichen Lebens überschritten, welche das wilde, ungezähmte, eckige und gedankenlose Mädchen von der aufblühenden und selbstständig urteilenden jungen Frau trennt. Aus Kindern waren Erwachsene geworden! Ähnliches erlebt der Reisende, der aus der reizlosen und kahlen Mancha des kastilischen Hochlandes in die üppigen Täler und schwellenden Hügel Andalusiens gelangt. Zaida war schlank und schön gewachsen, von stolzer Haltung, und unter fein geschwungenen Brauen leuchteten durchdringend tiefe Augen. Sie trat mit gemessenen Schritten ein und machte vor Mohammed eine tiefe Verbeugung, die mehr dem König als dem Vater gelten schien. Zoraida war von mittlerem Wuchs, sie hatte ein bezauberndes Wesen. Sie unterstrich es vorteilhaft durch ausgesuchte Kleidung und geschmackvollen Schmuck und Putz. Lächelnd kam sie auf ihren Vater zu, küsste ihm die Hände und begrüßte ihn mit einigen Versen aus einem arabischen Gedicht, was dem König große Freude bereitete. Zorahaida war schüchtern und scheu, etwas kleiner als ihre Schwestern, und ihre Schönheit hatte jenen zarten einschmeichelnden Charakter, der Liebe und Schutz sucht. Sie war keine Herrschernatur, so wie ihre ältesten Schwestern, auch war sie nicht von blendender Schönheit, wie die zweite; sie schien dazu geschaffen, sich an die Brust des geliebten Mannes zu schmiegen, verwöhnt zu werden und sich glücklich zu fühlen. Schüchtern und zögernd näherte sie sich ihrem Vater und getraute sich auch nicht nach seiner Hand zu fassen, um sie zu küssen. Erst als sie sein väterliches Lächeln sah, kam ihre Zärtlichkeit zum Ausbruch. Voll Freude warf sie sich an seine Brust, umarmte und küsste ihn mit kindlicher Liebe. Mit Stolz, doch auch mit sorgenvoller Verwirrung blickte Mohammed der Linkshänder auf seine Töchter, den während er sich über ihre große Schönheit freute, fiel ihm die ernste Prophezeiung der Astrologen ein. „Drei Töchter! Drei Töchter!“ murmelte er mehrmals in seinen weißen Bart hinein, „und alle im heiratsfähigen Alter! Das sind wahrhaftig lockende Hesperidenfrüchte, die einen Drachen zum Wächter brauchten!“ Bald hatte er alles geordnet und bereitete seine Rückkehr nach Granada vor. Doch vorher ließ er durch die königlichen Herolde verkünden, daß sich jedermann vom Wege fernzuhalten haben, den der König mit seinen Töchtern und Gesinde nehmen wolle, und daß beim Herannahen des Zuges Fenster und Türen zu schließen seien, denn die Infantinnen sollten niemand sehen. Als so alles geregelt schien, brach er auf, geleitet von einem Trupp schwarzer Reiter, häßlichstem Aussehen; deren Rüstungen im Schein der ersten Sonnenstrahlen funkelten. Auf feurigen weißen Pferden ritten die Prinzessinnen neben dem Vater. Weite Seidenmäntel und dichte Schleier verhüllten die so schönen Gesichtszüge der wundervollen Mädchen. Die Schimmel, auf denen sie im Sattel saßen, trugen samtene Decken, reich an Gold und Silber bestickt; Zügel mit Perlen und Diamanten verziert. Am Zaumzeuge hingen Dutzende von silbernen Glöckchen, deren melodischer Klang das Ohr erfreute. Aber wehe dem Unglücklichen, der am Wege zögernd stehenblieb, wenn er den wohlklingenden Ton der Silberschellen hörte! Die Wachmannschaft hatte den strikten Befehl ihn ohne Gnade niederzuhauen! Der königliche Geleitzug näherte sich bereits Granada, als er am Ufer des Genil eine Abteilung maurischer Soldaten einholte, die einen Trupp christlicher Gefangener begleitete. Schon war es zu spät, aus dem Weg zu gehen und sich seitlich in die Büsche zu schlagen, wie es befohlen war. Sie warfen sich also auf den Boden, mit den Gesichtern zu Erde. Ihren Gefangenen befahlen sie, es ihnen nachzutun. Unter den Gefangenen befanden sich aber auch die drei spanischen Ritter, welche den Infantinnen vor einigen Tagen im Pavillon zu Salobrena das Herz hatten höher schlagen lassen. Die Ritter hatten den Befehl des Hauptmanns der Wache wohl nicht verstanden, oder sie waren zu stolz, ihm zu gehorchen. Aufrecht blieben sie stehen und sahen voller Interesse dem prunkvollen Reiterzug entgegen. Als Mohammed diese Missachtung seiner Befehle gewahr wurde, riß er zornig seinen Krummsäbel aus der Scheide, sprengte vorwärts und wollte gerade einen seiner linkshändigen Streiche führen, der wenigstens einen der trotzigen Gaffer zu Boden gestreckt hätte, als die Prinzssinnen ihn umringten und für die Gefangenen um Gnade baten. Sogar die zarte Zorahaida hatte plötzlich ihre Schüchternheit vergessen und setzte sich für die Christen ein. Noch hielt der Maure seinen Säbel hoch in der Luft, als der Führer der Wache vor ihm sein Knie beugte und sagte: „Möge Eure Majestät nicht eine Tat begehen, die im ganzen Reich großen Ärger erregen würde. Dies sind drei spanische Ritter aus edelster Familie, die wir nach hartem Kampfe gefangennehmen konnten; mutig wie Löwen kämpften sie, und erst als ihre Waffen unbrauchbar geworden waren, ergaben sie sich uns. Von hohem Adel sind sie und werden Euch ein hohes Lösegeld einbringen.“ Langsam ließ der König die Hand mit der Waffe sinken und rief: „Nun denn! Ich werde den Christen hier das Leben schenken! Doch ihre Verwegenheit und ihr Trotz verlangen Strafe. Bringt sie daher zu Torres Bermejas und weist ihnen die härteste Arbeit an!“ Das war wieder einer der linkischen Streiche, die Mohammed hin und wieder zu machen pflegte. In dem Aufruhr und dem stürmischen Hin und Her der eben beschriebenen Szene wurde nämlich die außerordentliche Schönheit der drei Prinzessinnen nur allzu deutlich ins Bild gerückt, da sich bei den raschen und unüberlegten Bewegungen ihre Schleier verschoben und sich so der Glanz ihrer schönen Augen und ihre zarte Haut enthüllte. Die spanischen Ritter hatten so die Gelegenheit, den gütigsten Feen aus dem granadinischen Morgenland tief in die Augen zu blicken, was in ihren so jungen Herzen eine lohende Flamme entfachte. Es ist jedoch seltsam und wirklich der Erwähnung wert, daß sich jeder von ihnen in eine andere Infantin verliebt hatte, die ihrerseits vom adligen Auftreten der Gefangenen überrascht waren und alles, was sie von der männlichen Tapferkeit und ihrer spanischen Grandezza gehört hatten, wie Zauberblumen in ihrer Phantasie aufgehen ließen. Der Reiterzug setzte seinen Weg fort, die drei Prinzessinnen ritten nachdenklich auf ihren Zeltern dahin, und von Zeit zu Zeit spähten sie mit verstohlenen Blicken zu den christlichen Gefangenen hinüber, in die sie sich so heftig verliebt hatten. Auf der Alhambra angekommen, sahen sie noch, wie die drei Spanier in den roten Turm gebracht wurden. Das kaum begonnene Idyll schien schon zu Ende zu sein. Die für die Infantinnen hergerichtete Wohnung war so vorteilhaft und schön. Das neue Heim der Königstöchter befand sich im ersten Turm, der etwas abseits vom Hauptpalast der Alhambra stand, doch mit diesem durch die Burgmauer verbunden war, die die ganze Anhöhe umschloß. Auf der einen Seite überschaute man von dort das Innere der Festung und sah auf einen hübschen Blumengarten mit den seltensten Gewächsen. Auf der anderen Seite hatte man die Aussicht auf eine tiefe, schattige Schlucht, die das Gelände der Alhambra von dem des Generalife trennte. Das Innere des Turms war in kleine, gemütliche Gemächer unterteilt. Sie waren in feinstem arabischen Stil gehalten, und ihre Wände waren mit kunstvollem Zierwerk geschmückt. Diese wundervollen Kemenaten umgaben eine hohe Halle, deren gewölbte Decke fast bis zur Spitze des Turms hinaufreichte. Hier konnte man Arabesken, sinnvolle Inschriften, Stuckarbeiten und Stalakiten bewundern sowie zahlreiche in Gold und glänzenden Farben gehaltene Fresken. Der Boden war mit weißem Marmor belegt, und in der Mitte stand ein fein gearbeiteter Alabasterbrunnen; duftende Sträucher und Blumen fassten ihn ein, und schillernde Wasserstrahlen kühlten den Raum, während ihr leises Plätschern ein sanft einschläferndes Geräusch verursachte. Im Saal hingen Goldkäfige und Bauer aus Silberdraht geflochten, mit den schönsten Singvögeln, deren liebliches Zwitschern und Trillern jedes Ohr erfreute.

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