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Die gestohlenen Betten der Frau Holle

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In einem wunderschönen Waldgebiet im Werratal liegt ein kleines, verträumtes, malerisches Städtchen. Es scheint, als wäre hier die Zeit stehen geblieben. Jedes Jahr zu Ostern kommen die Märchenfiguren aus dem Märchenwald in dieses Städtchen und erzählen die seltsamsten Geschichten aus vergangener Zeit. Die Kinder aus der gesamten Umgebung freuen sich dann auf Frau Holle, Hase und Igel, Rotkäppchen, Schneewittchen mit ihren Sieben Zwerg, das tapfere Schneiderlein, die sieben Geißlein, aber auch auf neue Märchenfiguren wie Tabaluga oder Pippi Langstrumpf. So können die Kinder all ihren Lieblingsfiguren die Hand schütteln, mit ihnen sprechen und sich ein Autogramm geben lassen.
Als Hauptattraktion zeigt Frau Holle jedes Mal, wie man das große Bett richtig schütteln muss, damit es auf der Erde schneit und Goldmarie hilft ihr dabei.

Auch vor einigen Jahren zu Ostern sollte es so sein. Doch die böse Schneekönigin hatte schon seit vielen, vielen Jahren etwas dagegen. Sie allein wollte bestimmen, wann und wo es schneit, auf der Erde sollte gar kein Schnee fallen nur in ihrem Reich im hohen Norden.
Und so beschloss sie, das wunderschöne, herrlich weiche Bett von Frau Holle zu stehlen. Dazu holte sie sich zwei Verbündete, den Frost und den Sturm.
Der Frost war ebenfalls nicht interessiert, dass es auf der Erde schneit. Ihm gefiel es, alles erbarmungslos erfrieren zu lassen, was wuchs und gedieh, möglichst bis in alle Ewigkeit.
Auch der Sturm wollte freie Bahn haben, um vor sich her blasen zu können, was ihm in den Weg kam. Doch der Schnee machte ihm mit seiner dicken Decke oft den Spaß zunichte.

Es nahte das Osterfest. Frau Holle, Goldmarie, aber auch die Pechmarie freuten sich darauf, denn zu dieser Zeit gingen sie in das Städtchen, um dort auf dem Märchenfest das berühmte Bett zu schütteln. Sie bezogen es gemeinsam mit einem wunderschönen himmelblauen Bettbezug. Im vergangenen Winter hatten Frau Holle und Goldmarie das Bett jeden Tag ordentlich geschüttelt, so dass es sehr viel Schnee auf der Erde gab und die alte Bettwäsche deshalb arg verschlissen aussah. Auf Anordnung von Frau Holle verstaute Goldmarie das Bett in den großen Tragekorb. Pechmarie sollte es noch gut verschnüren, damit es bei der Wanderung nicht herausfallen konnte. Doch Pechmarie war wieder einmal faul. Statt den Strick um den Korb fest zu verknoten, machte sie nur eine lose Schleife, obwohl sie geschworen hatte, gut zu arbeiten, um endlich das an ihr klebende Pech loszuwerden. Frau Holle verließ sich auf Goldmarie und diese auf Pechmarie.

Der Tag war gekommen. Frau Holle schnallte sich den Tragekorb als Erste auf ihren Rücken, nahm den altbewährten Wanderstock und los ging es. Die beiden Mädchen sangen auf dem Weg so schön zusammen, dass jedem, der ihnen begegnete das Herz aufging.
Zuerst wanderten sie den Märchenwaldweg herunter. Dort kamen sie am Kornfeld von Hase und Igel vorbei. Natürlich! Sie liefen wieder um die Wette.

Nun machten sie zuerst mal Pause.
Von Rotkäppchens Oma gab’s eine Brause.
Dann gingen sie weiter zu den sieben Bergen,
dort winkten Schneewittchen und die sieben Zwerge.
Jetzt waren die sieben Geißlein zu sehen
und eine Vogelhochzeit gar wunderschön.
Am Hexenhaus ging jetzt der Weg vorbei.
Dort stand der Topf mit dem süßen Brei.
Mit der Gans unterm Arm kam Hans im Glück
gerade vom letzten Tausch zurück.
Hänsel und Gretel liefen durch den Wald.
Doch plötzlich wurde es bitterkalt.
Endlich war der Waldrand erreicht.
Jetzt war der Weg zu beschreiten wieder ganz leicht.

Die Schneekönigin wusste, dass in dem kleinen, wunderschönen Städtchen jedes Jahr zu Ostern eine Märchenwoche abgehalten wurde und Frau Holle dort mit ihrem Bett ein Schauschütteln veranstaltete. Also wartete sie mit ihren Verbündeten Sturm und Frost am Rand des Märchenwaldes. Der Sturm hatte sich auf einem Baum gehockt. Er hielt Ausschau und sollte dem Frost und der Schneekönigin melden, wenn Frau Holle, Goldmarie und Pechmarie sich näherten.
Endlich kamen sie. Pechmarie trug als Letzte den Korb mit dem Bett und lief immer einige Schritte hinter Frau Holle her.
Nun gab der Sturm das Zeichen. Die Schneekönigin sah aus ihrem Versteck, wer das Bett trug. Genauso hatte sie es sich gewünscht. Sie gab Frost und Sturm den ausgemachten Fingerzeig. Der Frost ließ es bitterkalt werden. Der Sturm blies mit voller Kraft.
Frau Holle, Goldmarie und Pechmarie klapperten vor Kälte mit den Zähnen. Der Sturm blies erbarmungslos. Keiner konnte sich mehr auf den Beinen halten. Pechmarie wurde mitsamt dem Tragekorb umgeblasen, wobei sich die ohnehin schon lose Schleife vollends löste. Das Bett fiel aus dem Korb und der Sturm blies es zu der Schneekönigin hin. Sie schnappte es sich und flog mit ihren Verbündeten zurück in ihr Reich im hohen Norden.
Kaum waren die Bösewichter weg, wurde es wärmer. Alle drei rappelten sich auf. Zu ihrem Entsetzen sahen sie den leeren Tragekorb am Waldrand liegen. Das Bett war weg. Was nun? Frau Holle jammerte: „Ohne mein Bett wird es auf der Erde nie mehr schneien. Wir müssen es suchen und finden.“
Sie suchten überall, jedoch vergebens. Alle drei waren sehr traurig, trotzdem gingen sie ins Städtchen. Dort erzählten sie dem Bürgermeister, was ihnen zugestoßen war. Dieser trommelte alle Bürger aus dem Städtchen zusammen und nun suchten auch sie nach dem Bett der Frau Holle. Aber keiner fand es.

Mittlerweile trafen auch die anderen Figuren aus dem Märchenwald im Städtchen ein. Sie wollten alle das große Fest feiern. Doch ohne das Bettschütteln von Frau Holle war es nur halb so schön. Der gestiefelte Kater bog in einer goldenen Kutsche gerade auf die Hauptstraße des Städtchens ein, stieg aus, hörte, was geschehen war und sagte: „Ja, ich habe vorhin am Waldrand die Schneekönigin, den Sturm und den Frost gesehen. Sie hatten etwas großes Blaues bei sich.“
Goldmarie war fest davon überzeugt: „Das kann nur das Bett von Frau Holle gewesen sein!“
„Die Schneekönigin wollte schon immer mein Bett haben, damit nur in ihrem Reich Schnee fällt. Was machen wir nun? Wie bekommen wir es zurück?“, wehklagte Frau Holle.
Tabaluga, der kleine Glücksdrache hatte alles mit angehört. Er war gerade angekommen und sagte: „Ich fliege ins Reich der Schneekönigin und schaue nach, wo sie das Bett hat.“
Gesagt, getan! Tabaluga flog los. Am Rande des Reiches der Schneekönigin machte er erst einmal Pause, setzte sich an einen kleinen Fluss und trank das herrlich frische Wasser. Dabei sah er drei Bachforellen beim Spielen zu und bemerkte: „Na, ihr Fischlein, viel Wasser habt ihr aber nicht zum Planschen!“
Der Fluss sah Tabaluga traurig aus an und wehklagte: „Die Schneekönigin und der Frost sind Schuld daran. Sie haben aus Schabernack meinen Oberlauf einfrieren lassen. Nun kommt nicht genug Wasser herunter und die Fische in meinen Fluss schwimmen fort, weil ich auszutrocknen drohe. Dann werde ich sehr einsam sein.“
„Wart nur, bald wirst du wieder genug Wasser führen“, sprach Tabaluga. Schon erhob er sich in die Lüfte. Als er den Oberlauf erreicht hatte, holte er tief Luft und ließ gewaltige Feuerschwaden auf das Eis niederprasseln. Im Nu sprudelte und floss das Wasser wieder quicklebendig zum Fluss hinunter. Dann flog der kleine Drache weiter zum Eiskristallpalast der Schneekönigin.
Plötzlich sah Tabaluga noch einen kleinen Drachen. Es war sein Freund, der kleine Grisu. Dieser wollte einmal Feuerwehrmann werden. Doch anstatt zu löschen, steckte der Kleine immer ungewollt irgendetwas in Brand, denn sein Drachenfeuer verlosch nie.
Als Grisu seinen Freund sah, winkte er ihm zu. Tabaluga erzählte, was passiert war. Grisu war gleich Feuer und Flamme, bereit, seinem Freund bei diesem schwierigen Unterfangen zu helfen. Gemeinsam flogen sie tiefer in das Reich der Schneekönigin. Schon bald erblickten sie den Eispalast.
„Hier ist es aber kalt“, bemerkte Grisu und ein Feuerschwaden schoss aus seinem Maul. Die Umgebung wurde merklich wärmer. Sie flogen über die Palastbrücke, holten tief Luft und ließen Feuerstöße tanzen, wobei das Palasttor schmolz wie Wachs in der Sonne.
Hinter dem Eingang stand der Frost und versuchte die Umgebung so kalt wie nur irgend möglich zu bekommen. Doch die Drachen ließen sich nicht beirren und ungeheure Feuerwalzen kamen auf ihn zu. Eilig wirbelte er davon, um die Schneekönigin zu warnen. Diese ließ nicht lange auf sich warten und trat mit ihren Spießgesellen den Eindringlingen entgegen. „Was wollt ihr hier? Ich lasse euch vom Sturm hinweg blasen!“
Kaum, dass sie diese Worte ausgesprochen hatte, ließ Tabaluga einen Feuerstoß gegen den Sturm los. Dieser bekam es mit der Angst und floh, so ganz schnell er konnte. Dann sprach Tabaluga kämpferisch: „Schneekönigin, gib sofort das Bett der Frau Holle heraus, sonst werden wir deinen Eispalast in Wasser verwandeln!“
Nun bekam auch die Schneekönig Furcht. Sie befahl dem Frost das Bett zu holen. Gehorsam brachte er das Gewünschte und übergab es Tabaluga. Im nächsten Augenblick waren die Freunde in der Luft und flogen in Richtung Fluss. Dort machten sie Halt und tranken von dem klaren Wasser, das jetzt wieder munter vor sich hinplätscherte. Der Fluss war überglücklich und bedankte sich bei Tabaluga. Schon bald verabschiedeten sich die Drachen und flogen zur märchenhaften Stadt. Oh, wie war die Freude groß! Nun konnte das Fest richtig fröhlich gefeiert werden.
Der Kochtopf aus dem Märchen, „Der süße Brei“, kochte für alle. Goldmarie, das Sterntalermädchen schenkte jedem einen Goldtaler, Rotkäppchen tanzte, seine Oma verteilte Kuchen. König Drosselbart schenkte jedem eine Tasse Tee ein. Wer wollte, konnte sich von der Geißenmutter aus dem Märchen, „Der Wolf und die sieben Geißlein“ Milch holen. Dann war es so weit. Frau Holle und Goldmarie schüttelten die Betten. Es schneite dicke, weiße Flocken, die jedoch nicht liegen blieben, dafür war es schon zu warm. Aber es sah trotzdem wunderschön aus! Alle waren glücklich!

So wurde das Märchenfest zu Ostern doch noch gerettet. Zum Festumzug durften Tabaluga und Grisu gemeinsam mit dem gestiefelten Kater in dessen goldener Kutsche durch die Stadt fahren und den Zuschauern Bonbons und Konfekt zuwerfen. Jedermann bejubelte die kleinen Helden. Grisu musste fortwährend aufpassen, dass er sein Maul nicht zu weit aufriss, um niemanden zu verbrennen. Dank der beiden wird es im Winter wieder Schnee auf der Erde geben. Die Schneekönigin hat es nie wieder gewagt, Frau Holles Bett zu stehlen. Und wenn es zu Ostern schneit, dann ist es in dem märchenhaften Städtchen wieder soweit.

Quelle: Friedrich Buchmann

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