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Die Häßliche, die hübsch wurde

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Es war einmal eine alte Frau, die hatte eine Enkeltochter, die häßlich war wie die Nacht. Die Alte wohnte dem Königspalast gegenüber, und sie setzte sich in den Kopf, ihre Enkelin eines Tages mit dem König zu verheiraten. Sie dachte sich eine List aus. Jedesmal, wenn der König zu einem Spaziergang ausging und an ihrem Haus vorüberkam, goß die Alte eine Schüssel Parfüm auf die Straße und sagte: »Das Wasser, in dem meine Enkeltochter sich wäscht, duftet, daß ein Wohlgeruch aufsteigt.« Dies geschah so oft, daß der König aufmerksam wurde, und er bat die Alte, sie möge ihn ihre Enkelin sehen lassen, die sich in so wohlriechendem Wasser wusch. Die Alte entschuldigte sich und sagte, das ginge nicht, da ihre Enkelin sehr schamhaft sei; jedoch würde sie es schon einrichten, denn sobald es Nacht wäre, würde sie mit ihr einen Besuch machen gehen, und mittels dieser Täuschung würde sie sie ins Schloß bringen. Sie sagte dem König auch, daß ihre Enkelin das allerhübscheste Gesicht habe. Der König wartete bis es Nacht wurde und als er schließlich das vereinbarte Zeichen vernahm, ging er das Mädchen holen. Die Alte entfernte sich und dachte, daß der König mit ihrer Enkeltochter zusammenbliebe. Als der König in sein Zimmer kam und das Licht anzündete, erblickte er eine schrecklich häßliche und reizlose Frau. Er war erbost über diesen Schwindel, und in seinem Zorn zog er sie völlig aus und sperrte sie auf einen Balkon, wo sie der feuchten Nachtluft ausgesetzt war. Das arme Mädchen konnte sein Unglück nicht fassen und war vor Kälte und Angst vor der Dunkelheit halb tot. Da kam um Mitternacht eine Gruppe von Feen vorbei, die umherzogen, um einen Prinzen, der das Lachen verloren hatte, zu belustigen. Sobald der Prinz das nackte Mädchen sah, brach er in lautes Gelächter aus. Die Feen waren darüber sehr froh, und als sie sahen, daß der Grund dafür jenes nackte, dunkle und häßliche Mädchen war, sprachen sie zu diesem: »Wir wollen dich verzaubern, auf daß du das schönste Mädchen auf der Welt seiest.« Als der König am Morgen nachsehen kam, ob das Mädchen gestorben wäre, fand er es wunderschön und er war über seinen Irrtum verblüfft. Er bat sie vielmals um Verzeihung und hielt sogleich um ihre Hand an. Sie heirateten, und man veranstaltete ein großes Fest. Die alte Großmutter, die dem Palast gegenüber wohnte, erfuhr, daß die neue Königin ihre Enkeltochter war. Sie ging in den Palast und bat um eine Unterredung. Sie trat zu ihrer Enkeltochter und fragte sie ganz leise: »Wer hat dich so hübsch gemacht?« Die Enkelin antwortete wahrheitsgemäß: »Ich bin verzaubert worden.« Da die Alte jedoch ein wenig taub war, verstand sie: »Ich bin gehäutet worden.« Der König schenkte ihr zum Abschied viel Geld und sie ging schnurstracks zu einem Barbier, um sich häuten zu lassen, denn sie wollte wieder jung sein. Der Barbier wollte dies nicht, da gab sie ihm alles Geld, das sie bei sich trug, und so machte er sich schließlich daran, ihr die Haut abzuziehen. Die Alte starb unter großen Qualen und dachte doch, daß sie hübsch werden würde.

[Portugal: T. Braga: Contos tradicionaes do povo portuguez]

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