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Märchenbasar

Die kluge Kasia

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Es gingen zwei Bauern des Weges, ein Gevatter mit dem anderen, sagte der eine:
„Na, was hört man bei Euch?“ Antwortete der:„Die Sorge hat Einzig gehalten, meine Tochter ist erwachsen, und ich wäre glücklich, wenn sie sich verheiraten würde, aber es findet sich niemand.“ Der zweite antwortete: „Grämt Euch deswegen nicht, ein Eidam findet sich immer.“ Und schon begann er zu berichten, was sich – wie sein Großvater erzählte – einst im Dorf zugetragen hatte.

Es lebte nämlich in diesem Dorf ein sehr kluger und begüterter Herr, der aber schon im gesetzten Alter war und wohl schon über vierzig Jahre zählte. Er fuhr durch die Städte und übers Land, aber nirgendwo gefiel ihm eine so, daß er sich mit ihr hätte vermählen wollen, denn er suchte keine Frau mit Vermögen, sondern eine mit Verstand. Nun lebte aber auf seinem Hof ein Viehhirt, Szymon mit Namen, und dieser Szymon hatte eine Tochter namens Kasia. Die aber sagte zu ihrem Vater: „weißt du, Väterchen, wenn der Herr keine Frau finden kann, dann sag es ihm doch, daß ich ihn nehmen würde.“ Der Vater aber antwortete: „Bist du von Sinnen? Eher wirst du ohne Atem pfeifen, als daß der Herr sich mit dir vermählt. Er fährt durch alle Städte und Dörfer und kann keine finden, da sollte er dich nehmen?“ Da entgegnete sie: „Darüber zerbrich dir nicht den Kopf Väterchen, sag es nur dem Herrn.“ So bedrängte sie den Vater am ersten Tag, auch am zweiten und dritten, daß er dem Herrn das Anliegen vortrage, wenn aber nicht, so würde sie selbst zum Herrn gehen und es ihm sagen. Und schließlich als der Herr eines Morgens nach den Kühen sah, ging Szymon zu ihm und sagte: „Herr, Ihr könnt nirgendwo eine Frau finden, doch wenn Ihr wollt, würde meine Tochter Euch heiraten.“

Als der Herr diese Worte vernahm, trieb es ihm die Schamröte ins Gesicht, und er ging wütend in sein Haus. Nach einem Augenblick kam er aber wieder zu Szymon heraus, brachte ein paar gekochte Eier und sprach: „Gib sie deiner Tochter und sag ihr, sie soll sie der Henne unterlegen, auf daß sie bis zur Hochzeit Küken ausbrüte.“ Szymon faßte sich an den Kopf, nahm die Eier, ging zur Tochter und sprach zu ihr: „Siehst du, das sind so Herrenpossen, aus gekochten Eiern soll die Glucke Küken ausbrüten. Er befahl, daß du ihr diese Eier unterlegst, damit sie Küken ausbrütet.“ Da sagte Kasia: „Sorge dich nicht darum, Väterchen, merk dir nur immer gut, was der Herr sagt.“ Danach holte sie einen Topf mit gekochter Grütze, scharrte die Reste heraus, gab sie dem Vater und sprach: „Gib sie dem Herrn, Väterchen, er soll diese Grütze aussäen, damit daraus Korn für die Küken wachse, und wenn es reift, dann wird es auch aus gekochten Eiern Küken geben.“ Szymom nahm alles, um es dem Herrn zu überbringen, der Herr nahm die Grütze, sagte aber nichts.

Am übernächsten Tag sah der Herr wieder nach den Kühen. Als ihm Szymon begegnete, riß er ihm einige Dutzend Haare aus und sagte dann: „Hier bring sie deiner Tochter, sie soll daraus Linnen für ein Hochzeitshemd weben.“ Szymon brachte sie der Tochter und sagte: „Hier hast du den Ärger, der Herr hat befohlen, daß du aus diesen Haaren Linnen für ein Hochzeitshemd webst.“ Sie aber antwortete wieder: „Sorge dich nicht, Väterchen, wenn du nur gut aufpasst, was der Herr sagt, wird alles gut.“ Dann brach sie einige Ruten vom Besen und sagte: „Nimm das und bring es dem Herrn, er soll daraus einen Webstuhl arbeiten lassen, dann bekommt er auch sein Linnen.“ Szymon ging, übergab die Reiser, der Herr nahm sie und entgegnete nichts.

Am dritten Tag sah der Herr wiederum nach den Kühen, und da sagte er zum Knecht: „Szymon, ich gebe deiner Tochter ein Rätsel auf, sie soll mir antworten auf die Frage: „Was ist am schnellsten, was ist am fettesten und was ist am schönsten?“ Szymon ging, kratzte sich am Kopf und dachte bei sich: „Das sind so Herrenpossen.“ Dann sagte er zu seiner Tochter: „Der Herr hat dir ein Rätsel aufgegeben; du sollst ihm sagen, was am schnellsten sei, was am fettesten und was am schönsten. Wir haben hier ein Kalb, das schon einige Monate alt ist, und es kann wahrhaftig schnell laufen, aber das wird es wohl nicht sein. Wir haben ein Schwein, das schon ein Jahr gemästet wird und ziemlich fett ist, doch wer weiß, ob das gemeint ist. Aber etwas Schöneres als dich, Kasia, kenne ich nicht.“
Kasia aber entgegnete: „Sorge dich nicht, Väterchen, sondern geh zum Herrn und sag:
am schnellsten ist das Auge, am fettesten die Erde, am schönsten das Schlafen.“
Dem Herrn gefiel die Antwort, aber er erwiderte nichts darauf, sondern ging in sein Haus.

Am vierten Tag sah er wieder in den Stall und sprach zu Szymon: „Wenn deine Tochter erfüllt, was ich verlange, dann heirate ich sie! Sag ihr dieses: sie soll morgen kommen, früh und nicht früh, weder am Tag noch in der Nacht, fahrend und nicht fahrend, bekleidet und unbekleidet, mit Geschenk und ohne Geschenk.“ Szymon ging zur Tochter, erzählte ihr alles, was der Herr aufgetragen hatte, aber es war ihm gar nicht wohl dabei, weil er nicht verstand, was das alles heißen sollte. Kasia aber sprach zu ihm: „Sorg dich nicht, Väterchen, ich weiß damit schon etwas anzufangen.“ Dann griff sie sich einen Ziegenbock, wickelte sich nackt in ein Fischnetz, nahm ein Kaninchen, denn der Herr hatte alle Hunde auf dem Hof losgelassen, des weiteren tat sie eine Taube in einen Korb, und als der Morgen dämmerte, setzte sie sich auf einen Ziegenbock und ritt zum Gehöft.

Und sie lief auf ihren Beinen und saß doch auf dem Bock und näherte sich dem Hof noch nicht im Tageslicht und nicht mehr in der Nacht, sie war bekleidet und trug doch kein Kleid. Als die Hunde sie erblickten, liefen sie neugierig heraus, da aber ließ sie das Kaninchen frei, und alle Hunde rannten hinter diesem her, sie aber ritt auf dem Ziegenbock in den Hof.

Der Herr sah sie, daß sie wahrhaftig nicht ging und nicht ritt, nicht am Tag und nicht in der Nacht kam, angekleidet und unbekleidet war.Da lief er ihr entgegen, sie aber nahm die Taube aus ihrem Korb und reichte sie ihm.Er streckte die Hand aus und wollte sie ergreifen, sie aber ließ sie fliegen und sprach: „Hie habt Ihr, Herr, ein Geschenk und doch kein Geschenk.“ Da nahm der Herr sie in sein Haus, hüllte sie in reiche Gewänder, setzte den Tag der Hochzeit fest und lud die Gäste ein.Doch bevor sie zum Altar schritten, mußte sie ihm geloben, sich nicht in seine Entscheidungen einzumischen, wenn anders würde es sogleich zur Trennung kommen. Sie feierten Hochzeit, die dauerte einen Tag, dann noch einen und schließlich die ganze Woche.

Damals herrschte ein solches Gesetz, daß jeder Herr auf seinem Hofe Gericht abhielt. Und es begab sich, daß ein Bauer zu seinem Sohn fuhr und zur Nacht in einem Gasthof einkehrte. Er hatte eine trächtige Stute, die fohlte in der Nacht. Am Morgen ging der Schankwirt, das Pferd aus dem Stall herauszulassen, und als er das Fohlen auf der Schubkarre sag, sagte er: „Oho, meine Schubkarre hat gefohlt.“ Der Bauer versicherte, daß es sein Fohlen sei, denn seine Stute habe in der Nacht geworfen, der Schankwirt aber wollte das Fohlen nicht herausgeben. So stritten sie und brachten den Fall vor den Herrn. Der Schankwirt sagte: „Als ich morgens in den Stall ging, um das Pferd für die Weiterfahrt herauszulassen, da fand ich auf der Schubkarre das Fohlen. Die Karre gehört mir, also ist auch das Fohlen mein.
Der Herr sagte: „Du hast recht, wem die Karre gehört, dem muß auch das gehören, was darauf liegt.“ Und er sprach dem Schankwirt das Fohlen zu. Kasia war bei der Verhandlung zugegen, und es verdroß sie sehr, daß dem Bauern Unrecht geschah.

Da rief sie den Bauern heimlich zu sich und sprach zu ihm: „Morgen gegen Nachmittag werden wir an dem höchsten Berg vorbeifahren; holt ein Netz und legt es auf dem Berg aus. Wenn wir vorbeifahren, dann tut so, als ob Ihr Fische fangen wolltet auf dem Sand.“ Der Bauer tat, was ihn Kasia geheißen hatte. Als am folgenden Tage die Herrschaften vorbeifuhren, fragte der Herr den Bauern: „Was tut ihr dort mit den Netzen?“ Er antwortete: „Ich fange Fische.“ Der Herr sagte: „Habt Ihr den Verstand verloren, auf diesem Berg, noch dazu ohne Wasser, Fische fangen zu wollen?“ Darauf antwortete der Bauer: „Und Ihr, Herr, nicht ebenfalls den Verstand verloren, wenn Ihr meint, daß eine Schubkarre fohlen kann?“
Da erkannte der Herr, daß er den Fall schlecht gerichtet hatte, und befahl sogleich, dem Bauern das Fohlen zu geben. Gleichwohl wußte er, daß es Kasia gewesen war, die dem Bauern geraten hatte, was er tun sollte.

Das wurmte ihn sehr, und er befahl, sofort nach allen Gästen auszusenden, die auf der Hochzeit gewesen waren, damit er vor ihnen die Scheidung des Bundes, der bei der Trauung geschlossen wurde, vollziehen könnte. Alssich alle versammelt hatten, verkündete ihnen der Herr, daß er nicht mehr der Ehemann der Kasia sei und sie nicht mehr sein Eheweib, und sie bestätigten, daß sie gerade gegen das verstoßen hatte, was sie vor der Trauung gelobt hatte. Danach sagte der Herr zu ihr: „Du kannst zu deinem Vater zurückkehren, aber ich verwehre dir nicht das mitzunehmen, was dir das liebste, das teuerste und das kostbarste ist.“ Dann richtete er noch das Scheidungsmahl, sie aber verleitete alle Herren, daß jeder ihm zu trank, soviel er nur vermochte, weil sie wollte, daß er sich berauschte. Sie traten mit großer Freude zum Gutsherrn, und er mußte mit diesem ein Glas, mit jenem ein Kelch leeren. Da betrank sich der Herr so gewaltig, daß er von dieser Welt nichts mehr wußte. Kasia aber befahl, die Pferde anzuspannen und den Herrn auf den Wagen zu legen. Kasia setzte sich neben ihn und fuhr mit ihm zusammen zu ihrem Vater.

Hier trugen sie ihn aus dem Gefährt in die Kammer und legten ihn auf ein Lager aus einfachem Stroh, der Herr aber wußte nicht, was mit ihm geschah, so fest schlief er.
Als er wieder zu sich kam, blickte er sich um und sah niemanden, nur seine Kasia.
Da fragte er: „Was bedeutet das? Wobefinde ich mich?“ Sie umarmte ihn und sagte: „Bei meinem Vater. Du hast mich geheißen, das Liebste, Teuerste und Kostbarste mitzunehmen, und so habe ich dich mitgenommen, weil ich nichts habe, was mir lieber, teurer und kostbarer wäre als du.! Da erkannte der Herr, wie klug seine Kasia , war, und sah, daß sie sich immer zu helfen wußte. Eilig schickte er zu seinem Gut nach den Pferden, danach saßen sie auf und ritten zum Hof. Als sie ankamen, waren die Gäste noch da. Der Herr verkündete allen, daß er Kasia für immer zum Weib nähme, gab ihr die Schlüssel in die Hände und erlaubte ihr, alles nach seinem Gutdünken zu verwalten. Da wurde Kasia eine große Herrin, Szymon aber brauchte nicht mehr das Vieh zu weiden, und damit endet die Geschichte.

Quelle: Ulanowska S. Lukowiec/ Garwolin 1844

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