Suche

Die Mär von den Räubern

1
(1)

Ein Gastwirt ging einmal mit seiner Frau auf den Jahrmarkt und ließ nur seine Tochter allein im Wirtshaus, um zu schenken. Öfter hatten sie diese schon allein gelassen, aber nie war etwas Schlechtes vorgekommen. Aber diesmal waren nur wenige Menschen im Dorf geblieben. Da traten nur einmal zwölf Räuber in das Wirtshaus: »Guten Tag, unser Mädchen.« – »Ich danke Euch«, sagte das Mädchen. Es erschrak furchtbar, ließ aber nichts merken und redete fröhlich mit ihnen. »Was wünscht Ihr, gute Leute? Bitte zum Tisch.« – »Hast du gute Getränke?« – »Ich habe, geduldet nur ein wenig, daß ich Euch frisches aus dem Keller bringe.« Sie nahm die Flasche und ging. Im Keller aber wetzte sie ein großes Messer und stellte sich hinter die Türe. Jetzt, die Räuber setzten sich an den Tisch und warteten und warteten, das Mädchen aber kam nicht mehr. Als sie nun sahen, daß das Mädchen nicht kam, schickte der Anführer der Räuber den jüngsten, er solle gehen und nachsehen, was es sei, daß sie nicht mehr mit dem Branntwein käme. Er ging, und als er den Kopf zur Türe hineinsteckte, hieb das Mädchen ihm ihn mit dem Messer ab. Die andern warteten, aber weder kam das Mädchen noch der Räuber. »Nun mußte ich auch grade den jüngsten schicken, jetzt kommen sie grade nicht, die werden unten plaudern und Späße machen und vergessen auf uns«, sagte der Anführer und schickte einen andern. Als der den Kopf zur Türe hineinsteckte, buff, fiel auch sein Kopf in den Sand. Und so ging diese Arbeit fort, bis das Mädchen elfen die Köpfe abgehauen, daß nur noch der Anführer blieb. Als nun dieser sah, daß niemand mehr aus dem Keller heraufkam, fürchtete er, es wäre etwas nicht Gutes dort geschehen und ging auch, aber mit Sorge und langsam, so daß das Mädchen ihm den Kopf nicht abhauen konnte, sie zerhieb nur das Ohr. Aber doch erschrak er so, daß er sich auf die Beine nahm und bis in den Wald floh immer »tulai« schreiend vor Schmerz.
Abends, als ihre Eltern vom Jahrmarkt kamen, sagte das Mädchen: »Sieh, Vater, wie es mir ergangen, so und so. Komm in den Keller, daß wir jetzt die Räuber begraben.« Sie gingen beide, und als sie in den Keller kamen, reichte ihnen das Blut bis an die Knie. Des Wirtes bemächtigte sich ein Grausen, daß er zitterte, tulai, was hätte mit dem Mädchen geschehen können, wenn sie nicht so tapfer gewesen wäre. Nun, sie begruben sie und sagten niemandem ein Wort von dieser Sache, und das Mädchen lebte mit seinen Eltern ein Jahr lang in Frieden, es ereignete sich nichts. Nur einmal eines Tages kam ein Freier, ein schöner und kräftiger, aus einem andern Dorf, um das Mädchen. Und weil er schön war, gefiel er dem Mädchen und seinen Eltern. Aber er nahm die Kappe nicht ab und zog sie auf einer Seite übers Ohr. Das Mädchen aus dem Wirtshaus hatte auf den Anführer der Räuber vergessen und dachte nicht mehr daran, wie sie ihm das Ohr abgeschnitten. (Der Rumäne hält die Kappe oft auch in der Stube auf dem Kopf, auch bei Tisch und auch beim Tanze, deswegen fällt es gar nicht auf.) Sie hatten Verlobung und nachher auch Hochzeit. Als die Hochzeit vorüber, ging sie mit ihm auf seinen Hof. Aber wo hatte er seinen Hof? Sie gingen bis in den Wald, und als sie in den Wald gekommen, gingen sie weiter, bis sie an eine tiefe Vertiefung kamen, in dieser war ein Häuschen (coliba), wie sie die Räuber haben. Dort hinein gingen sie, und nun nahm sich der Mann auch die Kappe vom Kopfe, und gleich wußte die junge Frau, wo sie sei und wer ihr Mann war. Das Ohr war zwar geheilt, doch das Zeichen geblieben. Viele Räuber saßen um das Feuer und ein Mädchen von etwa zwölf Jahren. Über dem Feuer hing ein großer Kessel, aber nur halb mit Wasser. Der Anführer sprach zu diesem Mädchen: »Geht mit der jungen Frau und bringt noch Wasser.« Sie gingen ziemlich weit bis zu einem Rohrbrunnen. Als sie dort anlangten, sagte das Kind zur jungen Frau: »Die Räuber haben den Kessel übers Feuer gehangen, um dich zu kochen, weil du ihre Freunde umgebracht.« Diese hatte so etwas gefürchtet und wollte fliehen, nur einmal sah sie einen Mann aus der Mühle kommend mit einem Wagen voll Mehlsäcken, und dieser Mann war grade aus ihrem Dorf. Sie bat ihn, er möge einen Sack in den Graben schütten und statt dem Mehl sie hineinstecken, ihr Vater werde ihm mehr bezahlen als das Mehl. Er leerte das Mehl und half ihr in den Sack, legte sie unterst und alle Mehlsäcke auf sie, so fuhren sie heim. Als das Kind mit dem Wasser nach Hause kam, fragten die Räuber gleich, wo die junge Frau geblieben? Dieses sagte ihnen, sie sei in den Wald geflohen. Nun nahmen sie sich alle hinter ihr, fanden aber nichts außer einem Wagen mit Mehlsäcken, diese zerstachen sie ganz mit einem Messer und verstreuten das Mehl, doch der unterste blieb unversehrt. Dann kehrten sie zornig um. Die Tochter aber gelangte zu ihren Eltern, und sie freuten sich alle, daß sie noch einmal von den Räubern frei geworden. Wieder verging ein Jahr. Und nur einmal kam wieder ein Freier, fein und schön, so daß er der Tochter gefiel und auch den Eltern, aber sie hatte jetzt die Augen offen und sah gleich, daß er die Kappe nicht abnahm und das Kleid nicht ablegte, er sagte, es sei in seinem Dorf so der Brauch. Die Tochter sprach zum Vater: »Geh in die Stadt und bring die Gendarmen, dieser Mann ist nicht richtig. Ich will ihn halten mit schönen Worten, bis du zurückkommst.« Der Alte eilte schnell. Die Tochter sprach zum Bräutigam: »Komm, kleide dich um, ich habe dir ein neues Hemd gemacht, gesteppt mit Seide, damit ich sehe, ob’s gut getroffen.« Er wollte nicht und sagte: »Laß, ich schäme mich, bis wir getraut, dann gehen wir nach Hause, dann werde ich mich ausziehen.« So plauderten sie hin und her, bis der Schenkwirt mit den Gendarmen kam. Als diese ihn sahen, legten sie gleich die Hand auf ihn und nahmen ihm die Kappe vom Kopf und sahen am Ohr das Zeichen und zogen ihm das Kleid aus, nur einmal steckten im Gürtel ringsherum Pistolen. Jetzt erkannten ihn alle, wer er sei. Sie nahmen ihn, führten ihn ins Gefängnis und henkten ihn. Seit sich dieses ereignet, gibt von den Rumänen niemand seine Tochter einem fremden Burschen, bis man nicht »auf Besehen« gewesen (la cautare de loc).

Lina Subtirel, Alzen
[Rumänien: Pauline Schullerus: Rumänische Volksmärchen aus dem mittleren Harbachtal]

Wie hat dir das Märchen gefallen?

Zeige anderen dieses Märchen.

Gefällt dir das Projekt Märchenbasar?

Dann hinterlasse doch bitte einen Eintrag in meinem Gästebuch.
Du kannst das Projekt auch mit einer kleinen Spende unterstützen.

Vielen Dank und weiterhin viel Spaß

Skip to content