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Die Nase voll Gold

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Als es sich herumsprach, daß man jenseits der Wälder und Wiesen Gold gefunden hatte, zogen Scharen von Abenteurern nach Westen. Aber das Gold versteckte sich wie ein schlaues Füchslein hinter einem Baum, und so fanden die meisten nicht ein Körnchen.
Doch nun hört die Geschichte:
In einer kleinen Stadt im Westen saßen eines Abends, wie an jedem Abend, die Männer von der Kneipe, spielten Karten und erzählten von Erfolg und Missgeschick bei der Goldsuche, da kam ein bärtiger Kerl herein. Der ging an die Theke und begann, als er sein Glas zwischen den Fingern drehte, leise, wie zu sich selber zu reden: „ Da bin ich aber sehr erstaunt! Hier schlagen die Männer sich die Zeit beim Kartenspiel tot, und ein paar Schritte weiter liegt das Gold in Klumpen und wartet nur darauf, dass jemand kommt und es ausgräbt!“
Die Spieler ließen die Karten aus den Händen fallen, die Trinker vergaßen, die Gläser an den Mund zu führen. Alle dachten nur eins: Gold. Und sie sprangen und umdrängten den Bärtigen, und überhäuften ihn mit Fragen: „ Wo ist das Gold?
Ihr habt Gold gefunden? Und ist noch genug für uns übriggeblieben?“
Der Bärtige ließ sich bewirten, bekam ein gutes Abendessen, ließ es geschehen, dass der Wirt eine Flasche vom besten Whisky vor ihn hinstellte, und sagte endlich zögernd: „ Ja, Gold! Dort oben im Bach liegt so viel Gold, dass man es schon von weitem mit bloßem Auge sehen kann.“ Die Männer stießen einander an.
„ Aber das ist noch nicht alles“, fuhr der Bärtige fort. „ Weht endlich mal ein leichter Wind, fliegt der Goldstaub auf und dringt einem in die Nase und Kehle. Ja, ja, man erstickt am Gold“
„ Das kann nicht wahr sein“, riefen einige. Aber andere schriengleich: „Warum sollte es nicht wahr sein? Sieht dieser Mensch etwa so aus, als ob er die Unwahrheit erzählt?“
Der Bärtige nickte, tat einen tüchtigen Schluck und erzählte weiter: „ Am schlimmsten sind die Männer dran, die Schnupfen und Husten haben. Wenn einer niesen muß, fliegt ihm soviel Goldstaub aus der Nase, daß man dafür ein Haus und noch Wagen und Pferde dazu kaufen könnte. Wenn einer hustet, verliert er das Drei – wenn nicht gar Vierfache. Wer also Schnupfen und Husten hat, tut gut daran, beides auszukurieren, ehe er zum Bach geht.“
In der Kneipe summte es wie in einem Bienenstock. Einer überschrie den andern, jeder gab Anweisungen und Ratschläge, und alle vereinbarten, sich am anderen Morgen zu treffen. Der Bärtige schwieg nun, trank die Flasche leer und ging an die frische Luft. Am anderen Morgen war der Teufel los. Obwohl es noch dunkel war, strömten Scharen von Goldgräbern durch die Gassen. Als sie an den Bach kamen, ging gerade die Sonne auf. Sie krempelten dennoch die Ärmel hoch, gruben Schaufeln in den steinigen Boden und siebten Sand. Doch kein Körnchen Gold blieb auf den Pfannen zurück. Immer wieder versuchten sie ihr Glück. Aber der Bach und die Krähen in den Weidenbäumen dazu schienen sie zu verhöhnen. Gegen Abend entdeckte einer der Goldgräber an einem Strauch ein Stück Papier. Er kroch aus dem Wasser und las: „ Besten Dank für die freundliche Aufnahme, das Abendessen war gut, der Whisky nicht schlecht. Dummerweise habe ich aber eine so große Nase, dass sich aller Goldstaub darin festgesetzt hat. Wartet jedoch, bis ich einmal niesen muß, dann fällt vielleicht auch für euch etwas ab.“

Quelle:
Nordamerika

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