5
(1)
Es war einmal ein armer Hintersasse, wie es viele wol gibt; der wohnte tief im Walde. Er hatte zwei Kinder, einen Knaben und ein Mädchen. Eines Tages sagte der Hintersasse, daß sie ausgehen, und kleines Reis hauen sollten. Die Kinder gehorchten; der Knabe nahm eine Axt, die Schwester folgte ihm, und so zogen sie in den Wald, um Reis zu hauen, wie ihnen ihr Vater befohlen. Aber wie sie vorwärts und zurückwanderten, konnten sie zuletzt nicht den Weg nach Hause finden. Der Mittag kam, der Abend kam, und je länger es dauerte, desto mehr vertiefen sich die armen Kinder in die Wildniß. Da ward das Mädchen ängstlich, und setzte sich auf einen umgefallenen Baum, und weinte bitterlich; der Knabe aber war guten Muthes und tröstete seine Schwester, so gut er es vermochte. »Weine nicht« sagte er, »ich will für uns eine Hütte bauen; am Morgen, wenn es tagt, finden wir schon wieder heim.« Gesagt und gethan; er nahm seine Axt, und baute eine kleine Hütte aus kleinen Reisern; das Mädchen trocknete nun ihre Thränen ab, und so blieben sie über Nacht im Walde.
Am folgenden Morgen begannen die Kinder des Hintersassen wieder ihre Wanderung, aber eben so wenig wie den Tag vorher, konnten sie den Weg finden. Als sie nun Beide lange schon gewandert waren, ward das Mädchen müde und setzte sich nieder, und weinte bitterlich. »Weine nicht,« tröstete der Bruder, »der Tag ist lang, und wir kommen wol heim, ehe die Sonne in den Wald geht.« Das Mädchen sagte: »ich vermag nicht länger zu gehen, ich bin so hungrig, so hungrig.« Der Knabe aber behielt seinen guten Muth, und meinte, er würde schon Hilfe für den Kummer finden. Er bat nun seine Schwester, zurückzubleiben, während er fortging, um ihr Nahrung zu verschaffen.
Als der Knabe eine Weile gewandert war, kam er zu einer kleinen Hölzung; mitten in der Hölzung war eine kleine Stube, deren Dach aus bloßen Würsten bestand. Da ward er frohen Sinnes und schlich ganz nahe hin, um zu sehen, ob er zu der schönen Speise kommen könnte. Man vernahm nichts, und der Knabe erdreistete sich zuletzt, auf das Dach der Stube hinaufzukriechen. Er guckte in diese durch ein Rauchloch hinab, und sah einen alten Riesen, der darin zugleich mit seinem Weibe wohnte. Da wollte der Knabe sich hinweg begeben, aber der Riese bemerkte das Gepolter, und rief mit rauher Stimme: »Wer ist es, der auf meinem Dache zappelt?« Der Knabe antwortete mit schwacher Stimme: »Blos ein kleiner, kleiner Vogel.« »Ja so,« brummte der Riese, »dann kannst du keinen Schaden thun.« Der Knabe nahm einen Bund Würste, und sprang schnell zu seiner Schwester fort, die während der Zeit mit großer Angst und Furcht seine Ankunft abwartete.
Es waren so einige Tage vergangen, ohne daß die beiden Geschwister irgend einen Mangel erlitten, obschon sie den Weg aus der Wildniß nicht finden konnten. Als nun der Speisevorrath zu Ende war, mußte der Knabe sich wieder nach dem Orte begeben, um mehreres herbeizuschaffen. Er schlich sich daher zu der Stube des Riesen, deren Dach aus bloßen Würsten bestand, und kroch leise auf das Dach hinauf. Aber der Riese hörte das Geräusch und rief mit barscher Stimme: »Wer ist es, der auf meinem Dache zappelt?« Der Knabe antwortete mit schwacher Stimme: »Blos ein kleiner, kleiner Vogel.« »Ja so,« antwortete der Riese, »da kannst du keinen Schaden thun.« Der Knabe nahm hierauf einen Bund Würste, wie das vorige Mal, und sprang eilig zu seiner Schwester fort, die mit Unruhe abwartete, wie seine Fahrt ablaufen mochte.
Nach einiger Zeit sollte sich der Knabe wieder hinwegbegeben, um Nahrung für sich und seine Schwester herbeizuschaffen. Diesmal wollte das Mädchen mitgehen, um zu sehen, wie es sich zutrage. Der Knabe willigte lange nicht in ihr Begehren ein, und meinte, es wäre besser, er ginge allein. Aber die Schwester war beharrlich, und wie es in solchen Fällen zu gehen pflegt, behielt sie zuletzt recht. Als sie nun zur Stube des Riesen kamen, ward dem Mädchen bange, und begann zu weinen. »O! schweig,« tröstete der Bruder, »du sollst sehen, es ist nicht so gefährlich.« Er kroch hierauf auf das Dach, und warf die Würste seiner Schwester zu, die unten stand. Als der Riese das Geräusch hörte, brummte er wie früher: »wer ist’s, der auf meinem Dache zappelt?« Der Knabe antwortete mit heller Stimme: »Blos ein kleiner, kleiner Vogel.« Das Mädchen konnte aber jetzt ihr Lachen nicht mehr zurückhalten, sondern schrie laut: »Hi, hi, hi.« Da wurde dem Knaben bange, und er wollte forteilen; in demselben Augenblicke aber glitt er aus, brach auf dem Dache das Loch ein, und er fiel über Hals und Kopf durch die Oeffnung hinab. Als das Mädchen dieses Unglück sah, erschrak es sehr, und floh eilig in den Wald zurück.
»Ja, nun sehe ich, was für ein kleiner Vogel du bist,« sagte der Riese, als der Knabe durch das Stubendach herabfiel. Er sprach hierauf mit seiner Frau, und sagte: »Mutter! nimm den Knaben, und mäste ihn gut, daß wir in einigen Tagen einen guten Braten er halten können.« Das Riesenweib that, wie der Mann zu ihr gesprochen, ergriff den Knaben, und sperrte ihn in eine Stube ein. Hier fand er Nußkerne und süße Milch, so viel ihm zu essen gelüstete, und er wurde bald stärker und fetter, als er es vorher gewesen.
Es ging so einige Zeit vorbei, und der Riese wollte wissen, ob der Knabe schon hinlänglich gemästet war. Er ging daher zur Steige, und rief, daß der Knabe seinen Finger hervorstrecken sollte. Aber dieser ahnte Schlimmes, und streckte statt dessen eine Baumzwecke hervor. Der Riese griff darauf, und dachte, daß der Knabe noch sehr mager sein müßte, weil sein Fleisch so hart anzufühlen wäre. Der Riese ging nun zu seiner Frau, und sagte, daß der Knabe doppelt so viel Nußkerne und süße Milch erhalten sollte, als früher, was auch geschah.
Einige Tage darauf ging der Riese wieder zur Steige, um zu erfahren, ob der Knabe schon hinlänglich fett wäre. Dieser streckte eine Baumzwecke hervor, wie das vorige Mal. Der Riese wunderte sich sehr, daß der Knabe so wenig Fleisch habe, und ward auf seine Frau sehr verdrießlich. Aber das Riesenweib entschuldigte sich, und meinte, daß es wenig der Mühe lohne, ferner den Knaben zu mästen, weil er noch nicht fett geworden. Der Riese sagte: »Wenn es so ist, wie du sagst, will ich sogleich heute forteilen, und unsere Verwandten zum Schmause laden, du kannst unterdessen den Ofen heizen, und den Braten zubereiten.« Dies schien dem Weibe ein guter Rath zu sein, und sie versprach zu thun, wie ihr Mann gesagt hatte. Hierauf sattelte der Riese seinen Zelter, und ritt seinen Weg.
Als der Riese fortgeritten war, zündete das Weib ein großes Feuer an, und machte den Ofen sehr warm. Sie holte den Knaben aus der Steige, und ließ ihn auf den Brotschieber setzen, um ihn in den Ofen einzuschießen. Aber der Knabe merkte, daß es sein Leben gelte, und fiel daher herab, so oft das Weib den Schaft der Backschaufel ergriff. Das Riesenweib wurde unwillig über eine solche Ungeschicklichkeit; der Knabe aber entschuldigte sich, daß er nicht recht wüßte, wie er sitzen solle. »Mutter!« sagte er, »setzt euch selbst auf den Brotschieber, so könnte ich es vielleicht lernen.« Das Weib that, wie er gebeten, und setzte sich mit gekrümmtem Rücken auf die Schaufel. Sogleich war der Knabe bereit, faßte die Schaufel, und schoß das Weib in den glühendheißen Ofen hinein. Dies war der Tod des Riesenweibes. Als das Riesenweib todt war, raffte der Knabe in Eile zusammen, was er im Hause finden konnte, und ging hierauf, seine Schwester aufzusuchen. Er fand sie in der kleinen Reiserhütte, und jeder kann wol denken, was das für eine Freude war, als sie sich trafen, da sie nie mehr glaubten, sich einander wiederzusehen. Das Mädchen aber hatte während der Zeit sich von den Würsten ernährt, welche der Knabe vom Dache herabgeworfen hatte, als er von dem Riesen festgehalten wurde. Sie dachte nun, daß ihr Bruder längst aufgezehrt wäre, und hatte selbst die ganze übrige Zeit um ihn geweint.
Während sich alles das ereignete, kam der Riese wieder von seinem Ritt zurück, und wunderte sich, daß seine Frau ihm nicht entgegen ging, wie es ihre Sitte war. »Aber,« dachte er im Stillen, »sie hat wol so viel mit dem Gastmahl zu schaffen, daß sie nicht abkommen kann.«
Der Riese stieg nun vom Pferde, und ging hinein; aber das Weib kam nirgends zum Vorschein. »Vielleicht,« meinte der Riese, »ist sie zum Walde gegangen; ich will unterdessen nach dem Braten sehen.« Als er nun das Ofenloch öffnete, siehe, da saß sein eigenes Weib gebraten, und verbrannt im Ofen; der verschmitzte Knabe aber war entflohen. Als der Riese dies sah, und begriff, wie alles zugegangen sei, ward er so erzürnt, daß sein Herz barst, und er todt an der Feuerstätte niederstürzte.
[20] Einige Tage darnach war der Speisevorrath der Hintersassenkinder zu Ende. Da überlegte bei sich der Knabe, daß er wol gehen und sehen müßte, wie es bei dem Riesen stand. Diesmal ging das Mädchen nicht mit. Als der Knabe nun zur Stube des Riesen kam, kroch er ganz leise auf das Dach hinauf, und spähte durch den Rauchfang. Aber jeder kann denken, wie er sich freute, als er den Riesen an der Feuerstätte todt liegen sah. Der Knabe sprang jetzt zu seiner Schwester, und erzählte ihr diese Neuigkeiten. Hierauf gingen die Kinder des Hintersassen zurück, und trugen alles Silber und andere Habe fort, welche die Riesenleute besessen hatten. Auf der andern Seite der Stube des Riesen fanden sie aber einen Pfad, der durch den Wald führte. Diesen verfolgten sie, und kamen solchergestalt glücklich wieder zu ihrem Vater. Seitdem erfuhr ich nichts weiteres.
Am folgenden Morgen begannen die Kinder des Hintersassen wieder ihre Wanderung, aber eben so wenig wie den Tag vorher, konnten sie den Weg finden. Als sie nun Beide lange schon gewandert waren, ward das Mädchen müde und setzte sich nieder, und weinte bitterlich. »Weine nicht,« tröstete der Bruder, »der Tag ist lang, und wir kommen wol heim, ehe die Sonne in den Wald geht.« Das Mädchen sagte: »ich vermag nicht länger zu gehen, ich bin so hungrig, so hungrig.« Der Knabe aber behielt seinen guten Muth, und meinte, er würde schon Hilfe für den Kummer finden. Er bat nun seine Schwester, zurückzubleiben, während er fortging, um ihr Nahrung zu verschaffen.
Als der Knabe eine Weile gewandert war, kam er zu einer kleinen Hölzung; mitten in der Hölzung war eine kleine Stube, deren Dach aus bloßen Würsten bestand. Da ward er frohen Sinnes und schlich ganz nahe hin, um zu sehen, ob er zu der schönen Speise kommen könnte. Man vernahm nichts, und der Knabe erdreistete sich zuletzt, auf das Dach der Stube hinaufzukriechen. Er guckte in diese durch ein Rauchloch hinab, und sah einen alten Riesen, der darin zugleich mit seinem Weibe wohnte. Da wollte der Knabe sich hinweg begeben, aber der Riese bemerkte das Gepolter, und rief mit rauher Stimme: »Wer ist es, der auf meinem Dache zappelt?« Der Knabe antwortete mit schwacher Stimme: »Blos ein kleiner, kleiner Vogel.« »Ja so,« brummte der Riese, »dann kannst du keinen Schaden thun.« Der Knabe nahm einen Bund Würste, und sprang schnell zu seiner Schwester fort, die während der Zeit mit großer Angst und Furcht seine Ankunft abwartete.
Es waren so einige Tage vergangen, ohne daß die beiden Geschwister irgend einen Mangel erlitten, obschon sie den Weg aus der Wildniß nicht finden konnten. Als nun der Speisevorrath zu Ende war, mußte der Knabe sich wieder nach dem Orte begeben, um mehreres herbeizuschaffen. Er schlich sich daher zu der Stube des Riesen, deren Dach aus bloßen Würsten bestand, und kroch leise auf das Dach hinauf. Aber der Riese hörte das Geräusch und rief mit barscher Stimme: »Wer ist es, der auf meinem Dache zappelt?« Der Knabe antwortete mit schwacher Stimme: »Blos ein kleiner, kleiner Vogel.« »Ja so,« antwortete der Riese, »da kannst du keinen Schaden thun.« Der Knabe nahm hierauf einen Bund Würste, wie das vorige Mal, und sprang eilig zu seiner Schwester fort, die mit Unruhe abwartete, wie seine Fahrt ablaufen mochte.
Nach einiger Zeit sollte sich der Knabe wieder hinwegbegeben, um Nahrung für sich und seine Schwester herbeizuschaffen. Diesmal wollte das Mädchen mitgehen, um zu sehen, wie es sich zutrage. Der Knabe willigte lange nicht in ihr Begehren ein, und meinte, es wäre besser, er ginge allein. Aber die Schwester war beharrlich, und wie es in solchen Fällen zu gehen pflegt, behielt sie zuletzt recht. Als sie nun zur Stube des Riesen kamen, ward dem Mädchen bange, und begann zu weinen. »O! schweig,« tröstete der Bruder, »du sollst sehen, es ist nicht so gefährlich.« Er kroch hierauf auf das Dach, und warf die Würste seiner Schwester zu, die unten stand. Als der Riese das Geräusch hörte, brummte er wie früher: »wer ist’s, der auf meinem Dache zappelt?« Der Knabe antwortete mit heller Stimme: »Blos ein kleiner, kleiner Vogel.« Das Mädchen konnte aber jetzt ihr Lachen nicht mehr zurückhalten, sondern schrie laut: »Hi, hi, hi.« Da wurde dem Knaben bange, und er wollte forteilen; in demselben Augenblicke aber glitt er aus, brach auf dem Dache das Loch ein, und er fiel über Hals und Kopf durch die Oeffnung hinab. Als das Mädchen dieses Unglück sah, erschrak es sehr, und floh eilig in den Wald zurück.
»Ja, nun sehe ich, was für ein kleiner Vogel du bist,« sagte der Riese, als der Knabe durch das Stubendach herabfiel. Er sprach hierauf mit seiner Frau, und sagte: »Mutter! nimm den Knaben, und mäste ihn gut, daß wir in einigen Tagen einen guten Braten er halten können.« Das Riesenweib that, wie der Mann zu ihr gesprochen, ergriff den Knaben, und sperrte ihn in eine Stube ein. Hier fand er Nußkerne und süße Milch, so viel ihm zu essen gelüstete, und er wurde bald stärker und fetter, als er es vorher gewesen.
Es ging so einige Zeit vorbei, und der Riese wollte wissen, ob der Knabe schon hinlänglich gemästet war. Er ging daher zur Steige, und rief, daß der Knabe seinen Finger hervorstrecken sollte. Aber dieser ahnte Schlimmes, und streckte statt dessen eine Baumzwecke hervor. Der Riese griff darauf, und dachte, daß der Knabe noch sehr mager sein müßte, weil sein Fleisch so hart anzufühlen wäre. Der Riese ging nun zu seiner Frau, und sagte, daß der Knabe doppelt so viel Nußkerne und süße Milch erhalten sollte, als früher, was auch geschah.
Einige Tage darauf ging der Riese wieder zur Steige, um zu erfahren, ob der Knabe schon hinlänglich fett wäre. Dieser streckte eine Baumzwecke hervor, wie das vorige Mal. Der Riese wunderte sich sehr, daß der Knabe so wenig Fleisch habe, und ward auf seine Frau sehr verdrießlich. Aber das Riesenweib entschuldigte sich, und meinte, daß es wenig der Mühe lohne, ferner den Knaben zu mästen, weil er noch nicht fett geworden. Der Riese sagte: »Wenn es so ist, wie du sagst, will ich sogleich heute forteilen, und unsere Verwandten zum Schmause laden, du kannst unterdessen den Ofen heizen, und den Braten zubereiten.« Dies schien dem Weibe ein guter Rath zu sein, und sie versprach zu thun, wie ihr Mann gesagt hatte. Hierauf sattelte der Riese seinen Zelter, und ritt seinen Weg.
Als der Riese fortgeritten war, zündete das Weib ein großes Feuer an, und machte den Ofen sehr warm. Sie holte den Knaben aus der Steige, und ließ ihn auf den Brotschieber setzen, um ihn in den Ofen einzuschießen. Aber der Knabe merkte, daß es sein Leben gelte, und fiel daher herab, so oft das Weib den Schaft der Backschaufel ergriff. Das Riesenweib wurde unwillig über eine solche Ungeschicklichkeit; der Knabe aber entschuldigte sich, daß er nicht recht wüßte, wie er sitzen solle. »Mutter!« sagte er, »setzt euch selbst auf den Brotschieber, so könnte ich es vielleicht lernen.« Das Weib that, wie er gebeten, und setzte sich mit gekrümmtem Rücken auf die Schaufel. Sogleich war der Knabe bereit, faßte die Schaufel, und schoß das Weib in den glühendheißen Ofen hinein. Dies war der Tod des Riesenweibes. Als das Riesenweib todt war, raffte der Knabe in Eile zusammen, was er im Hause finden konnte, und ging hierauf, seine Schwester aufzusuchen. Er fand sie in der kleinen Reiserhütte, und jeder kann wol denken, was das für eine Freude war, als sie sich trafen, da sie nie mehr glaubten, sich einander wiederzusehen. Das Mädchen aber hatte während der Zeit sich von den Würsten ernährt, welche der Knabe vom Dache herabgeworfen hatte, als er von dem Riesen festgehalten wurde. Sie dachte nun, daß ihr Bruder längst aufgezehrt wäre, und hatte selbst die ganze übrige Zeit um ihn geweint.
Während sich alles das ereignete, kam der Riese wieder von seinem Ritt zurück, und wunderte sich, daß seine Frau ihm nicht entgegen ging, wie es ihre Sitte war. »Aber,« dachte er im Stillen, »sie hat wol so viel mit dem Gastmahl zu schaffen, daß sie nicht abkommen kann.«
Der Riese stieg nun vom Pferde, und ging hinein; aber das Weib kam nirgends zum Vorschein. »Vielleicht,« meinte der Riese, »ist sie zum Walde gegangen; ich will unterdessen nach dem Braten sehen.« Als er nun das Ofenloch öffnete, siehe, da saß sein eigenes Weib gebraten, und verbrannt im Ofen; der verschmitzte Knabe aber war entflohen. Als der Riese dies sah, und begriff, wie alles zugegangen sei, ward er so erzürnt, daß sein Herz barst, und er todt an der Feuerstätte niederstürzte.
[20] Einige Tage darnach war der Speisevorrath der Hintersassenkinder zu Ende. Da überlegte bei sich der Knabe, daß er wol gehen und sehen müßte, wie es bei dem Riesen stand. Diesmal ging das Mädchen nicht mit. Als der Knabe nun zur Stube des Riesen kam, kroch er ganz leise auf das Dach hinauf, und spähte durch den Rauchfang. Aber jeder kann denken, wie er sich freute, als er den Riesen an der Feuerstätte todt liegen sah. Der Knabe sprang jetzt zu seiner Schwester, und erzählte ihr diese Neuigkeiten. Hierauf gingen die Kinder des Hintersassen zurück, und trugen alles Silber und andere Habe fort, welche die Riesenleute besessen hatten. Auf der andern Seite der Stube des Riesen fanden sie aber einen Pfad, der durch den Wald führte. Diesen verfolgten sie, und kamen solchergestalt glücklich wieder zu ihrem Vater. Seitdem erfuhr ich nichts weiteres.
Quelle: Hyltén-Cavallius, Gunnar/Stephens, George: Schwedische Volkssagen und Märchen