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Ein Kaufmann hatte drei Töchter, von denen er besonders die jüngste sehr liebte. Als er sich einst zur Reise über Meer in ein fernes Land rüstete, fragte er beim Abschiede die Töchter, was er ihnen aus dem fremden Lande mitbringen solle. »Mir, lieber Vater,« sagte die älteste, »bringe ein Sonnenkleid mit,« »mir,« bat die zweite, »eine goldene Mütze,« »und ich bitte,« rief die jüngste, »um eine Rose, ich möchte gerne sehen, wie die Rosen im fremden Lande blühen.« Der Vater versprach, ihnen ihre Wünsche zu erfüllen, und fuhr mit günstigem Winde ab. Als er in dem fernen Lande seine Einkäufe besorgt und sich auf die Rückreise begeben hatte, entstand aber gleich am ersten Tage ein heftiger Sturm; das Schiff wurde auf einen Felsen getrieben, zerschellte, und alle Schätze und Waaren sanken unter. Der Kaufmann, welcher sich an ein losgerissenes Brett klammerte, wurde allein an das Land getrieben und entging so dem Tode. Er ging an dem Ufer hin und her und beklagte den Verlust seiner Habseligkeiten, aber am meisten that es ihm um die Geschenke leid, die er für die Töchter mitgenommen hatte, und daß er ihnen nun keine Freude machen könnte; da erblickte er nicht weit von dem Orte, an dem er sich befand, ein kleines Häuschen und daneben einen Rosenstrauch mit wunderschönen Rosen. »Da sehe ich ja Rosen,« dachte er bei sich selbst, »und kann wenigstens meiner liebsten Tochter eine Freude machen«, und ging hin, um eine abzupflücken. Als er schon ganz nahe daran war, kam aus dem Häuschen ein häßliches Thier, nicht recht Wolf und nicht recht Bär, das aber sprechen konnte und ihn auch gleich fragte, wer er sei, und was er wolle. Der Kaufmann erzählte ihm, wie es ihm ergangen sei, und wie er nichts so bedaure, als den Verlust der drei Geschenke für seine drei Töchter, und wie er sich eine Rose von dem Rosenstocke abschneiden wollte für seine jüngste und geliebteste Tochter. Das Thier, so abschreckend es auch aussah, war in seinem Wesen recht liebenswürdig, lud den Kaufmann ein, in seiner Hütte einige Tage auszuruhen, und versprach ihm auch eine Rose mitzugeben. Das nahm der Kaufmann alles dankbar an, und als er nach ein Paar Tagen Verlangen zeigte, nach Hause zu reisen, sagte das Thier: »Hier hast du die Rose, reise glücklich, aber nach einer gewissen Zeit (die ihm das Thier bezeichnete) muß deine jüngste Tochter hier sein, sonst ist es um mein und euer Aller Leben geschehen.« Das mußte der Kaufmann nun schon versprechen. Als er darauf zum Ufer ging, um Anstalten zur Abreise zu treffen, da war auch gleich ein Schiff zur Hand, das nur für ihn bestimmt zu sein schien, und das er dann auch gleich bestieg. Er kam sehr bald glücklich nach Hause und erzählte daselbst seine Abenteuer. Mit betrübtem Herzen fügte er auch hinzu, was das Thier von seiner jüngsten Tochter verlangt hätte. Alle waren darüber sehr traurig, nur die jüngste Tochter selbst tröstete sie und sagte: »Grämt euch nicht, es ist ja besser, daß ich allein umkomme, als daß euch alle das Unglück trifft, und vielleicht wird mir auch nichts Schlimmes widerfahren.« Als die von dem Thiere bezeichnete Zeit herankam, nahm sie Abschied von den Ihrigen und begab sich an das Ufer. Dort wartete ihrer auch schon dasselbe Schiff, welches den Vater zurückgebracht hatte, und der Capitain rief ihr entgegen: »Sputen sie sich, Fräulein, es ist die höchste Zeit.« Nach einer sehr schnellen und glücklichen Fahrt kam sie nach dem Hüttchen an. Am Ufer empfingen sie drei schöne schwarzgekleidete Fräulein, die aber bald verschwanden und sie ganz allein ließen. Da ging sie denn allein auf die Hütte zu und als sie in den Garten kam und das Thier ihr entgegentrat, erschrak sie so sehr, daß sie ohnmächtig wurde. Das Thier war sehr besorgt um sie, und holte Wasser, um sie wieder ins Leben zu rufen, was ihm auch gelang. Auch redete es ihr freundlich zu, sich nicht zu ängstigen, es werde ihr nichts geschehen, auch solle es ihr an nichts fehlen. Sie beruhigte sich wirklich, und da sie im übrigen hatte, was sie bedurfte, gut Essen und Trinken, gute Kleidung u.s.w., und da sie sich mit dem Thiere auch unterhalten konnte, so fühlte sie sich allmählich auch zufrieden. Nach einigen Monaten fing sie sich aber doch an zu bangen. Das Thier bemerkte es und tröstete sie, daß zu Hause alles gesund und vergnügt sei, und gab ihr auch einen Spiegel, in welchem sie die Ihrigen sehen konnte. Sie sah, wie die Ihrigen sangen und sprangen und vergnügt waren. Das verstimmte sie doch. »Sie kümmern sich,« sagte sie zu sich selbst, »auch gar nicht um dich und wissen doch nicht einmal, ob du noch lebst.« Nun wollte sie sich auch nicht mehr nach ihnen bangen, aber nach ein Paar Tagen überkam sie doch wieder die Schwermuth. Da sagte das Thier: »Ich werde dich zum Besuche nach Hause schicken, aber nach ein Paar Tagen mußt du wieder zurückkommen, sonst muß ich und ihr Alle mit mir sterben.« Das that es denn auch, sie bestieg das Schiff und war in einer Minute zu Hause. Ihr Vater und ihre Schwestern waren freudig überrascht und sehr glücklich, als sie sie wieder hatten, und wollten sie gar nicht mehr wieder fortlassen, aber sie ließ sich nicht bewegen, zu Hause zu bleiben, da ja dann Alle sterben müßten. Als die bestimmten Tage verflossen waren, begab sie sich wieder an das Ufer, wo das Schiff schon bereit stand, und der Capitain ihrer mit Ungeduld wartete. Er meinte, als sie anlangte, daß es eigentlich schon etwas zu spät sei. Sie stieg aber ein, und in einer Minute war sie wieder bei dem wunderbaren Thiere. Es hatte mit großer Unruhe auf sie gewartet und war, als die rechte Zeit verstrichen war, in Ohnmacht gefallen, und so fand es das Mädchen auf der Erde liegend. Das that ihr sehr leid, sie kniete an ihm nieder und küßte es – da fiel die zottige Haut von seinem Leibe und vor ihr stand ein schöner Prinz und aus dem Hüttchen war ein Schloß inmitten eines prächtigen Parks geworden, und im Schlosse lebte Alles wieder auf, was bis dahin sich nicht geregt hatte, die Eltern und Geschwister des Prinzen und alles Gesinde. Der Prinz umarmte das Mädchen und erzählte ihr, daß er verwünscht gewesen sei, und nur ein Kuß eines reinen unschuldigen Mädchens bei seiner abschreckenden Gestalt hätte ihn erlösen können. Jetzt heirathete er das Mädchen, und das glückliche Paar lebt bis auf den heutigen Tag.
Aus Klein-Jerutten
[Polen: M. Toeppen: Aberglauben aus Masuren]