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Märchenbasar

Die Schlangenhaut

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Wo war’s, wo war’s nicht, noch hinter dem Operenzmeer, noch hinter den Glasbergen, da hatte ein eingestürzter Ofen kein Stückchen Seite mehr; wo’s gut war, da war’s nicht schlecht, wo’s schlecht war, da war’s nicht gut; da waren einmal auf dem kahlen Suchenicht- und Hund-frage-nicht-da-nach-Berge sieben schlanke Weidenbäume, in deren jedem Zweige ist ein lappig-lumpiges Hemd aufgehängt, und in deren jedem Saum, in jeder Falte ist ein Scheffel Flöhe – und der sei der Hirte dieser Flohherde, der nicht aufmerksam meinem aus Operenz geholten Märchen lauscht. Wenn ihm aber auch nur einer davon springt, so sei er dem schrecklichen Blutdurst der Flohherde überantwortet, und sie mögen ihn zu Tode zwicken.

Also: Es war einmal ein armer Mann, und der hatte mit seiner Frau keine Kinder. Schon zehn Jahre war’s, dass sie verheiratet waren und hatten kein Kind, nicht einmal eins, das so gross war wie mein kleiner Finger. Einstmals in ihrem Kummer brach die arme Frau in die Worte aus: „Mein Gott! Gib mir ein Kind, sollt’s auch gleich halb Schlange, halb Mensch sein!“

Ihre Bitte wurde erfüllt; die Frau fühlte sich guter Hoffnung, und Leben regte sich unter ihrem Herzen.

Und wie die Zeit herankam, brachte die Frau ein Kind zur Welt, aber Herrgott! das Kind der Frau war, wie sie gebeten hatte, halb Schlange, halb Mensch, so dass die Wehemutter, als sie dies Wunder erblickte, ihm den Lebensfaden durchschneiden wollte; aber seine Mutter gab es nicht zu und sprach: „Was Gott schickt, das trage ich in Geduld.“ Sie nahm es auf den Schoss, herzte und küsste es, als ob es das schönste Kind auf der Welt gewesen wäre. Und dieser Wunderwurm ruhte auch auf der schneeweissen Wiese, und aus der Knospe der zwei schönen Goldäpfel schlürfte er die Muttermilch, die süsser als Honig ist.

Schon siebzehn Jahre und elf Monate war der Wunderkäfer alt und konnte weder gehen noch sprechen; immer sass er dort auf der Ofenbank wie ein Sechseimerfass, ausser wenn er seinen Schlangenschwanz unter sich schlug und sein gelbes, schuppiges Beinkleid klirrte: dies war seine Sprache, dies das Lebenszeichen.

Als er just achtzehn Jahre war, nicht mehr, nicht weniger, beginnt das Wundergeschöpf zu aller Welt Staunen zu sprechen, und sein erstes Wort war:

„Liebe Mutter!“

„Was wünschest du, lieber Sohn?“

„Nicht wahr, liebe Mutter, hier in dieser Stadt wohnt ein König?“

„Er wohnt hier, mein Sohn, er wohnt hier.“

„Nicht wahr, der hat eine sechzehnjährige, ob ihrer Schönheit weltberühmte Tochter?“

„Die hat er, mein Sohn, die hat er.“

„Nicht wahr, liebe Mutter, es wird jetzt ein Gemahl für sie gesucht?“

„Jetzt, mein Sohn, jetzt.“

„Nun, wenn ihr jetzt ein Gemahl gesucht wird, so geht in das königliche Schloss, liebe Mutter, und sagt dem König, ich lasse ihn schön grüssen, er soll mir diese seine einzige sechzehnjährige Tochter zur Gemahlin geben.“

Als der nächste Tag herankam, da legte die arme Frau ihr allerbestes Lumpenkleid an und trat beim König ein. Sie grüsste ihn mit diesen Worten:

„Gott zum Gruss, Majestät!“

„Schönen Dank, arme Frau! Aber was ist dein Begehr?“

„Gross ist meines Herzens Traurigkeit, und jetzt bin ich deiner Majestät genaht, dass ich sie noch mehre:

Wie es deiner Majestät wohl bekannt sein mag, habe ich ein Wundergeschöpf zum Sohn – aber, da er nun einmal da ist, so möge er auch bleiben – dieser Sohn war bis zu seinem achtzehnten Jahre stumm und heute, Gottswunder! begann er zum allererstenmal zu sprechen und sagte mir, ich solle deiner Majestät einzige ob ihrer Schönheit weltberühmte Tochter für ihn zur Gemahlin erbitten. Drum, wenn man mich auch rädere, auch lebendig begrübe, stehe ich hier vor deiner Majestät.“

Der König sagte gar nichts, sondern liess die arme Frau mit Schlägen aus dem Schloss treiben.

Weinend wankte die arme Frau heim und klagte ihrem Sohn, was ihr geschehen sei.

Der Wundersame beruhigte sie nur, tröstete sie nur, dass der Schleifstein das alles schon wieder zurecht schleifen würde, und bat seine Mutter, dass sie eine kleine Weile aus dem Zimmer gehen möchte.

Wie die Mutter des Wundersamen aus dem Zimmer gegangen war, stieg der Sohn von der Ofenbank nieder, schüttelte sich, und die Schlangenhaut fiel von ihm ab, und siehe! er wurde zu einem so schönen Jüngling, dass es ihm sogar unter den Feen geziemt hätte, den ersten Platz einzunehmen; aber vorher hatte er die Türe zugemacht, den Riegel vorgeschoben und auch das Fenster verhängt, dass kein lebendes Wesen hineinsähe.

Dann nahm er die Schlangenhaut zur Hand und schüttelte sie siebenmal, Zauberworte dazwischen sprechend; da erschienen die dienenden Geister.

„Was befiehlst du, lieber Herr?“

„Nichts anderes als dies: ihr sollt mir sogleich, in diesem Augenblick, ein aus Erzblumen, lauterem Golde und Silberfäden geflochtenes Körbchen herbeischaffen, und in das pflückt aus dem Feengarten, vom Glückseligkeitsbaum allerlei Goldäpfel.“

Kaum war des Gebotes letztes Wort verklungen, siehe! da stand schon auf dem Tisch des Wundersamen Begehr. – In der Schlangenhaut, die er zum Staunen der Menschen tragen musste, steckte all seine Zauberkraft.

Dann legte der Wundersame wieder die Schlangenhaut an, schob den Riegel zurück, nestelte den Strick ab, nahm den Vorhang vom Fenster und rief seine liebe Mutter herein.

„Liebe Mutter! Hier in diesem aus Erzblumen, lauterem Golde und Silberfäden geflochtenen Korbe sind Goldäpfel; bringt die der Prinzessin zum Geschenk, sagt, dass ich sie ihr zum Namenstage sende.“

Die arme Frau bringt der Prinzessin das Geschenk und setzt es auf dem Buchsbaumtisch nieder.

Die Prinzessin freut sich an dem Geschenk, stürzt damit gleich zu ihrem Vater und lässt die Goldäpfel auf dem Tische rollen. Freut sich der König daran, lässt die arme Frau rufen, sie solle in das weisse Haus kommen. Traun, jetzt liess er sie nicht wie gestern mit Schlägen hinausweisen, sondern er hiess sie sich neben ihn setzen auf die goldene Bank, nahm ihre Hand, diese schwarze, schwielige Hand, in der man Rettich hätte säen können, und sprach zu ihr:

„Nun, arme Frau, geh heim; sage deinem Sohn: Wenn morgen in der Frühe eine Goldbrücke mein Haus mit deiner Hütte verbindet, so gebe ich ihm meine Tochter.“

Geht die arme Frau heim und berichtet ihrem Sohn, was der König sagen liess: „Wenn morgen früh eine goldene Brücke sein Haus und unsere Hütte verbindet, dann gibt er dir seine einzige weltberühmt schöne Tochter.“ Der Wundersame sagte zu all dem gar nichts, nickte nur mit dem Kopf, lächelte nur.

Als die Sonne untergesunken war und sich alles im Hause des armen Mannes zur Ruhe begeben hatte, erhob sich der „Wundersame um Mitternacht, streifte die Schlangenhaut ab und schüttelte sie siebenmal, Zauberworte dazwischen sprechend; da erschienen die dienenden Geister.

„Was befiehlst du, lieber Herr?“

„Nichts anderes als dies: eine goldene Brücke verbinde diese Hütte mit dem Königsschloss, und dazu plätschere unter der goldenen Brücke ein Silberfluss, und in dem sollen sich Goldfische tummeln. Aus dem Silberfluss sollen grüne Sammetinseln auftauchen, und auf denen breite sich ein Blütenmeer, zahllose Blüten; auf den Blüten sollen goldene Falter den Blütenhonig sammeln und jeden Morgen auf einem Rosenteller zu den Lippen meiner königlichen Braut tragen, dass seine Süssigkeit sie vom morgendlichen Schlummer erwecke.“

Kaum war das Wort entflohen, da war durch Zauberspruch des Wundersamen Befehl erfüllt.

In der Frühe erwachte der König vom Morgenschlummer, lief schnell ans Fenster und blickte hinaus, und fast wurde er zur Salzsäule verwandelt vor Staunen, als er dort die Goldbrücke sieht, unter der Goldbrücke einen Silberfluss, im Silberfluss eine grüne Sammetinsel, auf der grünen Sammetinsel ein Blütenmeer, auf den zahllosen Blumen allerlei zwitschernde, singende Vögelein und Blütenhonig sammelnde Goldfalter. Auf die Lippen der weltberühmt schönen Prinzessin aber senkte sich, als sie des süssesten Morgentraumes Milch schlürfte, in unsichtbarer Gestalt ein Blütenhonig tragender Falter, und mit seinem Honig versüsste er ihre Lippen.

Kaum hatte sie den Blütenhonig gekostet, da hatte sie einen Traum, und dies träumte ihr: ein herrlicher, wunderschöner Prinz besuchte sie, trat an ihr Bett, umarmte und küsste sie.

Als die weltberühmt schöne Prinzessin von dem Kuss erwachte, fand sie in ihrem Bett ein goldenes Haar und eine goldene Schlangenschuppe. Sie nahm beides auf und verbarg es in ihrem Busen. Von der Sache erzählte sie niemandem etwas; aber als ihr lieber Vater zu ihr kam, ihr Glück oder vielleicht ihr Unglück ihr kund zu thun, und als er sie fragte, ob sie dem Wundersamen ihre Hand reichen wolle, antwortete sie: ja. Drei Tage Frist bedangen sie für den Hochzeitstag.

Drei Tage, keine lange Zeit, aber für Brautleute dreiunddreissig Jahre!

Drei Tage lagen noch vor dem Wundersamen, halb-Schlange-halb-Mensch; mit drei Geschenken umwarb er seine Braut, in dieser Ordnung:

Als am ersten Tage der Schlummer aller Augen geschlossen hatte, stieg der Wundersame von der Ofenbank und schüttelte sich, da fiel die Schlangenhaut von ihm ab. Er schüttelte sie siebenmal, Zauberworte dazwischen sprechend; da erschienen die dienenden Geister:

„Was befiehlst du, lieber Herr?“

„Nichts anderes als dies: Seht ihr jene grosse Waldwildnis längs des Silberbachs? Nun, wenn ihr sie seht, so tragt sie auf der Stelle fort zur mittelsten Mitte des Siedenden Meeres und lasst sie dort! Wenn ihr sie niedergesetzt habt, kehrt um, und an ihrer Stelle werdet ihr einen Hügel finden; auf den Hügel pflanzt den Garten der Glückseligkeit mit den allerschönsten Blumen des Erdenrunds. Wenn ihr dann damit fertig seid, so errichtet in seiner Mitte das Schloss der Glückseligkeit, zweier Liebenden, eines glücklichen Paares Nest, auf diamantenen Säulen, auf einer Regenbogenwölbung, das so viele Fenster habe, wie ein Jahr Tage hat. Zum Wappen auf des Schlosses Giebel holt des Feenreiches sonnenleuchtenden Karfunkel herbei, dass es keiner anderen Leuchte dort bedürfe. Malt sieben Zimmer für meine Braut mit den sieben Farben der Sonne aus, und den Boden bekleidet mit eben solchem Sammet; das achte sei das Schlafgemach meiner Braut. Darauf verwendet die grösste Sorgfalt; denn das wird die Kammer der Treue sein; darum bekleidet es mit der Farbe der Unschuld, mit reinem, weissem Sammet und stellt eine Bettstatt hinein aus Zweigen von lauterem Golde geflochten, mit edlen Perlen verziert, mit Diamantnägeln beschlagen.“

Kaum war des Befehls Zauberwort verklungen, da war es auch schon erfüllt, und dort stand der schimmernde Palast inmitten des schimmernden Gartens, so wie es bestellt war: ein goldenes Nest für ein Paar Goldvögel.

Früh morgens, als der König und seine Gemahlin und die Prinzessin das Geschenk erblickten und als sie begriffen, dass dies ein Brautgeschenk sei, traun, da fehlte nicht viel, dass ihren Herzen Flügel gewachsen, dass sie davongeflogen wären, so pochten sie.

Dies war das Brautgeschenk am ersten Tage. Am andern Tag, als der Schlummer mit seinen Rosenfingern alle in der Hütte des armen Mannes gefesselt hatte, stieg der Wundersame, halb-Schlange-halb- Mensch, von der Ofenbank und schüttelte sich, da fiel die Schlangenhaut von ihm ab. Schüttelte er sie siebenmal, Zauberworte dazwischen sprechend; da erschienen die dienenden Geister.

„Was befiehlst du, lieber Herr?“

„Nichts anderes,“ erwiderte der Wundersame, halb-Schlange-halb-Mensch, „als dies: steigt hinab zum tiefen Meeresgrund, sucht dort die Feenkönigin auf, die über den Wassern herrscht, und geht in ihren Wasserpalast, den grosse, schnurrbärtige Walfische bewachen, und bestellt der Königin, ich liesse sie grüssen und sie solle euch den Perlmutterschrein, dazu zwölf Kammermädchen geben, der meiner Braut am Tage vor der Hochzeit gebührt. Wenn ihr den empfangen habt, so setzt ihn auf den Buchsbaumtisch meiner weltberühmt schönen Braut, dass ihr Blick darauf falle, gleich wenn sie ihr Auge vom morgendlichen Traum aufschlägt.“

Kaum war das Zauberwort verklungen, so war schon der Befehl erfüllt; so dass die Prinzessin gleich, als sie ihr Auge aufschlug, den Perlmutterschrein erblickte, und dann, wie sie umherschaute, standen zwölf der allerschönsten, züchtigen Kammermädchen ihres Winkes gewärtig. Gleich sprang sie aus dem Bett, nahm nur das erste beste Tuch um, stürzte hin, den Perlmutterschrein zu betrachten.

Zuerst beschaute sie ihn von aussen immer wieder und wieder und rief ganz atemlos immerfort: „Wie schön, wie herrlich!“ dann drückte sie auf einen kleinen Goldknopf, und gleich sprang der Deckel des Perlmutterschreins auf.

Das ganze Zimmer war plötzlich erfüllt von jenem schönen Duft, der den Menschen verjüngt, der ihn einatmet. In diesem Perlmutterschrein waren allerlei winzige, kleine Büchsen.

Sie öffnete die erste. In der war ein Zaubermittel, das zur Morgendämmerstunde kleine, winzige Feelein auf Bienenflügeln von den Blüten gesammelt hatten. Ein Tropfen davon, und auch das graue Haar war in Goldhaar gewandelt.

Sie öffnete die zweite. In der war eine Zaubersalbe, die hatten Feen aus tausenderlei Blumensäften bereitet. Ein Tropfen davon war genug, um auch das runzligste, verwittertste Antlitz mit solcher Schönheit zu begaben, wie wenn die Morgenröte auf die weisse Rose rötlichen Schimmer haucht.

Sie öffnete die dritte. In der war Balsam. Ein Tropfen davon wandelte eine ganze Wanne Wassers in ein Balsambad, in dem der elendeste, verkrüppelte Bettler, wenn er darin badete, in einen zauberschönen Jüngling von vierundzwanzig Jahren verwandelt worden wäre.

Sie öffnete die vierte. In der war allerlei Krimskrams, den nur die Frauen zu gebrauchen wissen, drum erzähle ich nichts davon.

Dann kleideten die Kammermädchen die Prinzessin schön an; die erste löste ihr das lange, bis zu den Fersen reichende Haar, die zweite salbte es mit dem Zaubermittel, und siehe! zu Goldhaar war es gewandelt; die dritte bereitete ein Bad und träufte Balsam hinein, und siehe! kaum hatte die Prinzessin darin gebadet, so schön sie bisher auch gewesen, danach wurde sie siebenmal schöner; die vierte wusch sie mit der Schönheitssalbe, und siehe! so strahlend schön wurde ihr Antlitz, wie wenn rötlicher Schimmer die weisse Rose überhaucht, so dass, als sie sie ganz angekleidet hatten und sie zu ihren Eltern lief, diese sie kaum erkannten und sich fragten: Ist diese Feenkönigin unsere Tochter? Und all dies that der Wundersame, halb- Schlange-halb-Mensch! …

Dies war das Geschenk am zweiten Tage gewesen. Nun nahte der dritte Tag, der letzte Tag,

„Was mir wohl jetzt mein Verlobter als Brautgeschenk schickt?“ fragte sich die schöne Prinzessin.

Sie rechnete schon fast darauf, so hatte sie sich daran gewöhnt. Vielleicht, wenn es ausgeblieben wäre, hätte sich ihr heller Tag umwölkt, vielleicht hätte er sich nicht nur umwölkt, sondern es hätte auch geregnet?! Es hätte Perlentropfen geregnet aus einem blauen Himmel, aus dem leuchtenden Himmel des Wundersamen, halb-Schlange-halb-Mensch?!

Kam nun der Abend des dritten Tages heran, und als der unsichtbare Schlummer mit seinen Rosenfingern alle in des armen Mannes Hütte gefesselt hatte, stieg der Wundersame, halb-Schlange-halb-Mensch, von der Ofenbank; er schüttelte sich, fiel die Schlangenhaut von ihm ab, schüttelte er sie siebenmal, Zauberworte dazwischen murmelnd; da erschienen auf der Stelle die dienenden Geister.

„Was befiehlst du, lieber Herr?“

„Nichts anderes,“ erwiderte der Wundersame, halb-Schlange-halb-Mensch, „als dies: holt für meine Braut aus dem leuchtenden Vorratshaus der Sonne ein prächtiges Brautgewand, aus dem Mondenzelt einen silbernen Schleier, aus dem Sternenfeld einen spannenbreiten Gürtel! Wenn ihr all dies geholt habt, steigt zu des höchsten Berges Spitze, auf dem der Himmel ruht. Auf jenes Berges höchstem Gipfel ist eine Klippe, die ist wie eine Blumenscherbe gestaltet; auf der Spitze dieser Klippe blüht die Lotosblume, eine Himmelsblume, die der Feuervogel mit Himmelstau aus seinem Kropf begiesst. Diese auf einem Stengel gewachsene Himmelsblume soll mir der Feuervogel bringen und am Hochzeitstage auf das Haupt meiner Braut legen.“

Kaum war des Befehls Zauberwort verklungen, so war es erfüllt; die dienenden Geister brachten, in drei Nussschalen verschlossen, das bräutliche Gewand, den Silberschleier und den schimmernden Gürtel, und auch dem Feuervogel hatten sie hinterlassen, woran er sich zu halten habe.

Früh morgens, wie die Prinzessin erwacht, fällt ihr erster Blick auf den Tisch, und dort erblickt sie drei goldene Nussschalen. Sie untersucht sie, dreht sie hin und her und sagt bei sich: „Wie schön, wie herrlich! Aber was mag wohl darinnen sein?“ Sie drückt auf einen kleinen Goldknopf; da springt der Deckel der goldenen Nussschale auf, und heraus fällt der schimmernde Goldgürtel, der nicht grösser war als eine Spanne. Nun nimmt sie auch die zweite goldene Nussschale zur Hand, drückt auf den Goldknopf, springt der Deckel auf und heraus fällt auf den Sammetteppich der aus dem Mondenzelt geholte Silberschleier. Gleich legte sie ihn zur Probe an; natürlich stand er ihr gut. Sie freute sich so sehr über das Brautgeschenk, dass sie ganz aus dem Häuschen war; sie küsste es wieder und wieder und hüpfte wie ein Kind, das seinen Jahrmarktskringel bekommt. Aber gleich nimmt sie nun auch die dritte zur Hand und fragt sich im Stillen: Was wird nun wohl in dieser sein?

Sie drückt auf den Goldknopf, da springt der Nussschalendeckel auf, und heraus fällt ein weisses, seidenes Brautgewand, das ganz von selbst auf dem Fussboden stehen blieb, und war doch eine Nussschale sein Schrein gewesen! Und blaue Sterne funkelten auf dem weissen Grunde des Seidenkleides; nicht umsonst hatten es die dienenden Geister aus dem Vorratshaus der Sonne geholt; es war so unsagbar prächtig, dass ich es gar nicht sagen kann. Die Königstochter hüpfte vor Freude und lief gleich zum Vater König, was für ein Brautgeschenk ihr der Bräutigam gesandt hatte!

„Hier hast du nun, meine Tochter, die auserlesensten, allerschönsten Geschenke, jedoch, wie ist der Bräutigam?!“

Da bewölkte sich der Königstochter heller Tag, wortlos schlich sie aus ihres Herrn Vaters Zimmer und ging geradewegs in ihr Schlafgemach. Hier griff sie in ihren Busen, zog das goldene Haar und die goldene Schlangenschuppe hervor, sah bald das eine an, bald das andere. Und wenn sie auf das goldene Haar blickte, lachte ihr eines Auge; wenn sie die goldene Schlangenschuppe ansah, füllte sich ihr anderes Auge mit Tränen. Da war’s, wie wenn die Sonne scheint, aber zugleich der Regen fällt.

Am Abend vor der Hochzeit, als der unsichtbare Schlummer mit seinen Rosenfingern alle in des armen Mannes Hütte gefesselt hatte, stieg der Wundersame, halb-Schlange-halb-Mensch, von der Ofenbank; er schüttelte sich, da fiel die Schlangenhaut von ihm ab. Schüttelte er sie siebenmal, Zauberworte dazwischen sprechend; da erschienen die dienenden Geister.

„Was befiehlst du, lieber Herr?“

„Nichts anderes,“ sagt der Wundersame, halb- Schlange-halb-Mensch, „als dies: morgen früh um neun Uhr stehe vor meinem Hause eine Glaskutsche, an der sei alles, vom Wagenreif bis zum letzten Nagel, aus getriebenem Silber. Vor die Glaskutsche aber seien sechs mit Tatoschmilch gesäugte, vom Zaum unberührte Eisenschimmelfohlen gespannt, und das Geschirr auf diesen sechs Pferden sei alles, aber alles bis auf die letzte Schnalle, von reinem, getriebenem Golde.“

Anderen Tags früh um neun Uhr stand dort vor des armen Mannes Haus, wie er geboten hatte, die Glaskutsche, vorn ein Kutscher, hinten ein Husar, des Befehls gewärtig; aber sie brauchten nicht lange darauf zu warten; denn flugs setzte sich der Bräutigam hinein, jagte über die goldene Brücke und galoppierte in das Schloss seines Schwiegervaters, in die königliche Residenz.

Hier ging nun mit grossem Gepränge und königlichen Zeremonien die Trauung vor sich; als das junge Paar vor dem Altar stand, da erklang plötzlich von fern ein lieblicher Gesang, der lauter und immer lauter wurde. Siehe! in die Kirche flogen sechs weisse Schwäne, von Menschen nie gehörte Töne singend; in ihrer Mitte schwebte der Feuervogel, der trug im Schnabel den Lotosblumenkranz und legte ihn der Braut aufs Haupt. Als das geschehen war, entfernten sie sich, wie sie gekommen waren.

Wie jetzt die Braut auf den Bräutigam blickt, da sieht sie, wie zu seinen beiden Seiten zwei sehr schöne Feenjünglinge stehen und über sein Haupt einen aus Sonnenstrahlen geflochtenen Kranz halten; aber dies sah allein die Braut, ausser ihr niemand, keine lebendige Seele. Die Menschen sahen wohl den Glanz; sie schauten sich um, woher der Lichtstrom käme, aber sie sahen nichts; das sterbliche Auge kann nicht in der Feen Geheimnis schauen.

Als die Schlafenszeit gekommen war, führten zwölf taubenweiss gekleidete Brautjungfern die Braut in ihr Schlafgemach, und die Geiger spielten das Brautschlaflied, bei dessen Klange man weint und lacht. Gegen Mitternacht kam auch der Bräutigam, und dann verliessen die zwölf Brautjungfern das Schlafgemach.

Kaum waren sie zu zweien, da verschloss der Bräutigam die Thür, sah nach, ob das Fenster gut zugemacht war, dann schüttelte er sich, und von ihm ab fiel die Schlangenhaut und siehe, vor die schamhaft nicht aufblickende Braut trat ein herrlicher, vierundzwanzigjähriger, zauberschöner Jüngling mit wallendem Goldhaar, der selbst unter Feen als König anerkannt worden wäre. Dann umarmten sie sich, küssten sich, und der Bräutigam flüsterte seiner Braut ins Ohr:

„Ach, mein schönes Herzlieb, ich würde dir etwas sagen, wenn du nur kein Weib wärst, wenn du nur das Geheimnis bewahren könntest. Denn ich habe ein grosses Geheimnis; aber das Geheimnis ist nur Geheimnis, so lange es einer weiss; sobald auch nur zwei es wissen, gleich ist es keins mehr. Aber da wir jetzt eins sind, so will ich es dir erzählen, wenn du mir unter heiligem Eide gelobst, dass du es niemandem erzählen wirst, wenn auch deine leibliche liebe Mutter dich danach fragt.“

Die Frau versprach es, besiegelte es mit ihrem Eide und verpflichtete sich bei ihrer Seelen Seligkeit, dass sie niemandem ein Sterbenswörtchen sagen werde.

„Sonst,“ fuhr der Bräutigam fort, „wenn du dies irgend jemandem verrätst und dein Gelübde brichst, so wird unsere Sonne gleich umwölkt, und auch jenen strahlenden Stern, der über unsern Häuptern funkelt, würdest du in Finsternis sehen. Wann er sich erhellen würde, ob jemals, ob niemals, das weiss nur der liebe Gott.“

Die Frau beteuerte aufs Neue, dass sie schweigen werde wie der Fisch im Wasser.

„So will ich dir verkünden, mein schönes Herzlieb, dass ich kein Wundersamer, halb-Schlange-halb- Mensch bin, wie sie dies alle glauben, sondern ich habe Hände und Füsse, just wie andere Menschen. Der Fluch, dass ich diese Schlangenhaut tragen muss, ruht auf mir. Ich liebte eine Feenkönigin; aber weil ich sie untreu glaubte, die doch treu war, verliess ich sie; sie hat mich verflucht: So lange soll ich diese Schlangenhaut tragen, bis meine Gattin dies ihr Geheimnis ein Jahr, einen Tag und eine Stunde bewahrt hat. Wenn du das bestehen kannst, werden wir glückselig sein; wenn du es aber irgend jemandem verrätst, und sei es deine eigene liebe Mutter, werden wir unselig sein.“

Dann umarmten, küssten sie sich, schmiegten ihre Köpfe einer an des anderen Schulter, und so schliefen sie ein wie ein Vogelpaar im goldenen Nest.

Nur die Königin konnte nicht schlafen; es quälte sie, wie es wohl ihrer Tochter ergangen sei. Um das zu erfahren, durchwachte sie schlaflos die lange, lange Nacht, und es dämmerte noch kaum, da lehnte sie zum Fenster des Schlosses hinaus, wartete, ob die Sonne mit hellem oder trübem Antlitz auf diese Ehe schaue; wenn ihr leuchtendes, göttliches Antlitz trübe sein wird, so wird diese Ehe glücklos sein, und die Götter heissen sie nicht gut; wenn es aber freundlich, strahlend ist, dann kündet dies Freude und Glückseligkeit.

Schon stieg die Morgenröte am Himmel auf und nach ihr gleich die strahlenaugige Sonne. Die Sonne schien hell; ihr Antlitz war wolkenlos.

Vor Freude war die Königin schier von sich und sprach bei sich:

„O Dank dir, strahlende Sonne! Die Ehe meiner einzigen Tochter wird glücklich sein; denn selbst der Himmel lächelt über ihr.“

Sie eilte von hinnen zur Tür des Schlafgemachs, und dort erwartete sie das junge Paar, in der Hand einen Löffel Honig; von dem sollten sie kosten, auf dass ihre Ehe so süss sein möge wie jener Löffel Honig.

Lange, lange musste sie dort warten; dreimal schon war sie zur Tür gegangen und wieder zurückgekehrt, bis endlich die Tür sich wirklich öffnete, und der Bräutigam und die Braut heraustraten; beider Antlitz leuchtete von Freude und Glückseligkeit, war nicht bewölkt, sondern hell wie jene strahlende Sonne!

Dann kosteten sie von dem Löffel Honig, den, an der Schwelle stehend, die Schwiegermutter ihnen reichte und zum Munde führte, indem sie sprach:

„So süss wie dieser Honig, so glücklich, so süss sei eure Ehe!“

Dann betrachtete die Königin ihre Tochter, dass sie in ihrem Antlitz etwas läse; aber da war nur Glückseligkeit mit ungeschriebenen Buchstaben geschrieben.

Die Königin dachte im Stillen, dass mit diesem Mädchen etwas geschehen sein müsse. „Aber ich frage sie nachher; sie wird es ihrer Mutter gewiss sagen!“

Nun, dabei blieb es; aber nach zwei Wochen, als die Flitterwochen vorüber waren, bestürmte die Königin ihre Tochter mit Fragen, und mit schönen Worten, mit Bitten, mit Drohungen entlockte sie ihr das Geheimnis; die weltberühmt schöne Prinzessin erzählte alles, was ihr Gemahl gesagt hatte.

„Also ist dein Gemahl wirklich ein so schöner, junger Mann, liebe Tochter?“ begann die Königin ihre Rede.

„Das kann keine Sprache schildern, Mutter.“

„Aber wozu warten wir noch ein Jahr, einen Tag und eine Stunde, mein Kind? Das ist eine lange Zeit! Merk auf, was ich sage: heute, nach Mitternacht, lasse ich den Ofen heizen (ohnehin bäckt die Haushälterin Brot), und wir lassen diese hässliche Schlangenhaut verbrennen. Ich schicke um zwei Uhr nach Mitternacht unter irgend einem Vorwand die Magd hinein; du aber öffne die Thür! Sollte dein Gemahl erwachen und fragen, was das Mädchen will, so werde ich schon die Magd unterweisen, dass sie sage, dein Gewand, das du morgens zu tragen pflegtest, habe sie vergessen hinzubringen, und jetzt habe sie es gebracht; aber ich schicke sie nach der Schlangenhaut. Wenn die Magd die Schlangenhaut aus der Schlafkammer bringt, dann werfe ich sie gleich in den brennenden, feurigen Ofen.“

So geschah’s auch. – Bald nach Mitternacht, um zwei Uhr pochte die Magd an die Schlafkammerthür, damit man sie einlasse. – Wie das die junge Königin hörte, erhob sie sich von der Seite ihres Gemahls und öffnete die Türe, aber auch ihr Gemahl war davon erwacht und fragte die Dienerin, was sie wolle.

„Ich hatte vergessen, das Morgengewand zu bringen, das brachte ich herein,“ antwortete die Magd.

Der Wundersame, halb-Schlange-halb-Mensch, glaubte, was die Magd sagte, und legte sich auf die andere Seite und schlief ein; jene aber, nachdem sie die Schlangenhaut gefunden hatte, trug sie hinaus. Die Königin erwartete sie schon vorn, nahm die Schlangenhaut und liess sie in den brennenden, feurigen Ofen werfen. Aber siehe! Aus jeder Goldschuppe der Schlangenhaut wurde ein Feuerei! Wie die durch die Wärme und Glut aufbrachen, da entstieg einem jeden ein Feuervogel. Das waren die dienenden Geister, die für ihren Herrn, den Wundersamen, im brennenden, feurigen Ofen waren, und sie begannen ein schrecklich trauriges Lied zu singen, und ihre Tränen flossen in Strömen, so dass das Glühfeuer im Ofen einschlief. Und als es dann ganz zu trockener Glühasche geworden war, flogen die Feuervögel allesamt, gleich nächtlichen Fledermäusen, zum Ofen hinaus. Bei diesem Anblick eilte die Königin hinweg und blieb nicht stehen, bis sie ihr Zimmer erreicht hatte, wo sie sich das Haar herunterriss und es raufte wie Hanf.

Als dann auch der letzte Feuervogel davongeflogen war, als auch der letzte Funken im Ofen eingeschlummert war, da erwachte der Wundersame, halb-Schlange-halb-Mensch, in fürchterlicher Aufregung von einem entsetzlichen Traum. Er sprang gleich aus dem Bett, suchte die Schlangenhaut, aber fand sie nicht, und darob entsetzte er sich so sehr, dass er fast vor Schreck gestorben wäre; er wusste gleich, wie alles stand und was die Glocke geschlagen hatte.

„Ach, mein schönes Herzlieb, jetzt ist alles aus! Du hast das Geheimnis verraten! Ich verfluche dich, wie das Schicksal es bestimmt hat: So lange trage unter deinem Herzen meiner Liebe Frucht, so lange kehre der Apfel deines Busens sich nach innen und nähre mit den bitteren Tränen des Kummers deine Früchte, bis ich, wenn mir deine Treue kund geworden, meine Hand auf deine Brust lege und dich dadurch erlöse! Hier ist meines Bleibens keinen Augenblick mehr. Wohin ich gehe, forsche nicht! Du kannst nicht dort hingelangen, und zerschliessest du auch zwölf Paar eiserne Schuhe, du könntest dennoch nicht den Ort erreichen!“

„Nun, mein schönes Herzlieb,“ spricht die Königin, „wenn du mich verfluchtest, so werde auch ich dich verfluchen! Siehe! meine Fingerspitze hat sich gespalten, und mein strömendes, rotes Blut fiel auf dein weisses Hemd: So lange trage diese drei roten Blutstropfen auf deinem Hemd, bis ich sie mit eigenen Händen auswasche; wenn du aber dieses Hemd fortwerfen solltest, so möge das rote Blut auf deine Stirn tropfen und dort eintrocknen!“

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