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Märchenbasar

Die Schlangenhaut

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Der Wundersame, halb-Schlange-halb-Mensch, aber entschwand in Nebelgestalt wie Dunst, wie Rauch und liess dort seine Gemahlin zurück.

Schon sieben Jahre, sieben Monate, sieben Wochen, sieben Tage und sieben Stunden waren verflossen, seit der jungen Königin Gemahl verschwunden war; schon seit ebenso langer Zeit fühlte sie sich Mutter, ohne dass sie gebären konnte. Aber noch immer hatten sie weder eine Kunde noch ein Wort von dem Wundersamen, halb-Schlange-halb-Mensch, vernommen, und hatten doch überall nach ihm geforscht, hatten auch Boten in die vier Himmelsgegenden geschickt; die waren jetzt auch alle heimgekehrt, und keiner hatte von ihm etwas gehört.

Die Königin weinte in einem fort, härmte sich in einem fort, so sehr, dass sie täglich zwei, drei Tücher voll weinte. Ihre Thränen strömten wie der Platzregen, gruben sich fast selbst ein Flussbett: des Kummers Flussbett. Von Tag zu Tage schwand sie dahin wie das kranke Reis, so sehr, dass sie selbst ihres Feindes Herz gerührt haben würde, dass selbst der Mitleid mit ihr empfunden hätte.

Und in diesem Zustande zog sie in die weite Welt, ihren Gemahl zu suchen, der sie unter einem Fluche zurückgelassen hatte.

Sie wanderte und wanderte durch siebenmal sieben Königreiche, auch noch über das Operenzmeer, verwaist, mit zerrissenem Gewande, mit steinzerschnittenen, dornzerrissenen Füssen; mit Strömen ihres schönen, roten Blutes bezeichnete sie ihren Weg. Einstmals kam sie von ungefähr in ein Thal, wo auf der seidenen Wiese seidenfellige, weisse Herden weideten, die unschuldig reine Hirten hüteten.

Auf dieser Seidenwiese fand sie drei Paläste. Sie betrat den ersten, der war von einem Silberblütengarten umgeben; den Silberblütengarten aber durchschnitten Milch- und Honigströme. Auf diesen Silberblumen wuchs das Himmelsmanna, das goldgefiederte Vöglein singend abpflückten und den Wanderern in der Wüste hinabfallen liessen. Ich sage, sie langte hier an, ging in den ersten Palast, wo Frau David, die Mondmutter, wohnte. Sie grüsste sie:

„Gott zum Gruss, meine liebe, alte Mutter!“

„Schönen Dank, meine liebe Tochter! Doch was führt dich her?“

„Ich suche den Wundersamen, halb-Schlange-halb- Mensch; habt Ihr nicht etwas von ihm vernommen, liebe, alte Mutter?“

„Ich habe nichts vernommen; aber warte nur, meine liebe Tochter; heute kehrt mein Sohn David heim; er umwandert das Erdenrund. Wenn er nichts von ihm weiss, so weiss es niemand auf der Welt! Aber ich merke, du bist hungrig, bist müde, bist durstig.“

Die arme Frau sagte gar nichts, sie nickte nur mit dem Kopfe, dass es so sei.

„Nun, meine Tochter, hier diese Kürbisflasche habe ich just eben aus dem Milch- und Honigstrom gefüllt; nimm einen Schluck davon!“

Die arme Frau nahm die Kürbisflasche und that einen guten Zug daraus. Durch diesen Wundertrank gewann sie sogleich ihre alten Kräfte wieder.

„Nun, meine Tochter, hier auf diesem Rosenteller ist von Vögeln geschautes, von Vögeln gepflücktes Himmelsmanna. Iss davon, sättige dich!“

Die arme Frau, die hungrig war, sättigte sich an dem Himmelsmanna; davon fühlte sie sich noch gekräftigter.

„Nun, meine liebe Tochter, wart‘ nur ein Weilchen; ich mähe jetzt auf der Seidenwiese mit der Silbersichel Seidengras; leg dich darauf nieder, ruhe dich aus.“

Die gute, alte Frau aber wackelte fort auf die Seidenwiese, nahm die Silbersichel zur Hand, hatte geschwind ein ganzes Bund Seidengras gemäht und war damit zurückgekehrt. Dann bereitete sie gleich in der Kammer, damit ihr Sohn es nicht sähe, ein gutes Lager von dem Seidengras und breitete ein silbernes Laken darüber.

Die arme Frau legte sich nieder, und sogleich übermannte sie die Müdigkeit; sie schlief ein.

Kommt der Sohn der alten Frau, der David, heim und brüllt schon von weitem:

„Ich wittere einen fremden Gestank! Ich wittere einen fremden Gestank!“

Seine liebe, gute Mutter ging ihm entgegen, fasste seine Hand, streichelte ihm das Kinn und strich gleich seinen himmelwärtsgekehrten Silberbart herunter.

„Das ist kein fremder Gestank, lieber Sohn, sondern eine arme Frau von der andern Welt ist hier, die sucht den Wundersamen, halb-Schlange-halb- Mensch, der sie unter einem Fluch zurückgelassen hat; weisst du nicht etwas von ihm?“

„Alltäglich umkreise ich das Erdenrund; aber von solch einem Menschen habe ich nichts gehört noch gesehen. Aber hier, in der Nachbarschaft wohnt mein Vater Sonne; die arme Frau soll dahin gehen; wenn der nichts darüber weiss, so weiss es niemand auf der Welt.“

Wie nun die arme Königin Hunger, Durst und Leibesmüdigkeit gestillt hatte, erwachte sie mit ganz verjüngten Kräften. Wie sie erwacht war, bewirtete die Mondmutter sie noch einmal und berichtete ihr, was ihr Sohn gesagt hatte, – und ausserdem, damit sie ein Andenken an sie habe, schenkte sie ihr zwei schöne Goldfische, die sie mit einem Purpurnetz aus dem Milch- und Honigbach fischte.

Die arme Frau bedankte sich für die ihr erwiesene Güte und machte sich auf den Weg zum Sonnenpalast.

Sie ging, wandelte über die Seidenwiese auf einem mit goldenem Sande bestreuten Fusspfad; auf einmal gelangte sie in den Garten der Sonne, der die Nacht nicht kennt und mit goldenen Blumen bepflanzt ist, die unsichtbare Geister mit goldenen Giesskannen aus dem Feuerquell begiessen. Sie trat in den Sonnenpalast, der gerade in der Mitte des Gartens stand; aber hier auf einmal verlor sie ihr Augenlicht, als ob es durchschnitten worden wäre; sie sah nicht, sondern tappte nur umher wie ein Blinder. Plötzlich berührte eine Zauberhand sie, und eine Stimme sprach: „Sieh!“ und gleich sah sie. Sie schaute umher; da erblickte sie eine alte Frau, die war die Sonnenmutter.

„Guten Tag, meine liebe, alte Mutter!“

„Schönen Dank, meine liebe Tochter! Wie kommst Du hierher in diese fremde Gegend, wohin selbst der Vogel nicht kommt?“

„Den Wundersamen, halb-Schlange-halb-Mensch, suche ich, der mich unter einem Fluch zurückgelassen hat; vernahmt Ihr nichts von ihm, meine liebe alte Mutter?“

„Ich, meine liebe Tochter, habe nichts vernommen; doch wenn mein Sohn, der die ganze Welt umwandert, nichts von ihm weiss, so weiss es niemand auf der Welt. Aber wie ich sehe, bist du durstig, bist hungrig, bist müde. Erquicke deinen müden Leib und deine müde Seele.“

Die arme Königin sagte gar nichts, sie nickte nur mit dem Kopfe, dass es so sei.

„Nun, meine liebe Tochter, wenn du durstig bist, da nimm, trink aus dieser Kürbisflasche! Ich habe just eben aus dem frischen Quell geschöpft; Feuertrank ist darinnen.“

Die Königin nahm die Kürbisflasche und that einen guten Zug vom Feuertrank. Plötzlich, wie wenn der Faden ihres Wehes entzweigeschnitten wäre, hörten sogleich all ihre Schmerzen auf, und eine dem Schlummer gleiche Erstarrung ergriff jedes ihrer Knöchelchen.

„Doch die Dornen des Weges haben deinen königlichen Leib zerrissen, blutig geschlagen, meine liebe Tochter; komm, bade in Tausoole!“

Die arme Königin badete in Tausoole, und auf einmal war jede Wunde, jeder Riss an ihrem Leibe geheilt; ihr ganzer Leib wurde so weiss wie das feinste Linnen, so zart wie Tau und so glatt wie Marmor.

„Nun, meine liebe Tochter, wenn du hungrig bist, sieh, hier sind ein paar goldene Äpfel; iss nur!“

Wie die Königin das eine Goldäpfelpaar gegessen hatte, da war plötzlich ihr Hunger gestillt, wie wenn er entzweigeschnitten wäre.

„Aber du bist auch müde, meine liebe Tochter; komm in meine Schlafkammer; dort mache ich dir ein Bett aus goldenem Grummet, das ich mit einer Strahlen-Sichel schneide und mit einem goldenen Laken bedecke.“

Da legte sich die arme Königin auf das goldene Grummet nieder, und gleich übermannte sie die Müdigkeit; sie schlief ein.

Nun kommt abends die Sonne sehr müde heim und schreit schon von weitem:

„Ich wittere einen fremden Gestank! Ich wittere einen fremden Gestank!“

Geht seine gute Mutter ihm entgegen; mit sanfter Hand streichelt sie seinen Feuerbart, und gleich, nachdem sein Bart heruntergestrichen, heitert sich seine Stirn auf.

„Das ist kein fremder Gestank, mein lieber Sohn, sondern hier ist eine Frau, mit der’s so und so steht, aus der andern Welt, die sucht ihren wundersamen halb-Schlange-halb-Mensch-Gemahl, der sie unter einem Fluch zurückgelassen hat; sahst du ihn nicht auf deiner Weltenwanderung?“

„Ich sah ihn nicht, meine liebe Mutter. Aber eine Tagereise von hier wohnt mein Sohn, der Wind; er hat einen schlanken Leib, denn sogar durch das Nadelöhr kann er kriechen; wenn er nichts von ihm weiss, so weiss es niemand auf der weiten Welt!“

In der Frühe erhob sich die arme Königin, an Leib und Seele gestärkt. Die Sonnenmutter nahm sie bei der Hand und leitete sie aus dem Sonnengarten; aber vorher bewirtete sie sie mit goldenen Apfeln. Allerlei drollige Dinge sah sie hier: sie sah die riesigen Kreuzspinnen, wie sie aus verspeistem Goldflachs die Feenleinwand webten und wirkten, die feiner als Haar, durchsichtiger als Glas ist, sah hier und dort, nah und fern eingepflanzte Sonnenstrahlenblüten, die jede einem Himmelsvöglein Obdach bot.

Wie sie aus dem Sonnengarten gelangt waren, da schenkte ihr die Sonnenmutter, die gute, alte Frau, damit sie ein Andenken behalte, eine goldene Kunkel und zwei schöne goldene Spindeln.

Nun hatte sie schon zwei schöne goldene Fische, eine goldene Kunkel und zwei schöne goldene Spindeln.

So geht und wandert die arme Königin; auf einmal, gegen die Dämmerzeit, kommt sie in einen Garten, der war des Windes. Schon von fern schlug an ihr Ohr ein Singsang, der wie die Flut fortwährend anschwoll, wie sie näher und näher kam. Wie sie ganz dort angelangt war, da sah sie, dass dort auf aufgespannten, goldenen Saiten das Lüftchen spielte, und der Sturmwind strich die Bassgeige dazu.

Zu dieser seltsamen Musik drehten sich die Wirbelwinde im Tanz; alt und jung, alle miteinander tanzten den ewigen Tanz. Hier, mitten im Garten stand des Windes Palast, auf Granitfelsen, die er in seinem Zorn vom Kaukasus abgebissen hatte. Die arme Königin betrat den Palast, und dort traf sie eine alte Frau, die Windmutter. Sie grüsste sie:

„Gott zum Gruss, meine liebe, alte Mutter!“

„Schönen Dank, meine liebe Tochter, wie kommst du hierher in diese fremde Gegend, wohin selbst der Vogel nicht kommt?“

„Ich suche meinen wundersamen halb-Schlange- halb-Mensch-Gemahl, der mich unter einem Fluch zurückgelassen hat; vernahmt Ihr nicht etwas von ihm, meine liebe, alte Mutter?“

„Ich habe nichts vernommen; aber bald kommt mein Sohn, der Wind, heim, der sogar durch das Nadelöhr kriecht; wenn der nichts von ihm vernommen hat, dann hat es niemand auf der Welt! Aber du bist hungrig, meine Tochter, wie ich sehe, bist durstig, bist müde.“

Die arme Frau sagte gar nichts, sie nickte nur dazu mit dem Kopfe, dass es so sei.

„Nun, wenn du hungrig bist, hier sind ein paar Goldbirnen, die mein Sohn im Garten der Morgenröte gepflückt hat; die iss!“

Die arme Königin nahm die beiden Goldbirnen und ass sie. Siehe! auf einmal, als ob der Faden des Hungers in ihr entzweigeschnitten wäre, so war er auf der Stelle beschwichtigt.

„Nun, meine liebe Tochter, wenn du durstig bist, hier giebt’s etwas; trink aus dieser Kürbisflasche! Ein Zaubertrank ist darin, den mein Sohn von Blütenstengeln liest.“

Die arme Königin nahm die Kürbisflasche und that einen guten Zug daraus; auf einmal kehrte ihres Antlitzes frühere Schönheit zurück, und wieder wurde ihr Antlitz wie die weisse Rose mit Purpurfarbe angehaucht.

„Aber du bist auch müde, meine Tochter; komm in mein Schlafzimmer, lege dich nieder in meinem Blumenbett auf das Seidengras, das ich mit einer Mondsichel jüngst geschnitten habe.“

Die arme Königin legte sich nieder auf das Seidengras, und der rosenfingrige Schlummer schloss ihr gleich die Augen zu.

Nun kommt mit lautem Gepolter der Wind heim; schon von einer Meile her schreit er:

„Ich wittere einen fremden Gestank! Ich wittere einen fremden Gestank!“

Ein Haar aus seinem Bart war in das Meer gefallen, und das wirbelte dort alles aus seinen Grundfesten auf.

Da eilte ihm seine liebe Mutter entgegen, und wie sie seinen langen Bart gestreichelt hatte, da besänftigte sich der Wind gleich.

„Das ist kein fremder Gestank, mein lieber Sohn; sondern hier ist eine unglückselige Frau aus der anderen Welt, mit der es so und so steht, die ihren wundersamen halb-Schlange-halb-Mensch-Gemahl sucht, der sie unter einem Fluch zurückgelassen hat. Hast du nicht etwas von ihm vernommen?“

„Haha, meine Mutter! Natürlich vernahm ich davon. Doch in solchem Zustand kann sie nimmermehr dorthin gelangen; sie müsste durch ein Loch, das enger als das Nadelöhr ist, kriechen; denn die Burg ist rings von einer brennenden Hecke umgeben. Doch ich werde sie in meine Arme nehmen, trage sie dann auch hinüber über die brennende Hecke und setze sie im Garten nieder. Das andere ist dann ihre Sache.“

Frühmorgens bewirtete die Windmutter die arme Königin, und auf dass sie ein Andenken behalte, gab sie ihr goldenen Flachs, der war aus dem Bart eines jungen Wirbelwindes gerupft; er selbst aber, der alte Herr Wind, nahm sie in seinen Arm, und damit sie nicht friere, deckte er sie mit seinem Mantel zu; dann begann er ein Lied zu singen und wiegte sie in seinem Arm wie die Amme das Kind in der Wiege, so dass die Königin einschlief, und als sie erwachte, da fand sie sich am Ufer eines Sees.

Hier am Ufer des Sees setzte sie sich nieder und liess die beiden Goldfischchen in dem Teich trinken; dann nahm sie den goldenen Flachs vor, den sie von der Windmutter als Andenken erhalten hatte, zupfte ihn, schichtete ihn, wickelte ihn zur Docke zusammen; dann band sie ihn auf die goldene Kunkel und begann auf der goldenen Spindel zu spinnen.

Sie spann nur und spann; da kamen einmal zwei Frauen an den See zum Waschen. Sie setzten das Waschgestell am Seeufer nieder und nahmen ihre Wunderholzschlägel vor und begannen die Kleider zu schlagen, und ab und zu spülten sie sie im Wasser des Sees.

Die beiden Frauen wuschen und wuschen, die Königin spann und spann; auf einmal begann die eine der beiden Frauen, während sie ein weisses Hemd in der Hand hielt:

„Ach Tauwasser,“ so hiess die Frau, zu der sie sprach, „schau her! Siehst du diesen Blutfleck? Wenn wir den auswaschen könnten, würden wir die Reichsten auf der Welt werden; denn für das Auswaschen dieses Fleckes versprach unser Herr unzählig viel Geld. Sie versuchten es auch schon auf alle Weise, sie kochten, laugten, seiften es, vielleicht sogar auch mit Spiritus; aber niemand konnte ihn auswaschen.“

Die Königin hatte so mit halbem Ohr ihrer Rede gelauscht, und so mit halbem Auge verstohlen schaute sie hin auf das Hemd. Siehe, da erkannte sie das Hemd ihres eigenen Gemahls! Dies war das verwunschene Hemd, jenes, auf das sie ihr rotes Blut hatte fallen lassen, und das war auch jetzt noch so rot.

Sie sprach zu den Frauen:

„Hört an! Gebt mir nur jenes Hemd her; ich werde es schon auswaschen.“

Die beiden Frauen gaben es ihr. Die Königin liess zwei grosse Thränentropfen darauf fallen, rieb es ein wenig, und siehe, von dem Blutfleck war keine Spur mehr sichtbar.

Voller Freude eilten die beiden Wäscherinnen heim, und geradewegs zu ihrem Herrn: da und da am Ufer des Sees sei eine Frau, die spinne goldenen Flachs von goldener Kunkel auf goldener Spindel, die habe kaum das Hemd in die Hand genommen, kaum ein paar Thränentropfen darauf fallen lassen, da sei gleich der Blutfleck ausgegangen und zwar so, dass man keine Spur mehr sehen könne: „Wenn deine Majestät es nicht glaubt, hier ist das Hemd, seht selbst!“

Wahrlich, der Feenkönig sah das Hemd nicht an, sondern stürzte Hals über Kopf auf den Hof und gab dort den dienenden Geistern Befehl, da und da am Ufer des Sees sei eine Frau, die sollten sie geschwind aufsuchen, in die gläserne, goldene Kutsche setzen, die Tatoschpferde, Feenrosse ziehen; dann sollten sie sie in das Balsambad führen und baden; wenn das geschehen sei, sollten sie sie in purpurnen Sammet kleiden und in das schönste Gemach des Schlosses führen; denn sie sollten sie so ehren und betrachten wie ihre Königin.

Kaum war der Befehl verklungen, so war er auch erfüllt. Die Königin wurde in einer gläsernen, goldenen Kutsche in das Balsambad gebracht und dort gebadet; von dort führten sie sie dann in das Feen-Ankleidegemach, wo die Wand so strahlend wie der Spiegel war oder vielmehr noch strahlender; man brauchte nur auf die Wand zu blicken, und gleich sah man sich vom Scheitel bis zur Sohle. Hier kleideten sie zwölf Kammermädchen in purpurnen Sammet, entwirrten mit dem Muschelkamm ihr langes, goldenes Haar, das schon seit sieben Jahren nicht gekämmt worden war, mit feenhafter Geschicklichkeit, so dass auch nicht ein einziges Goldhaar von ihrem Haupte hinabfiel, auch nicht ein Haar am Muschelkamm hängen blieb. Dann flochten sie ein regenbogenfarbenes Band hinein, und auf jedes Haar zogen sie eine echte Perle.

Als sie so in voller Pracht gekleidet war, führten sie sie in das schönste Gemach und betteten sie dort auf einem Blumenlager. Ein Goldhaar erleuchtete das Zimmer mit Tageshelle.

Nun öffnete sich die Thür, und herein trat nicht mehr der Wundersame, halb-Schlange-halb-Mensch, sondern der schönste, vierundzwanzigjährige, mit unvergänglicher Schönheit und ewiger Jugend begabte Feenkönig, ihr liebster, lange nicht gesehener Gemahl.

Der Feenkönig trat ans Bett der kranken Königin, seine beiden Finger legte er auf ihre Brust, auf die Gegend des Herzens, und die Königin brachte gleich, ohne Schmerz, zwei schöne, goldlockige Kinder zur Welt. Das eine war ein Knabe, das andere ein Mädchen; die Sonne hatte das eine, einen Stern das andere auf der Stirn; beide aber hatten bis zur Ferse wallendes Goldhaar.

Wie die Königin die beiden schönen Kinder zur Welt gebracht hatte, erhob sie sich gleich von ihrem Bett; denn sie fühlte keinen Schmerz. Dann nahm der Feenkönig von der einen Seite den siebenjährigen kleinen Sohn, von der anderen Seite die siebenjährige kleine Tochter, führte sie in das Feenschloss, wo er die Königin auf den Thron setzte, den die versammelten Feen schon umstanden und sie als ihre Königin willkommen hiessen. Als die Königin im Balsambad gebadet hatte, war auch sie gleich all den anderen Feen mit ewiger Jugend begabt worden, und dazu war sie die allerschönste unter all den versammelten Feenfrauen und Fräulein; sie war Königin in der Schönheit.

Dann feierten sie ein grosses Fest; sie hielten Hochzeit und Taufe auf einmal, und drei Frauen, die Mond-, Sonnen-und Windmutter, luden sie als Patinnen, als Paten aber deren Söhne, die auch mit grossem Gepränge erschienen und es so lustig trieben, dass man sieben Welten weit davon erzählte.

Zu Ende war’s, ein Märchen war’s.

Quelle:
(Ungarische Volksmärchen)

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