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Märchenbasar

Die sieben Brüder

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Kreuz und quer durch das Land führten die Weg der Büffelherden. Die waren durch nichts aufzuhalten und wichen nur dem verlassenen Zelt am Fluss aus, als schiene es ihnen dort nicht geheuer zu sein.
In diesem Zelt lebten sieben Knaben, die arm waren wie die Präriemäuse. Es kam nur selten vor, dass ihr Vater mit einer Jagdbeute heimkehrte, und so mussten sie sich oft mit Gesang und Tanz den Hunger vertreiben. Auch mangelte es ihnen an der nötigsten Kleidung, Während sich die Knaben des nahen Dorfes jedes Frühjahr voller Stolz in neuen Kleidern aus Kalbsleder sehen ließen, verkrochen sich die sieben Brüder in ihre Behausung, denn sie fürchteten, wegen ihrer Blöße verspottet zu werden. Nur nachts wagten sie sich ins Freie, um über ihren Spielen den Hunger etwas zu vergessen. Auf leisen Sohlen stahlen sie sich durch die schlafende Prärie auf einen einsamen Platz, wo das Gras niedergetreten war und der ihnen nach allen Seiten Schutz bot. Ehe sie zu spielen begannen, zündeten sie ein Feuer an. Da ihre Magen tagsüber gewöhnlich leer blieben, entschädigten sie sich wenigstens in der Nacht durch eine Art Festmahl, bei dem es zwar auch nichts zu essen gab, wo ihnen die Einbildungskraft die herrlichsten Büffelbraten über die Flammen zauberte. Dann tanzten sie im Scheine des Feuers, bis sie der anbrechende Tag auf ihre Lagerstatt zurücktrieb. So folgte ein Schlaf nach dem anderen, und die Brüder blieben arm und hungrig, weil der Große Geist sich zu viel um die indianischen Krieger kümmern musste und gar nicht auf den Gedanken gekommen wäre, dass manche von seinen roten Kindern Not leiden könnten.
Als der Monat der gelben Kälber zu Ende ging, waren die Knaben schon so entkräftet und abgemagert, dass sie nicht einmal mehr spielen mochten. „aufstehen, alle aufstehen! Wir wollen ein großes Feuer anzünden, vielleicht gibt es uns einen rettenden Gedanken ein“, rief der älteste der Knaben eines Tages seinen Brüdern aufmunternd zu.
Von den vielen anderen Feuern, die zur selben Zeit im Indianerdorf brannten, weiß ich nichts, aber so manches von dem Feuer der sieben Knaben am Rande der Prärie. Still und stumm hatten sie lange im Kreise gesessen, als der jüngste traurig sagte: „Die Welt ist böse und grausam. Es wird wohl das Beste sein, wenn wir sie für immer verlassen. Wir wollten uns in…in…nun meinetwegen Erdklumpen verwandeln, damit wir für alle Zeiten von unserem Jammer erlöst sind.“ Erde ist tot, wir wollen uns lieber in Felsen verwandeln“, schlug der zweite Bruder vor. „Felsen, bersten“, wandte der dritte ein. „Es ist besser, wenn wir uns in große Bäume verwandeln!“ Aber das wollte wieder dem Vierten nicht gefallen: „Der Blitz könnte uns erschlagen. Werden wir lieber zu Wasser, dem kann niemand etwas anhaben………“
„Doch – die Sonne. Die trocknet Bäche und Flüsse aus. Wir wollen uns in die Nacht verwandeln, die hat noch niemand ihren Schutz versagt“, meinte der nächste. Dieser Vorschlag schien allgemein Zustimmung zu finden, aber da meldete sich der sechste Bruder zum Wort: „Nicht einmal die Nacht ist allmächtig, denn was bleibt von ihr, wenn der Tag kommt? Ich möchte lieber Tag sein als Nacht.“ Nachdem sie noch eine Weile hin und her geredet hatten, ergriff wieder der älteste Bruder das Wort: „Weder Tag noch Nacht dauern ewig. Nur der blaue Himmel ist unsterblich. Aber in den können wir uns nicht verwandeln, weil die Indianer schon einen blauen Himmel haben, und der genügt ihnen. Aber die schönen blinkenden Dinger da oben – die Sterne – werden uns gewiss bei sich aufnehmen.“ Die Kinder begrüßten die vollständigen Worte ihres Bruders mit Jubel.
Ja, sie würden sich in Sterne verwandeln! Sie warfen den letzten Rest des Holzes ins Feuer. Die Flammen schlugen gewaltig empor und beleuchteten den ganzen Platz. Darauf hatten die Brüder nur gewartet. Sie standen auf, reichten einander die Hände und begannen langsam, ganz langsam zu tanzen. Schritt für Schritt fiel die Müdigkeit von ihnen ab.
Sie bewegten sich schneller und immer schneller. Ihre Füße lösten sich allmählich von der Erde, und der Kreis der Tanzenden stieg zum Himmel. Tief unter ihnen verlosch das Feuer. Sie aber strebten nach oben, der weißen Spur Wakinus entgegen. Unendlich weit dehnten sich die Sternenfelder über dem Indianerland. Umgeben von den Wundern des nächtlichen Himmels, hörten die Kinder auf zu tanzen und sahen sich staunend um. Da erblickten sie sieben schöne Wigwams, die für sie wie geschaffen schienen. Sie liefen auseinander, jeder in einen anderen. Und einen jeden erwartete, als er eintrat, eine atemberaubende Überraschung. Überall, an den Wänden und auf dem Fußboden, hingen und lagen so viele schöne Dinge, dass ihnen ob dieser Pracht und Herrlichkeit das Herz stillzustehen drohte. Neue, wundervoll geschmückte Kleider, funkelnde Häuptlingsdiademe, fein gearbeitete Mokassins…und die vielen, vielen Speisen. Sie zogen sich die bereitliegenden Kleider an und traten vor ihre Wigwams, denn ein jeder wollte sich seinen Brüdern zeigen. Aber da harrte ihrer eine neue Überraschung: Ihre Kleider strahlten wie lauteres Gold und glichen einander wie ein Ei dem anderen.
Über alle Maßen staunend, sah einer den anderen an. Wie hatte das alles geschehen können? Nur der älteste wusste die Antwort:
„Der Große Geist hat unsere Bitten erhört und uns zu sich genommen. Nun sind wir Sterne.“ Und so war es auch. Zur Zeit, wenn im Herbst die Felle der jungen Büffel braun werden, schauen im ganzen Indianerland die Kinder zum Himmel hinauf und zählen im Sternbild der Plejaden die sieben Brüder. Aber sie finden sie nur selten alle beisammen.
Das kommt daher, dass der Wigwam des ältesten höher steht als die anderen und sein Glanz sich im weiten Sternenraum verliert.
*
Quelle: Märchen der Stämme Assiniboine, Blackfoot

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