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In alten Zeiten lebte einmal ein Padischah. Dieser Padischah hatte keine Kinder. Eines Tages sprach er zu seinem Wezir: »Siehe Lala! Wir sind beide kinderlos; lass uns auf die Wanderschaft gehen, vielleicht wird uns Allah Wunderzeichen geben.«
Damit machten sie sich auf den Weg und wie sie so gingen und gingen, kamen sie in einer grossen Ebene zu einer Wasser-Quelle. Da sprach der Padischah: »Setzen wir uns zu dieser Quelle und ruhen wir uns ein wenig aus.« Damit setzten sie sich unter einen Baum nieder und wie sie so da sassen, erschien plötzlich ein Derwisch und begrüsste sie mit den Worten: »Esselam alejküm, Padischah« – »Ve alejküm selam Väterchen« antworteten sie und boten ihm neben sich einen Platz an. Da sprach der Padischah zum Derwisch: »O Derwisch, wenn dir bekannt ist, dass ich ein Padischah bin, dann musst du auch mein Leid kennen.« Da antwortete der Derwisch: »Du hast wegen Kinderlosigkeit den Wanderstab ergriffen.« Also sprach er, nahm aus seiner Brust zwei Äpfel, gab einen dem Padischah, den anderen dem Lala und sagte: »Nehmet diese Äpfel, und wenn ihr in eure Paläste zurückkehret, so verzehret die eine Hälfte dieser Äpfel, die andere Hälfte beider Äpfel gebet euren Frauen zum Verspeisen. Allah wird euch dann je mit einem Kinde segnen.« Darauf entfernte sich der Derwisch.
Dann kehrte der Padischah mit seinem Lala in die Heimat zurück, sie verzehrten gemeinsam die Äpfel und nach neun Monaten und zehn Tagen wurde ihnen je ein Sohn geboren. Darob freuten sie sich und feierten die Geburt ihrer Kinder durch Feste, erzogen die Kinder gemeinschaftlich und schickten sie, als sie heranwuchsen, in die Schule. Die Kinder wollten trotz ihres zwölf bis dreizehn jährigen Alters nicht von einander weichen, sondern blieben Tag und Nacht beisammen.
Als sie eines Tages im Tscharschi spazierten, bemerkten sie einen Tellal, der einen Kasten herumtragend, denselben um hundert Lira feilbot. Da sprach der Königssohn zu seinem Kameraden: »Den Kasten kaufe ich.« Worauf der Sohn des Wezirs den Kasten kaufte, den sie nun in den Palast trugen und in ihr Zimmer stellten. Während der Lala aus dem Zimmer ging, öffnete der Sohn des Padischah aus Neugierde den Kasten und sah darin auf einem Papier das Bild eines Mädchens. Als der Jüngling dies sah, fiel er in Ohnmacht. Der Lala kam gerade herein, erschrak, bespritzte ihn mit Wasser und brachte ihn wieder zum Bewusstsein. Da fragte er ihn: »Was ist mit dir geschehen, mein Prinz?« – »O Lala« antwortete er, »ich habe mich in dieses Bild verliebt«. Als sie das Papier genauer betrachteten, sahen sie an dessen Rande den Namen der Tochter des Padischah von Kandehar. Der Königssohn sprach: »Ist also dieses Bild wirklich ein lebendes Wesen? jedenfalls werde ich trachten, es aufzusuchen.« Darauf sagte sein Lala: »Entsage ihr, mein Prinz; viel Unglück könnte dich noch ihretwegen treffen.« Der Sohn des Padischah wollte die Warnungsworte des Lala nicht hören und rüstete sich zur Reise. Da sagte sein Genosse: »wenn du in der Tat gehen willst, so kann ich allein nicht zurückbleiben, sondern wir gehen dann zusammen.« Darauf sattelten sie ein Ross und zogen, ohne dass irgend jemand etwas davon wusste, in die Ferne.
Nach vielen Reisen über Berg und Tal, erreichten sie eines Tages eine Stadt. Dort trafen sie eine alte Frau und baten sie um Nachtlager. »Oh meine Kinder,« sagte die Alte, »ich habe bloss eine Kuliba (Hütte), wo kann ich euch dort beherbergen, da ich mich in meinem engen Zimmer kaum rühren kann.« Als jedoch der Jüngling der alten Frau eine Handvoll Goldstücke gab, da sprach sie: »Wohlan, kommet nur, meine Söhne« und führte sie in ihre Wohnung. Der Jüngling seufzte indessen fortwährend wegen seiner Liebe. Als die alte Frau dies wahrnahm, frug sie ihn: »Warum weinst du?« Worauf der Jüngling das Bild vorzeigte und folgendes sprach: »Siehe, mein Mütterchen, ich verliebte mich in dieses Mädchen; deshalb bin ich hier in der Fremde, und wenn ich den Gegenstand meiner Liebe nicht finden sollte, dann bringe ich mich um.« – »Oh mein Sohn, dies ist doch die Tochter unseres Padischah. Diese Woche wird sie Braut, ich gehe ja dort im Königspalast ein und aus. Sei unbesorgt, morgen früh gehe ich hin und werde schon trachten, dir die Tochter des Sultans zu zeigen.« Der Jüngling war sehr dankbar, küsste der alten Frau die Hand und bat sie, ihm nur einmal Gelegenheit zur Zusammenkunft mit dem Mädchen zu geben.
Am Morgen des nächsten Tages ging die Frau in den Palast. Die Hoffrauen der Sultanstochter empfingen sie freundlich, begrüssten sie, erkundigten sich nach ihrer Gesundheit und plauderten von vielerlei Dingen. Als die Frau zufällig mit der Sultanstochter allein blieb, da erzählte sie ihr von der Liebe des Königssohnes. Da sagte das Mädchen: »Aber liebes Mütterchen, weisst du denn nicht, dass ich schon diese Woche Braut werde?« Jedoch die Alte gab sich damit nicht zufrieden, verlegte sich auf’s Bitten und Weinen und sagte, dass der schöne Jüngling sich in ihr Bild verliebte, dass er sie nur ein einzigesmal sehen möchte, und dass, weil er Tag und Nacht weint, aus seinen Augen anstatt Tränen Blut fliesse; sie möge ihr zu liebe darauf eingehen und ihm ihr Gesicht zeigen. Endlich liess sich das Mädchen erweichen und sprach: »Ich werde morgen mit dem Hochzeitsgefolge in die Stadt meines Bräutigams gehen, auf diesem und diesem Ort ist eine finstere Türbe (Grabmal). Der Jüngling möge sich dorthin begeben und wenn ich vorüberfahre, werde auch ich hingehen, um ihn dort zu treffen.« Die Alte ging darauf nach Hause, um zu erzählen, was sie mit dem Mädchen besprochen. Der Jüngling darüber erfreut, nahm den Lala mit und beide gingen gegen Mitternacht zur bewussten finstern Türbe.
Das Mädchen kleidete sich des Morgens an und bestieg einen Wagen des Hochzeitszuges. Als sie sich der Türbe näherte, liess sie den Wagen anhalten und sagte: »Ich steige auf eine kurze Zeit in die Türbe hinab, wartet auf mich bis ich zurückkomme.« Darauf ging sie in die Türbe. Als nun die jungen Leute einander ansichtig wurden, umarmten und küssten sie sich und fielen in ihrem Liebestaumel in Ohnmacht.
Unterdessen hielt der Lala neben ihnen Wache, und da er dachte, dass die Hochzeitsgäste ungeduldig werden könnten, entkleidete er vorsichtig das Mädchen und zog ihre Kleider an; seine Kleider dagegen liess er dort liegen und erfernte sich. Das Volk, in der Meinung, es wäre die Sultanstochter, machte ihm wegen seines langen Ausbleibens Vorwürfe, man liess ihn auf den Wagen setzen und führte ihn mit dem Hochzeitszuge fort. Unterdessen erwachten in der Türbe das Mädchen und der Jüngling aus der Ohnmacht. Das Mädchen wusste, dass seit ihrem Aufenthalte in der Türbe eine geraume Zeit verstrichen und bemerkte auch, was mit ihren Kleidern und mit denen des Lala geschehen war. Da sprach der Jüngling zum Mädchen: »Fürchte nicht meine Sultana, an deiner Stelle hat sich mein Lala zur Hochzeit begeben. Jetzt heisst es aber vorwärts! retten wir uns, der Lala wird uns schon finden.« Darauf machten sie sich auf den Weg und gingen in die Wohnung der alten Frau.
Während dieser Zeit ging der Lala in Begleitung der Hochzeitsgäste zu dem Padischah, der die Sultanstochter heiraten sollte. Man brachte den Lala als Braut in sein Zimmer und der Lala sprach: »Ich bin unterwegs sehr ermüdet, gebet mir vierzigtägigen Aufschub, damit ich mich ausruhe, dann kann die Hochzeit stattfinden.« Man willigte ein und wartete. Der Padischah-Bräutigam hatte eine Schwester, die mit dem Lala, in der Meinung, er sei die Braut ihres Bruders, immer zusammen war.
Eines Tages gingen sie in den Garten und setzten sich am Rande eines Wasserbeckens nieder, als ein Vogel lustig vor sich hinsingend auf einen Baum stieg und dann wegflog. Darauf lächelte der Lala. »Warum lachst du?« fragte das Mädchen. »Nichts von Bedeutung,« sagte der Lala. »Doch, sage es mir nur,« bat das Mädchen. Da sagte der Lala: »Dieser Vogel spricht: Wenn diese zwei jungen Leute in das Wasserbecken steigen und sich waschen würden, würde sich die eine in einen Mann verwandeln und die andere heiraten. Wäre dies möglich?« Das Mädchen bat den Lala, mit ihr in das Becken zu steigen. Da sagte der Lala: »Das wird nicht geschehen, denn wenn ich ein Mann wäre, würdest du mich nicht heiraten«. »Wallahi« sagte das Mädchen, »dich möchte ich heiraten.« – »Hei, wie wäre es aber, wenn du ein Mann würdest,« neckte sie der Lala, »möchtest du dann mich heiraten?« Das Mädchen beschwor den Lala, versicherte ihn zum wiederholten Male ihrer Zuneigung, und flehte so lange, bis beide in’s Wasserbecken stiegen, sich wuschen, und als sie das Becken verliessen, ward der Lala in der Tat ein – Mann. Das Mädchen war freudig erregt und sprach: »Allah hat dich in einen Mann verwandelt; jetzt musst du mich heiraten. Wenn man es aber erfährt, wird man unsere Heirat verbieten; daher müssen wir uns schleunigst flüchten und in Sicherheit bringen.« Darauf bestiegen sie ein Ross und machten sich auf den Weg. Nach langem Wandern kamen sie endlich zur alten Frau, bei der der Königssohn mit der jungen Sultanin sich aufhielten. Am nächsten Tage schon entfernten sich beide Paare zu Ross, und ritten, nachdem sie der alten Frau eine Handvoll Geld gaben, weiter.
Während nun diese auf der Reise waren, bemerkte der Padischah erstaunt, dass er weder Braut noch Schwester habe. In seinem Kummer wendete er sich an den Vater des Mädchens, der sie überall suchen liess. Unterdessen kam ihm eine Zauberin entgegen, die ihn folgendermassen ansprach: »Ich werde deine Tochter suchen und sie mit den drei anderen, die mit ihr gemeinsam entflohen, zurückbringen«. Darauf sagte der Padischah: »Ich werde dir deine Mühe belohnen, wenn du die Flüchtigen zurückbringst,« worauf die Zauberin sofort auf die Suche ging.
Unterdessen erreichten beide Paare nach vielem Wandern eine Quelle, bei welcher sie unter dem Schütze eines Baumes ausruhten. Der Lala überwachte die übrigen, die mittlerweile einschliefen. Auf einmal sah er zwei Tauben auf einen Baum fliegen. Die eine lachte fortwährend, während die andere weinte. Die Weinende sagte zur Lachenden: »Du meine Liebe, warum lachst denn du so, du solltest die Schlafenden eher bedauern!« Die andere aber lachte dennoch immer weiter und fragte ihre Gefährtin, weshalb sie eigentlich weine. »Wie sollte ich nicht weinen, wenn ich diese vier Schlafenden hier betrachte. Weisst du denn nicht, dass wenn sie jenseits des Berges sein werden, ihnen aus dem Walde ein schöngestaltetes Ross entgegen laufen wird, das sie werden einfangen wollen. Die Armen wissen aber nicht, dass dieses schöne Pferd nur eine Hexe ist, die den Auftrag hat: sie alle zusammen abzuholen und dem Padischah einzuliefern, damit er sie dann umbringen lasse. Deshalb weine ich.« Die andere Taube lachte noch immer weiter und sprach: »Was braucht man darüber so zu weinen? dem ist leicht abzuhelfen; man braucht nur dieses Pferd mit einem Hiebe zu töten.« Der andere Vogel wollte das Weinen trotzdem nicht aufgeben, indem er sprach: »Wenn sie sich auch des Pferdes entledigen, so würde ihnen jenseits des anderen Berges ein Hündchen entgegenspringen, das sie dann ebenfalls vergebens fangen wollten; denn dieses Hündchen ist ebenfalls eine Hexe, die sie einzufangen beabsichtigt, um sie dann dem Padischah zu übergeben.«
Die andere Taube antwortete darauf noch immer lachend folgendes: »Auch das ist nicht von solcher Bedeutung; wenn sie dieses Hündchen mit einem Schlage niederhauen, so sind sie auch von dieser Gefahr befreit.« Darauf sprach die weinende Taube: »Wenn sie sich auch dieses Hündchens entledigt haben werden, so schweben sie doch noch immer in Gefahr«. Am Hochzeitsabend nämlich wird die Hexe erscheinen und sie samt dem Bette forttragen. »So muss man eben um sich zu retten auch diese umbringen,« sagte die lachende Taube und fügte hinzu: »Derjenige, der unser Gespräch belauscht und es einem anderen mitteilt, soll in einen Stein verwandelt werden.«
Darauf flogen die Tauben weg. Der Lala hörte dieses Zwiegespräch bis zu Ende an und nachdem er die Schlafenden weckte, setzten sie sich auf’s Ross und ritten davon. Als sie nach langem Ritt über den Berg gestiegen waren, lief ihnen aus dem Walde ein Pferd entgegen, bäumte sich wiehernd auf und wollte sie angreifen. Als der Königssohn des Pferdes ansichtig wurde, sagte er: »Sieh hier dieses schöne Ross, fangen wir es ein!« – »Bleib nur, ich werde es schon fangen,« sagte der Lala, und sich ihm nähernd, zog er seinen Säbel und machte es mit einem Hiebe nieder. Als sie es näher betrachteten, sahen sie wohl, dass es eine Pferdeleiche war, allein jeder, der sie anschaute, wich davon erschreckt zurück. Auch der Sohn des Padischah erschauderte, worauf sie eilends die Flucht ergriffen. Als sie den zweiten Berg überschritten, kam ihnen ein Hündchen entgegen. Der Sohn des Padischah wollte auch dieses fangen, aber der Lala hinderte ihn daran, indem er selbst auf dasselbe zuging und es mit einem Hiebe niederstreckte. Als der Jüngling den toten Hund anschaute, wich er erschrocken zurück und ergriff eiligst die Flucht. Darauf sagte der Lala: »Wohlan, das waren alle unsere Feinde;« dann setzten sie ihre Reise fort.
Nach langem Umherstreifen erreichten sie endlich ihre Heimatsstadt, wo der Padischah, von der Ankunft seines Sohnes und des Lala verständigt, ihnen entgegen kam, worauf sie mit Freuden und Festlichkeiten in den Königspalast einzogen. Das Mädchen wurde nun mit dem Sohne des Padischah verlobt und nach vierzig Tage und vierzig Nächte andauernden Hochzeitsfeierlichkeiten zog sich das Brautspaar zurück. Der Lala aber schlich sich noch am Tage in’s Brautgemach und versteckte sich dort. Abends kamen die Neuvermählten in ihr Gemach und begaben sich zur Ruhe; als sich plötzlich gegen Mitternacht die Zimmerdecke regte und laut krachend öffnete, worauf der Lala ein tierisches Ungeheuer (mefred) erblickte, das zum Bette hinschlich und sich dort niederliess. Dieses Scheusal war von solcher Schreckgestalt, dass sich jeder, der es sah, schaudernd von ihm abwenden und weit flüchten musste und dessen Gesicht niemand ohne Abscheu anschauen konnte. Als das Ungetüm sich dem Bette näherte, die Bettdecke über die Schlafenden breitete und das Bett emporheben wollte, tötete es der Lala mit einem Schwerthiebe, dann schlich er, ohne dass es jemand bemerkte, in sein Zimmer zurück und legte sich dort nieder.
Als das junge Paar des Morgens erwachte, erblickten sie neben ihrem Bette den toten Körper des Ungeheuers und erschraken darüber derart, dass sich die Haut ihren Lippen abschälte. Dann zogen sie die Bettdecke ganz über sich und rührten sich nicht. Nach einer Weile wurde von aussen geklopft, damit sie, da es schon spät war, aufstehen. »Wir fürchten uns,« antworteten sie, »denn es ist etwas in unserem Zimmer.« Man sprengte die Tür mit Gewalt und als die Eintretenden das tote Ungetüm sahen, liefen sie eiligst davon.
Da erschien der Padischah und erblickte den Leichnam eines Ifrids. »Wer hat dieses Ungetüm hergebracht?« frug er. Einer der Wezire, der den Lala beneidete, weil der Königssohn ihn bevorzugte, sagte: »Das ist Lalas Tat; wer hätte es sonst getan.« Dieser Wezir machte dem Padischah weis, dass der Lala die schöne Sultanstochter begehre, deshalb wollte er dem Königssohne tödlichen Schrecken einjagen. Der Padischah liess den Jüngling sogleich rufen und frug ihn, warum er dies getan. Vergebens leugnete der Lala, der Padischah verurteilte ihn zum Tode.
Als man ihn zum Richtplatz führte, da flehte der Königssohn um das Leben seines Gefährten, indem er sprach: »Lass, oh Vater, meinen Lala nicht töten, er ist nicht mein Feind, denn noch niemand hat mir je so viel Gutes erwiesen, als er.« Auch diese Worte waren vergebens, der Padischah wollte denselben kein Gehör schenken. Als der Pala sah, dass er so sterben müsse, entschloss er sich, alles zu erzählen, da er lieber erstarren, als durch einen Schwertstreich fallen wollte. Er bat daher, man möge ihn zum Padischah führen, dem er etwas mitteilen wolle. Man brachte ihn nun seinem Wunsche gemäss zum Padischah. Er begann nun alles genau zu erzählen, von der Stunde angefangen, als er mit dem Königssohne den Palast verliess, bis zum Zwiegespräche der lachenden und weinenden Taube, und siehe, die Hälfte seines Körpers vom Scheitel bis zum Knie wurde versteinert.
Als der Padischah dies sah, da sprach er: »Mein Kind, erzähle nicht weiter, ich glaube dir alles,« worauf der Lala erwiderte: »Da ich schon halb versteinert bin, so kümmere ich mich nicht um mein weiteres Schicksal,« und indem er seine Erzählung fortsetzte, wurde er gänzlich in Stein verwandelt. Weder der Padischah, der den Lala sehr bedauerte, noch dessen Sohn konnten dem Lala, als dieses geschehen war, mehr helfen. Der Jüngling weinte jämmerlich und liess ihm im Garten eine Türbe bereiten, wo er bestattet wurde. Dort sass er selbst Tag und Nacht und vernachlässigte dabei seine Frau vollständig.
Es verstrichen seit diesen Begebenheiten sieben Jahre; da geschah es, dass eines Tages, als der Königssohn am Eingang des Palastes stand, sich dessen Torflügel öffnete und daselbst ein langbärtiger greiser Pir erschien. Als der Jüngling ihn erblickte, begrüsste er ihn herzlichst und küsste ihm die Hand. Der Pir fragte den Jüngling: »Warum grämst du dich eigentlich so?« Der Jüngling schüttete nun vor dem Pir sein Herz aus und erzählte ihm sein Leid. Darauf sprach der Alte: »Mein Sohn, dir kann noch geholfen werden.« – »Wie denn?« fragte der Jüngling. »Ich will es dir sagen: Du nimmst ein siebenjähriges Kind, legst es auf diesen Stein und schlachtest es dort ab, dann bespülst du mit dem Blut des Kindes diesen Stein, der sich dann auflösen und abschmelzen wird, denn der darin befindliche Mensch ist nicht tot.« – »Wo finde ich aber ein solch siebenjähriges Kind?« frug der Jüngling, der indessen zufällig eben ein siebenjähriges Kind hatte. »Du kannst auch dein eigenes Kind abschlachten,« sagte der Pir. »Wohlan tue es,« sprach er und entfernte sich. Der Jüngling eilte sogleich in den Palast und rief sein Kind herbei. »Ei!« dachten die Hofleute, »der Prinz ist heute etwas besserer Laune,« und schickten das Kind, schön angekleidet und aufgeputzt, zum Königssohn. Er legte nun das Kind auf den Stein, schlachtete es dort ab und bespritzte mit dem Blute den Stein von oben bis unten, worauf der Stein sich auflöste und der Lala zum Vorschein kam. »Oh mein Schehzade« sagte der Lala, »warum hast du dein Kind umgebracht? ich fühlte mich ja versteinert vollkommen wohl und ruhig.« Darauf antwortete der Königssohn: »O, mein treuer Lala, wenn ich hundert Kinder hätte, so hätte ich alle für dich geopfert, damit du nur am Leben bleibest.«
Als der Lala so sprach, da erschien der Pir und sagte: »Kommt her, meine Kinder, damit ich bete, ihr aber saget darauf Amin; vielleicht wird Allah dann das Kind zum Leben erwecken.« Der Pir fing an zu beten, der Lala und der Königssohn sagten: Amin, darauf streichelte der Pir mit seiner Hand den Kopf des Kindes und siehe da! das Kind lebte wieder auf, wie wenn es aus dem Schlafe erwacht wäre; worauf sich der Pir entfernte. Der Königssohn nahm das Kind in den Schoss und ging mit dem Lala in den Palast zurück. Der Padischah umarmte und küsste die Angekommenen, und nachdem der Lala mit dem von ihm mitgebrachten Mädchen verlobt wurde, veranstaltete man vierzig Tage und vierzig Nächte dauernde Freudensfeste und so lebten sie alle immerdar glücklich, bis zu ihrem Lebensende.
Damit machten sie sich auf den Weg und wie sie so gingen und gingen, kamen sie in einer grossen Ebene zu einer Wasser-Quelle. Da sprach der Padischah: »Setzen wir uns zu dieser Quelle und ruhen wir uns ein wenig aus.« Damit setzten sie sich unter einen Baum nieder und wie sie so da sassen, erschien plötzlich ein Derwisch und begrüsste sie mit den Worten: »Esselam alejküm, Padischah« – »Ve alejküm selam Väterchen« antworteten sie und boten ihm neben sich einen Platz an. Da sprach der Padischah zum Derwisch: »O Derwisch, wenn dir bekannt ist, dass ich ein Padischah bin, dann musst du auch mein Leid kennen.« Da antwortete der Derwisch: »Du hast wegen Kinderlosigkeit den Wanderstab ergriffen.« Also sprach er, nahm aus seiner Brust zwei Äpfel, gab einen dem Padischah, den anderen dem Lala und sagte: »Nehmet diese Äpfel, und wenn ihr in eure Paläste zurückkehret, so verzehret die eine Hälfte dieser Äpfel, die andere Hälfte beider Äpfel gebet euren Frauen zum Verspeisen. Allah wird euch dann je mit einem Kinde segnen.« Darauf entfernte sich der Derwisch.
Dann kehrte der Padischah mit seinem Lala in die Heimat zurück, sie verzehrten gemeinsam die Äpfel und nach neun Monaten und zehn Tagen wurde ihnen je ein Sohn geboren. Darob freuten sie sich und feierten die Geburt ihrer Kinder durch Feste, erzogen die Kinder gemeinschaftlich und schickten sie, als sie heranwuchsen, in die Schule. Die Kinder wollten trotz ihres zwölf bis dreizehn jährigen Alters nicht von einander weichen, sondern blieben Tag und Nacht beisammen.
Als sie eines Tages im Tscharschi spazierten, bemerkten sie einen Tellal, der einen Kasten herumtragend, denselben um hundert Lira feilbot. Da sprach der Königssohn zu seinem Kameraden: »Den Kasten kaufe ich.« Worauf der Sohn des Wezirs den Kasten kaufte, den sie nun in den Palast trugen und in ihr Zimmer stellten. Während der Lala aus dem Zimmer ging, öffnete der Sohn des Padischah aus Neugierde den Kasten und sah darin auf einem Papier das Bild eines Mädchens. Als der Jüngling dies sah, fiel er in Ohnmacht. Der Lala kam gerade herein, erschrak, bespritzte ihn mit Wasser und brachte ihn wieder zum Bewusstsein. Da fragte er ihn: »Was ist mit dir geschehen, mein Prinz?« – »O Lala« antwortete er, »ich habe mich in dieses Bild verliebt«. Als sie das Papier genauer betrachteten, sahen sie an dessen Rande den Namen der Tochter des Padischah von Kandehar. Der Königssohn sprach: »Ist also dieses Bild wirklich ein lebendes Wesen? jedenfalls werde ich trachten, es aufzusuchen.« Darauf sagte sein Lala: »Entsage ihr, mein Prinz; viel Unglück könnte dich noch ihretwegen treffen.« Der Sohn des Padischah wollte die Warnungsworte des Lala nicht hören und rüstete sich zur Reise. Da sagte sein Genosse: »wenn du in der Tat gehen willst, so kann ich allein nicht zurückbleiben, sondern wir gehen dann zusammen.« Darauf sattelten sie ein Ross und zogen, ohne dass irgend jemand etwas davon wusste, in die Ferne.
Nach vielen Reisen über Berg und Tal, erreichten sie eines Tages eine Stadt. Dort trafen sie eine alte Frau und baten sie um Nachtlager. »Oh meine Kinder,« sagte die Alte, »ich habe bloss eine Kuliba (Hütte), wo kann ich euch dort beherbergen, da ich mich in meinem engen Zimmer kaum rühren kann.« Als jedoch der Jüngling der alten Frau eine Handvoll Goldstücke gab, da sprach sie: »Wohlan, kommet nur, meine Söhne« und führte sie in ihre Wohnung. Der Jüngling seufzte indessen fortwährend wegen seiner Liebe. Als die alte Frau dies wahrnahm, frug sie ihn: »Warum weinst du?« Worauf der Jüngling das Bild vorzeigte und folgendes sprach: »Siehe, mein Mütterchen, ich verliebte mich in dieses Mädchen; deshalb bin ich hier in der Fremde, und wenn ich den Gegenstand meiner Liebe nicht finden sollte, dann bringe ich mich um.« – »Oh mein Sohn, dies ist doch die Tochter unseres Padischah. Diese Woche wird sie Braut, ich gehe ja dort im Königspalast ein und aus. Sei unbesorgt, morgen früh gehe ich hin und werde schon trachten, dir die Tochter des Sultans zu zeigen.« Der Jüngling war sehr dankbar, küsste der alten Frau die Hand und bat sie, ihm nur einmal Gelegenheit zur Zusammenkunft mit dem Mädchen zu geben.
Am Morgen des nächsten Tages ging die Frau in den Palast. Die Hoffrauen der Sultanstochter empfingen sie freundlich, begrüssten sie, erkundigten sich nach ihrer Gesundheit und plauderten von vielerlei Dingen. Als die Frau zufällig mit der Sultanstochter allein blieb, da erzählte sie ihr von der Liebe des Königssohnes. Da sagte das Mädchen: »Aber liebes Mütterchen, weisst du denn nicht, dass ich schon diese Woche Braut werde?« Jedoch die Alte gab sich damit nicht zufrieden, verlegte sich auf’s Bitten und Weinen und sagte, dass der schöne Jüngling sich in ihr Bild verliebte, dass er sie nur ein einzigesmal sehen möchte, und dass, weil er Tag und Nacht weint, aus seinen Augen anstatt Tränen Blut fliesse; sie möge ihr zu liebe darauf eingehen und ihm ihr Gesicht zeigen. Endlich liess sich das Mädchen erweichen und sprach: »Ich werde morgen mit dem Hochzeitsgefolge in die Stadt meines Bräutigams gehen, auf diesem und diesem Ort ist eine finstere Türbe (Grabmal). Der Jüngling möge sich dorthin begeben und wenn ich vorüberfahre, werde auch ich hingehen, um ihn dort zu treffen.« Die Alte ging darauf nach Hause, um zu erzählen, was sie mit dem Mädchen besprochen. Der Jüngling darüber erfreut, nahm den Lala mit und beide gingen gegen Mitternacht zur bewussten finstern Türbe.
Das Mädchen kleidete sich des Morgens an und bestieg einen Wagen des Hochzeitszuges. Als sie sich der Türbe näherte, liess sie den Wagen anhalten und sagte: »Ich steige auf eine kurze Zeit in die Türbe hinab, wartet auf mich bis ich zurückkomme.« Darauf ging sie in die Türbe. Als nun die jungen Leute einander ansichtig wurden, umarmten und küssten sie sich und fielen in ihrem Liebestaumel in Ohnmacht.
Unterdessen hielt der Lala neben ihnen Wache, und da er dachte, dass die Hochzeitsgäste ungeduldig werden könnten, entkleidete er vorsichtig das Mädchen und zog ihre Kleider an; seine Kleider dagegen liess er dort liegen und erfernte sich. Das Volk, in der Meinung, es wäre die Sultanstochter, machte ihm wegen seines langen Ausbleibens Vorwürfe, man liess ihn auf den Wagen setzen und führte ihn mit dem Hochzeitszuge fort. Unterdessen erwachten in der Türbe das Mädchen und der Jüngling aus der Ohnmacht. Das Mädchen wusste, dass seit ihrem Aufenthalte in der Türbe eine geraume Zeit verstrichen und bemerkte auch, was mit ihren Kleidern und mit denen des Lala geschehen war. Da sprach der Jüngling zum Mädchen: »Fürchte nicht meine Sultana, an deiner Stelle hat sich mein Lala zur Hochzeit begeben. Jetzt heisst es aber vorwärts! retten wir uns, der Lala wird uns schon finden.« Darauf machten sie sich auf den Weg und gingen in die Wohnung der alten Frau.
Während dieser Zeit ging der Lala in Begleitung der Hochzeitsgäste zu dem Padischah, der die Sultanstochter heiraten sollte. Man brachte den Lala als Braut in sein Zimmer und der Lala sprach: »Ich bin unterwegs sehr ermüdet, gebet mir vierzigtägigen Aufschub, damit ich mich ausruhe, dann kann die Hochzeit stattfinden.« Man willigte ein und wartete. Der Padischah-Bräutigam hatte eine Schwester, die mit dem Lala, in der Meinung, er sei die Braut ihres Bruders, immer zusammen war.
Eines Tages gingen sie in den Garten und setzten sich am Rande eines Wasserbeckens nieder, als ein Vogel lustig vor sich hinsingend auf einen Baum stieg und dann wegflog. Darauf lächelte der Lala. »Warum lachst du?« fragte das Mädchen. »Nichts von Bedeutung,« sagte der Lala. »Doch, sage es mir nur,« bat das Mädchen. Da sagte der Lala: »Dieser Vogel spricht: Wenn diese zwei jungen Leute in das Wasserbecken steigen und sich waschen würden, würde sich die eine in einen Mann verwandeln und die andere heiraten. Wäre dies möglich?« Das Mädchen bat den Lala, mit ihr in das Becken zu steigen. Da sagte der Lala: »Das wird nicht geschehen, denn wenn ich ein Mann wäre, würdest du mich nicht heiraten«. »Wallahi« sagte das Mädchen, »dich möchte ich heiraten.« – »Hei, wie wäre es aber, wenn du ein Mann würdest,« neckte sie der Lala, »möchtest du dann mich heiraten?« Das Mädchen beschwor den Lala, versicherte ihn zum wiederholten Male ihrer Zuneigung, und flehte so lange, bis beide in’s Wasserbecken stiegen, sich wuschen, und als sie das Becken verliessen, ward der Lala in der Tat ein – Mann. Das Mädchen war freudig erregt und sprach: »Allah hat dich in einen Mann verwandelt; jetzt musst du mich heiraten. Wenn man es aber erfährt, wird man unsere Heirat verbieten; daher müssen wir uns schleunigst flüchten und in Sicherheit bringen.« Darauf bestiegen sie ein Ross und machten sich auf den Weg. Nach langem Wandern kamen sie endlich zur alten Frau, bei der der Königssohn mit der jungen Sultanin sich aufhielten. Am nächsten Tage schon entfernten sich beide Paare zu Ross, und ritten, nachdem sie der alten Frau eine Handvoll Geld gaben, weiter.
Während nun diese auf der Reise waren, bemerkte der Padischah erstaunt, dass er weder Braut noch Schwester habe. In seinem Kummer wendete er sich an den Vater des Mädchens, der sie überall suchen liess. Unterdessen kam ihm eine Zauberin entgegen, die ihn folgendermassen ansprach: »Ich werde deine Tochter suchen und sie mit den drei anderen, die mit ihr gemeinsam entflohen, zurückbringen«. Darauf sagte der Padischah: »Ich werde dir deine Mühe belohnen, wenn du die Flüchtigen zurückbringst,« worauf die Zauberin sofort auf die Suche ging.
Unterdessen erreichten beide Paare nach vielem Wandern eine Quelle, bei welcher sie unter dem Schütze eines Baumes ausruhten. Der Lala überwachte die übrigen, die mittlerweile einschliefen. Auf einmal sah er zwei Tauben auf einen Baum fliegen. Die eine lachte fortwährend, während die andere weinte. Die Weinende sagte zur Lachenden: »Du meine Liebe, warum lachst denn du so, du solltest die Schlafenden eher bedauern!« Die andere aber lachte dennoch immer weiter und fragte ihre Gefährtin, weshalb sie eigentlich weine. »Wie sollte ich nicht weinen, wenn ich diese vier Schlafenden hier betrachte. Weisst du denn nicht, dass wenn sie jenseits des Berges sein werden, ihnen aus dem Walde ein schöngestaltetes Ross entgegen laufen wird, das sie werden einfangen wollen. Die Armen wissen aber nicht, dass dieses schöne Pferd nur eine Hexe ist, die den Auftrag hat: sie alle zusammen abzuholen und dem Padischah einzuliefern, damit er sie dann umbringen lasse. Deshalb weine ich.« Die andere Taube lachte noch immer weiter und sprach: »Was braucht man darüber so zu weinen? dem ist leicht abzuhelfen; man braucht nur dieses Pferd mit einem Hiebe zu töten.« Der andere Vogel wollte das Weinen trotzdem nicht aufgeben, indem er sprach: »Wenn sie sich auch des Pferdes entledigen, so würde ihnen jenseits des anderen Berges ein Hündchen entgegenspringen, das sie dann ebenfalls vergebens fangen wollten; denn dieses Hündchen ist ebenfalls eine Hexe, die sie einzufangen beabsichtigt, um sie dann dem Padischah zu übergeben.«
Die andere Taube antwortete darauf noch immer lachend folgendes: »Auch das ist nicht von solcher Bedeutung; wenn sie dieses Hündchen mit einem Schlage niederhauen, so sind sie auch von dieser Gefahr befreit.« Darauf sprach die weinende Taube: »Wenn sie sich auch dieses Hündchens entledigt haben werden, so schweben sie doch noch immer in Gefahr«. Am Hochzeitsabend nämlich wird die Hexe erscheinen und sie samt dem Bette forttragen. »So muss man eben um sich zu retten auch diese umbringen,« sagte die lachende Taube und fügte hinzu: »Derjenige, der unser Gespräch belauscht und es einem anderen mitteilt, soll in einen Stein verwandelt werden.«
Darauf flogen die Tauben weg. Der Lala hörte dieses Zwiegespräch bis zu Ende an und nachdem er die Schlafenden weckte, setzten sie sich auf’s Ross und ritten davon. Als sie nach langem Ritt über den Berg gestiegen waren, lief ihnen aus dem Walde ein Pferd entgegen, bäumte sich wiehernd auf und wollte sie angreifen. Als der Königssohn des Pferdes ansichtig wurde, sagte er: »Sieh hier dieses schöne Ross, fangen wir es ein!« – »Bleib nur, ich werde es schon fangen,« sagte der Lala, und sich ihm nähernd, zog er seinen Säbel und machte es mit einem Hiebe nieder. Als sie es näher betrachteten, sahen sie wohl, dass es eine Pferdeleiche war, allein jeder, der sie anschaute, wich davon erschreckt zurück. Auch der Sohn des Padischah erschauderte, worauf sie eilends die Flucht ergriffen. Als sie den zweiten Berg überschritten, kam ihnen ein Hündchen entgegen. Der Sohn des Padischah wollte auch dieses fangen, aber der Lala hinderte ihn daran, indem er selbst auf dasselbe zuging und es mit einem Hiebe niederstreckte. Als der Jüngling den toten Hund anschaute, wich er erschrocken zurück und ergriff eiligst die Flucht. Darauf sagte der Lala: »Wohlan, das waren alle unsere Feinde;« dann setzten sie ihre Reise fort.
Nach langem Umherstreifen erreichten sie endlich ihre Heimatsstadt, wo der Padischah, von der Ankunft seines Sohnes und des Lala verständigt, ihnen entgegen kam, worauf sie mit Freuden und Festlichkeiten in den Königspalast einzogen. Das Mädchen wurde nun mit dem Sohne des Padischah verlobt und nach vierzig Tage und vierzig Nächte andauernden Hochzeitsfeierlichkeiten zog sich das Brautspaar zurück. Der Lala aber schlich sich noch am Tage in’s Brautgemach und versteckte sich dort. Abends kamen die Neuvermählten in ihr Gemach und begaben sich zur Ruhe; als sich plötzlich gegen Mitternacht die Zimmerdecke regte und laut krachend öffnete, worauf der Lala ein tierisches Ungeheuer (mefred) erblickte, das zum Bette hinschlich und sich dort niederliess. Dieses Scheusal war von solcher Schreckgestalt, dass sich jeder, der es sah, schaudernd von ihm abwenden und weit flüchten musste und dessen Gesicht niemand ohne Abscheu anschauen konnte. Als das Ungetüm sich dem Bette näherte, die Bettdecke über die Schlafenden breitete und das Bett emporheben wollte, tötete es der Lala mit einem Schwerthiebe, dann schlich er, ohne dass es jemand bemerkte, in sein Zimmer zurück und legte sich dort nieder.
Als das junge Paar des Morgens erwachte, erblickten sie neben ihrem Bette den toten Körper des Ungeheuers und erschraken darüber derart, dass sich die Haut ihren Lippen abschälte. Dann zogen sie die Bettdecke ganz über sich und rührten sich nicht. Nach einer Weile wurde von aussen geklopft, damit sie, da es schon spät war, aufstehen. »Wir fürchten uns,« antworteten sie, »denn es ist etwas in unserem Zimmer.« Man sprengte die Tür mit Gewalt und als die Eintretenden das tote Ungetüm sahen, liefen sie eiligst davon.
Da erschien der Padischah und erblickte den Leichnam eines Ifrids. »Wer hat dieses Ungetüm hergebracht?« frug er. Einer der Wezire, der den Lala beneidete, weil der Königssohn ihn bevorzugte, sagte: »Das ist Lalas Tat; wer hätte es sonst getan.« Dieser Wezir machte dem Padischah weis, dass der Lala die schöne Sultanstochter begehre, deshalb wollte er dem Königssohne tödlichen Schrecken einjagen. Der Padischah liess den Jüngling sogleich rufen und frug ihn, warum er dies getan. Vergebens leugnete der Lala, der Padischah verurteilte ihn zum Tode.
Als man ihn zum Richtplatz führte, da flehte der Königssohn um das Leben seines Gefährten, indem er sprach: »Lass, oh Vater, meinen Lala nicht töten, er ist nicht mein Feind, denn noch niemand hat mir je so viel Gutes erwiesen, als er.« Auch diese Worte waren vergebens, der Padischah wollte denselben kein Gehör schenken. Als der Pala sah, dass er so sterben müsse, entschloss er sich, alles zu erzählen, da er lieber erstarren, als durch einen Schwertstreich fallen wollte. Er bat daher, man möge ihn zum Padischah führen, dem er etwas mitteilen wolle. Man brachte ihn nun seinem Wunsche gemäss zum Padischah. Er begann nun alles genau zu erzählen, von der Stunde angefangen, als er mit dem Königssohne den Palast verliess, bis zum Zwiegespräche der lachenden und weinenden Taube, und siehe, die Hälfte seines Körpers vom Scheitel bis zum Knie wurde versteinert.
Als der Padischah dies sah, da sprach er: »Mein Kind, erzähle nicht weiter, ich glaube dir alles,« worauf der Lala erwiderte: »Da ich schon halb versteinert bin, so kümmere ich mich nicht um mein weiteres Schicksal,« und indem er seine Erzählung fortsetzte, wurde er gänzlich in Stein verwandelt. Weder der Padischah, der den Lala sehr bedauerte, noch dessen Sohn konnten dem Lala, als dieses geschehen war, mehr helfen. Der Jüngling weinte jämmerlich und liess ihm im Garten eine Türbe bereiten, wo er bestattet wurde. Dort sass er selbst Tag und Nacht und vernachlässigte dabei seine Frau vollständig.
Es verstrichen seit diesen Begebenheiten sieben Jahre; da geschah es, dass eines Tages, als der Königssohn am Eingang des Palastes stand, sich dessen Torflügel öffnete und daselbst ein langbärtiger greiser Pir erschien. Als der Jüngling ihn erblickte, begrüsste er ihn herzlichst und küsste ihm die Hand. Der Pir fragte den Jüngling: »Warum grämst du dich eigentlich so?« Der Jüngling schüttete nun vor dem Pir sein Herz aus und erzählte ihm sein Leid. Darauf sprach der Alte: »Mein Sohn, dir kann noch geholfen werden.« – »Wie denn?« fragte der Jüngling. »Ich will es dir sagen: Du nimmst ein siebenjähriges Kind, legst es auf diesen Stein und schlachtest es dort ab, dann bespülst du mit dem Blut des Kindes diesen Stein, der sich dann auflösen und abschmelzen wird, denn der darin befindliche Mensch ist nicht tot.« – »Wo finde ich aber ein solch siebenjähriges Kind?« frug der Jüngling, der indessen zufällig eben ein siebenjähriges Kind hatte. »Du kannst auch dein eigenes Kind abschlachten,« sagte der Pir. »Wohlan tue es,« sprach er und entfernte sich. Der Jüngling eilte sogleich in den Palast und rief sein Kind herbei. »Ei!« dachten die Hofleute, »der Prinz ist heute etwas besserer Laune,« und schickten das Kind, schön angekleidet und aufgeputzt, zum Königssohn. Er legte nun das Kind auf den Stein, schlachtete es dort ab und bespritzte mit dem Blute den Stein von oben bis unten, worauf der Stein sich auflöste und der Lala zum Vorschein kam. »Oh mein Schehzade« sagte der Lala, »warum hast du dein Kind umgebracht? ich fühlte mich ja versteinert vollkommen wohl und ruhig.« Darauf antwortete der Königssohn: »O, mein treuer Lala, wenn ich hundert Kinder hätte, so hätte ich alle für dich geopfert, damit du nur am Leben bleibest.«
Als der Lala so sprach, da erschien der Pir und sagte: »Kommt her, meine Kinder, damit ich bete, ihr aber saget darauf Amin; vielleicht wird Allah dann das Kind zum Leben erwecken.« Der Pir fing an zu beten, der Lala und der Königssohn sagten: Amin, darauf streichelte der Pir mit seiner Hand den Kopf des Kindes und siehe da! das Kind lebte wieder auf, wie wenn es aus dem Schlafe erwacht wäre; worauf sich der Pir entfernte. Der Königssohn nahm das Kind in den Schoss und ging mit dem Lala in den Palast zurück. Der Padischah umarmte und küsste die Angekommenen, und nachdem der Lala mit dem von ihm mitgebrachten Mädchen verlobt wurde, veranstaltete man vierzig Tage und vierzig Nächte dauernde Freudensfeste und so lebten sie alle immerdar glücklich, bis zu ihrem Lebensende.
[Asien: Türkei. Märchen der Welt]