Mein Mutterbruder Mads wohnte bei Knae im Hurdal. Er war oft draußen im Fjell beim Holzhauen, und wenn er dort war, so blieb er auch gewöhnlich über Nacht draußen. Er baute sich dann eine Hütte, zündete sich ein Feuer an, und da lag er nachts und schlief. Einmal war er so im Gebirg, er und noch zwei andere. Als sie eben einen schweren Stamm umgehauen hatten und sich ein wenig ausruhten, da rollte ihm auf einmal ein Garnknäuel gerade vor die Füße. Das kam ihm wunderlich vor; er traute sich nicht, es aufzuheben, und es wäre gut für ihn gewesen, wenn er das überhaupt nicht getan hätte. Aber er schaute hinauf, denn er wollte wissen, wo es herkäme. Ja, oben am Berg saß eine Jungfrau und nähte, und sie war so schön und so fein, daß sie nur so glänzte.
»Bring mir das Garnknäuel, du«, sagte sie. Das tat er auch und blieb lange stehen und schaute sie an und wurde nicht müde, sie anzuschauen, so gut gefiel sie ihm. Schließlich mußte er wieder die Axt nehmen und zu arbeiten anfangen; und als er eine Weile Holz gehauen hatte und verstohlen hinaufschaute, war sie fort. Den ganzen Tag dachte er daran; es kam ihm wunderlich vor, und er wußte nicht, was er davon denken sollte. Aber am Abend, als er und die Kameraden sich zur Ruhe legten, wollte er in der Mitte liegen; aber das half nicht viel, meine ich, denn in der Nacht kam sie und holte ihn, und er mußte mitgehen, ob er wollte oder nicht. Sie kamen hinein in den Berg, und da war alles so prächtig, wie er noch nichts gesehen hatte, und er konnte niemals genug rühmen, wie schön es gewesen sei. Da war er bei ihr drei Tage lang. Als die dritte Nacht zu Ende ging, da wachte er auf und lag wieder zwischen seinen Kameraden. Sie meinten, er sei um weiteren Mundvorrat nach Hause gewesen, und er sagte auch, es sei so. Aber seitdem war er nicht mehr richtig; kaum hatte er sich gesetzt, sprang er wieder auf und rannte davon; die Huldre hatte ihm den Sinn verrückt, sage ich.
Aber eine gute Zeit danach machte er Holz klein draußen im Fjell. Als er gerade eben einen Keil in einen Stamm getrieben hatte, daß längs hinunter ein Spalt lief, sah er seine Frau kommen, die ihm das Mittagessen brachte; es war Rahmgrütze, und schön fett war sie, und sie trug das Essen in einer Schüssel so blank wie Silber. Sie setzte sich auf den Stamm, während er die Axt weglegte und sich auf einen Baumstumpf in der Nähe niederließ. Aber da sah er, daß sie einen langen Kuhschwanz in den Spalt hinunterhängen ließ. Nun kann sich einer denken, daß er das Essen nicht anrührte, sondern er saß und machte sich so lange an dem Keil zu schaffen, bis er ihn herausziehen konnte. Der Spalt fuhr zu, und der Schwanz war in der Klemme. Dann schrieb er den Namen Jesu auf die Schüssel. Aber da bekam sie wohl Füße; sie fuhr auf, und das so hastig, daß der Schwanz gerade abriß und im Stamm steckenblieb, und fort war sie. Die Schüssel mit dem Essen war nichts anderes als ein Rindenstück mit Kuhmist darin. Von da an traute er sich kaum mehr in den Wald, denn er hatte Angst, sie möchte sich rächen. Aber vier, fünf Jahre darauf war ihm ein Pferd abhanden gekommen, und er mußte selbst hinaus und suchen. Wie er so im Walde ging, fand er sich auf einmal in einer Hütte bei einigen Leuten; aber er begriff nicht, wie er da hingekommen war. Im Hausgang arbeitete eine häßliche Frau, und in einem Winkel saß ein Kind, das so vier, fünf Jahre alt sein mochte. Die Frau nahm den Bierkrug und ging zu dem Kinde hin: »Geh hinaus und bring deinem Vater einen Schluck Bier.« Er erschrak so sehr, daß er ausriß, und seitdem hörte er nichts mehr von der Frau und von dem Kind; aber eigen und kurios ist er sein Lebtag geblieben.
[Norwegen: Klara Stroebe: Nordische Volksmärchen]