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Die Wette der drei Gauner

2.5
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Ein Bäuerlein führte eines Tages seine Ziege zum Markt. Er hatte es sich recht bequem gemacht: Er saß auf seinem Esel, und die Ziege, die ein Glöckchen um den Hals hängen hatte, lief hinter dem Esel her. Das Klingeln zeigte dem Bäuerlein an, dass die Ziege dicht hinter ihm war. So ersparte er sich das ständige Rückwärtsschauen und konnte zufrieden auf dem Rücken seines Grauen sitzen und ein endloses Liedchen vor sich hin singen.
Diese kleine Karawane beobachteten drei Gauner aus einem Feigenhain. Und sie dachten, dass dies eigentlich eine willkommene Gelegenheit sei, ihren Witz und ihre Geschicklichkeit unter Beweis zu stellen.
„Ich gehe jede Wette ein“, sagte der erste, „dass ich dem Dummkopf dort seine Ziege stehle, ohne dass er das geringste gewahr wird!“
„Und ich“, sagte der zweite, „entwende ihm den Esel unterm Hintern weg!“
„Nun, das ist gewiss nicht leicht“, sagte der dritte. „Aber ich wette, dass ich ihn um die Kleider, die er auf dem Leib trägt, erleichtere und er mir sogar noch Dankeschön sagt!“
Sie warteten, bis das Bäuerlein mit seinen Tieren an ihrem grünen Versteck vorbei war, und gleich darauf kletterte der erste Dieb flink wie ein Eichhörnchen vom Baum und schritt lautlos hinter der Ziege her, an deren Hals der Strick mit dem Glöckchen baumelte. Geschwind durchschnitt er den Strick, band das Glöckchen dem Esel an den Schwanz und verschwand mitsamt der Ziege im Gebüsch. Dem Bäuerlein, das noch immer das lustige Bimmeln vernahm, wäre nicht im Traume eingefallen, dass das Glöckchen nicht am Hals seiner Ziege, sondern am Schwanz des Esels hängen könne. Er ritt noch ein ganzes Stück, im festen Glauben, die Ziege hinter sich zu haben. Erst eine zudringliche Wespe brachte ihn dazu, dass er sich, weil er sie verjagen wollte, umdrehte. O Schreck! Er wollte seinen Augen nicht trauen. Die bärtige Base Ziege war weg! Dem Bäuerlein blieb nichts anderes übrig, als abzusteigen und die Menschen, denen er begegnete, zu fragen, ob sie nicht wenigstens eine Spitze ihrer Hörner oder die Spur ihres Hufes gesehen hätten.
In diesem Augenblick schlich sich der zweite Dieb, der das Ganze von weitem beobachtet hatte, aus seinem Versteck, mischte sich unter die ehrlichen Wanderer auf die Straße und lief direkt auf das Bäuerlein zu. „Ich will nicht der Sohn meines Vaters sein, wenn ich nicht soeben hinter der Wegbiegung dort einen Mann habe laufen sehen, der eine Ziege am Strick hinter sich herzog“, sagte er. Auf diese Worte hin drückte ihm das Bäuerlein in größter Eile die Zügel seines Esels in die Hand und rief: „Warte ein Weilchen bei meinem Esel, Wohltäter, damit ich dem Dieb nachlaufen kann, solange es noch nicht zu spät ist!“ „Mit dem größten Vergnügen“, wollte der Gauner antworten, aber da sah er schon nur noch die Fersen des Bäuerleins den Staub der Landstraße aufwirbeln. Das Bäuerlein lief und lief, und erst, als es kaum noch Luft bekam und von der Ziege und dem Dieb noch immer keine Spur zu sehen war, kehrte es erschöpft zu der Stelle zurück, wo es seinen Esel der Obhut des Fremden anvertraut hatte. Und da musste es mich Schrecken feststellen, dass sich sein Schaden verdoppelt hatte: Esel und Hüter waren verschwunden!
Die beiden Strolche waren inzwischen schon in Sicherheit und freuten sich über ihre Beute. Der dritte aber wartete am Ufer eines Teiches, an dem das Bäuerlein auf seinem Weg in die Stadt vorüberkommen musste. Kaum kam der Bestohlene in Sicht, ließ der Gauner ein solches Wehgeschrei los, dass es den Unglücklichen aus seinen eigenen traurigen Gedanken riss. Neugierig trat das Bäuerlein zu dem jammernd und klagend am Ufer sitzenden Mann, um den Grund seines Wehs zu erfahren.
„Verzweifle nicht, mein Freund“, sprach er den Fremden an. „Schau mich an! Niemand auf der ganzen Welt kann unglücklicher sein als ich. Soeben bin ich um meine Ziege und um meinen Esel gekommen, die mir gewiss mehr Reichtum eingebracht hätten als mein kleines Feld.“
„Ach, welch geringer Verlust im Vergleich zu dem, was ich verloren habe!“ rief der Gauner da wehklagend. „Mir ist in diesen verfluchten Teich ein Kästchen mit Diamanten gefallen, die ich als Bote dem Herrscher persönlich übergeben sollte. Was wird mich jetzt erwarten? Am ehesten komme ich für einen solchen Verlust an den Galgen!“
„Warum suchst du nicht auf dem Grunde des Teiches, er ist doch nicht tief?“ fragte das Bäuerlein mitleidig.
„Ach, lieber die Aussicht, gehenkt zu werden, als die Gewissheit, zu ertrinken. Ich kann nicht schwimmen, mein Lieber, und fürchte das Wasser noch mehr als den Henker. Wenn mir aber jemand diesen Dienst erweisen würde, so sollte es mir um zehn Goldstücke nicht leid sein, das kannst du mir glauben!“
Als das Bäuerlein diese Worte vernommen hatte, dankte es im stillen dem Propheten, dass er ihm diesen Zufall in den Weg geschickt hatte, der ihn für den Verlust der Ziege und des Esels entschädigen würde. Laut aber sprach er: „Nun, wenn du mir wirklich zehn Goldstücke als Lohn versprichst, so finde ich dein Kästchen, und wenn es in die Erde versunken ist!“
Er zog ohne langes Überlegen seine Kleider aus, legte sie neben den Dieb auf ein Häuflein und sprang, gewandt wie ein Aal, ins Wasser. Der Gauner musste sich beeilen, denn jeden Augenblick konnte das Bäuerlein wieder auftauchen. Doch er schaffte es. Als das Bäuerlein nach einer Weile angestrengten, aber vergeblichen Suchens auftauchte, um Luft zu holen, erstarrte es: Der Fremde war spurlos verschwunden, und mit ihm auch das Häuflein Kleider. So hatten alle drei ihre Wette gewonnen, und das Bäuerlein hatte dreimal Pech gehabt. Er, der vorher im Besitz einer Ziege, eines Esels und anständiger Kleider gewesen war, musste sich nun auf versteckten Wegen zum nächsten Anwesen schleichen, um dort seine Blöße zu bedecken.

Quelle;
Märchen aus Persien

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