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Märchenbasar

Die Wunderkühe

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Bei dem Sohn eines armen Mannes, der noch nicht getauft war, weil sich niemand als Beistand hierzu finden wollte, übernahm der liebe Gott selber diese christliche Pflicht und nannte ihn geradezu nach dem Himmelspförtner Petru. Als Patengeschenk übergab er dem Vater des Kindes eine Kuh. Dieses göttliche Tier hielt der Mann bis zum Herbst. Weil er aber arm war und nicht voraussah, wie er es über den Winter erhalten sollte, denn er gedachte nicht des alten Sprüchleins:

Gibt dir Gott die Kuh,
So schenkt er’s Gras dazu,

band er sie los und ließ sie ohne Strick laufen, damit sie sich ernähre, wie sie könne.
Als der Sohn groß war, verlangte er von dem Vater sein Patengeschenk, seine Kuh; der Vater aber wollte nichts davon wissen, da sprach der Sohn: »Vater, wenn du mir die Kuh nicht herausgibst, die mir mein Herr Pate geschenkt hat, so lauf ich aus dem Hause fort, sie zu suchen.« Jetzt mußte der Vater sagen, daß er sie freigelassen habe, weil er nicht wußte, wie er sie über den Winter ernähren solle. Hierauf besann sich Petru nicht lange und ging, wie er war, denn er hatte nichts zu packen, in die Welt hinaus nach seiner Kuh.
Nach einiger Zeit begegnete er einem Mann, der ihn fragte, wohin er gehe. Er antwortete: »Mein Herr Pate hat mir einst eine Kuh geschenkt, die ließ mein Vater laufen, weil er zu arm war, sie über den Winter zu halten, diese will ich suchen.« Hierauf sprach der Mann: »Ziehe deines Weges, doch hüte dich, am nächsten Brunnen, bei welchem du sehr durstig sein wirst, zu trinken, denn der Teufel selber hütet ihn. Wenn du übrigens schnell gehst, so wirst du deine Kuh samt ihrer Nachkommenschaft bald finden.«
Petru kam wirklich mit einem brennend heißen Durst bei dem bezeichneten Brunnen an und beugte sich trotz der erhaltenen Warnung nieder, um zu trinken. Da fuhr plötzlich der Teufel aus der Tiefe und schrie: »He da! Was willst du mir geben, wenn ich dich ungestört hier trinken lasse?« Petru stellte ihm frei, was er wolle, und der Teufel verlangte nur die braune und die gefleckte Kuh von der Nachkommenschaft jener, die er eben im Begriffe sei zu suchen. Petru willigte ein und konnte jetzt ungehindert seinen brennenden Durst löschen. Bald stieß er in einer weiten Ebene auf eine Viehherde, deren Hüter ihm sogleich zurief, warum er denn dem Teufel die braune und die gefleckte Kuh versprochen habe. Petru sagte hierauf: »Weil ich einen entsetzlichen Durst hatte. Weshalb aber fragst du mich, und was geht es dich an?« Der Hirte erwiderte: »Mir ist deine Kuh schon längst anvertraut, und ich habe sie samt ihren Abkömmlingen gehütet und gepflegt.«
»Ah, das ist gut!« jauchzte Petru, »so gib mir die Kuh und die, welche ihr noch zugehören.« Der Hirte tat, wie ihm befohlen war, aber die braune und die gefleckte hielt er zurück, indem er sagte: »Auch diese soll der Teufel nicht bekommen, ich will sie dir auf einem anderen Wege nachbringen, damit wir ihn darum betrügen. Sprich nur zu ihm, wenn er dir wieder in den Weg tritt, daß du sie bei meiner Herde zurückgelassen habest.«
Wie der Hirte geraten, so geschah es, und Petru gab, als ihm der Teufel bei der Heimkehr in den Weg trat, die Antwort, die ihm der Hirte geraten hatte. Als er zu Hause ankam, war der Hirte mit den beiden Kühen, die er zurückbehalten, schon da; er hatte den Teufel darum geprellt und übergab sie Petru.
Um das Hauswesen, das bei seines Vaters Armut sehr herabgekommen war, wieder ordentlich herstellen zu können, verkaufte jetzt Petru all sein Vieh, mit Ausnahme jener zwei Kühe, um die der Teufel geprellt worden war, denn von diesen dachte er, daß sie besonders viel wert sein müßten, weil die Wahl des bösen Feindes unter so vielen gerade auf sie gefallen war. So lebte nun Petru einige Zeit hin, ohne daß sich etwas weiteres begeben hätte. Da sprach eines Tages die braune Kuh zu ihm: »Petru, geh hin und melde dich beim Kaiser, denn er hat zwei Joch Kupfer umzuackern und läßt dem, der imstande ist, dies an einem Tag zu vollbringen, sein ganzes Reich und seine Tochter, die schöne Prinzessin zur Frau versprechen. Viele haben es schon versucht, aber keinem ist es gelungen, und sie haben das Wagstück mit ihrem Kopfe bezahlt. Geh aber du hin und sage dem Kaiser, daß du das Verlangte tun wollest.«
Petru, welcher überhaupt ein Freund von Unternehmungen war, ging hierauf in den Palast zum Kaiser und erbot sich, die zwei Joch Kupfer in einem Tag, wie es sich gehöre, mit einem guten Pflug umzulegen. Der Kaiser fragte, wieviel er denn Ochsen habe, und als ihm Petru von nur zwei Kühen sagte, so wurde er böse und schalt ihn, weil er ihn foppen wolle; denn schon viele hatten zwölf Ochsen nach nutzlos versuchter Arbeit wieder ausgespannt. Darauf wollte Petru trotzig wieder gehen, der Kaiser rief ihn aber noch einmal zurück und sagte: »Wenn du es durchaus versuchen willst, so beginne mit deinen zwei Kühen morgen die Arbeit.«
Petru ließ sich nun auf Anraten seiner gefleckten Kuh einen zwölf Zentner schweren, eisernen Pflug machen und begann damit am andern Tag in der Frühe die Arbeit, von der er, als es noch eine Stunde bis Mittag war, die Hälfte getan hatte. Hierüber erschrak die Prinzessin, denn sie wollte durchaus nicht die Frau eines solchen gemeinen Bauern werden; auch der Kaiser, ihr Vater, hätte lieber sein Reich selber behalten, deshalb sandten sie dem Petru ein Mittagessen hinaus, damit er sich stärke, solange seine Kühe weideten, in Wahrheit aber, um die Vollendung seiner Arbeit unmöglich zu machen, denn in dem Essen war ein Schlafmittel. Als Petru gegessen hatte, legte er sich aufs Ohr, um eine kleine Weile zu schlafen; aus dieser kleinen wurde aber durch die Kraft des Schlafmittels eine große, und Petru konnte sich durchaus nicht mehr ermuntern. Die braune Kuh stieß ihn, als es fünf Uhr abends war, mit den Hörnern an, um ihn aufzuwecken, zuerst sachte, dann immer stärker; als ihr Herr jedoch noch immer nicht wach werden konnte, nahm sie ihn auf die Hörner und schleuderte ihn hoch in die Luft, so daß er durch den harten Fall endlich erwachte. Als er die Sonne schon ihrem Untergang nahe sah, klagte er seinen Kühen, daß nun alle seine Mühe vergebens sei, indem er bis zur Nacht das andere Joch nicht mehr umackern könne, und auch um seinen Kopf habe ihn dieser unzeitige Schlaf gebracht. Allein die gefleckte Kuh tröstete ihn und sagte, er solle sich nicht fürchten, ging zum Horizont hin und schleuderte mit ihren Hörnern die Sonne bis über die Mittagsstunde zurück, worauf Petru frisch ans Werk schritt. Bevor die Sonne sank, war das zweite Joch Kupfer umgepflügt, und er meldete sich deshalb sogleich beim Kaiser.
Der aber wollte sein Wort nicht halten und sprach: »Ei, Petru, was tätest du mit dem Reich und mit einer Prinzessin zur Frau? Das paßt nicht für dich, lieber will ich dir so viel große Reichtümer und Schätze geben, wie deine beiden Kühe auf einmal ziehen können.« Petru sah wohl, daß mit dem Kaiser kein Streit anzufangen sei, und ging auf den Vorschlag ein. Als er nach Hause kam, sprach die braune Kuh zu ihrem Herrn: »Verlange doch von dem Kaiser, daß er dir einen Wagen machen lasse, vierundzwanzig Zenter schwer, und diesen soll er dir mit den kostbarsten Schätzen aus seinem Schatzgewölbe füllen.« Petru tat nach dem Rate der Kuh. Der Kaiser weigerte sich anfangs, einen so schweren Wagen machen zu lassen, und schlug einen von drei Zentnern vor. Da aber sein Schatzmeister bemerkte, je schwerer der Wagen selbst wäre, desto weniger brauche man aufzuladen, so gebot er, dem Wagen ein Gewicht von achtundvierzig Zentnern zu geben.
Nachdem derselbe fertig war, führte ihn Petru mit seinen beiden Kühen vor das Schatzgewölbe, wo er vor den Augen des Kaisers geladen werden sollte. Auf dem Wege dahin sprach die gefleckte Kuh zu ihrem Herrn: »Petru, wenn der Kaiser deinen Wagen laden läßt, wird er dich wiederholt fragen, ob es genug sei; sprich dann jedesmal nein, bis ich dir ein Zeichen gebe.« So geschah es, und der Kaiser wollte vergehen vor Schmerz und Wut, als er sah, daß Petru immer noch aufladen ließ, während doch schon die außerordentlichsten Kostbarkeiten samt unglaublich vielem Gold und Silber auf dem Wagen lagen. Endlich waren alle Kammern des Schatzgewölbes erschöpft, und der Kaiser wußte nun keinen Rat, als dem Schatzmeister den Kopf abschlagen zu lassen, weil er ihm geraten hatte, einen Wagen fertigen zu heißen, der so viel tragen konnte. Dann sprach er zu seiner Tochter: »Mein Kind, ich habe nun nichts mehr, besteige du jetzt den Wagen, denn gewiß wird er alsdann zu schwer sein, da dein Wert über die Hälfte all dieser Schätze, die hier aufgeladen sind, aufzuwiegen imstande ist.« Die Prinzessin tat, wie ihr Vater wollte, als dieser Petru fragte, ob es nun genug sei, bejahte es derselbe, auf das Zeichen seiner gefleckten Kuh merkend, und zog mit seinem Wagen fort.
Petru säumte jetzt nicht, sich einen herrlichen Palast zu erbauen, welchen er auf das prächtigste einrichten ließ und den er alsdann mit der schönen Prinzessin bewohnte. Auch für seine beiden Kühe ließ er einen Marmorstall bauen und darin kristallene Futtertröge aufstellen, aus Dankbarkeit, weil sie ihm so vortreffliche Dienste geleistet hatten. Auf den Rat der braunen Kuh wurde unter anderen kostbaren Seltenheiten auch ein Tisch gemacht, dessen Füße aus den Hörnern der beiden Kühe gedreht waren, wobei ihm aber auch die klugen Tiere sagten, er solle es als ein tiefes Geheimnis bei sich behalten, aus was diese Füße gemacht seien, denn ein fremder König, welcher zugleich ein großer Weiser sei, werde kommen, und mit dem solle er Hab und Gut und seine Frau gegen das Reich des fremden Königs in eine Wette setzen, daß er nicht errate, aus was diese Tischfüße seien.
Allen hatte Petru dieses Geheimnis verschwiegen, nur seiner Frau, der Prinzessin, nicht. Der fremde König kam wirklich bald darauf in die Stadt, in welcher der reiche Petru wohnte, und stieg bei diesem ab, weil er in der ganzen Stadt den schönsten Palast hatte. Die Prinzessin, Petrus Frau, fand an dem fremden König, der überdies jung und von schöner Gestalt war, großes Wohlgefallen und verriet ihm auch das Geheimnis von den Tischfüßen, weshalb er, als die Wette wirklich so eingegangen wurde, dieselbe gewann und das ganze Vermögen seines reichen Gegners samt seiner schönen Frau, der Prinzessin, in Empfang nahm.
Petru, der jetzt wieder arm war und außer seinen beiden Kühen nichts mehr hatte, klagte diesen sein Unglück. Sie warfen ihm seinen Ungehorsam und seinen Mangel an Klugheit vor, wodurch er sein Unglück selbst verschuldet habe. Da er übrigens der Pate des lieben Herrgotts sei, so dürfe es ihm nicht schlecht gehen, drum solle er sich, als Bettler verkleidet und im Gesicht unkenntlich gemacht, zu dem übermütigen fremden König begeben und ihm eine Wette antragen, wonach der Bettler, wenn er errate, aus was die Füße des sonderbaren Tisches gemacht seien, des Königs Schätze, seine Frau und sein Reich bekommen, sonst aber sein Leben verlieren solle. Dies tat Petru, und da der König im Übermute seinen Antrag annahm, so sah er sich mit einem Male wieder im Besitze seiner Reichtümer und seiner Frau und hatte dazu des Fremden Königreich gewonnen. Hinfort war er klüger und setzte seine Habe nicht mehr leichtsinnig aufs Spiel; der fremde König aber konnte seiner Wege ziehen, und man hat nie wieder von ihm gehört.

[Rumänien: Arthur und Albert Schott: Rumänische Volkserzählungen aus dem Banat]

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