Es war einmal vor langer Zeit, da war die alte Schmiede in Borgvik in Värmland noch in vollem Betrieb und der Meister der Schmiede, Gustaf Mimirson, war ein rauer, aber auch herzlicher Geselle, der sein Handwerk hervorragend verstand. Es war noch eine richtige Hammerschmiede, deren großer und schwerer Eisenhammer von einem Wasserrad angetrieben wurde.
Da kamen eines Tages, der Tag war weit fortgeschritten und die Dämmerung setzte schon ein, zwei Zwerge auf einem Pferd des Weges daher: „Meister Gustaf“, stellten sie sich vor, „Brokkr und Sindri, zu deinen Diensten. Unser Pferd hat ein Hufeisen verloren und wir können so nicht weiterreiten.“ „Dann bringt euer Pferd einmal hier herein, ich werde sehen, ob ich es richten kann“, sprach der Meister und nach einer Weile führte er ihr Pferd wieder heraus: „Jetzt ist alles wie neu und gute Reise für euren weiteren Weg.“ „Aber was sind wir dir schuldig?“, fragten sie da.
„Nichts“, erwiderte Gustaf, „so raren Besuch wie euch hat man ja selten und darum fühlt euch heute eingeladen.“ Brokkr und Sindri blickten sich nur an: „Meister Gustaf, wir haben noch eine Bitte. Wir sind selbst Schmiede und wir würden gern deine Schmiede für einen Tag benutzen, wenn das geht?“ Gustav lächelte: „So kommt morgen gegen Abend vorbei und dann werden wir weiter sehen.“ Am Abend des selben Tages, fand der Meister ein Goldstück auf seinem Kopfkissen, von dem er nicht wusste wie es dahin gekommen war. Obwohl natürlich die Vermutung nahe lag, dass es die beiden Schmiedegäste waren, die es dahin gelegt hatten. Der nächste Tag kam und der nächste Tag ging, als die Dämmerung anbrach und Meister Gustaf schon Anstalten machte, seine Esse zu löschen und die Schmiede abzusperren, da kam das Pferd, das er schon vom Vortage kannte, mit einem Karren daher gezogen. Begleitet wurde der Karren von den beiden Zwergen. Sie hatten scheinbar etwas Großes und Schweres auf den Karren geladen. „So, Meister“, begrüßten die beiden ihn, „hier sind wir und wir würden jetzt gern zu schmieden beginnen. Wir haben uns gestern deinen Hammer angesehen und ihn für unsere Arbeiten als tauglich befunden. Allerdings haben wir unsere eigenen Kohlen mitgebracht, da wir mit deinen Kohlen nicht zum Ziele unserer Arbeit kommen.“ Das erstaunte Meister Gustaf schon, aber er ließ sie gewähren, obwohl er schon neugierig war, warum seine Kohlen nichts für die Arbeit der beiden kleinen Schmiede taugen sollte. Da luden sie ihre eigenen Kohlen ab, die schwarz wie die Nacht glänzten und darunter lag ein riesiger Eisenhammer, der aber einen Riss hatte. Sindri begann die Esse mit den neuen Kohlen anzuheizen, Brokkr schleppte den großen Hammer zur Esse, um ihn zu erhitzen und danach trugen sie ihn beide zum Hammerwerk. Meister Gustaf begab sich nach einer Weile des Beobachtens zur Nachtruhe, er wähnte seine Schmiede in guten Händen. So glühten die Kohlen in der Esse die ganze Nacht und auch das Hammerwerk lief fast ohne Unterlass.
Als er am nächsten Morgen in seine Schmiede trat, luden Sindri und Bokkr den großen Hammer gerade wieder auf den Karren und spannten das Pferd an. Sie hatten tatsächlich fast die ganze Wagenladung der mitgebrachten Kohlen verbraucht und aus der Schmiede kam eine Hitze, wie er sie seinen Lebtag noch nicht erlebt hatte.
Als die beiden den Meister erblickten, zogen sie ihre Zwergenmützen ab und meinten: „Meister, wir sind dir zu großem Dank verpflichtet. Du sollst wissen, dass wir in der letzten Nacht den Hammer, der auch unter dem Namen »Mjölnir« bekannt ist, in deiner Schmiede repariert haben. Er hatte einen Riss und konnte nicht mehr verwendet werden. Jetzt ist er aber wie neu!“, setzten sie lächelnd hinzu: „Wir sind dir daher sehr dankbar und jetzt kannst du uns drei Wünsche nennen, die wir dir gern erfüllen wollen, denke aber daran, dir etwas Sinnvolles zu wünschen!“
Gustaf überlegte eine Weile, lächelte und sprach dann: „Gut, wenn das so ist, dann wünsche ich mir, dass jeder, der den Kartoffelacker hinter meinem Haus ohne meine Anwesenheit oder Willen betritt, darauf feststeckt und ihn nicht mehr verlassen kann. Zudem wünsche ich mir als Zweites, dass jeder, der meine Schmiede ohne meine Zustimmung betritt, sie nur durch den Rauchfang der Esse wieder verlassen kann. Zuletzt wünsche ich mir, dass meine Schnapsflasche niemals leer wird und sich immer wieder mit dem besten Schnaps füllt, den es Schweden gibt.“
„Nun, wenn das so ist, lieber Gustaf“, erwiderte Sindri, „dann seien deine Wünsche erfüllt. Aber meinst du nicht, dass sie töricht sind?… .“ Gustav schüttelte nur mit dem Kopf und freute sich schon auf den Schnaps.
Nach vielen Jahren, Meister Gustaf war alt und grau geworden, kam der Tod daher und wollte ihn mitnehmen. Da sprach der Meister: „Lieber Tod, der Weg in dein Reich ist lang und beschwerlich zu laufen, lass uns vorher ein paar Kartoffel in der Glut meiner Esse garen, bevor wie losziehen.“ Damit war der Tod einverstanden und Gustav meinte nur: „Ich werde schon eine Kuhle für die Kartoffeln in der Glut vorbereiten, du kannst ein paar Kartoffeln von dem Acker hinter meinem Haus holen, ich kann mich eh nicht mehr so gut bücken.“ Auch damit war der Tod einverstanden und er ging los, aber er kam nicht wieder. Wie es Sindri und Brokkr versprochen hatten, saß der Tod auf dem Acker fest und konnte ihn nicht mehr verlassen. So sehr er auch bettelte, Gustaf ließ ihn nicht mehr frei. Das ging auch eine Weile gut, aber die Menschen auf der Erde wurden immer mehr und schließlich konnten sie sich nicht mehr ernähren. Da hatte Meister Gustaf dann ein Einsehen und ließ ihn wieder frei. Allerdings musste er versprechen, dass er Ruhe vor ihm haben würde. Das versprach der Tod nur zu gern, denn Kartoffeln in roher Form waren nicht so seine Sache bei der Ernährung und schon gar nicht in seinem Speiseplan eingeplant. Da dachte sich der Tod, der über Meister Gustaf sehr verärgert war, eine List aus und er schickte statt seiner den Teufel zu Meister Gustaf, damit er ihn abholen sollte, warnte ihn aber auch vor dem Kartoffelacker und der List des Meisters.
Der Teufel erschien dann schließlich vor Gustaf und meinte nur: „Mach dich fertig Gustaf, du kommst mit mir, zum Tod wolltest du ja nicht.“ Meister Gustaf lächelte nur: „Damit habe ich kein Problem, wir sind ja fast Kollegen, was das Feuern und Heizen betrifft. Ich packe schnell mein Bündel. Geh du in der Zwischenzeit in meine Schmiede und lösche das Feuer in der Esse, damit es nicht nachher noch in der Schmiede brennt.“
„Das kann ich gern tun“, meinte der Teufel nur und grinste frech dazu: „Es ist ja kein Kartoffelacker!“, wobei sein Schwanz wild vor Freude über sein neues Opfer in die Luft peitschte. Aber als er die Schmiede wieder verlassen wollte, merkte er auf einmal, dass er weder seinen Pferdefuß noch sein richtiges Bein über die Schwelle der Schmiede setzen konnte und der Schmied ihn hier auch reingelegt hatte. „Der dumme Schmied“, dachte er nur, es gibt ja noch den Rauchabzug über der Esse, aber daran hat der einfältige Schmied nicht gedacht.
Wie man sich nur täuschen kann! Gustav war nämlich in der Zwischenzeit mit einer Leiter auf das Dach der Schmiede geklettert und hatte über den mittlerweile erkaltenden Schornstein einen alten Kohlensack gezogen. Lachend fuhr der Teufel durch den Rauchfang der Esse hoch, um wieder in seine Freiheit zu gelangen und… er landete prompt im Kohlensack des Schmiedes. Schnell band Gustaf den Sack zu und schleppe ihn zurück in die Schmiede. „Jetzt werden wir einmal sehen, wozu ein Hammerwerk gut ist, zumal sich der Bach die ganze Nacht gut aufgestaut hat“, sprach er laut, damit der Teufel es auch mitbekam. Er legte den Sack auf den Amboss und das Hammerwerk, das selbst zur Reparatur von Mjölnir geeignet war, begann dem Teufel im Sack ganz neue Töne beizubringen, als er es in Gang setzte. Dem Teufel wurde ganz anders und er trug nicht nur blaue Flecken und etliche Knochenbrüche davon, auch wenn es für den Hammer eine harte Nuss war, ihn zu bearbeiten. Aber schließlich bat er um Gnade und versprach, nie mehr zu Gustaf zurückzukommen oder jemand anderen zu schicken, um ihn zu holen. Als der Meister ihn schließlich freiließ, zischte er schimpfend und fluchend durch die Luft davon, vielleicht nicht mehr ganz so schnell, wie er gekommen war.
Eines Tages war aber selbst Gustaf des Lebens überdrüssig und er wollte selbst den Weg in die Ewigkeit gehen. Nach einer langen Wanderung versuchte er es an der Himmelspforte. Als ihn Petrus aber gewahr wurde, wies er ihn sofort ab: „Zu uns kann man nur herein, wenn man tot ist, du aber hast den Tod verjagt. Versuche es einmal in der Hölle, vielleicht nimmt man dich da auf?“
So ging Meister Gustaf den ganzen langen Weg aus dem Himmel zurück und schlug danach den bequemen Weg zur Hölle ein. Als er hier schließlich an das eiserne Tor klopfte, öffnete ihm ein kleiner Teufel und fragte, was sein Begehr sei. „Ich bin Gustaf, der Schmied, und möchte den Rest meines Lebens gern bei Euch verbringen“, erwiderte Gustaf. Da wollte der kleine Teufel natürlich erst seinen Oberteufel fragen, ob er ihn einlassen darf. Als aber der Oberteufel erfuhr, dass da ein Schmied namens Gustaf vor dem Höllentor stand, rief er voller Entsetzen aus: „Um der Hölle willen, sperrt das Tor zu und verriegelt alles, der kommt hier nicht herein. Der bearbeitet alle Teufel, die es gibt mit seinem Hammer, das überleben wir hier nicht.“
Das konnte Gustaf von außen hören, wie der kleine Teufel alle neun Riegel vor das Höllentor schob und auch ein Schloss daran befestigte.
Was sollte Meister Gustaf nun machen. Enttäuscht lief er zurück auf die Erde, holte sich seine Schnapsflasche aus der Schmiede in Borgvik und ging in den Eisenwald, den man in Schweden auch Järnskogen nennt. Hier suchte er eine Weile bis er Brokkr und Sindri wiederfand, bei denen er bis heute lebt, mit denen er auch seinen guten Schnaps genießt und wenn es etwas Größeres zu schmieden gibt, dann leiht er den beiden gern den Schlüssel aus, damit sie seine Schmiede in Borgvik benutzen können.
Wenn man heute die Ohren spitzt, so kann man ab und zu noch in besonderen Nächten das alte wassergetriebene Hammerwerk aus Borgviks Schmiede hören. Allerdings schmiedet hier dann nicht mehr der alte Meister, sondern die beiden Zwergenbrüder Sindri und Brokkr. Trifft man sie des Nachts in der Schmiede an, ist es entscheidend, ihre Kleider zu beobachten. Tragen sie grau, insbesondere graue Lederschürzen, dann ist alles in Ordnung. Tragen sie allerdings rote Lederschürzen, so wird es bald Krieg geben. Sind ihre Lederschürzen hingegen schwarz, dann stirbt jemand aus dem Umfeld der Schmiede oder einer der zahlreichen Nachkommen des Schmiedes.
Erklärungen:
Der Name des Schmiedes Mimirson stammt von Mimir oder Mime. Mimir ist ein Wesen aus der nordischen Mythologie, das eine der Quellen unter dem Weltenbaum Yggdrasil hütet und für seine Weissagungen berühmt ist. Es ist aber auch in den deutschen Heldenliedern des Mittelalters die Bezeichnung für den Schmied, der auch Mime genannt wird.
Sindri und Brokkr sind beides Zwerge der nordischen Mythologie, es sind Brüder, die ebenfalls Schmiede sind. Sie haben den goldenen Eber »Gullinborsti« für Freyr, den goldenen Ring »Draupnir« für Odin und Thors Hammer, der auch unter dem Namen »Mjölnir« bekannt ist, geschmiedet.
Der Eisenwald, den man in Schweden auch »Järnskogen« nennt, ist ein mystischer Urwald, in dem die übelsten Wesen der nordischen Mythologie leben, der aber auch den Grenzwald zwischen dem Reich der Riesen und dem Reich der Götter darstellt.
Die Schmiede in Borgvik gibt es wirklich mit ihrem Hammerwerk. Sie steht heute in einem Freilichtmuseum und kann besichtigt werden. Ein schwedisches Medium behauptet, dass es an diesem Ort und ganz besonders nahe des Hammerwerkes spuken soll.
von: Larissa Tjärnväg
aus: Kalle-Nisses Träume und Erzählungen – Dezember – / Copyright 2016-2023 – WeyTeCon Förlag – Årjäng