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Draußen am offenen Meeresstrand lag ein kleines Anwesen, in dem ein paar einzelne Leute wohnten. Sie waren schon bei Jahren und hatten keine Kinder. Es ging ihnen nicht besonders gut; die Erde war mager und trug nur wenig Frucht, sie waren daher hauptsächlich auf den Ertrag der Fischerei angewiesen und der Mann pflegte immer dazu auszufahren, wenn das Wetter zum Fischen günstig war. Aber da geschah es, daß einmal ein ganzes Jahr kein einziger Tag dazu günstig war. Es war beständig Sturm und Landwind, so daß kein Mensch ins Meer hinaus und fischen konnte, bis zum Pfingstmorgen, an dem sich endlich der Wind drehte und das Wetter so umschlug, daß es ein rechtes Fischwetter war.
Da wollte der Mann auch aufs Meer hinaus. Die Frau stimmte aber nicht dafür und sagte, es bringe kein Glück an einem so hohen Feiertag zu fischen oder sonst etwas zu arbeiten. Aber der Mann erwiderte ihr, daß es ihnen so knapp ginge, daß man die günstigste Gelegenheit beim Schopf fassen müsse, wenn sie sich darböte; es sei nun das ganze Jahr hindurch kein solches Fischwetter gewesen wie heute. Und er ruderte hinaus mit Netz, mit Ruthe und mit Angel.
Aber wie er auch fischte und wie immer er sich anstellen mochte, er konnte rein gar nichts fangen, bis endlich hoch am Tage, da zog er einen einzigen Fisch heraus, aber das war ein so ungewöhnlicher, großer und häßlicher, wie er früher noch nie einen ähnlichen gesehen hatte. Er wußte nicht, was er mit dem anfangen sollte, deshalb warf er ihn wieder ins Meer zurück. Er fischte wieder weiter und konnte vor einer Stunde abermals nichts fangen und da zog er den häßlichen Fisch zum zweitenmal heraus, aber auch jetzt warf er ihn eiligst ins Meer zurück. Er fischte weiter und fing wieder nichts, bis er endlich zum drittenmal den ungewöhnlichen, großen und häßlichen Fisch herauszog. Im Boot löste er ihn von der Angelschnur, um ihn wieder zurück zu werfen und wollte es dann für diesmal mit der Fischerei gut sein lassen. Seine Frau hatte also wohl damit recht gehabt, daß man an einem so hochheiligen Tag mit der Arbeit kein Glück haben könne.
Aber da begann der Fisch noch im selben Augenblick zu reden und sagte: »Du darfst mich nicht so sehr mißachten, denn ich bin besser als du glaubst; nimm mich nur mit nach Hause, du kannst viel aus mir herausschlagen!« – »Wie so denn?« fragte der Mann. »Ja, gieb nur wohl acht,« sagte der Fisch. »Wenn du nach Hause kommst, mußt du mich aufschneiden. Alle Eingeweide nimmst du und wirfst sie auf den Misthaufen. Darauf schabe meine Schuppen ab und gieb genau Obacht darauf, daß keine verloren geht. Dann schneide mir den Kopf ab und begrabe ihn unter einem Rinnstein bei deinem Hause. Das Rückenstück mußt du kochen und deiner Frau zu essen geben, du selbst aber darfst nichts davon anrühren und neun Monate darauf wirst du von ihr zwei Söhne bekommen.
Was von meinem Körper noch übrig bleibt, mußt du so lange aufheben, bis deine Knaben sieben Jahre alt sind, dann schneidest du ihn in drei Theile und giebst das Bauchstück deiner jungen Stute, die noch kein Füllen gehabt hat, das Nabelstück der jungen Hündin und den Schwanz lege auf den hohen Baum bei deinem Hause, indem sich ein Sperbernest befindet. Dann wird deine Stute zwei Füllen, deine Hündin zwei Hündchen und der Sperber zwei Junge bekommen, die du alle behalten, zu dir nehmen und aufziehen mußt.
Wenn dann deine Knaben fünfzehn Jahre alt sind, grabe unter dem Rinnstein nach, wo du meinen Kopf hingelegt hast und du wirst finden, daß aus meinen Kieferbeinen zwei Schwerter und aus den Ohrenbeinen zwei Messer geworden sind. Ein Schwert und ein Messer mußt du dann jedem deiner Söhne geben und ebenso jedem ein Pferd, einen Hund und einen Sperber, die du ja paarweise aufgezogen hast und die Schuppen, die du aufheben mußtest, sind bis dahin zu Goldgeld geworden, das du deinen Söhnen zu gleichen Theilen geben sollst. So sind sie dann gut ausgerüstet: denn die Thiere werden ihnen von großem Nutzen sein; die Schwerter haben die Eigenschaft, daß alles fallen muß, was mit ihnen gehauen wird und an den Messern wird man immer sehen können, ob dem Eigenthümer ein Unglück oder eine Lebensgefahr drohe, weil sie dann rostig werden, während sie sonst immer blank sein müssen.
Du selbst sollst von diesem Tag an keinen Mangel und keine Noth mehr leiden und auch nicht mehr nöthig haben, auf den Fischfang auszufahren, weil deine Erde so viel Früchte tragen wird, daß du ein wohlhabender Mann davon werden kannst und die Mittel haben wirst, zuerst die Knaben und dann die Thiere auf das beste und sorgfältigste zu erziehen. Merke dir nur alles recht gut, was ich dir gesagt habe und befolge es in jeder Weise ganz genau! Sonst würde es dir schrecklich schlecht gehen!«
Weiter sprach der Fisch nichts und war zu gleicher Zeit auch schon todt. Aber der Mann beeilte sich, mit seinem Boote heimwärts zu fahren und sobald er ans Land gekommen war, ging er in sein Haus und machte alles bis ins kleinste genau so, wie es der Fisch gesagt hatte. Er schnitt ihn auf, warf die Eingeweide auf seinen Misthaufen, schabte alle Schuppen von ihm ab und hob sie auf, schnitt ihm den Kopf ab und grub ihn unter dem Rinnstein ein und kochte das Rückenstück und gab es seiner Frau zu essen. Was von dem Fisch noch übrig blieb, legte er in Salz und hob es auf.
Neun Monate darauf gebar die Frau zwei Knaben; diese wuchsen schnell und gediehen so vortrefflich, daß sie die raschesten und stärksten, flinksten und hübschesten Buben waren, die man nur sehen konnte; ihre Haare glänzten wie lichtes Gold und sie waren einander so ähnlich wie zwei Wassertropfen. Sie waren allezeit beisammen, wenn sie lernten und wenn sie spielten und liebten sich gegenseitig so sehr, daß sie nie auch nur den geringsten Streit mit einander hatten und daß ihre Eltern, welche wirklich nachderhand recht wohlhabende Leute geworden waren, nichts andres als Freude an ihnen erlebten.
Als die Knaben sieben Jahre alt waren, erinnerte sich der Mann wieder, was der Fisch befohlen; er nahm das Hintertheil desselben, was er aufgehoben hatte, und zerschnitt es in drei Stücke. Das Bauchstück gab er seiner jungen, schwarzen Stute, das Nabelstück seiner jungen, gelben Hündin und das Schwanzstück hängte er auf den großen Baum vor dem Hofe, in dem sich ein Sperbernest befand; und die Sperbermutter kam auch sogleich darnach heruntergeflogen und trug den Fischschwanz ins Nest hinauf. Die junge, schwarze Stute warf zur rechten Zeit zwei wunderschöne schwarze Hengstfüllen und die große gelbe Hündin bekam zwei hübsche junge Hunde und zwar Männchen, und bald befanden sich auch zwei junge Sperber im Nest oben, welche der Mann fing, zähmte und abrichtete, weil man in alten Zeiten abgerichtete Sperber zur Vogeljagd gebrauchte. Und die beiden Füllen, die beiden Hündchen und die zwei jungen Sperber glichen sich paarweise so einander, daß man keins vom andern unterscheiden konnte.
Als die beiden Knaben ihr fünfzehntes Jahr erreicht hatten, ging der Mann hinaus und grub unter dem Rinnstein nach und fand darunter richtig zwei blanke Schwerter und zwei scharfe Messer. Und als er bei den Schuppen, welche er aufgehoben hatte, nachsah, war lauter funkelndes Goldgeld daraus geworden. Dies vertheilte der Mann in zwei gleichen Theilen zwischen die Brüder und gab ihnen jedem ein Schwert und ein Messer und erklärte ihnen zugleich, welche guten Eigenschaften diese Waffen hatten. Weiter gab er jedem ein Pferd, einen Hund und einen Sperber; diese Thiere glichen ebenso eins dem andern, wie die beiden Knaben selbst. Zaum, Sattel und gute Kleider gab er ebenfalls jedem von gleicher Art und sagte, daß sie nun mündig und ihre eigenen Herren sein müßten und thun könnten, was sie wollten; entweder zu Hause bleiben oder in die Welt hinaus ziehen, um ihr Glück zu versuchen.
Und beide wollten in die weite Welt hinaus ziehen und zwar sogleich. Beide brannten vor Begierde, hinauszukommen, sich draußen umzuschauen und ihren Muth und ihre Männlichkeit zu erproben. Da sagten sie »Lebewohl« zu Vater und Mutter, gürteten die Schwerter um die Lenden und steckten das Messer in den Gürtel. Jeder setzte sich dann auf sein Pferd; das lange Haar fiel über die Schultern und glänzte wie lauteres Gold. Jeder hatte seinen Sperber auf dem Arm sitzen, ihre großen gelben Hunde sprangen vor ihnen her und so ritten sie zusammen in die weite Welt hinaus.
Einige Tage zogen sie miteinander und wo sie vorbei kamen, mußte alles stehen bleiben und die zwei jungen Ritter und ihre Thiere betrachten, weil sie so hübsch waren und einander so ähnlich sahen und besonders das letztere war es, was überall die Neugierde der Leute erweckte. Dies wurde den beiden Jünglingen auf die Dauer langweilig; aber am langweiligsten und unangenehmsten war ihnen das, daß ihnen nichts in den Weg kam, woran sie ihren Muth und ihre Kraft hätten beweisen können. Als sie daher im Walde an eine Stelle kamen, an der sich der Weg theilte, kamen sie miteinander überein, nicht mehr beständig zusammen zu reiten, sondern einzeln ihrer Wege zu ziehen. Bevor sie sich jedoch trennten, zogen sie ihre Messer heraus und steckten sie in einen Lindenbaum, der gerade hier stand und verabredeten miteinander, daß sie jedes Jahr zu diesem Baum kommen wollten, um nachzusehen ob, keines derselben rostig geworden sei, damit der eine wissen könnte, ob der andere in Gefahr wäre. Dann sagten sie einander zärtlichst »Lebewohl«, und derjenige von den Zwillingen, der zuerst zur Welt gekommen und also der ältere war, sagte: »Ich reite jetzt zur Rechten und du zur Linken.« Und so ritt jeder seinen eigenen Weg weiter und die Thiere kannten ihre Herren und jedes blieb bei dem seinigen.
Folgen wir nun dem älteren Bruder. Er ritt von einer Stadt zur andern und zog von Land zu Land, bis er eines Abends spät in eine Königsstadt kam und dort in eine Herberge ging. Diese lag dem königlichen Schloß gerade gegenüber und als der junge Ritter am andern Morgen aufstand und zum Fenster hinausblickte, sah er das Schloß und auch das, daß es von oben bis unten ganz schwarz verhängt war. Da rief er den Wirth und fragte, was dies bedeuten solle. »Ach Herr!« antwortete da der Wirth, »Ihr müßt aus weiter Fremde kommen, daß ihr nichts von der großen Trauer wißt, die hier wegen des Königs einziger Tochter herrscht. Der König mußte nämlich die liebliche, sechszehnjährige Prinzessin einem greulichen Seeungeheuer versprechen, welches sonst das ganze Land verheert und verwüstet hätte. Und heute ist gerade der Tag, an dem er sie bekommen soll. In einer Stunde fährt man mit ihr zum Strand hinaus und deshalb ist sowohl das Schloß als die ganze Stadt schwarz verhängt und alle Leute trauern und weinen um die liebliche junge Prinzessin. Der König versprach auch, derjenige, der sie vor dem Ungeheuer retten könne, solle sie zur Frau bekommen und nach seinem Tode das ganze Reich erben, denn er hatte keine andern Kinder als die Prinzessin. Es ist auch ein Hofmann, welcher Ritter Roth heißt, da, der allerdings gesagt hat, daß er sie entweder retten oder sein Leben für sie lassen wolle. Aber es ist kein Mensch da, der auf diesen Ritter vertrauen möchte. Und so wird das Seeungeheuer die Prinzessin doch bekommen müssen und behalten dürfen.«
Es währte auch nur eine Stunde, da fuhr ein geschlossener Wagen zur Schloßpforte heraus, der ganz schwarz überzogen war und von sechs schwarzen Pferden gezogen wurde und der Kutscher, sowie alle Diener waren schwarz gekleidet. Der Wagen fuhr dem Strande zu und in demselben saß die Prinzessin schneeweiß gekleidet; und an der Seite des Wagens ritt der Ritter Roth in Panzer und Harnisch, mit Helm und Schild und Schwert und Spieß. Und überall, wo der Wagen vorbeifuhr, standen die Leute auf den Gassen und weinten und jammerten, denn niemand glaubte, daß Ritter Roth der armen Prinzessin würde helfen können.
Man fuhr mit ihr zur Stadt hinaus durch einen großen Wald und hinunter zum Ufer am Waldesabhang, denn das war die Stelle, welche das Ungeheuer bestimmte. Und sobald die Diener die Prinzessin hier aus dem Wagen herausgehoben hatten, hieb der Kutscher in die Pferde und fuhr mit den Dienern allen davon, was nur das Zeug halten konnte. Sie fürchteten sich alle schrecklich davor, daß das Seeungeheuer hinter ihnen drein kommen möchte. Und sobald sie fort waren, beeilte sich auch der Ritter Roth, der so furchtsam wie ein Hase war, aus der Nähe der Prinzessin zu kommen und ritt schleunigst in den Wald hinein. Dort band er sein Pferd an einen Baum, auf den er dann selbst hinaufkletterte um zu sehen, wie das Seeungeheuer kommen und die Prinzessin nehmen werde. Denn er dachte sich, wenn das Ungeheuer die Prinzessin genommen habe, könne er zurück reiten und erzählen, wie männlich er für sie gekämpft und gestritten habe; es war ja niemand da, der Zeuge gewesen wäre und ihn hätte widerlegen können. Und für seinen guten Willen und den bewiesenen Mannesmuth mußte er natürlicherweise in der Gunst des Volkes und des Königs steigen, so daß er nach dessen Tod die meiste Aussicht hätte, der Erbe seines Reiches zu werden.
Der junge Ritter sah von seinem Fenster aus die Ausfahrt der Prinzessin. Und kurze Zeit darauf setzte er sich auf seinen schwarzen Hengst und ritt hinaus mit seinem Sperber, seinem Hund und seinem guten Schwert. Er nahm zwar einen andern Weg aus der Stadt, kam aber auf seinem Umweg bald zu der Straße hin, die zum Strande hinunter führte. Nun gings in sausendem Galopp und bald näherte er sich der Prinzessin, die allein unter dem grünen Abhang saß und auf das Kommen des Seeungeheuers wartete. Er sprang vom Pferd, ging hin und grüßte sie und that, als ob er gar nicht wüßte, warum sie hier sei und fragte sie, warum sie so dasitze und weine und so betrübt sei. Sie erzählte ihm alles im Zusammenhange und fügte zum Schlusse noch bei: »Und Ritter Roth, der versprochen hatte, mich zu retten, wenn er könnte, hat sich ebenfalls aus dem Staube gemacht und – und – da kommt das Ungeheuer schon!« schrie sie und fiel bei diesen Worten in Ohnmacht.
Im selben Augenblick hörte man ein Sausen und Brausen vom Meere her kommen und eine ungeheuer große dunkle Woge wälzte sich weiß schäumend gegen das Land und in derselben befand sich das Seeungeheuer, es hatte nicht weniger als neun Köpfe und die brüllten alle zu gleicher Zeit: »Wer ist da bei meiner Liebsten?« – »Sie ist mein und nicht dein!« antwortete der junge Ritter und saß im selben Moment auch schon im Sattel. »Da wollen wir laufen und raufen drum!« brüllte das Ungeheuer. »Ja, da wollen wir reiten und streiten drum!« antwortete der Ritter. Er zog sein Schwert und rief: »Steht mir bei in dieser Stund‘, Sperber, Pferd und du, mein Hund!« und stürzte sich mit diesen auf das Ungeheuer. Der Sperber hackte ihm in die Augen, der Hund biß ihn in den Hals und das Pferd biß und schlug um sich, so sehr es nur konnte, während der Ritter auf drei Hiebe dem Ungeheuer drei Köpfe vom Rumpfe trennte, die der Hund ans Land trug.
»Warte bis morgen! ich muß ein wenig nach Hause, um neue Kräfte zu sammeln!« heulte das Ungeheuer und fuhr mit seinen sechs Köpfen wieder in die Tiefe hinunter und der Schaum der Wellen färbte sich roth, so heftig blutete es. Aber der Jüngling riß den drei abgehauenen Köpfen die Mäuler auf und schnitt die Zungen heraus, hüllte diese in das Taschentuch der Prinzessin und nahm sie mit sich. Darauf trocknete er sein Schwert im Grase, setzte sich auf sein gutes Roß und ritt mit Hund und Sperber denselben Weg, den er gekommen war, wieder zurück und zu einem andern Stadtthore hinein, als demjenigen, das nach dem Meeresufer führte und vor dem alles Volk versammelt war. Und so kam er ungesehen in seine Herberge zurück.
So lange der Kampf währte, lag die Prinzessin in Ohnmacht und Ritter Roth saß oben auf dem Baume und zitterte und bebte. Er sah wohl das Ungeheuer kommen, doch den Platz, an dem der Kampf stattfand, konnte er nicht sehen; er hörte nur das Sausen und Brausen, das Wiehern und Brüllen, das Heulen und Tosen und Schreien und Rufen. Er hörte auch des Ungeheuers Abschiedsworte wegen der Fortsetzung des Kampfes zur gleichen Zeit des nächsten Tages. Dann sah er, wie das Seeungeheuer sich ins Meer zurückstürzte und blutend in die Tiefe fuhr, daß sich der Schaum der Wellen hinter ihm roth färbte. Da stieg er eilig vom Baume herunter und ging zur Prinzessin, bespritzte sie mit Wasser, bis er es dahin brachte, daß sie wieder zu sich kam. Dann sagte er zu ihr, daß er mit dem Ungeheuer gekämpft und ihm die drei Köpfe abgehauen habe. Die Prinzessin sagte aber »Nein«, so sei es nicht gewesen, es wäre kurz zuvor ein anderer Ritter zu ihr gekommen und der war nach ihrer festen Ueberzeugung derjenige, der mit dem Ungeheuer gekämpft hatte. Aber da sagte der Ritter Roth darauf, wenn sie ihm nicht versprechen und beschwören wolle, daß sie alles, was er sagte, bestätigen werde, so wolle er sie sogleich umbringen. Da blieb ihr denn nichts anderes übrig als zu versprechen, was er von ihr verlangte.
Und er setzte sie dann vor sich auf sein Roß und band diesem einen Kopf des Ungeheuers an den Schweif und zwei an die Mähne und so ritt er in die Stadt und in die Gassen und alles Volk war wie verrückt vor Freude und jubelte und rief ihm und der Prinzessin Hurrah’s entgegen und folgte ihm bis zum Schlosse, aus dem der König herauskam und ihnen entgegenschritt. Und da erzählte der Ritter Roth ein Langes und ein Breites davon, wie er mit dem Ungeheuer gekämpft und ihm die Köpfe abgehauen habe. Aber das Ungeheuer käme morgen wieder und deswegen müsse die Prinzessin noch einmal zum Strande hinaus. Aber er wolle ihr dann schon das Leben sicher retten. Die Prinzessin sprach nichts dagegen und sagte nur, was wirklich wahr war, daß sie in Ohnmacht gelegen habe, so lange der Streit währte. Von einem andern Ritter aber sagte sie nichts, denn das durfte sie nicht, des Eides wegen, den sie ablegen mußte.
Ritter Roth dachte sich im stillen, daß der verwegene Kämpe, wer es nun auch sein mochte, wohl auch morgen sein Leben aufs Spiel setzen könne. Gelingt es ihm dann, das Ungeheuer ganz umzubringen, um so besser: denn dann war dem Ritter Roth die Prinzessin und das Königreich sicher. Sollte aber das Seeungeheuer den Sieg davontragen und die Prinzessin fortschleppen, so hatte er doch immerhin wegen seiner bewiesenen Tapferkeit die schönste Aussicht auf den Thron. – Vor allem aber müsse man sein eigenes Leben hüten und beschützen, meinte er.
Am nächsten Vormittag mußte die Prinzessin wieder zum Strande hinausgefahren werden; aber jetzt hofften alle schon das Beste für sie und vertrauten auf den Ritter Roth, welcher sich gestern so brav gehalten hatte. Und an diesem Tag fuhr man sie in einem Silberwagen mit sechs Grauschimmeln bespannt hinaus und der Kutscher und alle Diener waren grau gekleidet. Sie selbst hatte, wie am vorigen Tag, ein schneeweißes Kleid an. Und an der Seite des Wagens ritt ebenso Ritter Roth in Harnisch und Panzer, Helm und Schild und Schwert und Spieß. Und alle Bewohner der Stadt waren auf den Gassen; aber sie weinten und jammerten nicht mehr, sondern riefen für die Prinzessin Hoch und Hoch für den Ritter Roth, dem sie viel Glück auf den Weg wünschten.
Als der Zug wieder am gestrigen Platz angelangt war, fuhr der Wagen abermals fort, aber es wurde bestimmt, daß er in der Nähe im Innern des Waldes warten solle. Da aber der Kutscher und die Diener sich noch immer schrecklich fürchteten, fuhren sie gleich bis zum andern Waldende. Und sobald sie fort waren, machte sich auch Ritter Roth aus dem Staube: – um sich in den Hinterhalt zu legen – wie er sagte. Er beeilte sich, zu seinem Schlupfwinkel zu kommen, wo er sein Pferd anband und auf den Baum hinaufkletterte.
Als der junge Ritter die Prinzessin hinaus fahren gesehen hatte, schwang er sich aufs Pferd und war im Nu auf demselben Weg, den er gestern genommen, am Strande unter dem Waldabhang angelangt und fand da die Prinzessin wieder allein sitzend. Er sprang vom Pferd, ging zu ihr hin und sprach mit ihr. Als sie ihn erblickte, wurde sie ungemein froh und war nun vollständig überzeugt, daß nur er und nicht der Ritter Roth es gewesen sein könnte, welcher gestern mit dem Seeungeheuer gekämpft hatte. Sie schämte sich in ihr Herz hinein, daß sie sich von dem Ritter Roth zwingen ließ, diesen Jüngling und seine Heldenthat zu verschweigen und zu verleugnen. Nur das konnte sie nicht begreifen, warum er sie im Stich und in Ritter Roth’s Gewalt gelassen habe.
Sie konnten nicht viel mit einander sprechen, als sie schon wieder wie gestern das Sausen und Brausen vernahmen, während sich eine große, dunkle Woge mit weißem Schaume gegen das Land wälzte, aus der man ein rasendes Gebrüll aus vielen Kehlen hörte: »Wer ist bei meiner Liebsten?« Es war das Seeungeheuer, das wieder gut zu Kräften gekommen war seit gestern, denn es waren ihm drei neue Köpfe für die tags zuvor verlorenen gewachsen. Aber der Jüngling antwortete unverzagt: »Sie ist mein und nicht dein,« und saß im selben Augenblick auch schon im Sattel. »Da wollen wir laufen und raufen drum!« brüllte das Ungeheuer. »Ja, da wollen wir reiten und streiten drum,« antwortete der Ritter und hatte dabei schon sein Schwert aus der Scheide gezogen. »Steht mir bei in dieser Stund‘, Sperber, Pferd und du, mein Hund!« rief er und drang auf das Ungeheuer ein und traf mit diesem gerade hart an der Grenze des Wassers und des Landes zusammen. Und nun ging es allen Ernstes los; der Sperber hackte, der Hund biß und der Ritter schlug dem Ungeheuer Hieb auf Hieb sechs Köpfe ab, die weit ins Meer hineinflogen und die der Hund alle ans Land schleppte.
Da hatte das Ungeheuer genug für heute, aber es wollte sich doch noch nicht für verloren geben. »Ja – warte nur bis morgen! Ich muß heim, um neue Kräfte zu sammeln!« heulte es und fuhr wieder in die Tiefe hinunter und blutrother Schaum stand dann auf den Wellen hinter ihm.
Der Jüngling schnitt den sechs Köpfen die Zungen heraus und legte sie zu den dreien, die er schon in dem Taschentuch der Prinzessin aufbewahrt hatte, dann trocknete er sein Schwert im Grase ab, pfiff seinem Sperber und seinem Hund und wandte sich dem Pferd zu. Aber heute war die Prinzessin nicht in Ohnmacht gefallen, sondern hatte ihre Augen gut offen gehalten und dem furchtbaren Kampf vom Anfang bis zum Ende zugesehen und ehe der Ritter wieder aufs Pferd kommen konnte, war sie bei ihm, fiel ihm um den Hals und küßte ihn und dankte ihm mit Thränen in den hübschen Augen. Der Jüngling küßte sie wieder; dann aber sprang er auf sein Pferd, winkte ihr mit der Hand noch ein »Lebewohl« zu und war ihr bald mit Hund und Sperber aus dem Gesichtskreis verschwunden und ebenso, wie am vorhergehenden Tag, kam er ungesehen in seine Herberge zurück.
Als Ritter Roth gesehen, daß sich das Ungeheuer mit der Drohung, am nächsten Tag wieder zu kommen, zurück in die Tiefe geflüchtet hatte, kletterte er von dem Baum herunter und kam aus seinem Versteck hervor. Er ging gleich zur Prinzessin hin, setzte ihr das Messer an die Brust und fragte: »Willst du alles von mir verschweigen und nur meine Worte bestätigen oder willst du noch in dieser Stunde dein Leben lassen?« Da blieb ihr ja nichts andres übrig, als ihm zu versprechen, zu thun, was er verlange. Aber sie baute auch fest darauf, daß der junge Ritter morgen schon wieder kommen und dann die Wahrheit endlich doch noch an den Tag bringen würde. Dann sammelte Ritter Roth die abgehauenen Köpfe zusammen und ritt geschwinde durch den Wald und holte den silbernen Wagen, in welchen die Prinzessin gesetzt wurde; darauf hielten sie ihren Einzug in der Stadt.
Die sechs Köpfe wurden alle am Bock des Wagens befestigt, drei auf jeder Seite und Ritter Roth ritt voran in Panzer und Harnisch und blähte sich auf und brüstete sich aufs beste, während ihm Schaaren von Volk zum Schlosse folgten, wo ihm der König entgegenkam, sowohl seine Tochter als den Ritter küßte und vor Freuden weinte. Er bekam allerdings zu hören, daß man noch ein drittesmal hinausziehen müsse. Nachdem sich aber Ritter Roth schon die zwei Tage so tüchtig gehalten, ohne daß man an ihm Spuren des Kampfes oder Sieges bemerken konnte, außer daß er seine Nase jetzt noch höher trug, als er es früher gethan hatte, so zweifelte weder der König noch irgend ein anderer Mensch daran, daß es ihm auch beim dritten- und letztenmal gelingen werde, die Prinzessin zu retten und dann ihr Bräutigam und des Reiches Erbe zu werden. Die ganze schwarze Umhüllung des Schlosses und der übrigen Häuser in der Stadt wurde am selben Abend noch heruntergerissen und überall war Jubel, Fest und Freude, im Schlosse sowohl als auch in der ganzen Stadt.
Am nächsten Vormittag fuhr die Prinzessin wieder aus der Stadt hinaus. Aber jetzt war es kein Trauerzug mehr, es glich vielmehr einem Siegeszug. Sie fuhr in einem goldenen Wagen mit sechs scharlachbedeckten Pferden bespannt; und Vorreiter waren auch da, die ebenso wie die Kutscher und Diener in rothe Scharlachlivree mit goldenen Tressen vorn und hinten gekleidet waren. Die Prinzessin war aber wieder weiß, wie an den vorigen Tagen. Sie wollte keine andere Farbe. Und das Volk jubelte und rief Hoch für die Prinzessin und Hoch für den Ritter Roth, dem es viel Glück auf den Weg wünschte.
Es ging nun alles wieder gerade so wie gestern; nachdem sie die Prinzessin an dem bewußten Platze am Strande aussteigen ließen, fuhr der Kutscher mit Dienern und Vorreitern wieder davon, ein gutes Stück in den Wald hinein, aber doch nicht so weit vom Strande weg, als tags zuvor. Ritter Roth blieb bei seiner Politik: – er wußte wohl, daß er der Prinzessin jetzt keinen Bären mehr aufbinden konnte, er sagte blos, daß er gut auf sie aufpassen wolle und das that er auch auf seine Weise, denn er beeilte sich in sein altes Versteck und auf den Baum hinaufzukommen.
»Sollte es nun heute wieder gut gehen,« sagte der Ritter Roth zu sich selbst, »und der fremde Kämpe auch zum drittenmal den Sieg davontragen, so sage ich doch, daß er erst dazugekommen sei, nachdem ich das Ungeheuer schon erschlagen hatte. Und das wird mir sowohl der König als alle andern glauben. Und sollte auch die Prinzessin sagen wollen, daß er und nicht ich es gewesen sei, welcher an allen drei Tagen gekämpft und gesiegt habe, so können ihre Worte bei niemandem Glauben finden, denn dann hätte sie ja die beiden vorhergehenden Tage gelogen, als sie meine Worte, daß ich es gewesen sei, der das Ungeheuer überwältigt, bestätigte. Man würde ihre heutige Aussage dadurch erklären, daß sie in den Fremden entweder verliebt oder von ihm verhext sein müsse, weil sie ihn so hintenher zu Ehren bringen wolle. – Daraufhin wird der fremde Ritter wohl gehenkt oder verbrannt werden. – Wenn aber das Ungeheuer und der Ritter sich heute gegenseitig umbringen und die Prinzessin dabei gerettet wird, so ist mir der ganze Lohn für ihre Rettung gewiß. Und sollte das Ungeheuer den Fremden überwinden und die Prinzessin davonschleppen, so bin ich doch der einzige, der etwas davon erzählen kann, also bin ich auch der einzige mögliche Erbe des Reiches!«
Während Ritter Roth so zu sich sprach, war der fremde Jüngling auf dem gleichen Umweg wie sonst zur Prinzessin mit Sperber und Hund geritten gekommen. Aber heute konnte er ein wenig später daran, als sonst, oder es hatte sich das Ungeheuer mehr beeilt; denn im selben Augenblick, als er zum Strande, wo die Prinzessin unter dem Abhang saß, kam – die gleich aufgestanden war und ihm mit ihrem Schleier entgegenwinkte – wälzte sich auch schon die dunkle Woge sausend und brausend aus der Tiefe ans Land und mit ihr auch das Ungeheuer, das heute rasender als jemals war. Und es war gut zu Kräften gekommen, denn es hatte alle seine neun Köpfe wieder auf dem Rumpfe. Aber der Ritter stürzte darauf los und am Uferrand trafen sie zusammen; der Kampf war ein furchtbar hartnäckiger und dauerte schrecklich lange, aber das Ende vom Lied war, daß unter des Ritters wuchtigen Schwertstreichen alle neun Köpfe fallen mußten. Nun war das Unthier todt und konnte sich nicht mehr flüchten; sein Körper blieb zur Speise für die Fische des Meeres, des Himmels Vögel und die wilden Thiere des Waldes am Uferrande liegen.
Sobald der Kampf zu Ende und der Sieg errungen war, kam die Prinzessin eiligst zu ihrem Retter hin gesprungen. Er war aber von der Anstrengung ganz müde und ermattet und sie führte ihn zu dem grünen Abhang hin und sein Kopf sank auf ihren Schoß und er fiel in einen tiefen Schlummer. Sein schwarzer Hengst ging ruhig auf der Wiese herum und graste, sein Sperber flog auf einen Baumgipfel hinauf, steckte den Kopf unter seine Flügel und schlief ebenfalls ein. Sein großer gelber Hund aber lief in den Wald hinein und legte sich gerade unter den Baum, auf den Ritter Roth geklettert war, in das weiche Moos.
Ritter Roth hatte zwar das Ungeheuer gesehen, wie es sausend und brausend daherkam, aber diejenige Stelle des Strandes, an der die Prinzessin saß, konnte er ja nicht sehen. Er hörte nur den entsetzlichen Lärm, das Brüllen und Wiehern, das Heulen und Tosen, das Zischen und Kreischen, denn es war ein schauderhaftes Gekreische, das das Ungeheuer jedesmal von sich gab, so oft ihm ein Kopf abgeschlagen wurde. Zuletzt wurde es ganz stille; aber er sah das Ungeheuer nicht wieder in die Tiefe zurückfahren. Darum saß er zitternd und bebend auf seinem Aste, denn es konnte ja leicht möglich sein, daß das Ungeheuer den Ritter überwunden und nun gerade damit beschäftigt wäre, die Prinzessin aufzufressen. Und ebenso leicht konnte es dem Ungeheuer dann in den Sinn kommen, in den Wald hereinzukommen, um sich ihn zu holen. Er dachte just daran, sich leise vom Baume gleiten zu lassen und zu sehen, daß er sich heimlich fortschleichen könnte, da hörte er ein Brechen und Knistern in den Gebüschen und er glaubte schon, daß jetzt sein letztes Stündlein geschlagen habe, und er war nahe daran, gerade aus in die Luft hinaus zu schreien vor Angst, aber er ließ es doch lieber bleiben, duckte sich so klein zusammen als nur möglich und hielt den Athem an, während ihm kalter Schweiß aus allen Poren drang. Da sah er, was es war, das im Walde knisterte und knackte: – es war nicht das Ungeheuer, sondern ein großer, gelber Hund, der sich einen Weg durchs Gebüsche brach und gerade auf den Baum zukam und sich unter demselben niederlegte, auf dem der arme Ritter saß und zitterte. »Aha!« dachte er sich, »das ist einer von den Meerhunden des Ungeheuers! – aber er hat mich doch noch nicht entdeckt!« Und er hielt sich jetzt mäuschenstille und schwitzte vor lauter Angst.
Inzwischen lag der junge Ritter schlafend und ließ sein Haupt auf dem Schoße der Prinzessin ruhen und sie konnte es nicht übers Herz bringen, ihn zu wecken, denn nach solch‘ einem harten Strauß konnte er wohl der Ruhe bedürfen. Aber sie nahm einen Goldring vom Finger und flocht ihm diesen in sein goldenes Haar und blieb dabei ruhig sitzen, während sie ihre Blicke auf dem schönen, jungen Manne ruhen ließ, bis er erwachte. Sie glaubte aber nichts anderes, als daß der junge Ritter sie jetzt heim ins Schloß führen und den Ritter Roth mit all‘ seinen Siegen zu Schanden machen werde. Aber sobald er die Augen aufschlug, sagte er sogleich zu ihr, daß er das nicht könnte. Er müsse auf der Stelle fort, um seinen Bruder aufzusuchen, denn es war gerade ein Jahr vorüber, seit sie sich trennten. Sie solle aber seine Braut sein und ein Jahr lang auf ihn warten, dann würde er wieder zurückkommen und alles aufklären.
Darauf schnitt er allen neun Köpfen die Zungen heraus und hob sie mit den andern neun, die er schon hatte, auf; er pfiff seinem Sperber und seinem Hund, schwang sich auf sein Pferd und ritt davon.
Als der Hund fort und rings umher alles stille war, trocknete sich Ritter Roth den Schweiß von der Stirne und wagte endlich vom Baume herunterzuklettern und sich durch den Wald zu schleichen, bis er vom Abhang aus den Strand überschauen konnte. Da lag nun das Seeungeheuer auf dem Bauche, den Körper am Lande und die Füße im Wasser und alle seine neun Köpfe lagen am Ufer zerstreut um ihn her. Dann fiel ihm auch die Prinzessin in die Augen, sie war so frisch und lebendig, als man eben sein kann und noch dazu ganz allein. Wer es auch gewesen sein mochte, der mit dem Ungeheuer gekämpft und es umgebracht hatte – er war jetzt nicht mehr da. Nachdem sich Ritter Roth davon genügend überzeugt, kehrte sein Muth wieder zurück und er beeilte sich die Prinzessin wie an den vorhergehenden Tagen zu zwingen, ihm unverbrüchliches Stillschweigen zu geloben und zu bestätigen, wenn er sich für denjenigen ausgäbe, der das Ungeheuer getödtet und sie somit gerettet hätte. Und das that sie auch sogleich, denn, da der Rechte nun fort war, konnte es ihr ja doch gar nichts nützen, etwas anderes zu erzählen, als was Ritter Roth wollte. Und sie glaubte ja immer fest daran, daß der Rechte schon wiederkommen und dann alles ans Licht bringen werde.
Darauf holte Ritter Roth den goldenen Wagen samt dem Kutscher, den Dienern und Vorreitern, sammelte dann die neun Köpfe zusammen und ließ sie rings um den Wagen herumhängen. Die Prinzessin setzte sich in den Wagen hinein und Ritter Roth ritt, sich stolz aufblähend, an der Seite desselben und so zogen sie in die Stadt ein, in der man schon anfing ein wenig ängstlich zu werden, weil sie so lange ausblieben und alle Einwohner der Stadt waren am Stadtthore zusammengelaufen. Als aber der Aufzug kam und die Prinzessin unversehrt im Wagen saß und nach beiden Seiten freundlich nickend grüßte, war das Entzücken der Leute ohne Grenzen. Sie riefen Hoch und streuten sowohl der Prinzessin als dem Ritter Roth Blumen und er wurde vom Kopf bis zu den Füßen bekränzt. Nachdem sie ins Schloß gekommen waren und Ritter Roth die ganze Geschichte erzählt hatte von dem greulichen Seeungeheuer, das er jetzt umgebracht und damit sowohl die Prinzessin als auch das ganze Land gerettet hatte, wurde er noch am selben Abend mit der Prinzessin verlobt und als Erbprinz des Reiches ausgerufen. Und man trank auf das Wohl des Brautpaares und in Stadt und Land wurden Freudenfeuer angezündet im ganzen Königreich.
Da wollte der Mann auch aufs Meer hinaus. Die Frau stimmte aber nicht dafür und sagte, es bringe kein Glück an einem so hohen Feiertag zu fischen oder sonst etwas zu arbeiten. Aber der Mann erwiderte ihr, daß es ihnen so knapp ginge, daß man die günstigste Gelegenheit beim Schopf fassen müsse, wenn sie sich darböte; es sei nun das ganze Jahr hindurch kein solches Fischwetter gewesen wie heute. Und er ruderte hinaus mit Netz, mit Ruthe und mit Angel.
Aber wie er auch fischte und wie immer er sich anstellen mochte, er konnte rein gar nichts fangen, bis endlich hoch am Tage, da zog er einen einzigen Fisch heraus, aber das war ein so ungewöhnlicher, großer und häßlicher, wie er früher noch nie einen ähnlichen gesehen hatte. Er wußte nicht, was er mit dem anfangen sollte, deshalb warf er ihn wieder ins Meer zurück. Er fischte wieder weiter und konnte vor einer Stunde abermals nichts fangen und da zog er den häßlichen Fisch zum zweitenmal heraus, aber auch jetzt warf er ihn eiligst ins Meer zurück. Er fischte weiter und fing wieder nichts, bis er endlich zum drittenmal den ungewöhnlichen, großen und häßlichen Fisch herauszog. Im Boot löste er ihn von der Angelschnur, um ihn wieder zurück zu werfen und wollte es dann für diesmal mit der Fischerei gut sein lassen. Seine Frau hatte also wohl damit recht gehabt, daß man an einem so hochheiligen Tag mit der Arbeit kein Glück haben könne.
Aber da begann der Fisch noch im selben Augenblick zu reden und sagte: »Du darfst mich nicht so sehr mißachten, denn ich bin besser als du glaubst; nimm mich nur mit nach Hause, du kannst viel aus mir herausschlagen!« – »Wie so denn?« fragte der Mann. »Ja, gieb nur wohl acht,« sagte der Fisch. »Wenn du nach Hause kommst, mußt du mich aufschneiden. Alle Eingeweide nimmst du und wirfst sie auf den Misthaufen. Darauf schabe meine Schuppen ab und gieb genau Obacht darauf, daß keine verloren geht. Dann schneide mir den Kopf ab und begrabe ihn unter einem Rinnstein bei deinem Hause. Das Rückenstück mußt du kochen und deiner Frau zu essen geben, du selbst aber darfst nichts davon anrühren und neun Monate darauf wirst du von ihr zwei Söhne bekommen.
Was von meinem Körper noch übrig bleibt, mußt du so lange aufheben, bis deine Knaben sieben Jahre alt sind, dann schneidest du ihn in drei Theile und giebst das Bauchstück deiner jungen Stute, die noch kein Füllen gehabt hat, das Nabelstück der jungen Hündin und den Schwanz lege auf den hohen Baum bei deinem Hause, indem sich ein Sperbernest befindet. Dann wird deine Stute zwei Füllen, deine Hündin zwei Hündchen und der Sperber zwei Junge bekommen, die du alle behalten, zu dir nehmen und aufziehen mußt.
Wenn dann deine Knaben fünfzehn Jahre alt sind, grabe unter dem Rinnstein nach, wo du meinen Kopf hingelegt hast und du wirst finden, daß aus meinen Kieferbeinen zwei Schwerter und aus den Ohrenbeinen zwei Messer geworden sind. Ein Schwert und ein Messer mußt du dann jedem deiner Söhne geben und ebenso jedem ein Pferd, einen Hund und einen Sperber, die du ja paarweise aufgezogen hast und die Schuppen, die du aufheben mußtest, sind bis dahin zu Goldgeld geworden, das du deinen Söhnen zu gleichen Theilen geben sollst. So sind sie dann gut ausgerüstet: denn die Thiere werden ihnen von großem Nutzen sein; die Schwerter haben die Eigenschaft, daß alles fallen muß, was mit ihnen gehauen wird und an den Messern wird man immer sehen können, ob dem Eigenthümer ein Unglück oder eine Lebensgefahr drohe, weil sie dann rostig werden, während sie sonst immer blank sein müssen.
Du selbst sollst von diesem Tag an keinen Mangel und keine Noth mehr leiden und auch nicht mehr nöthig haben, auf den Fischfang auszufahren, weil deine Erde so viel Früchte tragen wird, daß du ein wohlhabender Mann davon werden kannst und die Mittel haben wirst, zuerst die Knaben und dann die Thiere auf das beste und sorgfältigste zu erziehen. Merke dir nur alles recht gut, was ich dir gesagt habe und befolge es in jeder Weise ganz genau! Sonst würde es dir schrecklich schlecht gehen!«
Weiter sprach der Fisch nichts und war zu gleicher Zeit auch schon todt. Aber der Mann beeilte sich, mit seinem Boote heimwärts zu fahren und sobald er ans Land gekommen war, ging er in sein Haus und machte alles bis ins kleinste genau so, wie es der Fisch gesagt hatte. Er schnitt ihn auf, warf die Eingeweide auf seinen Misthaufen, schabte alle Schuppen von ihm ab und hob sie auf, schnitt ihm den Kopf ab und grub ihn unter dem Rinnstein ein und kochte das Rückenstück und gab es seiner Frau zu essen. Was von dem Fisch noch übrig blieb, legte er in Salz und hob es auf.
Neun Monate darauf gebar die Frau zwei Knaben; diese wuchsen schnell und gediehen so vortrefflich, daß sie die raschesten und stärksten, flinksten und hübschesten Buben waren, die man nur sehen konnte; ihre Haare glänzten wie lichtes Gold und sie waren einander so ähnlich wie zwei Wassertropfen. Sie waren allezeit beisammen, wenn sie lernten und wenn sie spielten und liebten sich gegenseitig so sehr, daß sie nie auch nur den geringsten Streit mit einander hatten und daß ihre Eltern, welche wirklich nachderhand recht wohlhabende Leute geworden waren, nichts andres als Freude an ihnen erlebten.
Als die Knaben sieben Jahre alt waren, erinnerte sich der Mann wieder, was der Fisch befohlen; er nahm das Hintertheil desselben, was er aufgehoben hatte, und zerschnitt es in drei Stücke. Das Bauchstück gab er seiner jungen, schwarzen Stute, das Nabelstück seiner jungen, gelben Hündin und das Schwanzstück hängte er auf den großen Baum vor dem Hofe, in dem sich ein Sperbernest befand; und die Sperbermutter kam auch sogleich darnach heruntergeflogen und trug den Fischschwanz ins Nest hinauf. Die junge, schwarze Stute warf zur rechten Zeit zwei wunderschöne schwarze Hengstfüllen und die große gelbe Hündin bekam zwei hübsche junge Hunde und zwar Männchen, und bald befanden sich auch zwei junge Sperber im Nest oben, welche der Mann fing, zähmte und abrichtete, weil man in alten Zeiten abgerichtete Sperber zur Vogeljagd gebrauchte. Und die beiden Füllen, die beiden Hündchen und die zwei jungen Sperber glichen sich paarweise so einander, daß man keins vom andern unterscheiden konnte.
Als die beiden Knaben ihr fünfzehntes Jahr erreicht hatten, ging der Mann hinaus und grub unter dem Rinnstein nach und fand darunter richtig zwei blanke Schwerter und zwei scharfe Messer. Und als er bei den Schuppen, welche er aufgehoben hatte, nachsah, war lauter funkelndes Goldgeld daraus geworden. Dies vertheilte der Mann in zwei gleichen Theilen zwischen die Brüder und gab ihnen jedem ein Schwert und ein Messer und erklärte ihnen zugleich, welche guten Eigenschaften diese Waffen hatten. Weiter gab er jedem ein Pferd, einen Hund und einen Sperber; diese Thiere glichen ebenso eins dem andern, wie die beiden Knaben selbst. Zaum, Sattel und gute Kleider gab er ebenfalls jedem von gleicher Art und sagte, daß sie nun mündig und ihre eigenen Herren sein müßten und thun könnten, was sie wollten; entweder zu Hause bleiben oder in die Welt hinaus ziehen, um ihr Glück zu versuchen.
Und beide wollten in die weite Welt hinaus ziehen und zwar sogleich. Beide brannten vor Begierde, hinauszukommen, sich draußen umzuschauen und ihren Muth und ihre Männlichkeit zu erproben. Da sagten sie »Lebewohl« zu Vater und Mutter, gürteten die Schwerter um die Lenden und steckten das Messer in den Gürtel. Jeder setzte sich dann auf sein Pferd; das lange Haar fiel über die Schultern und glänzte wie lauteres Gold. Jeder hatte seinen Sperber auf dem Arm sitzen, ihre großen gelben Hunde sprangen vor ihnen her und so ritten sie zusammen in die weite Welt hinaus.
Einige Tage zogen sie miteinander und wo sie vorbei kamen, mußte alles stehen bleiben und die zwei jungen Ritter und ihre Thiere betrachten, weil sie so hübsch waren und einander so ähnlich sahen und besonders das letztere war es, was überall die Neugierde der Leute erweckte. Dies wurde den beiden Jünglingen auf die Dauer langweilig; aber am langweiligsten und unangenehmsten war ihnen das, daß ihnen nichts in den Weg kam, woran sie ihren Muth und ihre Kraft hätten beweisen können. Als sie daher im Walde an eine Stelle kamen, an der sich der Weg theilte, kamen sie miteinander überein, nicht mehr beständig zusammen zu reiten, sondern einzeln ihrer Wege zu ziehen. Bevor sie sich jedoch trennten, zogen sie ihre Messer heraus und steckten sie in einen Lindenbaum, der gerade hier stand und verabredeten miteinander, daß sie jedes Jahr zu diesem Baum kommen wollten, um nachzusehen ob, keines derselben rostig geworden sei, damit der eine wissen könnte, ob der andere in Gefahr wäre. Dann sagten sie einander zärtlichst »Lebewohl«, und derjenige von den Zwillingen, der zuerst zur Welt gekommen und also der ältere war, sagte: »Ich reite jetzt zur Rechten und du zur Linken.« Und so ritt jeder seinen eigenen Weg weiter und die Thiere kannten ihre Herren und jedes blieb bei dem seinigen.
Folgen wir nun dem älteren Bruder. Er ritt von einer Stadt zur andern und zog von Land zu Land, bis er eines Abends spät in eine Königsstadt kam und dort in eine Herberge ging. Diese lag dem königlichen Schloß gerade gegenüber und als der junge Ritter am andern Morgen aufstand und zum Fenster hinausblickte, sah er das Schloß und auch das, daß es von oben bis unten ganz schwarz verhängt war. Da rief er den Wirth und fragte, was dies bedeuten solle. »Ach Herr!« antwortete da der Wirth, »Ihr müßt aus weiter Fremde kommen, daß ihr nichts von der großen Trauer wißt, die hier wegen des Königs einziger Tochter herrscht. Der König mußte nämlich die liebliche, sechszehnjährige Prinzessin einem greulichen Seeungeheuer versprechen, welches sonst das ganze Land verheert und verwüstet hätte. Und heute ist gerade der Tag, an dem er sie bekommen soll. In einer Stunde fährt man mit ihr zum Strand hinaus und deshalb ist sowohl das Schloß als die ganze Stadt schwarz verhängt und alle Leute trauern und weinen um die liebliche junge Prinzessin. Der König versprach auch, derjenige, der sie vor dem Ungeheuer retten könne, solle sie zur Frau bekommen und nach seinem Tode das ganze Reich erben, denn er hatte keine andern Kinder als die Prinzessin. Es ist auch ein Hofmann, welcher Ritter Roth heißt, da, der allerdings gesagt hat, daß er sie entweder retten oder sein Leben für sie lassen wolle. Aber es ist kein Mensch da, der auf diesen Ritter vertrauen möchte. Und so wird das Seeungeheuer die Prinzessin doch bekommen müssen und behalten dürfen.«
Es währte auch nur eine Stunde, da fuhr ein geschlossener Wagen zur Schloßpforte heraus, der ganz schwarz überzogen war und von sechs schwarzen Pferden gezogen wurde und der Kutscher, sowie alle Diener waren schwarz gekleidet. Der Wagen fuhr dem Strande zu und in demselben saß die Prinzessin schneeweiß gekleidet; und an der Seite des Wagens ritt der Ritter Roth in Panzer und Harnisch, mit Helm und Schild und Schwert und Spieß. Und überall, wo der Wagen vorbeifuhr, standen die Leute auf den Gassen und weinten und jammerten, denn niemand glaubte, daß Ritter Roth der armen Prinzessin würde helfen können.
Man fuhr mit ihr zur Stadt hinaus durch einen großen Wald und hinunter zum Ufer am Waldesabhang, denn das war die Stelle, welche das Ungeheuer bestimmte. Und sobald die Diener die Prinzessin hier aus dem Wagen herausgehoben hatten, hieb der Kutscher in die Pferde und fuhr mit den Dienern allen davon, was nur das Zeug halten konnte. Sie fürchteten sich alle schrecklich davor, daß das Seeungeheuer hinter ihnen drein kommen möchte. Und sobald sie fort waren, beeilte sich auch der Ritter Roth, der so furchtsam wie ein Hase war, aus der Nähe der Prinzessin zu kommen und ritt schleunigst in den Wald hinein. Dort band er sein Pferd an einen Baum, auf den er dann selbst hinaufkletterte um zu sehen, wie das Seeungeheuer kommen und die Prinzessin nehmen werde. Denn er dachte sich, wenn das Ungeheuer die Prinzessin genommen habe, könne er zurück reiten und erzählen, wie männlich er für sie gekämpft und gestritten habe; es war ja niemand da, der Zeuge gewesen wäre und ihn hätte widerlegen können. Und für seinen guten Willen und den bewiesenen Mannesmuth mußte er natürlicherweise in der Gunst des Volkes und des Königs steigen, so daß er nach dessen Tod die meiste Aussicht hätte, der Erbe seines Reiches zu werden.
Der junge Ritter sah von seinem Fenster aus die Ausfahrt der Prinzessin. Und kurze Zeit darauf setzte er sich auf seinen schwarzen Hengst und ritt hinaus mit seinem Sperber, seinem Hund und seinem guten Schwert. Er nahm zwar einen andern Weg aus der Stadt, kam aber auf seinem Umweg bald zu der Straße hin, die zum Strande hinunter führte. Nun gings in sausendem Galopp und bald näherte er sich der Prinzessin, die allein unter dem grünen Abhang saß und auf das Kommen des Seeungeheuers wartete. Er sprang vom Pferd, ging hin und grüßte sie und that, als ob er gar nicht wüßte, warum sie hier sei und fragte sie, warum sie so dasitze und weine und so betrübt sei. Sie erzählte ihm alles im Zusammenhange und fügte zum Schlusse noch bei: »Und Ritter Roth, der versprochen hatte, mich zu retten, wenn er könnte, hat sich ebenfalls aus dem Staube gemacht und – und – da kommt das Ungeheuer schon!« schrie sie und fiel bei diesen Worten in Ohnmacht.
Im selben Augenblick hörte man ein Sausen und Brausen vom Meere her kommen und eine ungeheuer große dunkle Woge wälzte sich weiß schäumend gegen das Land und in derselben befand sich das Seeungeheuer, es hatte nicht weniger als neun Köpfe und die brüllten alle zu gleicher Zeit: »Wer ist da bei meiner Liebsten?« – »Sie ist mein und nicht dein!« antwortete der junge Ritter und saß im selben Moment auch schon im Sattel. »Da wollen wir laufen und raufen drum!« brüllte das Ungeheuer. »Ja, da wollen wir reiten und streiten drum!« antwortete der Ritter. Er zog sein Schwert und rief: »Steht mir bei in dieser Stund‘, Sperber, Pferd und du, mein Hund!« und stürzte sich mit diesen auf das Ungeheuer. Der Sperber hackte ihm in die Augen, der Hund biß ihn in den Hals und das Pferd biß und schlug um sich, so sehr es nur konnte, während der Ritter auf drei Hiebe dem Ungeheuer drei Köpfe vom Rumpfe trennte, die der Hund ans Land trug.
»Warte bis morgen! ich muß ein wenig nach Hause, um neue Kräfte zu sammeln!« heulte das Ungeheuer und fuhr mit seinen sechs Köpfen wieder in die Tiefe hinunter und der Schaum der Wellen färbte sich roth, so heftig blutete es. Aber der Jüngling riß den drei abgehauenen Köpfen die Mäuler auf und schnitt die Zungen heraus, hüllte diese in das Taschentuch der Prinzessin und nahm sie mit sich. Darauf trocknete er sein Schwert im Grase, setzte sich auf sein gutes Roß und ritt mit Hund und Sperber denselben Weg, den er gekommen war, wieder zurück und zu einem andern Stadtthore hinein, als demjenigen, das nach dem Meeresufer führte und vor dem alles Volk versammelt war. Und so kam er ungesehen in seine Herberge zurück.
So lange der Kampf währte, lag die Prinzessin in Ohnmacht und Ritter Roth saß oben auf dem Baume und zitterte und bebte. Er sah wohl das Ungeheuer kommen, doch den Platz, an dem der Kampf stattfand, konnte er nicht sehen; er hörte nur das Sausen und Brausen, das Wiehern und Brüllen, das Heulen und Tosen und Schreien und Rufen. Er hörte auch des Ungeheuers Abschiedsworte wegen der Fortsetzung des Kampfes zur gleichen Zeit des nächsten Tages. Dann sah er, wie das Seeungeheuer sich ins Meer zurückstürzte und blutend in die Tiefe fuhr, daß sich der Schaum der Wellen hinter ihm roth färbte. Da stieg er eilig vom Baume herunter und ging zur Prinzessin, bespritzte sie mit Wasser, bis er es dahin brachte, daß sie wieder zu sich kam. Dann sagte er zu ihr, daß er mit dem Ungeheuer gekämpft und ihm die drei Köpfe abgehauen habe. Die Prinzessin sagte aber »Nein«, so sei es nicht gewesen, es wäre kurz zuvor ein anderer Ritter zu ihr gekommen und der war nach ihrer festen Ueberzeugung derjenige, der mit dem Ungeheuer gekämpft hatte. Aber da sagte der Ritter Roth darauf, wenn sie ihm nicht versprechen und beschwören wolle, daß sie alles, was er sagte, bestätigen werde, so wolle er sie sogleich umbringen. Da blieb ihr denn nichts anderes übrig als zu versprechen, was er von ihr verlangte.
Und er setzte sie dann vor sich auf sein Roß und band diesem einen Kopf des Ungeheuers an den Schweif und zwei an die Mähne und so ritt er in die Stadt und in die Gassen und alles Volk war wie verrückt vor Freude und jubelte und rief ihm und der Prinzessin Hurrah’s entgegen und folgte ihm bis zum Schlosse, aus dem der König herauskam und ihnen entgegenschritt. Und da erzählte der Ritter Roth ein Langes und ein Breites davon, wie er mit dem Ungeheuer gekämpft und ihm die Köpfe abgehauen habe. Aber das Ungeheuer käme morgen wieder und deswegen müsse die Prinzessin noch einmal zum Strande hinaus. Aber er wolle ihr dann schon das Leben sicher retten. Die Prinzessin sprach nichts dagegen und sagte nur, was wirklich wahr war, daß sie in Ohnmacht gelegen habe, so lange der Streit währte. Von einem andern Ritter aber sagte sie nichts, denn das durfte sie nicht, des Eides wegen, den sie ablegen mußte.
Ritter Roth dachte sich im stillen, daß der verwegene Kämpe, wer es nun auch sein mochte, wohl auch morgen sein Leben aufs Spiel setzen könne. Gelingt es ihm dann, das Ungeheuer ganz umzubringen, um so besser: denn dann war dem Ritter Roth die Prinzessin und das Königreich sicher. Sollte aber das Seeungeheuer den Sieg davontragen und die Prinzessin fortschleppen, so hatte er doch immerhin wegen seiner bewiesenen Tapferkeit die schönste Aussicht auf den Thron. – Vor allem aber müsse man sein eigenes Leben hüten und beschützen, meinte er.
Am nächsten Vormittag mußte die Prinzessin wieder zum Strande hinausgefahren werden; aber jetzt hofften alle schon das Beste für sie und vertrauten auf den Ritter Roth, welcher sich gestern so brav gehalten hatte. Und an diesem Tag fuhr man sie in einem Silberwagen mit sechs Grauschimmeln bespannt hinaus und der Kutscher und alle Diener waren grau gekleidet. Sie selbst hatte, wie am vorigen Tag, ein schneeweißes Kleid an. Und an der Seite des Wagens ritt ebenso Ritter Roth in Harnisch und Panzer, Helm und Schild und Schwert und Spieß. Und alle Bewohner der Stadt waren auf den Gassen; aber sie weinten und jammerten nicht mehr, sondern riefen für die Prinzessin Hoch und Hoch für den Ritter Roth, dem sie viel Glück auf den Weg wünschten.
Als der Zug wieder am gestrigen Platz angelangt war, fuhr der Wagen abermals fort, aber es wurde bestimmt, daß er in der Nähe im Innern des Waldes warten solle. Da aber der Kutscher und die Diener sich noch immer schrecklich fürchteten, fuhren sie gleich bis zum andern Waldende. Und sobald sie fort waren, machte sich auch Ritter Roth aus dem Staube: – um sich in den Hinterhalt zu legen – wie er sagte. Er beeilte sich, zu seinem Schlupfwinkel zu kommen, wo er sein Pferd anband und auf den Baum hinaufkletterte.
Als der junge Ritter die Prinzessin hinaus fahren gesehen hatte, schwang er sich aufs Pferd und war im Nu auf demselben Weg, den er gestern genommen, am Strande unter dem Waldabhang angelangt und fand da die Prinzessin wieder allein sitzend. Er sprang vom Pferd, ging zu ihr hin und sprach mit ihr. Als sie ihn erblickte, wurde sie ungemein froh und war nun vollständig überzeugt, daß nur er und nicht der Ritter Roth es gewesen sein könnte, welcher gestern mit dem Seeungeheuer gekämpft hatte. Sie schämte sich in ihr Herz hinein, daß sie sich von dem Ritter Roth zwingen ließ, diesen Jüngling und seine Heldenthat zu verschweigen und zu verleugnen. Nur das konnte sie nicht begreifen, warum er sie im Stich und in Ritter Roth’s Gewalt gelassen habe.
Sie konnten nicht viel mit einander sprechen, als sie schon wieder wie gestern das Sausen und Brausen vernahmen, während sich eine große, dunkle Woge mit weißem Schaume gegen das Land wälzte, aus der man ein rasendes Gebrüll aus vielen Kehlen hörte: »Wer ist bei meiner Liebsten?« Es war das Seeungeheuer, das wieder gut zu Kräften gekommen war seit gestern, denn es waren ihm drei neue Köpfe für die tags zuvor verlorenen gewachsen. Aber der Jüngling antwortete unverzagt: »Sie ist mein und nicht dein,« und saß im selben Augenblick auch schon im Sattel. »Da wollen wir laufen und raufen drum!« brüllte das Ungeheuer. »Ja, da wollen wir reiten und streiten drum,« antwortete der Ritter und hatte dabei schon sein Schwert aus der Scheide gezogen. »Steht mir bei in dieser Stund‘, Sperber, Pferd und du, mein Hund!« rief er und drang auf das Ungeheuer ein und traf mit diesem gerade hart an der Grenze des Wassers und des Landes zusammen. Und nun ging es allen Ernstes los; der Sperber hackte, der Hund biß und der Ritter schlug dem Ungeheuer Hieb auf Hieb sechs Köpfe ab, die weit ins Meer hineinflogen und die der Hund alle ans Land schleppte.
Da hatte das Ungeheuer genug für heute, aber es wollte sich doch noch nicht für verloren geben. »Ja – warte nur bis morgen! Ich muß heim, um neue Kräfte zu sammeln!« heulte es und fuhr wieder in die Tiefe hinunter und blutrother Schaum stand dann auf den Wellen hinter ihm.
Der Jüngling schnitt den sechs Köpfen die Zungen heraus und legte sie zu den dreien, die er schon in dem Taschentuch der Prinzessin aufbewahrt hatte, dann trocknete er sein Schwert im Grase ab, pfiff seinem Sperber und seinem Hund und wandte sich dem Pferd zu. Aber heute war die Prinzessin nicht in Ohnmacht gefallen, sondern hatte ihre Augen gut offen gehalten und dem furchtbaren Kampf vom Anfang bis zum Ende zugesehen und ehe der Ritter wieder aufs Pferd kommen konnte, war sie bei ihm, fiel ihm um den Hals und küßte ihn und dankte ihm mit Thränen in den hübschen Augen. Der Jüngling küßte sie wieder; dann aber sprang er auf sein Pferd, winkte ihr mit der Hand noch ein »Lebewohl« zu und war ihr bald mit Hund und Sperber aus dem Gesichtskreis verschwunden und ebenso, wie am vorhergehenden Tag, kam er ungesehen in seine Herberge zurück.
Als Ritter Roth gesehen, daß sich das Ungeheuer mit der Drohung, am nächsten Tag wieder zu kommen, zurück in die Tiefe geflüchtet hatte, kletterte er von dem Baum herunter und kam aus seinem Versteck hervor. Er ging gleich zur Prinzessin hin, setzte ihr das Messer an die Brust und fragte: »Willst du alles von mir verschweigen und nur meine Worte bestätigen oder willst du noch in dieser Stunde dein Leben lassen?« Da blieb ihr ja nichts andres übrig, als ihm zu versprechen, zu thun, was er verlange. Aber sie baute auch fest darauf, daß der junge Ritter morgen schon wieder kommen und dann die Wahrheit endlich doch noch an den Tag bringen würde. Dann sammelte Ritter Roth die abgehauenen Köpfe zusammen und ritt geschwinde durch den Wald und holte den silbernen Wagen, in welchen die Prinzessin gesetzt wurde; darauf hielten sie ihren Einzug in der Stadt.
Die sechs Köpfe wurden alle am Bock des Wagens befestigt, drei auf jeder Seite und Ritter Roth ritt voran in Panzer und Harnisch und blähte sich auf und brüstete sich aufs beste, während ihm Schaaren von Volk zum Schlosse folgten, wo ihm der König entgegenkam, sowohl seine Tochter als den Ritter küßte und vor Freuden weinte. Er bekam allerdings zu hören, daß man noch ein drittesmal hinausziehen müsse. Nachdem sich aber Ritter Roth schon die zwei Tage so tüchtig gehalten, ohne daß man an ihm Spuren des Kampfes oder Sieges bemerken konnte, außer daß er seine Nase jetzt noch höher trug, als er es früher gethan hatte, so zweifelte weder der König noch irgend ein anderer Mensch daran, daß es ihm auch beim dritten- und letztenmal gelingen werde, die Prinzessin zu retten und dann ihr Bräutigam und des Reiches Erbe zu werden. Die ganze schwarze Umhüllung des Schlosses und der übrigen Häuser in der Stadt wurde am selben Abend noch heruntergerissen und überall war Jubel, Fest und Freude, im Schlosse sowohl als auch in der ganzen Stadt.
Am nächsten Vormittag fuhr die Prinzessin wieder aus der Stadt hinaus. Aber jetzt war es kein Trauerzug mehr, es glich vielmehr einem Siegeszug. Sie fuhr in einem goldenen Wagen mit sechs scharlachbedeckten Pferden bespannt; und Vorreiter waren auch da, die ebenso wie die Kutscher und Diener in rothe Scharlachlivree mit goldenen Tressen vorn und hinten gekleidet waren. Die Prinzessin war aber wieder weiß, wie an den vorigen Tagen. Sie wollte keine andere Farbe. Und das Volk jubelte und rief Hoch für die Prinzessin und Hoch für den Ritter Roth, dem es viel Glück auf den Weg wünschte.
Es ging nun alles wieder gerade so wie gestern; nachdem sie die Prinzessin an dem bewußten Platze am Strande aussteigen ließen, fuhr der Kutscher mit Dienern und Vorreitern wieder davon, ein gutes Stück in den Wald hinein, aber doch nicht so weit vom Strande weg, als tags zuvor. Ritter Roth blieb bei seiner Politik: – er wußte wohl, daß er der Prinzessin jetzt keinen Bären mehr aufbinden konnte, er sagte blos, daß er gut auf sie aufpassen wolle und das that er auch auf seine Weise, denn er beeilte sich in sein altes Versteck und auf den Baum hinaufzukommen.
»Sollte es nun heute wieder gut gehen,« sagte der Ritter Roth zu sich selbst, »und der fremde Kämpe auch zum drittenmal den Sieg davontragen, so sage ich doch, daß er erst dazugekommen sei, nachdem ich das Ungeheuer schon erschlagen hatte. Und das wird mir sowohl der König als alle andern glauben. Und sollte auch die Prinzessin sagen wollen, daß er und nicht ich es gewesen sei, welcher an allen drei Tagen gekämpft und gesiegt habe, so können ihre Worte bei niemandem Glauben finden, denn dann hätte sie ja die beiden vorhergehenden Tage gelogen, als sie meine Worte, daß ich es gewesen sei, der das Ungeheuer überwältigt, bestätigte. Man würde ihre heutige Aussage dadurch erklären, daß sie in den Fremden entweder verliebt oder von ihm verhext sein müsse, weil sie ihn so hintenher zu Ehren bringen wolle. – Daraufhin wird der fremde Ritter wohl gehenkt oder verbrannt werden. – Wenn aber das Ungeheuer und der Ritter sich heute gegenseitig umbringen und die Prinzessin dabei gerettet wird, so ist mir der ganze Lohn für ihre Rettung gewiß. Und sollte das Ungeheuer den Fremden überwinden und die Prinzessin davonschleppen, so bin ich doch der einzige, der etwas davon erzählen kann, also bin ich auch der einzige mögliche Erbe des Reiches!«
Während Ritter Roth so zu sich sprach, war der fremde Jüngling auf dem gleichen Umweg wie sonst zur Prinzessin mit Sperber und Hund geritten gekommen. Aber heute konnte er ein wenig später daran, als sonst, oder es hatte sich das Ungeheuer mehr beeilt; denn im selben Augenblick, als er zum Strande, wo die Prinzessin unter dem Abhang saß, kam – die gleich aufgestanden war und ihm mit ihrem Schleier entgegenwinkte – wälzte sich auch schon die dunkle Woge sausend und brausend aus der Tiefe ans Land und mit ihr auch das Ungeheuer, das heute rasender als jemals war. Und es war gut zu Kräften gekommen, denn es hatte alle seine neun Köpfe wieder auf dem Rumpfe. Aber der Ritter stürzte darauf los und am Uferrand trafen sie zusammen; der Kampf war ein furchtbar hartnäckiger und dauerte schrecklich lange, aber das Ende vom Lied war, daß unter des Ritters wuchtigen Schwertstreichen alle neun Köpfe fallen mußten. Nun war das Unthier todt und konnte sich nicht mehr flüchten; sein Körper blieb zur Speise für die Fische des Meeres, des Himmels Vögel und die wilden Thiere des Waldes am Uferrande liegen.
Sobald der Kampf zu Ende und der Sieg errungen war, kam die Prinzessin eiligst zu ihrem Retter hin gesprungen. Er war aber von der Anstrengung ganz müde und ermattet und sie führte ihn zu dem grünen Abhang hin und sein Kopf sank auf ihren Schoß und er fiel in einen tiefen Schlummer. Sein schwarzer Hengst ging ruhig auf der Wiese herum und graste, sein Sperber flog auf einen Baumgipfel hinauf, steckte den Kopf unter seine Flügel und schlief ebenfalls ein. Sein großer gelber Hund aber lief in den Wald hinein und legte sich gerade unter den Baum, auf den Ritter Roth geklettert war, in das weiche Moos.
Ritter Roth hatte zwar das Ungeheuer gesehen, wie es sausend und brausend daherkam, aber diejenige Stelle des Strandes, an der die Prinzessin saß, konnte er ja nicht sehen. Er hörte nur den entsetzlichen Lärm, das Brüllen und Wiehern, das Heulen und Tosen, das Zischen und Kreischen, denn es war ein schauderhaftes Gekreische, das das Ungeheuer jedesmal von sich gab, so oft ihm ein Kopf abgeschlagen wurde. Zuletzt wurde es ganz stille; aber er sah das Ungeheuer nicht wieder in die Tiefe zurückfahren. Darum saß er zitternd und bebend auf seinem Aste, denn es konnte ja leicht möglich sein, daß das Ungeheuer den Ritter überwunden und nun gerade damit beschäftigt wäre, die Prinzessin aufzufressen. Und ebenso leicht konnte es dem Ungeheuer dann in den Sinn kommen, in den Wald hereinzukommen, um sich ihn zu holen. Er dachte just daran, sich leise vom Baume gleiten zu lassen und zu sehen, daß er sich heimlich fortschleichen könnte, da hörte er ein Brechen und Knistern in den Gebüschen und er glaubte schon, daß jetzt sein letztes Stündlein geschlagen habe, und er war nahe daran, gerade aus in die Luft hinaus zu schreien vor Angst, aber er ließ es doch lieber bleiben, duckte sich so klein zusammen als nur möglich und hielt den Athem an, während ihm kalter Schweiß aus allen Poren drang. Da sah er, was es war, das im Walde knisterte und knackte: – es war nicht das Ungeheuer, sondern ein großer, gelber Hund, der sich einen Weg durchs Gebüsche brach und gerade auf den Baum zukam und sich unter demselben niederlegte, auf dem der arme Ritter saß und zitterte. »Aha!« dachte er sich, »das ist einer von den Meerhunden des Ungeheuers! – aber er hat mich doch noch nicht entdeckt!« Und er hielt sich jetzt mäuschenstille und schwitzte vor lauter Angst.
Inzwischen lag der junge Ritter schlafend und ließ sein Haupt auf dem Schoße der Prinzessin ruhen und sie konnte es nicht übers Herz bringen, ihn zu wecken, denn nach solch‘ einem harten Strauß konnte er wohl der Ruhe bedürfen. Aber sie nahm einen Goldring vom Finger und flocht ihm diesen in sein goldenes Haar und blieb dabei ruhig sitzen, während sie ihre Blicke auf dem schönen, jungen Manne ruhen ließ, bis er erwachte. Sie glaubte aber nichts anderes, als daß der junge Ritter sie jetzt heim ins Schloß führen und den Ritter Roth mit all‘ seinen Siegen zu Schanden machen werde. Aber sobald er die Augen aufschlug, sagte er sogleich zu ihr, daß er das nicht könnte. Er müsse auf der Stelle fort, um seinen Bruder aufzusuchen, denn es war gerade ein Jahr vorüber, seit sie sich trennten. Sie solle aber seine Braut sein und ein Jahr lang auf ihn warten, dann würde er wieder zurückkommen und alles aufklären.
Darauf schnitt er allen neun Köpfen die Zungen heraus und hob sie mit den andern neun, die er schon hatte, auf; er pfiff seinem Sperber und seinem Hund, schwang sich auf sein Pferd und ritt davon.
Als der Hund fort und rings umher alles stille war, trocknete sich Ritter Roth den Schweiß von der Stirne und wagte endlich vom Baume herunterzuklettern und sich durch den Wald zu schleichen, bis er vom Abhang aus den Strand überschauen konnte. Da lag nun das Seeungeheuer auf dem Bauche, den Körper am Lande und die Füße im Wasser und alle seine neun Köpfe lagen am Ufer zerstreut um ihn her. Dann fiel ihm auch die Prinzessin in die Augen, sie war so frisch und lebendig, als man eben sein kann und noch dazu ganz allein. Wer es auch gewesen sein mochte, der mit dem Ungeheuer gekämpft und es umgebracht hatte – er war jetzt nicht mehr da. Nachdem sich Ritter Roth davon genügend überzeugt, kehrte sein Muth wieder zurück und er beeilte sich die Prinzessin wie an den vorhergehenden Tagen zu zwingen, ihm unverbrüchliches Stillschweigen zu geloben und zu bestätigen, wenn er sich für denjenigen ausgäbe, der das Ungeheuer getödtet und sie somit gerettet hätte. Und das that sie auch sogleich, denn, da der Rechte nun fort war, konnte es ihr ja doch gar nichts nützen, etwas anderes zu erzählen, als was Ritter Roth wollte. Und sie glaubte ja immer fest daran, daß der Rechte schon wiederkommen und dann alles ans Licht bringen werde.
Darauf holte Ritter Roth den goldenen Wagen samt dem Kutscher, den Dienern und Vorreitern, sammelte dann die neun Köpfe zusammen und ließ sie rings um den Wagen herumhängen. Die Prinzessin setzte sich in den Wagen hinein und Ritter Roth ritt, sich stolz aufblähend, an der Seite desselben und so zogen sie in die Stadt ein, in der man schon anfing ein wenig ängstlich zu werden, weil sie so lange ausblieben und alle Einwohner der Stadt waren am Stadtthore zusammengelaufen. Als aber der Aufzug kam und die Prinzessin unversehrt im Wagen saß und nach beiden Seiten freundlich nickend grüßte, war das Entzücken der Leute ohne Grenzen. Sie riefen Hoch und streuten sowohl der Prinzessin als dem Ritter Roth Blumen und er wurde vom Kopf bis zu den Füßen bekränzt. Nachdem sie ins Schloß gekommen waren und Ritter Roth die ganze Geschichte erzählt hatte von dem greulichen Seeungeheuer, das er jetzt umgebracht und damit sowohl die Prinzessin als auch das ganze Land gerettet hatte, wurde er noch am selben Abend mit der Prinzessin verlobt und als Erbprinz des Reiches ausgerufen. Und man trank auf das Wohl des Brautpaares und in Stadt und Land wurden Freudenfeuer angezündet im ganzen Königreich.