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Märchenbasar

Ein Jüngling ohne Glück

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Ein Jüngling hatte kein Glück auf dieser Welt. Weil er nun kein Glück hatte, ging er in die Welt, um zu verderben. Eltern besaß er nicht, auch keine Geschwister. Ein schönes Weizenfeld zerschlug ihm der Hagel des heiligen Elias, daß ihm nicht ein Körnchen geblieben, der heilige Petrus hatte Wölfe in die Ochsenherde geschickt, ihm die Ochsen zu fressen, und seine waren die schönsten in der ganzen Herde gewesen. Nun sah er sich allein und arm, so arm, daß ihm nur drei Kreuzer geblieben. Diese steckte er in die Tasche und begab sich auf die Straße.
Einen ganzen Tag ging er immer vorwärts auf der Straße, nur einmal begegnete ihm ein alter Mann, dieser war Gott, aber der Jüngling ohne Glück kannte ihn nicht. »Wohin gehst du, mein Junge?« fragte ihn unser Herrgott. »Ich gehe in die Welt, um zu verderben, hier habe ich kein Glück«, entgegnete der Gefragte. »Mein Junge, hast du keinen Kreuzer für mich? Ich bin so arm«, sagte der Alte. »Oh, ich habe drei. Von diesen kann ich auch dir einen geben.« Dies sagend, reichte er ihm einen hin und fing wieder an zu gehen.
Am nächsten Tage begegnete er wieder einem alten Großvater, erkannte aber nicht, daß es derselbe, daß es Gott sei. Es wiederholte sich dasselbe Gespräch von gestern, und als der Alte ihm einen Kreuzer verlangte, sprach der Junge: »Ja, ich habe zwei, einen davon kann ich dir geben«, reichte ihm ihn hin und ging weiter.
Am dritten Tage begegnete er wieder einem alten Manne. Nach denselben Fragen und Antworten verlangte der Alte einen Kreuzer. Der Junge zog ihn aus der Tasche mit den Worten: »Ich habe nur diesen, den gebe ich Euch, mir ist’s gleich, ob ich einen oder keinen habe, ich gehe ja doch in die Welt, um zu verderben, hier habe ich kein Glück.« – »O nein, du sollst nicht verderben, such dir dein Glück, vielleicht ist’s nicht einmal so weit von dir, gehe nur immer rechts, dann wirst du Leute treffen, und was die arbeiten, das tue auch du, wenn sie zum Essen gehen, gehe auch du zum Tisch und iß, und wenn sie schlafen gehen, leg dich auch. Aber reden sollst du kein Wort, bis du nicht von jemandem gefragt wirst.«
Der Jüngling ohne Glück tat grade so, wie ihn der alte Großvater gelehrt. Er ging und ging, bis er einige Leute antraf, diese arbeiteten an einem Zaune, er fing auch an, dort zu helfen, und wie sie zum Mittagessen gingen, setzte er sich auch zwischen sie und aß, und als er sich abends zum Schlafen legte, ruhte er so gut, daß er fast glaubte, das Glück gefunden zu haben. Um Mitternacht erwachte er und sah neben sich das Glück stehen, redend mit denen, die den neugebornen Kindern ihre Zukunft in die Wiege legen – diese nur um Mitternacht sichtbaren Männer heißen ursitori -, sie sagten: »In dieser Nacht sind 50 Leben zur Welt gekommen, welches Glück gibst du ihnen?« – »Unser Essen von heut abend und unsere Ruhe dieser Nacht«, antwortete das Glück. Darauf entfernten sich die Ursitoren durchs Fenster. »Ihr armen Seelen seid auch in einer schlechten Stunde ins Leben gekommen wie ich, nichts werdet auch ihr haben, kein Abendessen und kein Bett«, dachte der Arme und schlief wieder ein und schlief bis zum Morgen.
Am zweiten Tage ging er zum Zaun und arbeitete wie gestern, aß mit den andern, abends legte er sich schlafen und ruhte gut. Gefragt hatte ihn niemand etwas und er auch nicht ein Wort geredet. Um Mitternacht wurde er wieder von leisen Stimmen geweckt, die Augen ein wenig öffnend, sah er das Glück an seinem Lager stehend mit den Ursitoren redend: »In dieser Nacht sind 60 Seelen ins Leben gekommen, welches Glück gibst du ihnen?« – »Unser Essen dieses Abends und unsere Ruhe dieser Nacht.« Nun gut, die Ursitoren flogen zum Fenster hinaus, unser Jüngling aber dachte mitleidig: »O Gott, wie viele Menschen sind ohne Glück, weder Bett, noch Essen, noch Ruhe.« Am dritten Tage nahm er wieder seine Arbeit auf, und auch diese Stunden vergingen wie die der zwei letzten Tage. Abends konnte er trotz Müdigkeit nicht gut ruhen, trotzdem das Glück wieder neben ihm stand. Um 12 Uhr drangen die Ursitoren zum Fenster herein und begannen wieder dem Glück zu erzählen: »In dieser Nacht sind 70 Seelen zum Leben erwacht, welches Glück gibst du ihnen?« – »Unser Essen von heut abend und unsere Ruhe dieser Nacht.« Als sie diese Worte vernommen, entfernten sie sich durchs Fenster.
Der Jüngling aber konnte keinen Schlaf mehr finden aus Mitleid mit den vielen armen Seelen, die in diesen drei Nächten geboren. Am nächsten Morgen, als er zum fast fertigen Zaun kam, fing der Hausherr an, ihn zu fragen: »Du Bursch, was ist mit dir? Du hast mir nun drei Tage gearbeitet, aber aus deinem Munde habe ich noch kein Wort gehört. Wer bist du und woher kommst du?« Darauf fing dieser derb an: »Erst jetzt fällt es Euch ein, mich zu fragen, nachdem ich Euch drei Tage gearbeitet?« nahm sich ein Stück Holz und begann damit den Hausherrn zu schlagen. Er schlug so lange, bis der Geschlagene schrie: »Nicht mehr hau auf mich, gib Ruhe und gehe lieber auf dem rechten Wege vorwärts, und wenn du an ein Haus kommst, tritt hinein und verdinge dich als Knecht.« Er ging. Und wie er so ging, kam er an einen Hof, dort wohnten zwei alte Leute, die hatten aber eine schöne, junge, kräftige Tochter mit gutem Herzen. Doch hatte sie einen Fehler an sich, sie durfte nämlich, wenn die Sonne hoch am Himmel stand, nicht hinausgehen, weil sie die Sonnenstrahlen hinaufziehen. Doch das machte ja nichts, wenn sie nur sonst gesund war, um die Mittagszeit blieb sie eben im Zimmer. Er verdingte sich als Knecht, da er aber bald den Alten und auch der Jungen gut gefiel, gaben sie ihm ihre Tochter zur Frau. Sie machten Hochzeit, und nun war er glücklich, dachte nicht mehr daran, in die Welt zu gehen, um zu verderben, dachte nicht einmal daran, er könnte je wieder unglücklich werden. Das Glück stand wirklich neben ihm, das konnte jeder sehen.
Aber auf dieser Welt steht ungern das Glück den Menschen allein zur Seite, nahebei versteckt sich das Unglück, um plötzlich hervorzubrechen, sich neben das Glück zu stellen, ja dieses ganz beiseite zu drängen. Auch unserem armen Jüngling ohne Glück ging es grade so. Einmal war er Pflügen gefahren, seine Frau bereitete das Mittagessen. So gegen Mittag, als sie fertig war und glaubte, ihr Mann werde kommen, bemerkte sie, daß kein Wasser im Krug sei. »Ach, mein armes Männlein kehrt jetzt durstig heim und findet kein Wasser.« Geschwind nahm sie den Krug und eilte zum Brunnen, doch wie sie zum Brunnen kam, zogen sie die Sonnenstrahlen hinauf in den Himmel, grade als ihr Mann heimkehrte, er konnte noch sehen, wie sie oben in den Sonnenstrahlen verschwand. Er schrie, er jammerte, klagte, aber es war alles umsonst, wie er sich auch stellte, erreichen konnte er sie nicht mehr. »Oh, ich armer Mensch, klagte er, was soll ich jetzt machen. Auf dieser Welt ist mir kein Glück beschieden, hier ist meines Bleibens nicht mehr, der heilige Elias hat mir das Weizenfeld verdorben, der heilige Petrus die schönen Ochsen gefressen, nun nimmt mir Gott mit der heiligen Sonne auch die Frau, dies ist nun doch das Ärgste, ich gehe in die Welt um zu verderben.« Gut.
Er nahm sich die Tasche und den Mantel und ging. Wie er auf dem rechten Wege ging, hatte er grade den getroffen, welcher in den Himmel führt. Er ging und ging lange, bis er an die Himmelstüre kam. Als er dort anlangte, verdang er sich als Knecht. Am ersten Morgen brachte er dem heiligen Elias das Wasser, und als dieser die Hand danach ausstreckte, hieb der Knecht ihn und zerbrach ihm den Arm. Elias schrie laut vor Schmerz. »Gefällt dir dies, du Heiliger?« fragte der Knecht. »Sieh, auch mir gefiel es nicht, als du mir das Weizenfeld zerschlugst.« Am andern Morgen brachte er dem heiligen Petrus Wasser. Wie er eintrat, schlug der Knecht ihm das Bein, daß es brach. Petrus brüllte vor Schmerz. »Gefällt dir dies, du Petrus? Sieh, auch mir gefiel es nicht, als du meine schönen Ochsen den Wölfen zum Verspeisen hinwarfst.« Am dritten Morgen ging er hin und zündete das Paradies an. Nur einmal kam unser Herrgott und fragte: »Wo ist Elias, daß er noch nicht herbeikommt?« Da kam er langsam mit dem Arm in der Binde. »Was fehlt dir, Elias, daß du so langsam kommst?« – »Der Knecht hat mir den Arm gebrochen.« – »Du Kind, wessen beschuldigst du Elias?« – »Unser Herr, er hat mir das Weizenfeld zerschlagen.« – »Ist es so, Elias?« – »Es ist so, Herr.« – »Was ist denn mit Petrus, daß er nicht da ist?« Da hinkte Petrus herbei. »Warum kommst du so spät?« – »Der Knecht hat mir den Fuß zerbrochen.« – »Warum hast du dem Petrus den Fuß zerbrochen, du Knabe?« – »Weil er meine Ochsen den Wölfen gegeben.« – »Ist es so, Petrus?« – »Es ist so, Herr.« Kaum waren diese Worte gesprochen, als Gott einen brenzligen Geruch in der Nase spürte, daß er schrie: »Es hat mir jemand das Paradies angezündet.« Da trat der Knecht vor: »Verzeih mir, unser Herr, ich habe es angezündet. Gefällt es dir, daß das Paradies jetzt abbrennt?« – »Nein, es gefällt mir nicht.« – »Nun sieh, auch mir hat es nicht gefallen, als du mir meine Frau genommen, denke nur, mit ihr hast du ja auch mein Glück genommen.« Jetzt ging Gott hinaus und brachte die junge Frau an der Hand und gab sie ihrem Manne. »Hier hast du deine Gefährtin wieder, geht jetzt nach Hause und lebt in Frieden und Gesundheit.« Kaum hatte Gott diese Worte gesprochen, flossen die Tränen dem Jüngling ohne Glück aus den Augen, es waren aber nicht Tränen, die das Weh und die Trauer hervorrufen, es waren Tränen der Freude, weil er sein Glück erhalten.

[Rumänien: Pauline Schullerus: Rumänische Volksmärchen aus dem mittleren Harbachtal]

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