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Märchenbasar

Fanta Ghiro Siebenschön

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Vor langer, langer Zeit lebte einmal ein König, der drei schöne Töchter sein eigen nannte. Die erste hieß Karolina, die zweite Asuntina, und die dritte Fanta Ghiro Siebenschön, denn sie war die schönste der drei Schwestern.
Der König aber hatte eine böse Krankheit, von der niemand ihn heilen konnte. Und darum verbrachte er seine Tage in seinem Schlafgemache. Darin hatte er drei Stühle, der eine war blau, der zweite schwarz und der dritte rot. Wenn seine Töchter ihm einen Guten Morgen wünschen kamen, achteten sie stets darauf, auf welchem er saß. War es der blaue, so bedeutete es Freude, war es der schwarze, so bedeutete es Tod, und war es der rote, so bedeutete es Krieg.
Eines Tages kamen die Prinzessinnen in das Schlafgemach ihres Vaters und sahen, dass der König auf dem roten Stuhle saß. Da sagte die älteste. „Was ist geschehen, teurer Vater?“ Der König antwortete: „Ich erhielt einen Brief des Nachbarkönigs. Er erklärt uns den Krieg, und ich weiß nicht, was ich tun soll, denn ich bin krank und kann den Befehl über meine Soldaten nicht übernehmen, aber wo finde ich einen guten Heerführer?“
Da sprach die älteste Tochter, Karolina: „Dann will ich dein Heerführer sein. Du wirst sehen, dass ich es gut mache.“ Aber der König erwiderte: „Nein, meine Tochter, das ist keine Arbeit für eine Frau.“ Karolina aber ließ sich nicht abweisen und bat, es doch wenigstens mit ihr zu versuchen. Und der König sagte: „Also gut. Du sollst deinen Willen haben. Aber wenn du unterwegs an etwas Weibliches denkst, kehrst du unverzüglich nach Hause zurück.“ Karolina willigte ein, und der König rief seinen treuesten Diener zu sich und befahl ihm, das Heer einzuberufen und mit der Prinzessin in den Krieg ziehen. Wenn Karolina aber unterwegs an etwas Weibliches denke, solle er sie unverzüglich mitsamt dem Heere zurückbringen.
Es wurde also ein großes Heer einberufen, und sie zogen in den Krieg, voran die Prinzessin, an ihrer Seite der getreue Diener. Sie ritten und ritten und waren schon ein hübsches Stück Weges geritten, als sie zu einem Röhricht kamen. Karolina konnte sich nicht enthalten auszurufen: „Ach, das schöne Schilfrohr! Das gäbe Spindeln!“ Da ließ der Diener das Heer halten. „Nach Hause, Prinzessin! Ihr habt an Spindeln gedacht!“ Und sie kehrten nach Hause zurück.
Am nächsten Tage kam Asuntina zum König, sie wolle das Heer befehligen. Und sie bat so lange, bis der König einwilligte, aber unter der gleichen Bedingung wie bei Karolina. Auch Asuntina kam nicht weit. Als sie zu dem Röhricht kamen, gab sie wohl keinen Laut von sich, dann aber ritten sie durch ein Wäldchen mit schönen, geraden Bäumen, und da seufzte die Prinzessin auf: „Ach, sind das schöne, gerade Bäume! Welch schöne Spinnrocken das gäbe!“ Der getreue Diener ließ das Heer halten. „Nach Hause, Prinzessin! Ihr habt an Spinnrocken gedacht!“
Am dritten Tage trat Fanta Ghiro Siebenschön vor den König und bat ihn, ihr das Heer anzuvertrauen. Aber der König wollte davon nichts hören. „Du bist noch zu jung! Wenn deine beiden älteren Schwestern nicht bestehen konnten, wie solltest du bestehen?“ Doch die Prinzessin ließ nicht locker, sie bat: „Versuche es wenigstens, lieber Vater, du wirst sehen, dass ich dir keine Schande mache. Versuche es nur!“ Und da meinte der König, er könne es ja immerhin einmal mit ihr probieren, und gab dem Diener die gleiche Weisung wie zuvor.
Fanta Ghiro legte inzwischen ein Panzerhemd an, nahm Säbel und Pistole wie ein echter Soldat, und schon bald zog sie aus in den Krieg. Sie ritten an dem Röhricht vorbei, sie ritten durch das Wäldchen, sie kamen bis an die Landesgrenze, und Fanta Ghiro hatte sich nicht ein einziges Mal verraten.
An der Grenze beschloss Fanta Ghiro, zuerst einmal mit dem feindlichen König zu sprechen. Er war ein ansehnlicher junger Mann, der Fanta Ghiro auf den ersten Blick gefiel. Und auch dem König gefiel der anmutige Heerführer. Und weil er ein kluger Mann war, kamen ihm Zweifel, ob es auch ein wirklicher Heerführer und nicht vielleicht eine Prinzessin sei. Sicher war er seiner Sache aber nicht, darum lud er Fanta Ghiro in sein Schloss ein, um, wie er sagte, den Krieg zu besprechen.
Kaum hatte der junge König sein Schloss betreten, eilte er zu seiner Mutter und sagte ihr, wen er als Gast mitgebracht habe: „Es ist Fanta Ghiro Siebenschön, mit zwei Augen tief und klar wie Seen, nur will mich dünken so von ungefähr, als ob der Prinz eine Prinzessin wär.“
Da riet ihm die alte Königin: „Dann stelle ihn doch auf die Probe. Führe ihn in die Waffenkammer. Wenn es ein Mädchen ist, wird sie nichts anrühren, wenn es aber ein Mann ist, wird er jede Waffe versuchen.“
Ohne Zeit zu verlieren, befolgte der junge König den Rat seiner Mutter, aber Fanta Ghiro war schlau. Sie versuchte alle Säbel, schoss aus allen Flinten und Pistolen wie ein Mann.
Der König kam zu seiner Mutter zurück und berichtete ihr: „Es ist Fanta Ghiro Siebenschön, mit zwei Augen tief und klar wie Seen, nur will mich dünken so von ungefähr, als ob der Prinz eine Prinzessin wär, wenn er auch mit Waffen umgeht wie ein Mann.“
Da riet ihm die Königin: „So führe ihn in den Garten. Wenn es ein Mädchen ist, pflückt sie eine Rose oder ein Veilchen und steckt es sich an die Brust. Wenn es aber ein Mann ist, bleibt er bei einem Jasminbusch stehen, pflückt eine Blüte ab, riecht daran und steckt sie sich hinters Ohr.“ Der König führte also Fanta Ghiro in den Garten.
Aber Fanta Ghiro war schlau. Sie pflückte eine Jasminblüte, roch daran und steckte sie sich hinters Ohr. Der König kam zu seiner Mutter zurück und sprach: „Es ist Fanta Ghiro Siebenschön, mit zwei Augen tief und klar wie Seen, nur will mich dünken so von ungefähr, als ob der Prinz eine Prinzessin wär, wenn er auch Jasmin pflückt wie ein Mann.“
Als seine Mutter sah, wie ihr Sohn sich in Liebe zu Fanta Ghiro verzehrte, sprach sie: „Dann stelle ihn noch ein letztes Mal auf die Probe. Fordere ihn auf, am Mittag mit dir in dem Teich im Garten zu baden. Wenn es ein Mädchen ist, kommt sie bestimmt nicht.“ Der König lud also Fanta Ghiro ein, mit ihm baden zu gehen.
Aber Fanta Ghiro war schlau. Sie sagte: „Das passt mir gerade. Ich habe schon lange nicht gebadet. Aber erst morgen, heute habe ich keine Zeit.“ Darauf rief sie ihren getreuen Diener und sandte ihn auf dem schnellsten Pferde zurück zu ihrem Vater, ihm einen Brief zu überbringen. In dem Briefe bat sie ihren Vater, ihr unverzüglich durch seinen besten Reiter Botschaft zu schicken, er sei krank und wolle Fanta Ghiro vor seinem Tode noch einmal sehen.
Am nächsten Mittag wartete der junge König im Garten auf Fanta Ghiro. Als er sie von ferne kommen sah, warf er seine Kleider ab und sprang in den Teich. Fanta Ghiro aber sagte: „Gleich springe ich dir nach, jetzt bin ich noch zu erhitzt, ich muss mich erst ein wenig abkühlen.“ Das war natürlich nicht wahr. Fanta Ghiro wartete nur auf den Boten ihres Vaters. Und schon war er da.
Ehe sie der König ein zweites Mal auffordern konnte, ins Wasser zu springen, hörte man Pferdegetrappel, und Fanta Ghiro rief aus: „Da kommt in höchster Eile einer meiner Reiter! Gewiss bringt er Nachrichten für mich!“ Und wirklich, kaum war der Reiter bei ihr angelangt, übergab er ihr einen Brief von ihrem Vater. Sie öffnete ihn in großer Hast und Bestürzung, und als sie ihn gelesen hatte, sagte sie zu dem König: „Es tut mir leid, ich habe schlechte Nachrichten bekommen. Mein Vater ist auf den Tod erkrankt und will mich noch einmal sehen. Ich muss augenblicklich fort. Schließen wir Frieden, und wenn du willst, komme mich in unserem Königreich besuchen!“
Was blieb dem jungen König anderes übrig, als Fanta Ghiro fortzulassen, ohne zu wissen, ob sie in Wirklichkeit eine Prinzessin war, und vor allem, ob sie ihn zum Mann haben wolle, wenn sie eine war. Aber Fanta Ghiro war schlau.
Bevor sie fortritt, ging sie in ihr Gemach und ließ dort auf einem Tischchen ein Blatt Papier zurück, auf dem stand geschrieben: „Ich bin Fanta Ghiro Siebenschön mit zwei Augen tief und klar wie Seen. Und dass ich eine Frau im Männergewand, das hat der Herr König doch nicht erkannt!“ Und dann ritt sie fort.
Dem jungen König war ohne Fanta Ghiro recht traurig zumute. Er wanderte in seinem Schlosse umher, und schließlich kam er auch in ihr Gemach und bemerkte das Blatt Papier auf dem Tischchen. Er nahm es in die Hand, las es und rannte zu seiner Mutter wie ein Wirbelwind. „Mutter, schau, ich habe es doch gleich gewusst, Fanta Ghiro ist ein Mädchen. Hier schreibt sie es selbst!“ Und ehe seine Mutter antworten konnte, ließ er seine Kutsche anspannen, sprang hinein, und fort ging es, so schnell die Pferde nur laufen konnten, zu Fanta Ghiro. Fanta Ghiro, war inzwischen längst bei ihrem Vater und erzählte ihm, wie es ihr ergangen sei und wie sie den Feind überlistet habe. Kaum war sie zu Ende, ertönte vom Hofe herauf Hufschlag und Lärm. Die Kutsche mit dem jungen König war soeben angekommen. Die beiden Könige steckten sogleich die Köpfe zusammen zu einer langen Besprechung, und als sie alles gründlich bedacht und besprochen hatten, beschlossen sie, dass sie Frieden schließen und Fanta Ghiro und der ehemalige Feind heiraten sollten. Der junge König führte sie in sein Königreich, und als nach Jahren ihr Vater starb, wurde Fanta Ghiro Königin beider Reiche.

Quelle: Italienisches Volksmärchen

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