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Märchenbasar

Frau Katze

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An einem Sonntag ging eine Frau mit ihren Angehörigen in die Kirche, und es blieb niemand zu Hause, außer der Katze und einem Topf voll Milch. Bevor die Herrin gegangen war, hatte sie zur Katze gesagt: »He, Katze, du darfst dich nicht unterstehen und die Milch fressen, falls ich sie nicht mehr finde, wenn ich nach Hause komme, bring‘ ich dich um.« Gut. Sie brachen auf zur Kirche. Als die Katze aber sah, daß sie allein war, nahm sie sich und steckte den Kopf in den Topf und trank, bis nicht ein Tropfen Milch mehr im Topfe geblieben. »Jetzt, was soll ich machen, hier kann ich nicht mehr bleiben, meine Herrin bringt mich um«, überlegte die Katze. Aber sie war nicht dumm, schnell fiel es ihr ein, was sie tun sollte. Sie fing sich zwei Mäuse, spannte sie vor den Wagen und fuhr fort. Als sie nun fort fuhr, begegnete ihr ein Pferd: »Guten Tag, Frau Katze.« – »Ich danke.« – »Bis wohin?« – »Ich gehe in die Häuser der Räuber, um besser zu leben.« – »Nimmst du mich auch mit?« – »Ich nehme dich, steig auf.« Nun fuhren sie weiter und begegneten einem Hahn. »Guten Tag, Frau Katze.« – »Ich danke.« – »Bis wohin?« – »Ich gehe in die Häuser der Räuber, um besser zu leben.« – »Nimmst du mich auch mit?« – »Steig auf.« Sie fuhren weiter und begegneten einer Gans. »Guten Tag, Katze.« – »Nicht sag Katze, sag Frau Katze.« – »Guten Tag, Frau Katze.« – »Ich danke.« – »Bis wohin?« – »Ich fahre in die Häuser der Räuber, um besser zu leben.« – »Nimmst du mich auch mit?« – »Steig auf den Wagen.« Sie fuhren weiter und begegneten einem Ochsen. »Guten Tag, Katze.« – »Nicht sag Katze, sag Frau Katze.« – »Guten Tag, Frau Katze.« – »Ich danke.« – »Bis wohin?« – »Ich gehe in die Häuser der Räuber, um besser zu leben.« – »Nimmst du mich auch mit?« – »Steig auf.« Nun fuhren sie weiter und begegneten einem Hund: »Guten Tag, Frau Katze.« – »Guten Tag.« – »Bis wohin?« – »Wir fahren in die Häuser der Räuber, um besser zu leben.« »Nimmst du mich auch mit?« – »Steig auf den Wagen.«
Jetzt fuhren sie alle zusammen, bis sie in den Wald langten. Im Walde fuhren sie und fuhren bis zu den Häusern der Räuber. Als sie dort ankamen, war niemand zu Hause. Sie spannten die Mäuse aus, diese krochen gleich hinauf an die Stubendecke zum Kukuruz. Auch die anderen traten alle in die Stube: auch dort war niemand, aber der Tisch stand gedeckt fertig da mit Essen aller Art. Sie setzten sich an den Tisch und aßen und tranken und plauderten und waren sehr fröhlich. Die Katze sagte »mäu«, die Gans »gigak«, der Hahn »kukurigu«, das Pferd »miha«, der Ochse »muh«, der Hund »hau, hau« und die Mäuse sangen oben an der Decke: »zi, zi, zi«. Als die Räuber abends nach Hause kamen, sahen sie Licht durchs Fenster schimmern. Sie wunderten sich, wer sich denn getraute, in den Wald zu kommen, in ihre Häuser. Als sie sich dem Fenster näherten, sahen sie, daß es nicht Leute waren, wie unsere, und auch ihre Stimme tönte anders. Ihnen wurde angst, und sie wagten es nicht hineinzugehen und flohen alle in den Wald.
Als nun die Katze mit den ihren gegessen, löschten sie das Licht aus und gingen schlafen. Die Katze legte sich ans Feuer, die Gans auf den Tisch, das Pferd stand in der Türe, der Ochs legte sich in den Hof, der Hund auf die Türschwelle, der Hahn flog auf das Tor.
Als die Räuber sahen, daß kein Licht mehr durch die Fenster leuchtete, dachten sie, die Fremden wären fort, und schickten einer den andern, zu gehen und nachzusehen, ob das Haus von den Fremden gereinigt sei. Sie zankten sich, denn alle fürchteten sich wie die Räuber, sie tragen ja immer Angst im Herzen. Sie wählten den lahmen und krüppelhaftesten, und der ging. Als er ankam, hörte er nichts, sie waren gerade eingeschlafen. Und wenn der Mensch im ersten Schlaf liegt, so schläft er und sagt nichts. Er kam leise und ging gegen den Tisch, um sich Zündhölzer zu nehmen. Als er die Hand ausstreckte, rührte er an die Gans. Die erwischte ihm den Finger mit dem Munde. Er erschrak und dachte, es sei einer da und erwische ihm mit der Schere den Finger. Er ging zum Ofen, das Zündholz anzuzünden. Er dachte, es sei eine Kohle, legte das Hölzel daran, nur einmal sprang die Katze ihm in das Gesicht und machte: »ch, ch, ch«. Er erschrak noch ärger und fing an zu laufen. Als er durch die Türe lief, gab ihm das Pferd mit dem Fuß eins über den Mund, daß ihm die Zähne in den Hals fielen. Er lief weiter, im Hof fiel er über den Ochsen, dieser nahm ihn auf die Hörner und warf ihn dem Hund in den Mund, dieser biß ihn in den Fuß, und der Hahn schrie: »kukurigu«. Nun, der arme Räuber gelangte mit genauer Not in den Wald zu seinen Freunden, fiel dort nieder und jammerte.
Die Räuber erschraken ebenfalls, als sie sahen, wie es ihrem Kameraden ergangen, wie ihm das Blut floß. Als er ein wenig ausgeruht, fing er an zu erzählen: »Als ich in das Haus kam, war es ganz dunkel, und man hörte nichts. Als ich zum Tisch ging, packte mich jemand an der Nase mit einer Schere. An der Decke machte jemand immer ‚zi, zi, zi‘, als ob einige Hexen lachten. Dann ging ich ans Feuer, dort saß eine alte Frau, ich sah nur ihr Auge, aber es war wahrscheinlich des Teufels Großmutter. Es kam mir vor, als wollte sie mich fressen, ich aber floh, was ich konnte. Aber in der Tür stand der Teufel und schlug mich wider den Mund, seht, ich habe keine Zähne mehr, kaum konnte ich entkommen bis in den Hof, dort nahm mich einer auf seine Hörner und warf mich einem andern zu, dieser fing schon an mir zu fressen an, er fing am Fuß an, und ein anderer schrie gerade wie ein Hahn: ‚kukurigu‘. Mit Mühe bin ich frei geworden und will lieber sterben, als noch einmal in unsere Wohnung zurückkehren.« Als die Räuber dieses schreckliche Erlebnis gehört, kamen sie überein, es gehe dort nicht mit rechten Dingen zu, und sie sollten lieber über zwei Berge und zwei Täler gehen und dort sich ein Haus bauen.
So blieb die Frau Katze mit ihren Freunden in den Häusern der Räuber und [sie] lebten gut in Friede und Gesundheit, und ich trat auf einen Nagel und erzähle nichts mehr.

Sive Bîrsan, Alzen
[Rumänien: Pauline Schullerus: Rumänische Volksmärchen aus dem mittleren Harbachtal]

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