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Märchenbasar

Iliane, der die Blumen gehorchen, die kein Königreich hat

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Vor langer Zeit lebten ein paar alte Leute, die hatten ein kleines Kind. Da sie nun ein kleines Kind hatten, einen Knaben, weinte dieser immer, so daß die Mutter nicht mehr wußte, was sie mit ihm anfangen sollte. Als er nun wieder weinte, sagte seine Mutter zu ihm: »Schweig, mein Knabe, nicht mehr weine, wenn du groß bist, gebe ich dir das Mädchen zur Frau, das so schön ist wie die Sonne.« Man heißt sie Iliane Costindene (Barcianu: Cosînzeana), welcher die Blumen gehorchen, die kein Königreich hat. Darauf wurde der Knabe gleich fröhlich und weinte gar nicht mehr. Und wie er nicht mehr weinte, wuchs er und wurde ein strammer Jüngling zum Verwundern, so daß er zu den Soldaten genommen wurde. Gut.
Als er gedient hatte und von den Soldaten heimgekehrt war, sagte er eines Tages zu seiner Mutter: »Nun, mein Mütterchen, ich möchte mir jetzt ein Heim gründen, gib mir jetzt das Mädchen, welches du mir versprachst, weißt du, damals, als ich ein kleiner Knabe war und immer weinte? Sie heißt Iliane.« – »O Herr, aber von dem Mädchen habe ich nicht einmal etwas mehr gehört seitdem, nicht einmal mehr an sie gedacht.« – »Na gut, wenn sich die Sache so verhält, dann geh‘ ich und suche mir sie. Leg mir ein wenig Brot und Speck in den Tornister.« Die Alte nahm den Tornister und sackte ihm ein, dann ging der Bursch. Er ging und ging, weit, weit, aber das Mädchen traf er nicht, nur einmal erreichte er den heiligen Montag. Aber der heilige Montag war gerade in der Kirche und hatte das Haus ohne Wasser gelassen, nicht gekehrt und nicht versorgt. Doch der Bursch nahm den Besen, kehrte und versorgte, dann nahm er sich die Krüge und ging zum Brunnen um Wasser. Als er mit allem fertig war, versteckte er sich hinter dem Ofen.
Wie nun der heilige Montag aus der Kirche kam, machte er: »Hm, hm, wer wird wohl hier so schön versorgt haben, wenn es ein guter Mensch gewesen, soll er herbeikommen, damit ich ihm danke. Wenn es aber nicht ein guter war, so rufe ich den Hund mit den eisernen Zähnen, daß er ihn frißt.« Hierauf kam der Bursch hinter dem Ofen hervor und sagte: »Guten Tag, alte Großmutter!« – »Ich danke, aber was bringt dich zu mir?« – »Nun sieh, so und so, ich gehe mir die Iliane suchen, weißt du nicht, wo ich sie finden kann?« – »Ich weiß wirklich nicht, aber geh zu meiner Schwester, dem heiligen Freitag, vielleicht weiß sie es. Und weil du mir so gut gemacht, gebe ich dir hier einen kupfernen Zaum, wenn du ihn schüttelst, steht gleich ein kupfernes Pferd fertig da; sage ihm nur, wie du willst, daß es dich trage, wie der Wind oder wie der Gedanke. Aber lieber wie der Gedanke, du bist schneller dort, als wie der Wind, mit dem Wind hängst du dich an die Äste an.« Gut. Er dankte, schüttelte den kupfernen Zaum, und gleich stand das kupferne Pferd fertig da. Er stieg auf und ritt und war so schnell wie der Gedanke beim heiligen Freitag. Der war aber in der Kirche. Er trat ins Haus, und wie er hineinkam, fand er die Stube unversorgt, ungekehrt und in den Krügen war nicht ein Tropfen Wasser. Gut. Er nahm den Besen, kehrte und versorgte und brachte in den Krügen Wasser. Stellte dann den Besen hinter die Türe und verkroch sich hinter ihn. Als der heilige Freitag aus der Kirche kam, verwunderte er sich, wie gekehrt und versorgt es im Zimmer war und die Krüge voll Wasser. »Hm, hm«, machte die Alte mit dem Munde: »wer wird mir wohl dies alles getan haben? Ist es ein guter Mensch, soll er herbeikommen, daß ich ihm danke, war es ein schlechter, so rufe ich meinen Hund mit den eisernen Zähnen, daß er ihn frißt.« Hierauf kam der Bursch hinter dem Besen hervor und sagte: »Guten Morgen, alte Großmutter.« – »Ich danke, was bringt dich zu mir?« – »Ich gehe mir die Iliane zur Frau suchen, erreichte deine Schwester, den heiligen Montag, diese hat mich zu dir geschickt, es könnte sein, daß du es wüßtest, wo ich sie finden kann.« – »Nein, wirklich, ich weiß es nicht, gehe aber zu meiner Schwester, dem heiligen Sonntag, es kann sein, daß sie es weiß. Weil du mir aber im Hause gearbeitet, gebe ich dir einen silbernen Zaum, wenn du ihn schüttelst, steht gleich ein silbernes Pferd fertig da und trägt dich, wohin du willst, wie der Wind oder wie der Gedanke, besser wie der Gedanke, mit dem Winde hängst du dich an die Äste an.« Er dankte, schüttelte den Zaum, und gleich stand ein silbernes Pferd neben ihm. Er setzte sich darauf und ritt wie der Gedanke zum heiligen Sonntag. Der war aber in der Kirche. Als er hineinkam, ach was war dort! Die Stube nicht versorgt und nicht gekehrt und in den Krügen nicht ein Tropfen Wasser. Er legte geschwind seinen Tornister weg, nahm den Besen, kehrte und versorgte, dann nahm er die Krüge, brachte Wasser, und als er mit allem fertig war, versteckte er sich hinter den Besen hinter die Türe.
Als der heilige Sonntag aus der Kirche kam, verwunderte er sich und machte: »Hm, hm, wer hat mir wohl hier Ordnung gemacht? Wenn es ein guter Mensch war, soll er herbeikommen, daß ich ihm danke, aber wenn es ein schlechter ist, rufe ich meinen Hund mit den eisernen Zähnen, daß er ihn frißt.« Hierauf kam er hinter dem Besen hervor und sprach: »Guten Morgen, alte Großmutter!« – »Ich danke, was bringt dich so weit zu mir?« – »Schau, so und so«, fing unser Bursch an, »und weißt du nicht, wo die Iliane sein wird?« – »Ich weiß es wirklich nicht, aber mein Kind, die heilige Sonne wird es wissen, sie kommt jeden Tag mittags 12 Uhr zu mir, bleibt aber nur eine Stunde, ich will sie fragen. Jetzt muß ich dich aber in die Erde stecken, daß dich die Sonne nicht verbrennt, sie wird gleich kommen.« Er nahm den Burschen und warf ihn 99 Klafter tief in die Erde. Kaum hatte sie ihn hinuntergeworfen, kam gleich die Sonne. Sobald sie gekommen, fragte ihre Mutter: »Hast du jemals von der Iliane Costindene gehört?« – »Wie soll ich nicht? Der Weg zu ihr geht gerade aus unserem Tor in ihres.« Die Sonne ging mehr hinunter, und als sie ging, nahm der heilige Sonntag den Burschen wieder heraus aus der Erde und sprach: »Aus unserem Tore geht der Weg gerade in das Tor der Iliane. Und sieh, hier gebe ich dir einen goldenen Zaum, wenn du ihn schüttelst, steht gleich ein goldenes Pferd fertig neben dir und trägt dich wie der Wind oder der Gedanke zu ihr.« Er dankte, schüttelte den Zaum, sprang aufs Pferd und ritt schnell wie der Gedanke in das Dorf.
An einem Brunnen stand eine alte Frau. »Guten Tag, alte Großmutter.« – »Ich danke, mein Junge, bis wohin sollst du?« – »Ich suche die schöne Iliane, welcher die Blumen gehorchen und die kein Königreich hat. Wo sollte sie wohnen?« – »Dort in den schönen Häusern, aber du sollst dich nicht unterstehen und hineingehen, dort wohnt der Drache, welcher die Iliane gefangen hält, warte bis sie heraus zum Brunnen kommt.« Er gehorchte aber nicht, sein Herz ließ ihm keine Ruhe, so sehnte er sich nach diesem Mädchen. Er ging hinein. In der ersten Stube war niemand, er ging weiter aus einer Stube in die andere durch 99 Stuben, in der hundertsten war ein großes Faß, in welchem der Drache eingeschlossen saß und jammerte: »Ach wie durstig bin ich, wenn jemand käme und mir einen Krug voll Wasser brächte.« Der Junge bedauerte ihn, nahm den Krug und brachte ihn voll Wasser. Der Drache trank ihn aus, und als er ihn ausgetrunken, sprang ein Reif. »Bring mir noch einen!« Der Junge brachte ihm noch einen Krug voll. Als er auch diesen ausgetrunken, sprang der zweite Reif. »Bring mir noch einen.« Er ging auch zum dritten Male, aber jetzt wußte er, wenn der Drache den dritten Krug getrunken, würde auch der letzte Reif springen, der Drache herauskommen und ihn fressen. Trotzdem bedauerte er ihn und wollte ihm auch den dritten Krug bringen. Als er zum Brunnen kam, stand auch die Iliane dort. Er fragte sie, ob sie mit ihm kommen und seine Frau werden wolle? Sie wollte. Nun schüttelte er den kupfernen Zaum, gleich stand das kupferne Pferd neben ihm. Gut. »Steig auf, Iliane, ich trag nur geschwind dem Drachen das Wasser, dann reiten wir weg.« Er ging mit dem Krug zum Drachen, wartete aber nicht, bis er getrunken, lief schnell hinaus, setzte sich hinter die Iliane aufs Pferd und flog fort. Aber als der Drache auch den dritten Krug Wasser ausgetrunken, krachte es einmal, und der dritte Reif war gesprungen und der Drache kam heraus, und als er herausgekommen war, sah er, daß die Iliane mit dem Jüngling geflohen war. Er ging in den Stall und fragte sein Pferd: »Könntest du wohl noch einen Backofen voll Brot essen und ein Schaff voll Wein trinken, daß wir sie noch einholen?« – »Ich werde essen und trinken«, sagte das Pferd. Gut. Als es gegessen und getrunken hatte, setzte sich der Drache aufs Pferd und holte sie ein, bevor sie am Wasser angekommen waren. »Nun, du Knabe, ich verzeihe dir wegen dem ersten Krug Wasser, den du mir gebracht, aber dies darfst du nicht wieder tun«, sprach der Drache, nahm sich die Iliane auf sein Pferd und ritt davon.
Am andern Morgen schüttelte der Jüngling den silbernen Zaum, das silberne Pferd stand gleich fertig neben ihm, er setzte sich mit Iliane drauf und floh wieder. Als der Drache erwachte, sah er gleich, daß die Iliane mit dem Jüngling wieder geflohen war. Er ging in den Stall und fragte sein Pferd: »Kannst du noch einen Backofen voll Brot essen und drei Schaff Wein trinken, daß wir die Betrüger einholen?« – »Ich kann.« Es aß und trank, dann trug es seinen Herrn wie der Gedanke hinter den Entflohenen und holte sie ein. »Ich verzeihe dir dies für den zweiten Krug Wasser, du sollst dies aber nicht mehr versuchen.« Er nahm die Iliane und ritt mit ihr nach Hause.
Am dritten Morgen schüttelte der Bursch den goldnen Zaum und versuchte noch einmal, auf dem goldnen Pferd mit der Iliane zu fliehen. Aber auch zum dritten Male holte ihn der Drache ein, aber jetzt war er zornig und sagte: »Du Kind, aber jetzt gehorche mir, ich will dir auch zum dritten Male verzeihen um den dritten Krug Wasser, welchen du mir gebracht, aber wenn du noch einmal solche Sachen machst, dann fresse ich dich.« Er nahm die Iliane und brachte sie nach Hause.
Am andern Tage stand er betrübt beim Brunnen und wußte nicht, wie er es machen sollte, um die Iliane zu befreien, nur einmal, siehe da, die Alte, welche ihm die Häuser des Drachen gezeigt hatte. »Guten Morgen, alte Großmutter!« – »Ich danke, mein Kind, was machst du noch?« – »Sieh, Großmutter, so und so ist es mir ergangen«, und er erzählte der Alten alles. »Geh du zur Mutter des Drachen und verdinge dich als Knecht, verlange aber keinen andern Lohn als das schwächste Füllen aus dem Stalle.« Gut.
Er ging und ging, bis ihn der Hunger überkam, aber Proviant hatte er keinen mehr, was ihm seine Mutter in den Tornister gelegt, hatte er gegessen, nun hatte er nichts mehr. Nur einmal sah er einen Raben von einem Ast zum andern hüpfen mit gebrochenem Flügel. »Diesen hat mir Gott geschickt, diesen soll ich essen«, dachte unser Bursche, streckte die Hand aus, um ihn zu fangen. »Laß mich, du Bursch, nicht iß mich, ich will dir auch einmal helfen.« Gut. Er ließ ihn und ging weiter und kam zu einem Hasen, auch dieser war lahm. »Nun, diesen ess‘ ich doch.« Als er die Hand ausstreckte, sagte der Hase: »Laß mich, du Bursch, nicht iß mich, ich will dir auch einmal helfen.« Gut. Er ließ ihn und ging weiter und traf einen Fuchs. Als er die Hand ausstreckte, ihn zu fangen und zu essen, bat auch dieser: »Laß mich doch, ich will dir auch einmal helfen.« – »Dann geh, ich will jetzt nichts mehr essen.« Er ging nun immer weiter, bis er an einen Hof kam. In der Tür saß gerade die Mutter des Drachen. »Guten Tag, alte Großmutter.« – »Ich danke, bis wohin?« – »Ich bin bis hierher gekommen, um mich zu verdingen, braucht nicht Ihr einen Knecht?« – »O ja, ich brauch‘ einen. Was verlangst du für ein Jahr?« (Damals hatte ein Jahr nur drei Tage.) »Du sollst mir ein Füllen geben.« Gut. Die Alte rief ihn in die Stube und gab ihm zu essen. Als er gegessen, sagte ihm die Alte, was er zu tun hätte. »Du sollst nichts anderes machen, als diese Stute hüten und dafür sorgen, daß sie sich füttert, bis es tagt, aber du sollst sie gut hüten, wenn sie dir durchgeht, hau ich dir den Kopf ab und steck ihn an den Stecken, hier an dem Zaun, es sind dort 99, alle von meinen Knechten, jetzt brauch ich noch einen, damit ich hundert habe.«
Der Junge setzte sich auf die Stute und ritt hinaus, er blieb immer auf der Stute sitzen, damit sie ihn nicht betrügen könne. Gegen Morgen schloß er nur ein wenig die Augen, und als er sie öffnete, war die Stute nirgends. Nun wußte er nicht, was er tun sollte, und fing an zu weinen. Nur einmal kam der Rabe: »Warum weinst du, mein Kind?« – »Sieh, so und so, mir ist die Stute fort, und ich weiß nicht, von wo ich sie nehmen soll.« – »Siehst du dort den Habicht?« – »Ich seh‘ ihn.« – »Nimm den Zaum und wirf ihn gegen denselben und rufe: ‚Ho, Stute der Alten‘.« Als er es so gemacht, wie ihn der Rabe gelehrt, stand die Stute da, er setzte sich auf und ritt heim, es war aber etwas spät, als er bei der Alten anlangte. Sie verwunderte sich, daß er die Stute gebracht, und ärgerte sich darüber, zeigte ihm aber keinen Zorn, rief ihn in die Stube und gab ihm das Frühstück. Aber während er am Tische saß, ging sie in den Stall zur Stute, die war ihre Tochter, und schlug sie mit einem Strang so lange, bis sie schrie: »Halt ein, nicht mehr schlag, morgen will ich mich besser verstecken.«
Am andern Abend schickte ihn die Alte wieder mit der Stute aufs Feld, damit er sie füttere. Jetzt hütete er sie noch besser, er blieb auf ihr sitzen und schloß kein Auge bis gegen Morgen, da überkam ihn der Schlaf, aber nur, daß er gerade die Augen schloß, und die Stute war fort. Nun war er sehr betrübt und wußte nicht, was er anfangen sollte, und fing an zu weinen. Als er weinte, kam der Hase: »Was fehlt dir, mein Kind, warum weinst du?« – »Nun sieh, so und so ist es mir ergangen, und jetzt zum Schluß ist die Stute wieder fort, und nun wird es Tag, und wenn ich die Stute nicht finde, haut mir die Alte den Kopf ab.« – »Na, laß nur, nicht mehr weine, ich will dir schon helfen, da du mich nicht gegessen, als du hungrig warst. Siehst du dort die Schafherde? Das schönste und größte Schaf ist deine Stute. Ich gehe jetzt zwischen die Schafe und bringe es dir entgegen, dann fliehe ich aber in den Wald, denn ich fürchte mich wie ein Hase vor den Hunden. Wenn ich dir das Schaf gebracht, wirf ihm den Zaum entgegen und sage: ‚Ho, Stute der Alten.‘ (No, iapa batrîna). Darauf setze dich aufs Pferd und reite nach Hause.« Der Bursch tat so, wie ihn der Hase gelehrt. Als er heimkam, stand die Alte gerade in der Türe und dachte, vielleicht wäre heute sein Kopf doch ihr, da sah sie ihn auf der Stute heimkehren. »Du bist heute lange auf dem Feld geblieben.« – »Ich dachte, ich sollte gut füttern.« – »Geh hinein zum Frühstück.« Er ging hinein, sie hinaus in den Stall, nahm sich einen Strang zweifach und schlug auf die Stute, bis sie sie ganz zerschlagen. Diese versprach, wenn sie aufhöre zu schlagen, werde sie sich morgen besser verstecken.
Am andern Abend ging der Jüngling wieder mit der Stute aufs Gras und hütete sie so gut, daß sie nicht fort konnte, bis die Sonne aufgehen sollte. Da schloß er nur ein wenig die Augen, und sie war fort. Jetzt war es auch Zeit zum nach Hause reiten, ohne Stute traute er sich nicht und fing an zu weinen und weinte so, daß sich die Steine von seinen Tränen erweichten. Da kam der Fuchs: »Mein Kind, warum weinst du so?« – »Sieh, so und so«, und erzählte ihm alles. »Na, wegen dem nicht mehr weine, ich helfe dir, daß du die Stute findest. Sie hat sich in ein Entenei verwandelt, die Alte sitzt in der Gassentür darauf und brütet es. Komm jetzt nahe an die Türe, dann mische ich mich zwischen die Hühner, wenn die Alte das Geschrei unter den Hühnern hört, wird sie laufen um nachzusehen, was da sei, dann wirf den Zaum über das Ei und sage: ‚Ho, Stute der Alten.‘ Dann setz dich auf sie und tu, als kämest du nur jetzt vom Feld.« Grade so machten sie es. Als er kam, saß die Alte in der Türe auf dem Ei und brütete. Der Fuchs lief zwischen die Hühner, der Hahn schrie: Kukurigu, so daß die Alte aufsprang vom Ei, um nach den Hühnern zu sehen. Gleich warf er den Zaum gegen das Ei: »Ho, Stute der Alten.« Gleich stand sie da, er schwang sich hinauf und ritt zur Türe hinein. Der Zorn der Alten war groß, sie sagte: »Warum bist du so spät nach Hause gekommen?« – »Weil ich die Stute gut fütterte.« – »Komm, nimm dir den Lohn, das Jahr ist zu Ende.«
Er ging in den Stall, dort standen 99 Pferde, gerade so viele, als abgehauene Köpfe an den Stecken des Zaunes. Immer, wenn sie einen Kopf abhieb, mästete sich ein Pferd. Hinter der Türe stand das hundertste, noch ganz schwach und mager. Er wandte sich gegen das Füllen und verlangte gerade dieses. Die Alte gab es ihm. Und als sie es ihm gegeben, setzte er sich darauf, versetzte ihm eins über den Kopf, nur einmal sprang das Füllen über das Tor und fiel auf der Gasse um. Er gab ihm noch ein gutes, darauf schüttelte es sich und stand auf; da aber stand an seiner Stelle ein schönes Pferd mit sechs Füßen. Nun ritt der Jüngling schnell wie der Gedanke zum Brunnen des Drachen. Und siehe, die Iliane stand dort mit dem Wasserkrug. »Komm, du, geschwind her zu mir, steig herauf.« Nun, sie war auf einmal oben, und das Füllen flog, als hätte es gerade Flügel. Aber als der Drache merkte, daß die Iliane wieder geflohen, ging er in den Stall zu seinem Pferd und fragte es: »Könntest du wohl noch einen Ofen voll Brot essen und drei Schaff voll Wein trinken?« – »Ob ich sie trinke oder nicht, die Fliehenden können wir nicht mehr erreichen, sie sind auf einem Pferd mit sechs Füßen davon.« – »Wir wollen doch versuchen.« Der Drache setzte sich aufs Pferd, und wie der Gedanke waren sie hinter dem Jungen. Aber es war vorbei, und Friede. Sie flogen grade übers Wasser. Er aber in seinem Zorn und Elend sah nicht einmal mehr den Weg, er sah immer nur die Fliehenden, und als er die sah, nahm er das Wasser nicht wahr, und schnell wie der Gedanke sprang er samt dem Pferde ins Wasser und ertrank. Doch die Iliane mit ihrem Bräutigam erreichte in Friede und Gesundheit ihr Land und machten Hochzeit, und wenn sie nicht gestorben, leben sie bis auf den heutigen Tag.

Lina Subtirel, Alzen
[Rumänien: Pauline Schullerus: Rumänische Volksmärchen aus dem mittleren Harbachtal]

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