In einem Land war einmal ein König, der war noch unverheiratet und hatte eine ganze Kompagnie Schützen, die zogen auf die Jagd, schössen Wild und Vögel und versorgten damit des Königs Tisch. In dieser Kompagnie diente auch ein wackrer Schütze, namens Fedot. Er schoß sehr gut, verfehlte nie sein Ziel, deshalb liebte ihn der König mehr als alle seine Kameraden. Einmal ging Fedot sehr früh, beim ersten Morgengrauen, auf die Jagd. Er ging in den dunklen, dichten Wald und da sah er auf einem Baume eine Turteltaube sitzen. Fedot nahm seine Flinte, zielte, schoß und verwundete die Turteltaube so am Flügel, daß sie vom Baume auf die feuchte Erde fiel. Der Schütze hob sie auf, um sie vollends zu töten und in seine Jagdtasche zu stecken. Da sprach das Täubchen zu ihm:
»Ach, wackrer Schütze! Reiß mir mein Köpfchen nicht ab, trenn mich nicht von der lichten Welt, nimm mich lieber lebend zu dir in dein Haus, setz mich ans Fensterchen und paß auf: wenn mich der Schlaf überfällt, versetz mir mit der rechten Hand einen Streich, dadurch wirst du dir ein großes Glück verschaffen.«
Der Schütze war sehr erstaunt.
»Was,« dachte er, »äußerlich sieht das Täubchen aus wie ein Vogel, aber es spricht mit einer menschlichen Stimme! Ich habe noch niemals so etwas erlebt …«
Er trug den Vogel nach Hause, setzte ihn an sein Fensterchen und stellte sich daneben und wartete. Nach kurzer Zeit steckte das Täubchen sein Köpfchen unter den Flügel und schlief ein. Der Schütze hob seine rechte Hand und gab ihm einen leichten Schlag, da fiel das Turteltäubchen auf den Fußboden und verwandelte sich in ein Mädchen, das war so schön, wie man es weder erfinden noch sich ausmalen, sondern nur im Märchen antreffen kann. Eine ähnliche Schönheit gab es auf der ganzen Welt nicht wieder. Sie sprach zu dem wackern Burschen, dem königlichen Schützen:
»Du hast mich erworben, heirate mich, denn du bist der mir bestimmte Mann und ich bin dein von Gott gesandtes Weib.«
Das war ihm recht und er nahm sie zur Frau.
Fedot war glücklich mit ihr und vergaß darüber doch nicht an seinen Dienst.
Jeden Tag beim Morgengrauen, noch ehe es hell war, nahm er seine Flinte, ging in den Wald und schoß verschiedenes Wild für die königliche Küche. Seine Frau sah, daß er stets sehr erschöpft von der Jagd heimkehrte und sprach:
»Höre, Lieber, du tust mir leid, jeden Tag, den Gott gibt, plagst du dich, irrst in Wald und Sumpf umher, kehrst immer müde heim und wir haben gar keinen Nutzen davon. Was ist das für ein Handwerk! Ich wüßte ein anderes, das nicht ohne Nutzen für uns bliebe. Verschaff dir zweimal hundert Rubel, damit wird alles gemacht.«
Fedot ging zu seinen Kameraden und sammelte Geld von ihnen, von diesem einen Rubel, von jenem zwei, bis er endlich zweihundert Rubel beisammen hatte. Die brachte er seiner Frau.
»Geh hin,« sagte sie, »und kauf für das ganze Geld allerlei Seide.«
Der Schütze kaufte für zweihundert Rubel allerlei Seide.
Die nahm sie und sagte:
»Sorg dich nicht, bete zu Gott und leg dich schlafen. Der Morgen ist klüger als der Abend.«
Während der Mann schlief, trat die Frau vor das Haus, schlug ihr Zauberbuch auf und sofort standen zwei junge Männer vor ihr und sprachen:
»Was willst du, was befiehlst du?«
»Nehmt diese Seide und macht daraus in einer Stunde einen Teppich, einen so wunderbaren Teppich, daß man seinesgleichen noch nie vorher auf der Welt gesehen hat. Auf dem Teppich soll das ganze Königreich mit seinen Städten und Dörfern, seinen Flüssen und Seen abgestickt sein.«
Die jungen Männer gingen an die Arbeit und waren nicht in einer Stunde, sondern in zehn Minuten mit dem wunderschönen Teppich fertig. Sie gaben ihn der Frau und waren im Augenblick verschwunden, als ob sie gar nie dagewesen wären. Am Morgen gab sie ihrem Manne den Teppich und sagte:
»Da, trag ihn in die Kaufhalle zum Verkauf, aber gib acht! Nenne selbst keinen Preis, sondern nimm, was man dir anbietet.«
Fedot hängte den Teppich über seinen Arm und ging damit die Reihen der Kaufläden entlang. Ein Kaufmann sah ihn, lief auf ihn zu und sprach:
»Höre, Verehrtester, verkaufst du das?«
»Ja.«
»Was kostet es?«
»Du bist ein Handelsmann, nenne selbst einen Preis!«
Der Kaufmann überlegte hin und her und konnte den Teppich nicht abschätzen, durchaus nicht. Ein zweiter Kaufmann kam herzu, dann ein dritter und vierter … schließlich sammelte sich eine ganze Menge, sie betrachteten alle den Teppich, bewunderten ihn und konnten ihn doch nicht einschätzen. Währenddessen fuhr gerade der Schloßkommandant bei den Läden der Kaufleute vorüber, er sah die Menge stehen und wollte wissen, was vorging. Er stieg aus seinem Wagen, trat heran und sprach:
»Seid gegrüßt, weitgereiste Kaufleute, wovon ist hier die Rede?«
»Wir können diesen Teppich nicht einschätzen.«
Als der Schloßkommandant den Teppich sah, staunte er selbst.
»Höre, Schütze,« sprach er, »sag mir die reine Wahrheit, woher hast du diesen prächtigen Teppich?«
»Meine Frau hat ihn gemacht.«
»Was verlangst du dafür?«
»Ich weiß seinen Preis selbst nicht, meine Frau trug mir auf, nicht zu handeln. Was man gibt – nehme ich.«
»Nun, da hast du zehntausend.«
Der Schütze nahm das Geld und gab dafür den Teppich her.
Der Schloßkommandant war stets um den König. Er aß und trank an seinem Tische und als die Mittagszeit kam, ging er zum König und nahm den Teppich mit.
»Beliebt es vielleicht Eurer Hoheit, dieses prächtige Ding anzusehen, das ich heute kaufte?«
Der König sah hin und erblickte sein ganzes Königreich auf dem Teppich abgebildet, ihm war, als hielte er es auf seiner Hand.
»Ach,« sagte er, »was ist das für ein Teppich! Noch nie in meinem Leben sah ich solch ein Wunderding. Kommandant, den Teppich gebe ich dir nicht mehr zurück, was willst du dafür?«
Er zog sogleich 25.000 hervor und zahlte sie dem Kommandanten bar in die Hand. Den Teppich hängte er sogleich im Schlosse auf.
»Das macht nichts,« dachte der Kommandant, »ich bestelle mir einen, der noch schöner ist.«
Er suchte gleich des Schützen Hütte auf und trat ein. Kaum hatte er des Schützen Frau gesehen, so hatte er an sein Geschäft vergessen. Er wußte nicht mehr, weshalb er gekommen war, denn vor ihm stand eine Schönheit, von der er sein Leben lang seine Augen nicht hätte wegwenden wollen. Er schaute auf das fremde Weib und Gedanke folgte auf Gedanke:
»Seit wann ist es erschaut und erhört, daß ein einfacher Soldat solch einen Schatz besitzt? Obwohl ich den König selbst bediene und General bin, sah ich noch nie solch eine Schönheit!«
Mit Mühe bezwang sich der Kommandant und ungern ging er wieder nach Hause. Von dieser Stunde an war er nicht mehr derselbe. Im Schlafen und im Wachen dachte er nur mehr an die schöne Frau. Sein Essen ließ er stehen, sein Trinken ließ er gehen, stets nur glaubte er sie zu sehen. Der König merkte das und fragte:
»Was ist mit dir geschehen, hast du einen Kummer?«
»Ach, Hoheit, ich sah eines Schützen Frau. Es gibt keine solche Schönheit mehr auf der ganzen Welt. Immer nur denke ich an sie. Ich esse nicht, ich trinke nicht, kein Mittel vermag mich zu heilen.«
Der König bekam Lust, selbst die Frau zu sehen; er ließ seinen Wagen anspannen und fuhr zu des Schützen Hütte. Er trat ein und sah die unbeschreibliche Schönheit! Wer sie sah, alt oder jung, jeder mußte sie sofort lieben. Auch den König ergriff sofort Liebesglut und er dachte:
»Weshalb sollte ich ledig bleiben? Weshalb sollte ich nicht dieses schöne Weib freien? Weshalb sollte sie eines Schützen Frau bleiben? Ihr ist es von Geburt bestimmt, eine Königin zu werden!«
Der König kehrte ins Schloß zurück und sagte dem Kommandanten:
»Höre! Lag es in deiner Macht, mir das unbeschreiblich schöne Weib des Schützen zu zeigen, so bringe jetzt auch ihren Mann beiseite. Ich selbst will sie heiraten. Bringst du ihn nicht um, so mach es dir allein zum Vorwurf, wenn du an den Galgen kommst, obwohl du mein treuer Diener bist.«
Der Kommandant ging und war noch trauriger als vorher, denn er wußte nicht, wie er den Schützen fortschaffen sollte. Er ging auf einsamen Wegen, durch Einöden und wüstes Land, da kam ihm Baba Jaga entgegen.
»Halt, Diener des Königs, ich kenne alle deine Gedanken, willst du, daß ich deinem unvermeidlichen Jammer abhelfe?«
»Hilf, Alte, ich zahle dir, was du willst!«
»Dir ist befohlen, Fedot, den Schützen, aus dem Wege zu räumen. Das wäre nicht schwer, denn er ist einfältig, aber seine Frau ist sehr schlau. Wir werden ihr trotzdem eine Aufgabe stellen, die sie nicht so schnell lösen kann. Kehr zum König zurück und sag ihm: Hinter dreimal neun Ländern, im dreimal zehnten Reich, ist eine Insel, auf der ist ein Hirsch mit goldenen Hörnern. Der König soll nun fünfzig Matrosen auswählen – die allerschlechtesten, die ärgsten Säufer – er soll auch ein Schiff herrichten lassen, ein altes, faules, das seit dreißig Jahren außer Dienst ist, und soll auf diesem Schiffe Fedot, den Schützen, ausschicken, den Hirsch mit den goldenen Hörnern herbeizuschaffen. Um zu der Insel zu gelangen, muß er, nicht mehr – nicht weniger – als drei Jahre lang fahren. Zurück braucht er wieder drei Jahre, das macht zusammen sechs Jahre. Wenn das Schiff aufs Wasser kommt, wird es aber nur einen Monat lang Dienste leisten können, dann untergehen und der Schütze mitsamt den Matrosen wird ertrinken.«
Der Kommandant hörte Baba Jagas Reden alle an, dankte für ihre Lehren und belohnte sie mit Gold, dann lief er zum König und sagte:»Hoheit, so und so – auf diese Art kann man den Schützen sicher verderben.«
Der König war einverstanden und gab sogleich Befehl, ein altes, faules Schiff zur Abfahrt zu rüsten, es mit Proviant für sechs Jahre und mit fünfzig Matrosen auszustatten. Es sollten aber die schlechtesten Seeleute und ärgsten Säufer sein.
Boten liefen alsbald von Wirtshaus zu Wirtshaus und warben Matrosen an, daß es ein Vergnügen war. Dem einen war ein Auge ausgeschlagen, der andere hatte eine schiefe Nase. Sobald man dem König meldete, daß das Schiff bereit sei, rief er den Schützen und sprach:
»Fedot, du bist ein wackrer Bursche, der beste meiner Schützen. Erweise mir einen Dienst. – Hinter dreimal neun Landen, im dreimal zehnten Reich, liegt eine Insel; auf der ist ein Hirsch mit goldenen Hörnern. Fang ihn und bring ihn lebendig hieher.«
Der Schütze überlegte, was er antworten sollte, aber der König sagte:
»Denk nach, soviel du willst, aber tust du nicht, was ich verlange, so schlägt mein Schwert deinen Kopf zur Erd.«
Da machte Fedot linksum kehrt und verließ das Schloß. Am Abend kam er sehr traurig nach Hause, er wollte nicht einmal sprechen, aber als seine Frau ihn fragte:
»Mein Liebster, warum bist du so traurig? Bist du in Ungnade gefallen?«
Da erzählte er ihr alles.
»Darüber bist du so traurig?« fragte sie, »dazu ist da kein Anlaß, das ist kein Dienst, das ist ein Dienstchen. Bete zu Gott und leg dich schlafen, der Morgen ist klüger als der Abend, alles wird getan werden.«
Der Schütze legte sich nieder und schlief ein, aber seine Frau schlug ihr Zauberbuch auf, und da erschienen plötzlich zwei Jünglinge vor ihr.
»Was willst du, was befiehlst du?«
»Geht über dreimal neun Lande, ins dreimal zehnte Reich, fangt auf der Insel den Hirsch mit den goldenen Hörnern und bringt ihn hieher.«
»Wir gehorchen, vor Tagesanbruch wird er hier sein«, sagten die Jünglinge.
Ein Wirbelwind trug sie zu der Insel, dort fingen sie den Hirsch und brachten ihn dem Schützen in seine Hütte.
Eine Stunde vor dem Morgengrauen war das alles gemacht und die beiden Jünglinge waren wieder verschwunden, als wären sie nie dagewesen. Die schöne Schützenfrau weckte ihren Mann früher als sonst und sprach:
»Geh und sieh, der Hirsch mit den goldenen Hörnern spaziert bei dir im Hof einher. Nimm ihn mit auf das Schiff, fahre fünf Tage gerade aus und kehr dann um.«
Der Schütze sperrte den Hirsch in einen dichten verdeckten Käfig und schaffte ihn auf das Schiff.
»Was ist das?« fragten die Matrosen.
»Mancherlei Vorräte, der Weg ist lang, was braucht man da nicht alles!«
Als für das Schiff die Stunde der Abfahrt gekommen war, hatte sich viel Volke gesammelt, den Schiffern Lebewohl zu sagen. Auch der König war da, nahm Abschied von Fedot und machte ihn zum Befehlshaber über alle Matrosen.
Fünf Tage schwamm das Schiff auf dem Wasser und man sah schon lange kein Ufer mehr, da ließ Fedot der Schütze ein Faß Wein, das vierzig Eimer faßte, auf Deck bringen.
»Trinkt, Brüder,« sagte er zu den Matrosen, »spart nicht, jedem Mann eine Maß.«
Da waren sie froh, stürzten über das Faß her, zogen Wein ab, bis sie berauscht neben dem Fasse hinfielen und einschliefen.
Der Schütze nahm das Steuerruder und wendete das Schiff wieder zum Ufer zurück. Damit die Matrosen das nicht bemerkten, ließ er sie vom Morgen bis zum Abend Wein trinken. Kaum waren sie aus einem Rausche erwacht, so war ein neues Faß bereit.
»Wollt ihr nicht trinken?«
Am elften Tage war das Schiff wieder zurück im Hafen, hißte die Flagge und schoß aus seinen Kanonen.
Das hörte der König und eilte ans Meer, um zu sehen, was vorging. Er erkannte den Schützen und ging voll Zorn auf ihn zu.
»Wie kannst du es wagen, vor der abgelaufenen Frist heimzukehren!«
»Wohin hätte ich sonst fahren sollen, Hoheit? Mancher Dummkopf irrt zehn Jahre auf dem Meere umher und bringt nichts zustande. Wir aber führten unsern Auftrag aus und blieben statt sechs Jahren nur zehn Tage aus. Wollt ihr nicht den Hirsch mit den goldenen Hörnern ansehen?«
Man brachte sogleich den Käfig vom Schiff und ließ den Hirsch mit den goldenen Hörnern heraus.
Da sah der König, daß Fedot recht hatte, er konnte ihm nichts anhaben und mußte ihn nach Hause zurückkehren lassen. Die Matrosen, die mit ihm gereist waren, gab er für die vollen sechs Jahre frei. Niemand sollte sie während der Zeit zum Dienste zwingen dürfen, weil sie ihn jetzt abgedient hätten.
Am nächsten Tag ließ der König den Kommandanten kommen und sprach drohend zu ihm:
»Was fällt dir ein? Willst du mich zum Narren halten? Dein Kopf ist dir wohl nicht viel wert? Mach es, wie du willst, aber finde Mittel und Wege, Fedot den Schützen zu beseitigen.«
»Hoheit, gestattet mir nachzudenken, vielleicht fällt mir etwas ein.«
Der Kommandant ging durch Wüsten und Einöden, da traf er Baba Jaga.
»Halt, Diener des Königs, ich kenne deine Gedanken. Willst du, daß ich dir helfe?«
»Hilf, Mütterchen, der Schütze kam zurück und brachte den Hirsch mit den goldenen Hörnern mit.«
»Ach, ich hörte es schon. Er selbst ist ein einfältiger Mensch, den zu verderben nicht schwerer wäre als eine Prise Tabak zu schnupfen. Aber seine Frau ist sehr schlau. Wir werden ihr trotzdem ein Rätsel aufgeben, das sie nicht so leicht auflösen wird. Geh zum König und sag ihm, er solle den Schützen schicken: dahin, ich weiß nicht wohin – zu holen das – ich weiß nicht was! Das wird er Zeit seines Lebens nicht ausführen können. Entweder man hört nie wieder etwas von ihm oder er kehrt mit leeren Händen zurück.«
Der Kommandant belohnte Baba Jaga mit Gold und lief zum König. Der König hörte ihm zu und ließ sogleich den Schützen rufen.
»Höre, Fedot, du bist ein wackrer Bursche, der beste meiner Schützen. Du hast mir einen Dienst geleistet, hast mir den Hirsch mit den goldenen Hörnern gebracht, jetzt – geh dahin, ich weiß nicht wohin – und bring mir das, ich weiß nicht was. Aber merk dir, erfüllst du meinen Befehl nicht, so schlägt mein Schwert deinen Kopf zur Erd.«
Der Schütze machte linksum kehrt und verließ das Schloß. Ganz traurig und nachdenklich kam er zu Hause an, und als seine Frau ihn fragte:
»Mein Lieber, was bedrückt dich? Hat dich ein Unglück ereilt?« da sagte er:
»Ach, ein Unglück schaffte ich mir vom Halse und ein zweites wurde mir aufgeladen. Der König schickt mich: dahin, ich weiß nicht wohin, zu holen das – ich weiß nicht was. Deiner Schönheit wegen trifft mich all das Ungemach.«
»Ja, das ist kein kleiner Dienst! Um hinzugelangen, braucht man neun Jahre und ebensoviele zurück; das macht achtzehn Jahre, und ob man etwas damit erreicht – weiß Gott.«
»Was soll ich machen, was wird geschehn!«
»Bete zu Gott und leg dich schlafen; der Morgen ist klüger als der Abend. Morgen wirst du alles erfahren.«
Der Schütze legte sich schlafen und sein Weib erwartete die Nacht. Sie schlug das Zauberbuch auf und gleich erschienen die zwei Jünglinge vor ihr: »Was willst du, was befiehlst du?«
»Wißt ihr, wie man es zustande bringt: zu kommen dahin – ich weiß nicht wohin, zu holen das – ich weiß nicht was?«
»Nein – das wissen wir nicht.«
Da schlug sie das Buch zu und die Jünglinge verschwanden. Am Morgen weckte die Frau ihren Mann:
»Geh zum König und bitte ihn um Gold für die Reise, denn du mußt achtzehn Jahre wandern. Hast du das Gold erhalten, so komm zu mir, Abschied zu nehmen.«
Der Schütze ging zum König und erhielt aus dem Schatz einen ganzen Sack mit Gold, damit kehrte er zu seiner Frau zurück; die gab ihm ein Handtuch und einen Gummiball und sprach:
»Wenn du vor die Stadt kommst, wirf den Ball hin und geh ihm nach, folge ihm, wohin er rollt. Hier hast du noch eine Arbeit von meiner Hand. Wo du auch seist und wann du dich auch wäschst – trockne dein Gesicht stets mit diesem Handtuch ab.«
Der Schütze nahm Abschied von seiner Frau und seinen Gefährten, verneigte sich nach allen vier Seiten und zog fort.
Er warf den Ball vor sich hin und der Ball rollte und sprang – Fedot immer hinterdrein.
Als etwa ein Monat vergangen war, rief der König den Kommandanten und sprach zu ihm:
»Der Schütze ist fortgezogen, um achtzehn Jahre in der weiten Welt zu wandern. Jedermann sieht ein, daß er nicht lebend zurückkehren kann. Achtzehn Jahre sind ja nicht zwei Wochen, was kann da nicht alles unterwegs geschehen? Er hat viel Geld mit, wer weiß, ob ihn nicht Räuber anfallen, ihn ausrauben und grausam töten. Ich kann jetzt sicherlich seine Frau zu mir nehmen. Nimm meinen Wagen, fahr zu der Hütte des Schützen und bring die Frau aufs Schloß.«
Der Kommandant fuhr zu Fedots Hütte, trat ein und sprach:
»Sei gegrüßt, kluge Frau! Der König befiehlt, daß du dich bei Hof vorstellst.«
Sie fuhr mit ihm zu Hofe und der König begrüßte sie mit Freuden, führte sie in den goldenen Palast und sprach:
»Willst du Königin werden, so heirate ich dich.«
»Wer hat je gesehen, wer hat je gehört, daß man des lebenden Mannes Weib begehrt? Ist es auch nur ein einfacher Schütze, so ist er doch mein ehelicher Mann.«
»Kommst du nicht freiwillig, so brauch ich Gewalt.«
Da lachte die schöne Frau, schlug auf den Boden, verwandelte sich in eine Turteltaube und flog davon.
Durch viele Länder und Reiche zog der Schütze und der Ball rollte immer weiter. Kam Fedot an einen Fluß, so spannte sich der Ball zur Brücke, wollte er ruhen, so wurde der Ball zum Federbett. Über kurz oder lang – rasch erzählt man, langsam erlebt man – kam der Schütze zu einem großen, prächtigen Palaste; hier rollte der Ball beim Tore hinein und verschwand. Da dachte der Schütze lange nach und sprach dann:
»Da gehe ich gradenwegs hinein.« Er stieg die Treppe hinauf zu den Wohnräumen; dort traf er drei Mädchen von unbeschreiblicher Schönheit.
»Woher und weshalb kommst du, guter Mann?«
»Ach, schöne Mädchen, ihr laßt mich von meinem langen Marsche nicht ausruhen und fragt schon! Ihr solltet mir erst zu essen und zu trinken geben, mir ein Nachtlager rüsten und dann erst nach Neuigkeiten fragen.«
Da deckten sie sogleich den Tisch, setzten ihn daran, gaben ihm zu essen und zu trinken und bereiteten ihm ein Lager. Der Schütze erwachte am anderen Morgen, stand aus seinem weichen Bett auf, und die schönen Mädchen brachten ihm ein Waschbecken mit einem gestickten Handtuch. Er wusch sich mit dem Quellwasser, aber das Handtuch wies er zurück.
»Ich habe mein eigenes«, sagte er und trocknete sein Gesicht ab. Da fragten die Mädchen:
»Guter Mann, sag an, woher hast du das Tuch?«
»Von meiner Frau«, sagte er.
Sie riefen ihre alte Mutter, die betrachtete das Handtuch und erkannte es sogleich:
»Das hat meine Tochter gemacht«, sagte sie und fragte ihn nach allem aus.
Fedot erzählte, wie er ihre Tochter geheiratet und wie der König ihn ausgesandt hatte: dahin, ich weiß nicht wohin, zu holen das, ich weiß nicht was.
»Ach, Schwiegersohn, von diesem Wunder habe selbst ich nichts gehört. Aber warte, vielleicht wissen meine Diener etwas davon.« Die Alte trat auf die Rampe und rief mit lauter Stimme, da liefen und flogen von allen Seiten, man sah gar nicht von woher, Tiere und Vögel herbei.
»Hei, ihr Waldgetiere und Vögel der Luft! Ihr Tiere, die ihr überall hinspringt, ihr Vögel, die ihr überall hinfliegt, wißt ihr, wie man kommt dahin, ich weiß nicht wohin, und wie man findet das, ich weiß nicht was?«
Tiere und Vögel riefen wie aus einem Munde: »Nein, davon wissen wir nichts.«
Die Alte entließ darauf jedes in seine Heimat, in seinen Wald, seine Höhle, seinen Hain und kehrte selbst in ihr Zimmer zurück.
Sie nahm ihr Zauberbuch und schlug es auf, da erschienen sofort zwei Riesen:
»Was willst du, was befiehlst du?«
»Meine treuen Diener, tragt mich und meinen Schwiegersohn auf den großen Ozean und bleibt gerade in der Mitte stehen, wo er am tiefsten ist.«
Sogleich ergriffen die Riesen wie ein Wirbelwind den Schützen und die alte Frau, trugen sie auf das breite Meer hinaus und blieben gerade über der Mitte stehen, wo es am tiefsten war. Sie standen wie zwei Säulen und hielten dabei den Schützen und die Frau in ihren Händen.
Die Alte rief mit lauter Stimme und alle die Frösche und anderen Meeresbewohner schwammen herzu, daß es nur so wirbelte und das blaue Wasser gar nicht mehr zu sehen war.
»Hei, Fische und Meeresgetier, die ihr bei allen Inseln waret, die ihr überall hinschwimmt, wißt ihr nicht, wie man kommt dahin, ich weiß nicht wohin, zu holen das, ich weiß nicht was?«
Alle Fische und Seetiere antworteten einstimmig: »Nein, davon haben wir nichts gehört!«
Da drängte sich plötzlich ein alter Frosch nach vorn. Er war lahm und hatte wohl seit dreißig Jahren im Ruhestande gelebt, der sprach:
»Qua, qua, ich weiß, wo man das Wunder findet.«
»Nun, mein Lieber, dann brauche ich gerade dich«, sagte die Alte, ergriff den Frosch und ließ sich und den Schützen von den Riesen wieder nach Hause tragen.
Sie waren augenblicklich wieder im Schloß, wo die Alte erst den Frosch ausforschte.
»Welches ist der Weg und wie kann mein Schwiegersohn hingelangen?«
Der Frosch antwortete:
»Der Ort ist weit, weit, am Ende der Welt. Ich würde ihn selbst hingeleiten, aber ich bin alt, alt, schleppe kaum meine Beine. In fünfzig Jahren könnte ich nicht hinspringen.«
Da holte die Alte einen Topf und goß ihn voll mit frischer Milch. Sie setzte den Frosch hinein und reichte den Topf ihrem Schwiegersohne.
»Trag hier diesen Topf in deinen Händen, der Frosch darin wird dir den Weg zeigen.«
Der Schütze nahm Abschied von der Alten und ihren Töchtern und machte sich mit dem Frosch auf die Wanderschaft. Er ging und der Frosch zeigte ihm den Weg. Über nah und fern, über kurz oder lang, kam er an einen Feuerfluß, an dessen anderem Ufer erhob sich ein hoher Berg mit einer Tür darin.
»Qua, qua,« sagte der Frosch, »laß mich aus dem Topfe heraus, ich muß uns den Weg über den Fluß bereiten.« Der Schütze setzte ihn auf die Erde.
»Nun, wackrer Bursch, setz dich auf meinen Rücken ohne Erbarmen, du erdrückst mich nicht!«
Fedot tat es und drückte den Frosch ganz zu Boden, aber der blies sich auf, blies und blies, bis er so groß wurde wie ein Heuschober. Der Schütze mußte nur immer daran denken, sich obenauf zu erhalten. »Wenn ich herabfalle, schlage ich mich tot«, dachte er. Als der Frosch ganz aufgeblasen war, sprang er über den Feuerfluß und wurde wieder klein.
»Jetzt, wackrer Bursche, tritt bei dieser Türe ein, ich warte hier auf dich. Du wirst in eine Höhle gelangen, dort versteck dich gut. Nach einer Weile werden zwei Greise kommen, beobachte ihr Tun und ihre Worte und wenn sie wieder fortgegangen sind, mach ihnen alles nach und sprich dasselbe wie sie.«
Der Schütze ging zum Berge und öffnete die Tür – da stand er vor einer Höhle, die war so dunkel, daß man sich hätte die Augen ausschlagen können. Er kroch auf allen vieren hinein und tastete mit den Händen herum; da fand er ein leeres Schaff, darin versteckte er sich. Es verstrich einige Zeit, da kamen zwei Greise, die riefen:
»He, Schmat-rasum, bring uns unser Essen!«
Sogleich, man sah nicht wie, leuchteten Lichter, klapperten Teller und Schüsseln, standen Weine und Speisen auf dem Tisch. Die alten Männer aßen und tranken und befahlen wieder:
»He, Schmat-rasum, räum alles fort!«
Plötzlich war nichts mehr da, kein Tisch, kein Wein, kein Essen und alle Lichter erloschen. Der Schütze hörte, wie die Alten fortgingen, kroch aus seinem Versteck hervor und schrie:
»He, Schmat-rasum!«
»Was willst du?«
»Bring mir zu essen!«
Sogleich leuchteten wieder die Lichter und der Tisch war gedeckt. Fedot setzte sich und sagte:
»He, Bruder Schmat-rasum, komm, iß und trink mit mir, allein ist es zu langweilig.«
»Ach, guter Mensch,« antwortete ihm eine Stimme, »woher kommst du? Seit dreißig Jahren diene ich diesen zwei alten Männern ehrlich und treu und kein einzigesmal haben sie mich zum Essen eingeladen.«
Der Schütze schaute und staunte, er sah niemand, aber das Essen verschwand vom Teller, als fegte es ein kleiner Besen hinweg und die Weinflaschen schenkten allein die Gläser voll und diese waren auf einmal wieder leer. Der Schütze aß und trank und sagte:
»Höre, Schmat-rasum, willst du mir dienen? Mit mir ist es gut zu leben.«
»Weshalb sollte ich nicht? Ich habe das Leben hier schon lange satt und du bist, wie ich sehe, ein guter Mensch.«
»Nun, dann räum alles auf und komm.«
Der Schütze kroch aus der Höhle heraus und sah sich um, da war niemand.
»Schmat-rasum, bist du da?«
»Ja, fürchte dich nicht, ich bleibe bei dir.«
»Das ist recht«, sagte Fedot und setzte sich auf seinen Frosch. Der blies sich auf und sprang über den Feuerfluß.
Der Schütze steckte den Frosch wieder in den Milchtopf und machte sich auf den Rückweg.
Er kam zu seiner Schwiegermutter und bewirtete sie und ihre Töchterchen sehr gut durch seinen neuen Diener. Schmat-rasum versorgte sie so ausgezeichnet, daß die Alte beinahe getanzt hätte, und dem Frosch ließ sie für seine treuen Dienste täglich drei Töpfchen Milch geben. Der Schütze nahm Abschied von seiner Schwiegermutter, um heimzukehren.
Er ging und ging und wurde sehr, sehr müde. Seine raschen Beine wurden matt, seine weißen Hände hingen herab.
»Ach,« sagte er, »Schmat-rasum, könntest du sehen, wie müde ich bin, kaum tragen mich meine Füße mehr!«
»Warum sagtest du mir das nicht schon längst? Ich hätte dich rasch an Ort und Stelle gebracht.«
Sogleich ergriff er Fedot in stürmischem Wirbel und trug ihn so rasch durch die Luft davon, daß Fedot seine Mütze verlor.
»Hei, Schmat-rasum, warte ein wenig, mein Hut fiel herab.«
»Dazu ist es zu spät, Herr! Deine Mütze liegt jetzt fünftausend Werst hinter uns.«
Städte und Dörfer, Flüsse und Wälder flogen nur so an ihren Augen vorbei.
Auf einmal flog der Schütze über das tiefe Meer hin und Schmat-rasum sprach:
»Wenn du willst, so baue ich in dieses Meer ein Häuschen her. Wir können ausruhen und unser Glück machen.«
»Gut«, sagte der Schütze, und da sank er auch schon zum Meere herab. Dort, wo vor einem Augenblick noch Wellen wogten, da ragte ein Inselchen hervor und darauf erstand ein goldenes Häuschen.
Schmat-rasum sprach zu Fedot:
»Setz dich ins Häuschen, ruh dich aus und sieh auf das Meer. Es werden drei Kauffahrteischiffe bei der Insel anlegen, rufe die Kaufleute herein, bewirte sie und tausch mich aus gegen drei Wunderdinge, die sie mitführen. Zur rechten Zeit bin ich bei dir zurück.«
Fedot sah richtig drei Schiffe von Westen herschwimmen. Die Schiffer sahen die Insel und das goldene Hüttchen und sagten:
»Welch ein Wunder! So oft wir hier vorbeifuhren, sahen wir nur Wasser, und jetzt steht da auf einmal ein goldenes Häuschen. Brüder, laßt uns am Ufer anlegen und sehen, was es ist.«
Die Schiffe legten an und warfen Anker aus. Drei Kaufleute, denen die Schiffe gehörten, stiegen in ein kleines Boot und fuhren ans Land.
»Sei gegrüßt, wackrer Mann!«
»Seid gegrüßt, Kaufherren aus fremden Landen. Laßt euch von mir einladen, spaziert umher, seid fröhlich, ruht euch aus, gerade für vorbeiziehende Schiffer ist das Häuschen hier erbaut.«
Die Kaufleute traten ein und setzten sich auf ein Bänkchen.
»He, Schmat-rasum, bring uns Speise und Trank!« rief der Schütze und sogleich erschien ein Tisch mit Speisen und Getränken, – was die Seele begehrte, war im Augenblick zur Stelle.
Die Kaufleute waren fast stumm vor Staunen.
»Laß uns tauschen,« sagten sie endlich, »gib uns deinen Diener und nimm dafür ein anderes Wunderding.«
»Was für Wunderdinge habt ihr denn?«
»Schau her, dann wirst du es wissen.«
Ein Kaufmann nahm ein kleines Kästchen aus der Tasche, machte es auf und alsobald war über die ganze Insel ein herrlicher Garten ausgebreitet, mit Blumen und Pfaden. Er schloß das Kistchen wieder und sogleich war der Garten verschwunden.
Der zweite Kaufmann zog ein Beil aus seinen Rockfalten und hackte damit: tap, tap! Da kam ein Schiff geschwommen – tap, tap – da schwamm ein zweites Schiff auf dem Wasser. Hundertmal hackte er und hundert Schiffe erschienen mit Segeln, Kanonen und Matrosen. Die Schiffe kreuzten hin und her, die Kanonen schössen und die Matrosen fragten nach den Befehlen des Kaufmannes. Als der genug hatte, steckte er sein Beil ein – und die Schiffe waren verschwunden, als wären sie nie dagewesen.
Der dritte Kaufmann nahm ein Horn und blies, da erschien sofort ein Heer, Fußvolk und Reiterei mit Flinten, Kanonen und Fahnen. Alle Regimenter sandten dem Kaufmanne Bericht und er gab Befehle. Das Heer marschierte, die Musik spielte, die Fahnen flatterten. Als der Kaufmann genug davon hatte, nahm er sein Horn, blies zum andern Ende hinein und es war nicht zu sehen, wohin die Heeresmacht verschwunden war.
»Schön sind eure Wunderdinge, aber mir sind sie nichts nütz,« sagte Fedot. »Heer und Schiffe sind für Zaren, ich aber bin ein einfacher Soldat. Wollt ihr tauschen, so gebt mir für den einen unsichtbaren Diener alle drei Wunderdinge.«
»Wird das nicht zu viel sein?«
»Wie ihr wollt, aber anders tausche ich nicht!«
Die Kaufleute überlegten untereinander: »Zu was dient uns dieser Garten, dieses Heer, diese Kriegsflotte? Es ist besser, wir tauschen. Wenigstens werden wir ohne jegliche Mühe satt und trunken.«
Sie gaben dem Schützen ihre Schätze und sagten:
»He, Schmat-rasum, wir nehmen dich mit uns, wirst du uns treu und ehrlich dienen?«
»Warum nicht, es ist mir ganz gleich, wem ich diene.«
Die Kaufleute kehrten auf ihre Schiffe zurück und ließen alle Schiffsleute bewirten.
»Schmat-rasum, eile dich!«
So tranken sie, bis sie betrunken waren und in tiefen Schlaf verfielen.
Fedot saß in dem goldenen Häuschen und sagte nachdenklich:
»Ach wie schade! Wo ist jetzt mein treuer Diener Schmat-rasum.«
»Ich bin hier, Herr!«
Da war der Schütze sehr froh und sagte:
»Wollen wir nicht jetzt heimkehren?« Kaum hatte er das gesagt, als plötzlich ein Sturm ihn erfaßte und in die Luft trug.
Die Kaufleute erwachten und wollten wieder trinken, aber wie sehr sie schrien und befahlen, es meldete sich niemand und niemand bediente sie, nicht einen Groschen hatten sie von ihrem Schreien.
»Ihr Herren, der Lump hat uns betrogen. Der Teufel soll wissen, wo er jetzt ist. Die Insel ist fort und das goldene Häuschen auch.«
Die Kaufleute trauerten und grämten sich, spannten die Segel auf, und jeder fuhr dahin, wohin es ihm beliebte.
Schnell flog der Schütze bis in sein Land und ließ sich am Ufer des blauen Meeres an einer öden Stelle nieder.
»He, Schmat-rasum, könnte man hier kein Schloß bauen?«
»Warum nicht? Gleich wird es fertig sein.«
Augenblicklich war das Schloß fertig und war so herrlich, daß man gar nicht sagen kann, wie. Der Schütze öffnete sein Kästchen und rund um das Schloß entstand ein Garten mit seltenen Blumen und Bäumen. Fedot saß am geöffneten Fenster und bewunderte ihn, als plötzlich eine Turteltaube hereingeflogen kam, die sich in sein junges Weib verwandelte. Sie umarmten und begrüßten einander und begannen zu fragen und zu erzählen.
»Seit du fort gingst von zu Hause, fliege ich als Taube durch Wald und Hain«, sagte die Frau.
Am nächsten Tage trat der König des Morgens auf den Balkon, sah auf das blaue Meer und erblickte am Ufer ein neues Schloß und rund herum einen grünen Garten.
»Welchem Tölpel fiel es ein, ohne meine Erlaubnis auf meinem Grund zu bauen?«
Er schickte Boten aus, die erfuhren, daß dem Schützen das Schloß gehörte, und daß er mit seiner Frau dort lebte. Sie meldeten es dem König, da zürnte dieser noch mehr und sammelte ein Heer, um damit den Garten und das Schloß von Grund auf zu zerstören. Den Schützen und sein Weib wollte er grausam töten lassen.
Der Schütze sah ein großes königliches Heer heranziehen und nahm sein Beil: Tap, tap – da schwamm ein Schiff im Meer. Hundert Hiebe führte er und hundert Schiffe schwammen daher. Darauf nahm Fedot sein Horn und blies einmal, da marschierte Fußvolk auf. Er blies ein zweitesmal, da kam Reiterei. Die Befehlshaber der Truppen und Schiffe eilten herbei und baten um Anordnung.
Fedot ließ den Kampf eröffnen. Die Musik spielte, die Trommeln wirbelten, die Regimenter marschierten. Das Fußvolk schlug des Königs Soldaten und die Reiter verfolgten sie, wobei sie viele gefangen nahmen. Die Schiffe überschütteten die Hauptstadt mit Kugeln. Als der König sah, wie sein Heer davonlief, stürzte er ihm entgegen, um es aufzuhalten – aber umsonst! Keine halbe Stunde verging – da war er selbst erschlagen. Als die Schlacht zu Ende war, versammelte sich das Volk und bat den Schützen, die Herrschaft anzunehmen. Er willigte ein und so wurde er ein König und seine Frau eine Königin.
[Rußland: A.N. Afanaßjew: Russische Volksmärchen]