Als man am Morgen frühe bei Tageslicht zur Besichtigung kam, wunderten sich alle über das wunderbare, behaarte Kind, und nach dem Auswindeln, siehe da! wars ein Kater.
Die Königin wußte nichts zu sagen; die alte Teufelin schwieg, verleumdete vielmehr die Königin, als wenn sie eine Hexe wäre und einen Kater geboren hätte. Im anderen Jahr machte sie es ebenso. Als die Königin ein junges Töchterchen bekommen hatte, schön wie eine Tochter der lieben Sonne, trug sie das Kind auf den Fluß hinaus und legte in die Wiege eine Katze in Windeln. Der König wurde fast auf seine Gemahlin böse, die Königin verzagt und bekam seitdem keine Kinder mehr, und alle Welt verleumdete die Königin als gräßliche Hexe. Aber in der Nacht, in welcher der erste Sohn geboren wurde, hörte ein Mann im Finstern beim Fischen auf dem See die weinerliche Stimme eines Kindes.
Nach der Stimme zufahrend, erblickte er ein schwimmendes Kästchen, fischte dieses auf und fand ein kleines Kindchen. Fröhlich eilte er nach Hause, es seiner Frau zu zeigen, und nachdem er es heimgetragen hatte, fragte er: Sonnchen! Nun rate einmal auf, was ich im Kästchen bringe?“ Als sie es nicht erraten konnte, öffnete er den Deckel und zeigte ihr das schlafende Kind mit den Worten: „Du hast mir kein Kind geschenkt, nun bringe ich dir wenigstens einen Findling.“ Beim Auswickeln fanden sie prächtige Windeln und Leinwand und auf dem Boden auch ein wenig Geld eingewickelt. Als sie das Kind besahen, erblickten sie wirklich drei goldene Haare hinterm Ohr, nannten ihn darum Goldhärchen und erzogen ihn als ihren Sohn. Das Geld aber und die Windeln verwahrten sie im Kasten, indem sie meinten: „Geld brauchen wir beide nicht, wir haben ja, Gott sei Dank! unser Brot, und für das Kind wird’s auch noch erreichen, besser ists, wir heben ihm alles auf. Wer weiß, ob er dies nicht einmal gebrauchen wird.“ Nach einem Jahr fischte er wieder ein Kästchen auf und brachte es heim, und in demselben fand er ein schönes Mädchen, ebenso schön gekleidet, auch ein Teilchen Geld; es schien der ersten Schwester zu sein. Sie fanden aber drei goldene Sterne hinter dem Ohre, nannten sie Goldsternchen und erzogen sie mit Freuden. Lange Jahre blieben diese beiden Kinder im Hause des Fischers und wuchsen in guter Obhut und Pflege auf. Sie waren schon ziemlich groß, als sie einmal von fremder Stätte her nach Hause gelaufen kamen und fragten: „Väterchen! Mütterchen! Ist das wahr?“
Die anderen Kinder sagen, wir seien nicht eure Kinder, sondern Findlinge, aus dem Wasser gefischt?“ Was sollten sie tun, sie mußten die Wahrheit sagen, zeigten jedem seinen Kasten und was darinnen für jeden zum Andenken drin war. Als sie alles erforscht und besehen hatten, sprachen sofort beide: „Dank euch beiden für eure Pflege und alles Gute, nun müssen wir in die Welt hinausgehen und die Eltern suchen.“ Lange irrten und fragten sie, endlich waren sie des Wanderns müde. Sie trafen eine Stadt an, kauften dort ein Haus, richteten einen schönen Garten ein, daß der Ruf ausging durch die ganze Stadt vom Goldhärchen und Goldsternchen.
Sie beide wußten aber nicht, daß sie den Eltern so nahe wären, denn das war dieselbe Stadt, in welcher die Eltern herrschten. Da hörte auch des alten Königs Mutter das Gerücht von diesen beiden Kindern und merkte am Namen, was das für Kinder sein könnten, die goldenen Haare und die goldenen Sterne hatte sie damals beim Einwindeln wohl bemerkt.
Sie dachte hin, sie dachte her, vielleicht daß es möglich wäre. die beiden auf irgendeine Weise in den Tod zu treiben. Verkleidet ging das alte Ungestüm zu beiden ins Haus mit süßer Zunge und allerlei Lobeserhebungen. „Ach! Wie schön ist euer Haus und ihr beide gar, meine Hühnchen! Wie jung und schön! Herzchen! Ich wollte auch euren Garten sehen, mein Töchterchen! Ich habe sagen hören, daß er sehr schön sei.“ Dort hingekommen, heuchelte sie: „Ach! Was ist das für eine Pracht! Hast du die schönen Blumen großgezogen? Und du, mein Goldchen? Hast hier wohl die Bäume so schön gepflanzt? Meine Küchlein! Überaus schön ist das Gärtchen, aber wenn an jedem Baume Glöcklein wären, wie würde das klingen!“ – „Und wo könnte man die bekommen?“ fragte sogleich Goldhärchen. „Ich weiß, dort auf dem Berge ist ein ganzer Garten voll, nur eins braucht man sich heimzutragen, dann wächst in der Nacht der ganze Garten voll. Ja! Wenn ihr dieses Glöcklein hättet, meine weißen Lieblinge!“
Nachdem sie das gesagt hatte, zog sie ab wie ein dürres Jahr, daß seine Zeichen hinterlässt.
Sie schickte beide Kinder geradezu in des Todes Rachen, denn der Garten auf dem Berge war verzaubert und wer ihn im länger als eine Stunde blieb, kam schon nicht mehr heraus, sondern verwandelte sich in irgendeinen Baum. Nach Abgang der Alten sprachen die beiden unter sich, was zu tun wäre. Goldhärchen sagte: „Ich gehe und bringe mr ein solches Glöckchen!“ – „Geh nicht! Geh nicht! wehrte die Schwester, „wer weiß was dir begegnen kann?“ – „Du wirst mich nicht abwendig machen! Ich gehe und damit genug!
Furcht habe ich nicht in Gottes Namen.“ „Dann kehre wenigstens rasch um und halte dich nicht auf!“ sagte die Schwester. Frühmorgens erwachte er, lief hinauf auf den Berg, kam an einen schönen Garten, groß ohne Ende, stellte sich auf die Fußspitzen, riß sich eins der Glöcklein ab und lief ohne sich umzuschauen, wie von Furien getrieben, vom Berge heimwärts, kam nach Hause und hängte es an den Baum. Am andern Morgen klang der ganze Garten, es war lieblich anzuhören. Die alte Hexe kommt wieder und spricht mit süßer Zunge: „Mein liebes Töchterchen, nun ist ein schönes Klingen Im Garten! Aber, meine Gute! Wenn noch im Teich goldene Fischlein wären, dann wäre es noch schöner, mein süßes Täubchen!“ – „Und wo kann man die bekommen?“ – „Wieder dort auf dem Berge wirst ein Teichlein finden, mein Junge!“
sagte sie und schlich davon. Früh am Morgen lief Goldhärchen auf den Berg, sich Fischlein holen, fand sie, sputete sich rasch heim und ließ sie in den Teich hinein. Am anderen Morgen kribbelte und wibbelte das ganze Wasser voll von Fischen aus Gold, welche herumschwammen glitzernd, daß man seine lieblichen Augenweide dran hatte.
Als das alte Weib dies hörte, wunderte sie sich, wie er leben bleiben und aus dem Garten herauskommen konnte, sie entwarf aber einen Plan, sie gewiß zu verderben, wenn nicht beide, doch wenigstens einen.
Zum dritten Male kam sie und lobte den schönen Garten der beiden und sprach:
„Meine Kleeblättchen! Schön! Sehr schön! Aber noch eine Sache fehlt, nämlich der Vogel der Wahrheit!“ – „Wo ist der zu erhalten?“ „Mein Herzchen! Auch dort auf demselben Berge in der hintersten Stube auf den Ofen ist er hingesetzt.“ Das sagend bürzelte sie hinaus, innerlich sich belachend: nun muß sicher einer verloren gehen. Als sie herausgewatschelt war, sagte Goldhärchen sogleich: „Den Vogel muß ich haben, und wenn da wer weiß was wäre.“
Die Schwester redete ab so gut sie konnte, aber vergebens. Am anderen Morgen nach dem Erwachen wehrte sie wieder: „Um Gottes Willen, geh nicht! Mir ist so bange ums Herz!
Und diese Nacht habe ich so wunderbar von dir geträumt, mein Brüderchen! Bitte, bleibe zu Hause, du wirst sonst umkommen!“ Der aber fragte nach nichts und lief des Morgens auf den Berg in sein Unglück.Gleichsam absichtlich ließ er sich Zeit, bummelte im Garten herum, besah Bäume und Blumen, schlich nachher ins Haus. Aber dort im ersten Zimmer fand er solch schöne Sachen, daß er sich nicht sattwundern konnte, im zweiten, die schönsten silbernen und goldenen Geräte, im dritten lauter Gemälde, im vierten die schönsten Anzüge, im fünften Geld und Geschmeide, überall wollte er seine Augen und verzögerte sich. Zuletzt kam er in das rechte Stübchen, sah dort den Vogel sitzen. und wollte ihn hoch steigend schon ergreifen, da fiel er als ein Glasstückchen auf die Erde und blieb liegen. Das Schwesterlein wartete auf ihren Bruder einen Tag und eine Nacht und konnte ihn durchaus nicht erwarten.
Am anderen Morgen stand sie auf, ging auf den Berg, ihn zu suchen, immer mit Weinen.
Bei ihrem Umherirren traf sie eine alte Frau an, welche sich ihrer erbarmte, sie ausfragte und belehrte, wie sie tun sollte. Sie merkte sich alles wohl, lief durch den Garte, durch die Stuben, ohne die Augen seitwärts zu wenden, las die Glasstückchen in die Schürze, stieg hoch, ergriff den Vogel der Wahrheit und lief wieder im Trabe zurück nach Hause.
Als sie aber aus dem Garten kam, fielen die Glasstückchen aus der Schürze und verwandelten sich sogleich in die Kinder, welche dort den Vogel hatte greifen wollen.
Unter diesen erblickte sie auch ihr verlorenes Brüderchen, erfaßte ihn rasch bei der Hand und führte ihn mit sich nach Hause. Den Vogel stellte sie aber zu Hause im Bauer auf. Wieder ging das Gerücht von der beiden Kinder Gewinn durch die ganze Stadt, auch der König und die Königin hörten die Nachricht und kamen sich die Neuigkeit zu beschauen.
Nach Bewunderung aller Dinge sahen sie auch den Vogel und erfuhren, daß es ein Verkünder der Wahrheit sei. Sogleich fingen sie ihn an zu fragen von ihren Kindern, wie das zugegangen sei und ob sie noch am Leben sind. Der Vogel bezeugte alles der Wahrheit gemäß, und mit einem Male fanden zum Staunen aller die Eltern ihre Kinder und die Kinder ihre Eltern, das war eine Freude ohne Ende! Sie fragten aber auch, wer das alles verbrochen habe, und bekamen zu wissen, daß des Königs alte Mutter an dem allen schuld sei, Zornig befahl der König sie zu greifen und gebunden in ebensolch einer Kiste auf dem Wasser loszulassen.
Wer weiß, wohin sie gekommen ist! Aber in des Königs Hause richteten die Eltern ihren wiedergefundenen Kindern ein großes Fest aus, zu welchem viele eingeladen waren.