1
(2)
Vor sehr langer Zeit erschienen in Irland plötzlich zwei unbekannte Kaufleute, von denen nie jemand etwas gehört hatte. Die Sprache des Landes war ihnen jedoch vollkommen geläufig. Sie trugen goldene Reifen in ihren rabenschwarzen Locken, und ihre Kleidung war von seltener Pracht. Sie schienen beide gleichen Alters zu sein, etwa fünfzig Jahre; ihre Stirnen waren gefurcht, ihre Bärte von Silberfäden durchzogen.
In dem Gasthaus, wo diese reichen Kaufleute abgestiegen waren, versuchte man zu erfahren, was sie wollten, aber vergebens; sie lebten still und zurückgezogen. Wie man durch die Fenster ihrer Wohnung sehr gut wahrnehmen konnte, thaten sie den ganzen Tag nichts, als immer wieder und wieder ihre Goldstücke zählen, die sie in Geldbeuteln verwahrten.
»Meine Herren,« sagte die Wirtin eines Tages zu ihnen, »wie kommt es, dass Ihr trotz Eures Reichthums nichts zur Linderung des allgemeinen Elends thut?«
»Liebe Frau Wirtin,« antwortete der eine von beiden, »wir haben bis nun nichts für die Armen gethan, weil wir fürchteten, von falschen Bettlern betrogen zu werden. Der wirklichen Noth werden wir unsere Thür nicht verschließen.«
Dies Gerücht, dass zwei reiche Fremdlinge gekommen waren, die ihr Gold mit vollen Händen ausstreuen wollten, hatte sich rasch verbreitet, und eine große Menschenmenge belagerte das Haus. Aber anders sahen die Leute aus, als sie hineingiengen, anders als sie herauskamen; Stolz oder tiefe Scham war in ihren Mienen zu lesen.
Die beiden Männer kauften Seelen für den Teufel. Die Seelen der Alten waren zwanzig Goldstücke wert, nicht einen Penny mehr; denn Satan hatte Zeit gehabt, sie nach ihrem wahren Wert zu schätzen. Die Seele einer alten Frau wurde auf fünfzig Goldstücke geschätzt, wenn sie schön, auf hundert, wenn sie hässlich war. Die Seele einer Jungfrau erzielte eine ungeheure Summe: die frischen und reinen Blumen sind am theuersten.
Um dieselbe Zeit lebte in der Stadt ein wahrer Engel an Schönheit, die Gräfin Kathleen O’Shea. Sie war der Abgott des Volkes, die Vorsehung der Armen. Sobald sie erfuhr, dass die Bösewichte aus der allgemeinen Noth Nutzen zogen, indem sie Gott die Herzen abspenstig machten, ließ sie ihren Haushofmeister kommen.
»Patrick,« fragte sie ihn, »wie viel Goldstücke sind in meinen Truhen?«
»Hunderttausend.«
»Wie viel sind meine Juwelen wert?«
»Ebenso viel.«
»Was sind die Schlösser, Wälder und Äcker wert?«
»Noch einmal so viel.«
»Gut, Patrick. Verkaufe alles und bringe mir die Rechnung. Ich will nur dieses Schloss und die dazu gehörigen Äcker behalten.«
In zwei Tagen war der Befehl der frommen Gräfin ausgeführt, und der Erlös wurde je nach ihren Bedürfnissen an die Armen vertheilt. Das passte natürlich dem Bösen nicht, der keine Seelen mehr kaufen konnte. Mit Hilfe eines treulosen Dieners drangen seine beiden Knechte in das Haus der edlen Gräfin ein und raubten ihr, was sie an Gold noch besaß. Vergebens suchte sie den Inhalt ihrer Truhen zu retten, die teuflischen Räuber behielten die Oberhand. Wäre Kathleen imstande gewesen, das Zeichen des Kreuzes zu machen, so hätte sie sie dadurch in die Flucht jagen können. Aber ihre Hände waren gebunden. So gelang der Raub.
Als die Armen von neuem die beraubte Gräfin um Hilfe baten, geschah es vergebens, sie war nicht mehr imstande, ihr Elend zu lindern und musste sie der Versuchung überlassen.
In acht Tagen erwartete man Korn und Futter aus dem Westen. Aber acht Tage sind oft eine Ewigkeit. Eine ungeheure Summe war erforderlich, um bei der Theuerung den Armen zu helfen. Sie mussten entweder Hungers sterben oder ihre Seelen, das reichste Geschenk des gütigen Gottes, für schnödes Geld verkaufen. Kathleen besaß nichts mehr, sie hatte auch ihr Schloss für die Unglücklichen hergegeben.
Zwölf Stunden lang verbrachte sie in Trauer und Thränen, riss sich ihr goldenes Haar vom Kopfe und zerschlug sich die schneeweiße Brust. – Plötzlich erhob sie sich in düsterer Entschlossenheit, von einem Gefühl der Verzweiflung erfasst.
Sie gieng zu den Seelenkäufern.
»Was willst du?« fragten sie.
»Ihr kauft Seelen?«
»Jawohl, eine und die andere, trotz der Gräfin Kathleen O’Shea. Oder ist es vielleicht nicht wahr, du Heilige mit den saphirblauen Augen?«
»Heute will ich Euch ein Geschäft antragen,« erwiderte sie.
»Welches?«
»Ich habe eine Seele zu verkaufen, aber sie ist sehr theuer.«
»Das schadet nichts, wenn sie preiswert ist. Die Seele ist wie der Diamant, je reiner, desto wertvoller.«
»Es ist die meinige.«
Die beiden Abgesandten des Teufels fuhren empor. Die Klauen in den Lederhandschuhen schlossen sich krampfhaft, die grauen Augen funkelten. Die reine, jungfräuliche Seele Kathleens, es war ein unschätzbarer Fang!
»Schöne Jungfrau, was verlangst du dafür?«
»Hundertundfünfzigtausend Goldstücke.«
»Die stehen dir zur Verfügung,« erwiderten die Seelenkäufer und überreichten ihr ein schwarz gesiegeltes Pergament, das sie schaudernd unterschrieb.
Die verlangte Summe wurde ihr ausbezahlt.
Sobald sie nach Hause kam, sagte sie zu ihrem Haushofmeister: »Vertheile das Gold. Es wird reichen, um den Armen über die nächsten acht Tage hinauszuhelfen, und keine einzige ihrer Seelen gehört dem Teufel.«
Dann schloss sie sich in ihr Zimmer ein und gab den Befehl, dass niemand sie stören dürfe.
Drei Tage vergiengen. Sie rief niemand und kam auch nicht aus dem Zimmer hervor.
Da öffnete man die Thür und fand eine Leiche. Der Kummer hatte ihr das Herz gebrochen.
Aber Gott der Herr erklärte den Kauf dieser anbetungswürdigen Seele, die ihre Mitmenschen vor ewiger Verderbnis gerettet hatte, für null und nichtig.
Nach acht Tagen brachten zahllose Schiffe ungeheure Vorräthe von Korn in das fast verhungerte Land.
Die beiden Seelenkäufer verschwanden aus dem Gasthause, ohne dass jemand wusste, was aus ihnen geworden war. Aber die Fischer an der schwarzen See behaupten, dass Lucifer sie in einem unterirdischen Kerker so lange gefangen hält, bis sie ihm die Seele der Gräfin Kathleen O’Shea abliefern. – Doch die ist ihnen für ewig verloren.
In dem Gasthaus, wo diese reichen Kaufleute abgestiegen waren, versuchte man zu erfahren, was sie wollten, aber vergebens; sie lebten still und zurückgezogen. Wie man durch die Fenster ihrer Wohnung sehr gut wahrnehmen konnte, thaten sie den ganzen Tag nichts, als immer wieder und wieder ihre Goldstücke zählen, die sie in Geldbeuteln verwahrten.
»Meine Herren,« sagte die Wirtin eines Tages zu ihnen, »wie kommt es, dass Ihr trotz Eures Reichthums nichts zur Linderung des allgemeinen Elends thut?«
»Liebe Frau Wirtin,« antwortete der eine von beiden, »wir haben bis nun nichts für die Armen gethan, weil wir fürchteten, von falschen Bettlern betrogen zu werden. Der wirklichen Noth werden wir unsere Thür nicht verschließen.«
Dies Gerücht, dass zwei reiche Fremdlinge gekommen waren, die ihr Gold mit vollen Händen ausstreuen wollten, hatte sich rasch verbreitet, und eine große Menschenmenge belagerte das Haus. Aber anders sahen die Leute aus, als sie hineingiengen, anders als sie herauskamen; Stolz oder tiefe Scham war in ihren Mienen zu lesen.
Die beiden Männer kauften Seelen für den Teufel. Die Seelen der Alten waren zwanzig Goldstücke wert, nicht einen Penny mehr; denn Satan hatte Zeit gehabt, sie nach ihrem wahren Wert zu schätzen. Die Seele einer alten Frau wurde auf fünfzig Goldstücke geschätzt, wenn sie schön, auf hundert, wenn sie hässlich war. Die Seele einer Jungfrau erzielte eine ungeheure Summe: die frischen und reinen Blumen sind am theuersten.
Um dieselbe Zeit lebte in der Stadt ein wahrer Engel an Schönheit, die Gräfin Kathleen O’Shea. Sie war der Abgott des Volkes, die Vorsehung der Armen. Sobald sie erfuhr, dass die Bösewichte aus der allgemeinen Noth Nutzen zogen, indem sie Gott die Herzen abspenstig machten, ließ sie ihren Haushofmeister kommen.
»Patrick,« fragte sie ihn, »wie viel Goldstücke sind in meinen Truhen?«
»Hunderttausend.«
»Wie viel sind meine Juwelen wert?«
»Ebenso viel.«
»Was sind die Schlösser, Wälder und Äcker wert?«
»Noch einmal so viel.«
»Gut, Patrick. Verkaufe alles und bringe mir die Rechnung. Ich will nur dieses Schloss und die dazu gehörigen Äcker behalten.«
In zwei Tagen war der Befehl der frommen Gräfin ausgeführt, und der Erlös wurde je nach ihren Bedürfnissen an die Armen vertheilt. Das passte natürlich dem Bösen nicht, der keine Seelen mehr kaufen konnte. Mit Hilfe eines treulosen Dieners drangen seine beiden Knechte in das Haus der edlen Gräfin ein und raubten ihr, was sie an Gold noch besaß. Vergebens suchte sie den Inhalt ihrer Truhen zu retten, die teuflischen Räuber behielten die Oberhand. Wäre Kathleen imstande gewesen, das Zeichen des Kreuzes zu machen, so hätte sie sie dadurch in die Flucht jagen können. Aber ihre Hände waren gebunden. So gelang der Raub.
Als die Armen von neuem die beraubte Gräfin um Hilfe baten, geschah es vergebens, sie war nicht mehr imstande, ihr Elend zu lindern und musste sie der Versuchung überlassen.
In acht Tagen erwartete man Korn und Futter aus dem Westen. Aber acht Tage sind oft eine Ewigkeit. Eine ungeheure Summe war erforderlich, um bei der Theuerung den Armen zu helfen. Sie mussten entweder Hungers sterben oder ihre Seelen, das reichste Geschenk des gütigen Gottes, für schnödes Geld verkaufen. Kathleen besaß nichts mehr, sie hatte auch ihr Schloss für die Unglücklichen hergegeben.
Zwölf Stunden lang verbrachte sie in Trauer und Thränen, riss sich ihr goldenes Haar vom Kopfe und zerschlug sich die schneeweiße Brust. – Plötzlich erhob sie sich in düsterer Entschlossenheit, von einem Gefühl der Verzweiflung erfasst.
Sie gieng zu den Seelenkäufern.
»Was willst du?« fragten sie.
»Ihr kauft Seelen?«
»Jawohl, eine und die andere, trotz der Gräfin Kathleen O’Shea. Oder ist es vielleicht nicht wahr, du Heilige mit den saphirblauen Augen?«
»Heute will ich Euch ein Geschäft antragen,« erwiderte sie.
»Welches?«
»Ich habe eine Seele zu verkaufen, aber sie ist sehr theuer.«
»Das schadet nichts, wenn sie preiswert ist. Die Seele ist wie der Diamant, je reiner, desto wertvoller.«
»Es ist die meinige.«
Die beiden Abgesandten des Teufels fuhren empor. Die Klauen in den Lederhandschuhen schlossen sich krampfhaft, die grauen Augen funkelten. Die reine, jungfräuliche Seele Kathleens, es war ein unschätzbarer Fang!
»Schöne Jungfrau, was verlangst du dafür?«
»Hundertundfünfzigtausend Goldstücke.«
»Die stehen dir zur Verfügung,« erwiderten die Seelenkäufer und überreichten ihr ein schwarz gesiegeltes Pergament, das sie schaudernd unterschrieb.
Die verlangte Summe wurde ihr ausbezahlt.
Sobald sie nach Hause kam, sagte sie zu ihrem Haushofmeister: »Vertheile das Gold. Es wird reichen, um den Armen über die nächsten acht Tage hinauszuhelfen, und keine einzige ihrer Seelen gehört dem Teufel.«
Dann schloss sie sich in ihr Zimmer ein und gab den Befehl, dass niemand sie stören dürfe.
Drei Tage vergiengen. Sie rief niemand und kam auch nicht aus dem Zimmer hervor.
Da öffnete man die Thür und fand eine Leiche. Der Kummer hatte ihr das Herz gebrochen.
Aber Gott der Herr erklärte den Kauf dieser anbetungswürdigen Seele, die ihre Mitmenschen vor ewiger Verderbnis gerettet hatte, für null und nichtig.
Nach acht Tagen brachten zahllose Schiffe ungeheure Vorräthe von Korn in das fast verhungerte Land.
Die beiden Seelenkäufer verschwanden aus dem Gasthause, ohne dass jemand wusste, was aus ihnen geworden war. Aber die Fischer an der schwarzen See behaupten, dass Lucifer sie in einem unterirdischen Kerker so lange gefangen hält, bis sie ihm die Seele der Gräfin Kathleen O’Shea abliefern. – Doch die ist ihnen für ewig verloren.
[Anna Kellner: Englische Märchen]