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Hakon Borkenbart

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Es war einmal eine Königstochter, die war so stolz und schnippisch, daß kein Freier ihr gut genug war; sie machte sich über alle lustig und gab dem einen nach dem andern einen Korb; dennoch aber kamen immer der Freier genug, weil die Hexe so außerordentlich schön war. Einmal kam auch ein Prinz, mit Namen Haakon Borkenbart, und warb um sie. Aber da sagte die Prinzessinn am Abend zu dem Hofnarren, er solle hingehen, und dem einen Pferd des Prinzen die Ohren abschneiden, und dem andern das Maul bis an beide Ohren aufschlitzen. Das that denn der Hofnarr auch. Als nun der Prinz den andern Tag ausfahren wollte, stand die Prinzessinn auf dem Flur und sah hinaus. »Nein!« sagte sie: »so Etwas hab‘ ich noch mein Lebtag nicht gesehen. Da ist der Nordwind gekommen und hat dem einen Pferd die Ohren abgeweht, und darüber hat das andre so gewaltig gelacht, daß ihm das Maul bis an die Ohren aufgerissen ist«, und damit lief sie hinein und ließ den Prinzen abziehen. Dieser reiste nun wieder nach Hause, aber er dachte bei sich selbst, er wolle sich schon dafür rächen, machte sich einen großen Bart von Moos, zog einen weißen ledernen Rock an und kleidete sich aus wie ein Bettler; dann kaufte er bei einem Goldschmied einen goldnen Rocken, und damit setzte er sich eines Morgens unter das Fenster der Prinzessinn hin und fing an zu feilen; denn der Rocken war noch nicht ganz fertig, auch war noch kein Wocken daran. Als die Prinzessinn ans Fenster kam, öffnete sie es sogleich und fragte ihn, ob er ihr nicht den goldnen Rocken verkaufen wolle. »Nein, zu verkaufen ist er nicht«, sagte Haakon Borkenbart: »aber es mag drum sein! willst Du mich diese Nacht vor Deiner Kammerthür schlafen lassen, so sollst Du ihn haben.« Ja, das, meinte die Prinzessinn, wäre ein wohlfeiler Kauf, und die Sache sei eben nicht so gefährlich. Sie bekam nun den Rocken, und am Abend legte Haakon Borkenbart sich draußen vor ihrer Kammerthür hin. Als es aber auf die Nacht kam, fing er an entsetzlich zu frieren. »Hutetutetutetu! es ist so kalt hier!« rief er: »laß mich bloß hinein!« – »Ich glaube, Du bist verrückt!« sagte die Prinzessinn. »Ach, hutetutetutetu! es ist so kalt! laß mich bloß hinein!« rief Haakon Borkenbart. »Scht! schweig doch still!« sagte die Prinzessinn: »denn hört mein Vater, daß hier eine Mannsperson ist, so bin ich rein unglücklich.« – »Oh hutetutetutetu! wie mich friert! laß mich bloß hinein und auf der Erde liegen!« sagte Haakon Borkenbart. Es war nun kein anderer Rath, die Prinzessinn mußte ihn einlassen, und darauf legte er sich in ihrer Kammer auf die Erde hin und schlief ein.
Einige Tage darnach kam Haakon auch mit dem Wocken und setzte sich wieder unter das Fenster der Prinzessinn hin und fing an zu feilen; denn der Wocken war noch nicht ganz fertig. Sobald die Prinzessinn ihn gewahr wurde, öffnete sie wieder das Fenster und fragte ihn, Was er da hätte. »O, es ist bloß der Wocken zu dem Spinnrocken, den Du mir neulich abkauftest; denn ich dachte, wenn Du doch einmal den Rocken hättest, so könntest Du auch wohl den Wocken dazu gebrauchen.« – »Was willst Du denn dafür haben?« fragte ihn die Prinzessinn. »Für Geld ist er nicht feil«, sagte er: »willst Du mich aber diese Nacht wieder auf dem Boden in deiner Kammer schlafen lassen, so sollst Du ihn haben.« – »Ja, recht gern«, sagte die Prinzessinn: »aber Du mußt auch nicht wieder so frieren und Hutetu! sagen.« Nein, das wollt‘ er auch nicht; aber als es auf die Nacht kam, fing er an zu huppern und zu frieren und hutetu! zu sagen, daß der Prinzessinn wieder angst und bange ward, und sie mußte ihm erlauben, sich an die Erde dicht vor ihrem Bett hinzulegen, damit nur der König es nicht gewahr würde, und da schlief er nun die Nacht über ruhig und wohl.
Hiernach dauerte es eine ganze Zeit, ehe Haakon Borkenbart sich wieder sehen ließ; endlich aber bemerkte die Prinzessinn ihn eines Morgens wieder unter ihrem Fenster, wo er saß und an einer goldnen Garnwinde feilte. Sie fragte ihn nun wieder, Was er für die Garnwinde haben wolle. »Die ist nicht für Geld feil,« sagte er: »aber willst Du mich diese Nacht in Deiner Kammer mit dem Kopf an Deiner Bettstelle schlafen lassen, so sollst Du sie haben.« Ja, das könnte er gern, sagte die Prinzessinn, wenn er bloß ruhig sein und nicht wieder solchen Lärm machen wolle. Nein, das wolle er gewiß nicht, sagte Haakon Borkenbart; als es aber auf die Nacht kam, fing er wieder an zu huppern und zu frieren, daß ihm die Zähne im Munde klapperten. »Hutetutetu! es ist so kalt! laß mich bloß in Dein Bett und mich ein wenig wärmen!« sagte Haakon Borkenbart. »Ich glaube, Du bist verrückt!« sagte die Prinzessinn. – »Hutetutetu! laß mich bloß in Dein Bett hutetutetutetu!« – »Scht! scht! um Gotteswillen! so schweig doch still!« sagte die Prinzessinn: »denn hört mein Vater, daß hier eine Mannsperson drinnen ist, so glaub‘ ich, nimmt er mir das Leben.« – »Hutetutetutetu! laß mich bloß in Dein Bett!« sagte Haakon Borkenbart und fror, daß die Wände bebten. Es war nun kein anderer Rath, die Prinzessinn mußte ihn zu sich ins Bett lassen, und da schlief er nun die Nacht über zufrieden und wohl.
Einige Zeit darnach aber bekam die Prinzessinn ein kleines Kind, und darüber ward der König so zornig, daß er beinahe sie und das Kind dazu umgebracht hätte. Da kam aber eines Tages Haakon Borkenbart als ein Bettler gekleidet, so wie von Ohngefähr, wieder zu dem Schloß und sah in die Küche. Wie die Prinzessinn ihn gewahr ward, sagte sie zu ihm: »Ach, Gott tröste mich wegen des Unglücks, das Du mir verursacht hast! Mein Vater ist so zornig auf mich, daß er aus der Haut fahren will; es ist am besten, Du nimmst mich nur gleich mit Dir.« –
»Du bist es aber wohl zu gut gewohnt«, sagte Haakon Borkenbart: »ich habe aber nur eine ganz kleine Hütte und weiß nicht, wie ich Dich ernähren soll, denn ich habe schon Genug zu thun, um nur allein durchzukommen.« – »Es ist mir ganz einerlei, wie gut, oder wie schlecht Du es hast«, sagte die Prinzessinn: »nimm mich bloß mit Dir, denn bleibe ich hier noch länger, so nimmt mein Vater mir gewiß das Leben.« Da nahm denn der Bettler sie und das Kind mit sich; aber sie hatten einen sehr weiten Weg, und der Prinzessinn kam das Gehen außerordentlich sauer an. Als sie nun aus dem Reich ihres Vaters in ein andres Land kamen, fragte die Prinzessinn den Bettler: »Wem gehört dieses Reich?« –
»O, das gehört Haakon Borkenbart«, sagte der Bettler.
»So!« sagte die Prinzessinn: »ja, ich hätte ihn nehmen sollen, dann hätt‘ ich nicht nöthig gehabt, nun als eine Bettlermädchen hier zu gehen.«
Und so oft sie zu einem schönen Schloß, oder Wald, oder Gehöft kamen, fragte die Prinzessinn immer: »Wem gehört das?« – »O, das gehört Haakon Borkenbart«, sagte dann der Bettler immer. Und die Prinzessinn weinte und jammerte beständig, daß sie nicht ihn genommen hatte; aber nun war es zu spät. Endlich kamen sie zu einer kleinen Hütte, die lag dicht an einem Walde, und das, sagte der Bettler, wäre seine Wohnung. Von der Hütte aus konnte man in der Ferne das Königsschloß sehen, und da, sagte der Bettler, wolle er sich Arbeit suchen, denn er wäre da schon bekannt; und nun ging er jeden Tag nach dem Schloß und haute Holz und trug dem Koch das Wasser zu, wie er sagte, und wenn er dann des Abends zu Hause kam, brachte er immer ein wenig Essen mit, aber das reichte nicht sehr weit.
Eines Abends, als er vom Schloß zurückkam, sagte er: »Morgen werde ich zu Hause bleiben und das Kind warten, Du aber mußt nach dem Schloß gehen; denn der Prinz hat gesagt, Du solltest mit beim Backen helfen.« –
»Ach, wie soll ich wohl beim Backen helfen?« sagte die Königstochter: »das verstehe ich nicht, denn das hab‘ ich in meinem Leben noch nicht gethan.« –
»Du mußt aber doch hingehen«, sagte Haakon Borkenbart: »weil der Prinz es so befohlen hat. Kannst Du auch nicht backen, so kannst Du es ja lernen; Du mußt nur gut zusehen, wie die Andern es machen, und wenn Du weggehst, dann nimm heimlich ein paar Brode mit.«
»Nein, stehlen kann ich nicht«, sagte die Königstochter.
»Du mußt es lernen«, sagte Haakon Borkenbart: »denn Du weißt wohl, wir haben es nur knapp; nimm Dich aber ja vor dem Prinzen in Acht, denn der hat seine Augen überall.«
Als sie gegangen war, lief Haakon einen Richtweg, so daß er noch lange vor ihr auf dem Schloß ankam; dort warf er seine Lumpen und seinen Moosbart ab und zog wieder seine Prinzenkleider an.
Die Königstochter half nun mit beim Backen, und als sie fertig war, that sie, wie Haakon ihr gesagt hatte, und steckte sich alle Taschen voll Brode. Als sie aber am Abend nach Hause gehen wollte, sagte der Prinz:
»Dieses Weib kennen wir nicht so recht; daher ist’s am besten, wir sehen nach, ob sie nicht Etwas genommen hat.«
Damit untersuchte er alle ihre Taschen, und als er darauf die Brode fand, ward er entsetzlich böse und hielt furchtbar Haus. Die Königstochter weinte und flehte und sagte: »Mein Mann hatte es mir geheißen; da mußt‘ ich es denn wohl thun.« –
»Ja, es sollte Dir schlimm gehen«, sagte der Prinz: »aber um Deines Mannes willen mag es Dir vergeben sein.«
Als sie gegangen war, warf Haakon schnell seine Prinzenkleider ab, zog wieder seinen ledernen Rock an und klebte sich auch wieder den Moosbart ins Gesicht, und eh‘ sie noch in der Hütte ankam, war er schon da und wartete das Kind. »Ja, Du hast mich verleitet, Etwas zu thun, das mich gereut«, sagte sie: »es war das erste Mal, das ich gestohlen habe, aber es soll auch das letzte Mal sein«, und damit erzählte sie ihm, wie es ihr ergangen war, und Was der Prinz gesagt hatte.
Einige Tage darnach, als Haakon am Abend wieder vom Schloß zurückkam, sagte er: »Morgen werde ich zu Hause bleiben und das Kind warten, denn Du sollst wieder auf das Schloß und beim Schlachten und Wurstmachen helfen.« –
»Ach, wie soll ich wohl Wurst machen?« sagte die Königstochter: »das versteh‘ ich nicht; essen kann ich wohl die Wurst, aber gemacht hab‘ ich sie noch nie.«
Haakon aber sagte, sie müsse durchaus hin, weil der Prinz es so befohlen hätte; sie sollte nur gut Acht geben, wie die Andern es machten, sagte er, und wenn sie wegginge, sollte sie heimlich ein paar Würste mitnehmen. »Nein, stehlen kann ich nicht wieder«, sagte sie: »denn Du weißt wohl, wie es mir das letzte Mal ging.« – »Du mußt es lernen«, sagte Haakon: »es ist nicht gesagt, daß es allemal schlecht geht.« Als sie gegangen war, lief Haakon Borkenbart den Richtweg und kam noch lange vor ihr auf dem Schloß an; dort warf er schnell seinen ledernen Rock und seinen Moosbart ab, und als sie in der Küche ankam, stand er schon da in seinen Prinzenkleidern. Die Königstochter half nun mit beim Schlachten und Wurstmachen, und als sie damit fertig war, that sie, wie Haakon ihr gesagt hatte, und stopfte sich alle Taschen voll Würste. Wie sie aber am Abend nach Hause gehen wollte, sagte der Prinz:
»Dieses Bettlerweib machte neulich lange Finger; darum ist’s am besten, wir sehen nach, ob sie nicht wieder Etwas stipitzt hat«, und damit fing er an, alle ihre Taschen zu untersuchen. Wie er nun die Würste fand, ward er gewaltig böse, hielt eine entsetzliche Wirthschaft und drohte ihr, er wolle sie zu dem Dorfrichter schicken.
»Ach Gott, nein! laßt mich nur gehen!« sagte sie: »denn mein Mann hatte es mir geheißen«, und weinte und jammerte ganz gewaltig.
»Es sollte Dir eigentlich schlimm gehen«, sagte Haakon Borkenbart: »aber um Deines Mannes willen mag es Dir vergeben sein.«
Als sie gegangen war, warf der Prinz schnell seine Kleider ab und hüllte sich wieder in seine Lumpen, lief dann den Richtweg, und als sie nach Hause kam, war Haakon schon in der Hütte. Sie erzählte ihm, wie es ihr gegangen war und gelobte hoch und theuer, es solle das letzte Mal sein, das sie gestohlen hätte.
Einige Zeit darnach, als Haakon eines Abends wieder vom Schloß zurückkehrte, sagte er: »Nun will der Prinz Hochzeit halten; aber die Braut ist krank geworden, so daß der Schneider ihr nicht das Maß zu dem Brautkleid nehmen kann; und darum will der Prinz, daß Du auf’s Schloß kommst und Dir statt seiner Braut das Maß nehmen lässest, denn er sagt, Du gleichest ihr im Wuchs und in Allem. Wenn man Dir aber das Maß genommen hat, so geh nicht gleich fort, sondern gieb Acht, wie der Schneider das Zeug zuschneidet, und dann stipitze heimlich die größten Stücke und bring‘ sie mit zu einer Pickelhaube für mich.« –
»Nein, stehlen kann ich nicht«, sagte sie: »Du weißt wohl, wie es mir das letzte Mal ging.« – »Du mußt es lernen«, sagte er: »es ist nicht gesagt, daß es immer schlecht abläuft.«
Sie meinte zwar, es wäre ein schlimmes Ding, aber that doch, wie er ihr gesagt hatte, stipitzte einige von den größten Stücken und steckte sie in die Tasche. Als sie gehen wollte, sagte der Prinz: »Wir müssen doch nachsehen, ob das Weib auch nicht diesmal wieder lange Finger gemacht hat«, und damit untersuchte er alle ihre Taschen, und wie er nun die gestohlenen Sachen fand, ward er so zornig und machte einen solchen Lärm, daß es gar nicht zu sagen ist. Die Königstochter weinte und bat und sagte: »Ach, mein Mann hatte es mir geheißen; darum mußte ich es wohl thun.« –
»Ja, es sollte Dir schlecht gehen, aber um Deines Mannes willen mag es Dir vergeben sein«, sagte Haakon Borkenbart; und nun ging es wieder eben so, wie die vorigen Male: als die Königstochter nach der Hütte kam, war Haakon Borkenbart schon wieder da. »Ach, Gott steh mir bei!« sagte sie: »ich werde doch zuletzt noch unglücklich um Deinetwillen; denn Du willst mich immer zu Dem haben, was nicht taugt. Der Prinz war diesmal so bitterböse, daß er mir mit dem Dorfrichter und dem Zuchthaus drohte.«
Einige Zeit darnach sagte Haakon, als er abends vom Schloß zurückkam. »Nun will der Prinz, daß Du auf’s Schloß kommen und die Braut vorstellen sollst, denn die rechte Braut ist noch immer krank und bettlägerig; aber Hochzeit will der Prinz nun einmal halten, und er sagt, Du gleichest seiner Braut so sehr, daß Keiner Euch von einander unterscheiden könne. Halt Dich also bereit, morgen aufs Schloß zu gehen.« –
»Ich glaube, Ihr habt beide Euern Verstand verloren, sowohl Du, als der Prinz«, sagte sie: »Sehe ich denn darnach aus, daß ich eine Braut vorstellen kann? Kein Bettlerweib kann ja ärger aussehen, als ich.« –
»Einerlei! der Prinz will es aber einmal so haben«, versetzte Haakon Borkenbart, und es war nun kein anderer Rath, sie mußte fort, und als sie aufs Schloß kam, wurde sie so aufgeputzt und herausstaffirt, daß keine Prinzessinn stattlicher aussehen konnte. Darauf gingen sie zur Kirche, und sie stellte die Braut vor, und als sie zurückkamen, gab es Musik und Tanz und lauter Lustbarkeit auf dem Schloß. Wie aber die Königstochter mit dem Prinzen im besten Tanzen war, sah sie einen hellen Schein durch das Fenster, und wie sie hinblickte, da stand die Hütte in Feuer und Flammen.
»Ach! die Hütte! und der Bettler! und mein Kind!« rief sie und sank beinahe in Ohnmacht.
»Hier ist der Bettler! und da ist Dein Kind!« sagte Haakon Borkenbart: »und laß dann die Hütte zum Teufel sein!« Da erkannte die Königstochter ihn wieder, und nun ging erst die rechte Lust an. Nachher aber habe ich Nichts weiter von ihnen gehört.

[Norwegen: P. [C.] Asbjørnsen/Jörgen Moe: Norwegische Volksmärchen]

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