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Heckenröschen

1.5
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Noch heute erinnern sich viele Bewohner meiner geliebten steirischen Heimat gerne an die drei Wildfrauen Urschl, Bärbel und Bertha, auch wenn diese schon lange keinem mehr, außer mir und….., erschienen sind. Sehr schön und liebreizend, so erzählte man mir, sollen sie gewesen sein, in weißen,
im Ganzen gewobenen, langen Kleidern, und ihre blonden Haare trugen sie entweder in kunstvoll geflochtenen Zöpfen, oder sie ließen diese, in goldener Fülle, frei und lang, über Nacken und Schultern wallen.
Die Wildfrauen waren allen fleißigen Bewohnern wohlgesinnt, und ihre Anwesenheit brachte Glück und Wohlstand unter die Bauersleute.
Urschl schüttete ihren Segen über alle Früchte des Feldes, sowie über Haus und Hof aus, und Bärbel
sorgte bei ihren Schützlingen für häuslichen Segen und Familienglück.
Bertha dagegen half den jungen Mädchen bei Arbeiten wie Brotbacken, Spinnen und Weben.
Jedoch im Besitz ihrer Gunst und Geschenke blieb man nur so lange, wie man sich an die Gebote der Frauen hielt und reiner Gesinnung war.
Vor Zeiten lebten in unserem Lande ein reicher Bauer und eine Bäuerin. Viele Jahre lang waren sie schon miteinander verheiratet, aber sie hatten noch immer kein Kind, und das stimmte sie traurig.
Als die Bäuerin eines Tages, wegen ihres Kummers, weder ein noch aus wusste, stieg sie den Berg hinan, zur Höhle der Holden Frauen, um diese um deren Hilfe zu bitten.
Freundlich wurde sie von den Dreien empfangen und, nachdem sie ihnen ihr Leid geklagt hatte, tröstete sie Bertha und sprach:
„Dein Herzenswunsch soll dir erfüllt werden und ehe ein Jahr vergangen ist, wirst du ein Töchterchen zur Welt bringen. Erziehe es gut und lade uns zu seinem siebenten Geburtstag ein, damit wir sehen, was aus ihm geworden ist.“
Wie es Bertha der Bäuerin versprochen hatte, so geschah es auch, und die Frau gebar innerhalb eines Jahres ein Mädchen, das mit seinen blauen Augen und goldenen Härchen so lieblich anzusehen war, dass sie es Röschen nannten, damit ihr Kindlein, wie sie in ihrer Freude bereits zu sehen glaubten, so schön, wie die Prinzessin der Blumen würde.
Äußerlich erfüllte sich ihr Wunsch, jedoch, sie verhätschelten und verwöhnten, ihr Töchterchen allzu sehr, sodass dieses alsbald von allen, welche es kannten, entweder Hunds- oder Heckenröschen genannt wurde.
Nur mit einem der Jungen in ihrer Umgebung verstand sich Röschen gut, einem früh verwaisten Keuschlersbuben, der mit seinem Großmütterchen in einer kleinen Waldkeusche oberhalb des großen Bauernhofes wohnte.
Er war es auch, der das Mädchen in die Geheimnisse von Pflanzen und Tieren einführte, und Röschen brachte ihm bisweilen ein Stück vom frischgebackenen Striezel mit, damit Hansl seinen Hunger stillen konnte.
Jedoch wieder nach Hause zurückgekehrt, ließ sich Röschen von den Mägden und Knechten ihrer Eltern verwöhnen und dachte nicht einmal im Traume daran, bei der Arbeit selbst Hand anzulegen.
So näherte sich des Mädchens siebenter Geburtstag, und die Bäuerin erinnerte sich daran, was Bertha, eine der drei Wildfrauen, ihr, vor fast acht Jahren, zum Abschied gesagt hatte:
„Erziehe es gut und lade uns zu seinem siebenten Geburtstag ein, damit wir sehen, was aus ihm geworden ist.“
Einen Tag vor dem Feste,
holte sie Röschen zu sich und erzählte ihm alles, woran sie sich noch erinnern konnte. Das Mädchen hörte ihr ungeduldig zu, um danach auszurufen:
„So eine Frechheit von Bertha, der Wildfrau! Nein Mutter! Entweder, du lädst zu meinem Geburtstagsfeste nur Urschl und Bärbel ein, oder….!“
Was hättet ihr denn getan?
Schweren Herzens beugte sich die Bäuerin dem Druck ihres Kindes, und damit begann das Unglück!
Am nächsten Tage, stand die Bäuerin gerade beim Herd und buk Krapfen. Der Bauer, die Knechte und die Mägde machten sich im Stalle und am Hofe zu schaffen und warteten auf der Bäuerin Ruf, aufzuhören.
Röschen saß gerade auf der Hofbank und dachte darüber nach, wie viele Krapfen sie wohl, nach der Feier, Andreas hinaufbringen werde, als sich ihr zwei Frauen näherten. Schön und liebreizend waren beide anzuschauen, in weiße, im Ganzen gewobene, lange Gewänder gekleidet, und ihre blonden Haare wallten in goldener Fülle, frei und lang, über Nacken und Schultern. „Röschen, wir danken dir für die Geburtstagseinladung“, sprachen sie, „und gewähren dir Schutz und Segen für Haus, Hof und Familie.“ Kaum jedoch hatten sie so zu Ende gesprochen, als Bertha, die dritte der drei Wildfrauen erschien.
Sie wollte sich dafür rächen, dass sie nicht eingeladen worden war, und rief mit zorniger Stimme:
„Da du mich nicht eingeladen hast, mich, die Wildfrau, welche den jungen Mädchen Arbeiten, wie Brotbacken, Spinnen und Weben, lehrt und ihnen auch dabei hilft, so sollst du, deine Familie, ja der ganze Hof, wegen deiner Undankbarkeit und Faulheit, in einen tiefen Zauberschlaf verfallen.
Wenn sich aber ein Menschenkind mit lauterem Herzen, an deinem einundzwanzigsten Geburtstage, noch deiner erinnert, so kann es, wenn du dich geläutert hast, diesen Zauber lösen. Ansonsten wird er wohl ewig andauern!“
Ja, so rief Bertha, die erzürnte Wildfrau und verschwand. Augenblicklich versank Röschen, auf der Hofbank, in einen tiefen Schlaf.
Auch die Bäuerin, welche gerade beim Herd stand und Krapfen buk, der Bauer, welcher sich im Stalle zu schaffen machte, und die Knechte und Mägde im Stalle und Hofe, verfielen allsogleich in einen Zauberschlaf.
Vergeblich wartete Hansl,
der Keuschlersbub am vereinbarten Treffpunkt auf Röschen.
Es kam und kam nicht, und so stieg er hinab zum großen Bauernhofe und sah, was ich euch bereits erzählt habe.
Tieftraurig,
und alles nicht begreifend, erinnerte er sich der drei Wildfrauen und beschloss, diese um ihren Rat zu bitten.
Schnell stieg er den Berg hinauf bis zu der Höhle der Holden Frauen. Freundlich wurde das Bürschchen von den Dreien empfangen und, nachdem es ihnen sein Leid geklagt hatte, sprach Bertha:
„Hättest du nicht für deine Freundin gebeten, so würde ihr Zauberschlaf wohl ewig andauern.
Jedoch solltest du dich noch, an Rösleins einundzwanzigsten Geburtstag, ihrer erinnern, und sie zur Mittagsstunde aufsuchen, so soll der Zauber gelöst sein, jedoch nur, wenn sich Röschen auch bis dahin geläutert hat, und nicht mehr undankbar und faul ist.
Ansonsten wird der Zauber wohl bis in alle Ewigkeit andauern!“ Traurig bedankte sich Hansl bei den drei Wildfrauen und stieg wieder ins Tal hinab.
So verging ein Jahr nach dem anderen. Rings um den Bauernhof begann eine Heckenrosenhecke zu wachsen, die jedes Jahr höher wurde und bald war von dem ganzen Anwesen nichts mehr zu sehen.
Den schlafenden Bauern und Knechten wuchsen im Laufe der Jahre lange graue Bärte und auch die Haare der Bäuerin und der Mägde wurden mit der Zeit immer weißer.
Auf der Hofbank schlafend, blühte Röschen zu einer schönen Jungfrau heran, und ihre goldenen Haare umhüllten sie wie einen Mantel und schützten sie vor Hitze und Kälte.
In den Jahren war auch Hansl, der Keuschlersbub, zu einem stattlichen Jüngling herangewachsen. Längst schon hatte er sich von seiner Großmutter verabschiedet und war in die weite Welt hinausgezogen, um etwas Nützliches zu lernen. Niemals jedoch hatte er, in der Fremde, auf Röschens Geburtstag vergessen, und als sich die Zeit ihres einundzwanzigsten Wiegenfestes näherte, zog es ihn wieder in die Heimat zurück.
Seine Keusche fand er verfallen, und seine liebe Ahne, ja, die ruhte schon lange auf dem Kirchhof bei der kleinen Bergkirche. Traurig pflückte er für seine Großmutter Almrausch, Kuckuckslichter und Enzian und schmückte ihr bislang verwaistes Grab mit dem Blumensträußchen.
Darnach stieg er wieder hinauf zu jenem Orte, wo er seine Kindheit verbracht hatte, legte sich ins weiche Moos und schlief traumlos ein.
Am folgenden Tage stieg er zum Bauernhofe ab und fand das Anwesen fast nicht mehr, denn so überwachsen war es von der Hundsrosenhecke.
Er legte sich davor ins Gras, um die Mittagsstunde abzuwarten, und erinnerte sich daran, was ihm Bertha, die Wildfrau, vor Jahren versprochen hatte. „Solltest du dich noch an Rösleins einundzwanzigsten Geburtstag ihrer erinnern“, so hatte sie gesagt, „und sie zur zwölften Stunde aufsuchen, so soll der Zauber, falls sich Röschen auch bis dahin geläutert hat und nicht mehr undankbar und faul ist, gelöst sein.
Ansonsten wird der Zauber wohl ewig andauern!“ Als die ferne Dorfuhr die Mittagsstunde schlug, erhob er sich und schritt, voller Zuversicht, ein Liedlein pfeifend, der Hundsrosenhecke zu, Wahrhaftig!
Als er sich den Dornen näherte, bogen sich diese von selbst auseinander und ließen den Jüngling unbehelligt hindurch.
Er schritt durch das Hoftor und stand, nach wenigen Schritten, vor dem schlafenden Röschen.
Betroffen von ihrer Schönheit, beugte er sich zu ihr nieder und küsste sie auf den Mund.
Da erwachte Röschen und schlug seine Augen auf. „Wie lange habe ich denn geschlafen?“, frug es den Hansl und umhalste ihn sogleich.
„Nun muss ich aber schnell in die Küche gehen, um der Mutter zu helfen,
da doch heute die drei Wildfrauen zu meinem Geburtstagsfeste kommen.“ Und im selben Augenblick, als sie vom Helfen und den drei Wildfrauen gesprochen hatte, erwachten auch die Bäuerin, welche gerade beim Herd stand und Krapfen buk, der Bauer, welcher sich im Stall zu schaffen machte, und die Mägde und Knechte in Hof und Stall.
War das eine Freude!
Es wurde aber nicht nur Röschens einundzwanzigster Geburtstag gefeiert, sondern zugleich auch ihre Verlobung mit Hans, dem Keuschlersbuben.
Die
drei Wildfrauen, Urschl, Bärbel, Bertha, und ich, waren natürlich dazu ebenfalls eingeladen und bei der bald folgenden Hochzeit gab es soviel zu essen und zu trinken, dass ich mich bis heute noch nicht davon erholt habe.

Quelle: Märchenklaus

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