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Henry im Stress

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Hase Henry ist kein gewöhnlicher Hase, sondern ein geborener Osterhase. In diesem Jahr darf er zum ersten Mal süße Überraschungen für die Kinder verstecken. Dafür benötigt man eine richtige Ausbildung, jawohl, da kann nicht jeder einfach drauflos hoppeln. Aber der Reihe nach:

Zuerst müssen alle Osterhasen in die Spezialschule gehen. Ohne Rechnen und Lesen wüssten die Langohren nämlich nicht, zu welchem Kinde wie viel Eier gebracht werden. Henry paukte wie verrückt. Er wollte so schnell es ging seine Arbeit machen. Aber erst kam noch ein Studium in der Osterwerkstatt dran. Hier gefiel es ihm schon besser. Aus langen, biegsamen Ruten flochten die Hoppler große und kleine Tragekiepen. Darin ließen sich die empfindlichen bunten Eier prima transportieren. Wirklich nicht so leicht, die Gerten haltbar miteinander zu verbinden.
Viel lustiger ging es in der Färberei zu. Jede Menge Unsinn stellten die Hasenlehrlinge dort an. Sie betupften sich heimlich gegenseitig, jagten mit tropfendem Farbpinsel hintereinander her und einer plumpste sogar in den großen roten Farbkübel. Als klecksendes Hasengespenst kroch er schimpfend aus dem glitschigen Zeug. Seine Gefährten hielten sich vor Lachen die Bäuche. Das Kleckerhäschen stürzte sich wütend auf Henry. Dieser sprang fix zur Seite, der Wüterich stolperte und landete in einem Korb Hühnereier. Es krachte und knirschte entsetzlich, kein einziges Ei blieb heil. Mitten im glibberigen Rührei zappelte das rote Kerlchen.

Letzter Teil ihrer Osterhasenausbildung fand in der Schokoladenabteilung statt. Hier entstanden die leckeren Schokohasen. Schokoladenosterhasenmeister Löffel passte sehr genau auf, dass seine Schüler ja nicht am Schokoladenmus herumnaschen. Die kleinen Schlaumeier aber tricksten ihren Lehrer geschickt aus und schleckerten, bis sie Bauchweh bekamen. Zum Ende ihrer Ausbildung erhielten alle eine offizielle Ostereierversteckerlaubnis. Henry platzte beinahe vor Stolz, als er sein Zeugnis den Eltern vorzeigte. Endlich war er ein echter Osterhase und ganz viel Arbeit wartete nun auf ihn.

Am nächsten Morgen fuhr er mit dem Fahrrad zum Bauern frische Eier kaufen. Dazu besorgte er noch Pinsel und Farbpulver. In seinem eigenen Atelier begann er sofort zu werkeln. Er entwarf lustige Muster, mischte Farben zusammen und schnitzte freche Holzhäschen. Wenige Tage nur noch bis zum Osterfest, da muss er sich aber mächtig ranhalten. Sein Auftrag vom Eieroberverstecker lautete nämlich, dass er für viele brave Kinder je zehn Eier bepinseln und dann auch noch raffiniert verstecken sollte. Tag und Nacht schuftete Henry, gönnte sich keinen Schlaf und vergaß zeitweise sogar zu essen. Aber er schaffte es alles rechtzeitig fertig zu stellen, und sah selber wie ein großes buntes Osterei aus. Bevor Henry etwas ausruhen konnte, belud er das Eiermobil bis obenhin und legte die ellenlange Verteilerliste bereit, um bei Anbruch der Nacht mit seiner Versteckerei beginnen zu können. Bis Sonnenaufgang mussten alle Geschenke verteilt sein, sonst gab es gewaltig Ärger mit dem Chef.

Feierlich zog Henry seine gestreifte Sonntagshose an, band eine grün gepunktete Fliege um, striegelte die Schnupperhaare und machte sich auf den Weg. Er bibberte vor Aufregung, wird er auch alles richtig machen? Schließlich ist es sein erster Einsatz als Berufsosterhase. Im Eiermobil ratterte er durch die finstere Nacht. Ausgerechnet heute schien der Faulpelz von Mond keine Lust zur Pflichterfüllung zu haben. Zum Glück befand sich am Mobil eine starke Taschenlampe. Ups, fast wäre er am ersten Einsatzort vorbei gesaust. Flink hüpfte er hinaus, versteckte alles prima im Garten und weiter ging es. Hoffentlich hatten die Menschen Türen oder Fenster offengelassen, denn nicht jeder besaß einen so schönen Garten.
Jesses, was ist denn nun los? Das Eiermobil war stehen geblieben und rührte sich keinen Zentimeter mehr vom Fleck. Henry stieg aus, schaute nach, ob etwas kaputt sei, aber es schien alles in Ordnung zu sein.

,,Wuff, hast du Probleme“, fragte plötzlich jemand aus der Dunkelheit.
,,He, … wer ist denn da? Was willst du von mir?“, fragte Henry argwöhnisch.
Auf einmal stand ein großer schwarzer Hund vor dem zitternden Hasen.
,,Hör auf zu schlottern, ich tue dir doch nichts. Mein Name ist Rappelzappel und ich will bloß helfen.“
,,Ach so“, atmete der Osterhase erleichtert auf, ,,ich glaube mein Benzin ist alle. Weißt du, wo man jetzt welches bekommt?“
,,Klar, komm! Schieben wir deine Karre zur Mühle da vorne, dort wohne ich.“
Mit vereinten Kräften schoben sie keuchend das schwer beladene Ostereiermobil bis auf den Hof.
,,Miau, was geht denn hier ab?“, fauchte misstrauisch die Katze Zickelzackel.
,,Reg dich wieder ab“, knurrte der Hund, ,,ist der Osterhase in Not, da müssen wir ihm doch wohl helfen!“
,,Miau, das ist selbstverständlich Ehrensache.“
Hund und Katze versorgten das Mobil mit Sprit aus des Müllers Lastauto.
,,Das finde ich supernett von euch“, bedankte sich der Hase.
,,Halt, halt, miau! Du musst natürlich dafür bezahlen!“
,,Wie, was, aber wieso denn?“, möchte Henry verdattert wissen.
,,Hm, das interessiert mich jetzt auch mal“, mischte sich der Kläffer ein.
,,Ganz einfach“, grinste die Mieze, ,,wir wollen mit und auch Eier für die kleinen Racker verstecken.“
,,Ja hat man so was schon gesehen? Eine Katze und ein Hund die Ostereier verteilen? Da lacht sich doch der Keks krümelig!“
,,Na und! Die Kleine hat recht, wir wollen mitmachen“, ereiferte sich Rappelzappel.

So quetschten sich alle Drei ins Eiermobil, um die Verteilerliste gemeinsam abzuarbeiten. Die Katze las Namen und Adressen vor, der Hund trug die Geschenke an Ort und Stelle, verstecken durfte aber ausschließlich der Osterhase. Bald merkten sie, dass es so viel schneller voranging. Einmal aber, musste Rappel das Langohr vor einem wütenden Boxerrüden beschützen. Der verwehrte dem Hasen, böse knurrend, den Zutritt zum Haus, fletschte gefährlich die Zähne, drohte mit funkelnden Augen und gebärdete sich wie toll. Augenblicklich eilte Rappelzappel zu Hilfe, drängte den Angeber kraftvoll zurück und zeigte deutlich, wer das Sagen hat. Aber auch hier lieferten sie schließlich alles ordnungsgemäß ab. In einem anderen Fall wäre Henry beinahe erwischt worden. Gerade legte er das blaugelbe Ei ab, als plötzlich ein schlaftrunkenes Kind auftauchte. In letzter Sekunde hechtete der Hase auf das Sofa und verkroch sich zitternd hinter dem Kissen. Der Knabe verschwand bald wieder und Henry stellte entsetzt fest, dass er vor lauter Angst eine Pfütze hinterlassen hatte. Oh je, wie peinlich, wenn das bloß niemand erfährt. Hoffentlich verplappert er sich nicht selber mal. Die ganze Osterhasensippe würde sich doch über ihn schlapp lachen.
,,Warum hast du diesmal so lange benötigt?“, fragte Miezekätzchen neugierig.
,,Ach, es war nichts weiter. Ich hatte nur riesigen Durst und habe etwas Wasser getrunken“, flunkerte Henry knallrot werdend.

Der Hase fühlte sich langsam abgeschlafft und er war wirklich froh, dass Hund und Katze fleißig mithalfen.
Die Sonne erwachte gerade, als endlich das allerletzte Ei versteckt war. Müde aber sehr zufrieden tuckerte das leere Eiermobil nach Hause. An der Mühle stiegen Zickelzackel und Rappelzappel aus. Bevor Henry weiter fuhr, bedankte er sich herzlich bei seinen emsigen Helfern. Doch stellt euch mal vor, die wollen nächstes Jahr dem Langohr auch wieder helfen.
,,Na ja, vielleicht“, meinte der Osterhase ausweichend und ratterte schleunigst davon.

Daheim schloss Hase Henry sein wunderbares Ostereiermobil in der Garage ein und schlief erst einmal ganz, ganz lange.

 
Ulla Magonz

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