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Märchenbasar

Mär von einem gescheiten Manne

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Ein Mann hatte viele Kinder, und was er auch arbeitete, die Kinder konnte er doch nicht sättigen. Er ging als Hirte zu einer Schafherde. Sein Herr sagte ihm, es käme jeden Abend ein Riese und stehle ein Schaf. Wenn er sich verpflichte, so zu sorgen, daß er keines stehlen könne, so gäbe er ihm den vierten Teil der Herde. Der Hirte machte sich ein Feuer unter einer Tanne und wärmte sich, ließ aber nicht ein Auge von den Schafen. Alles blieb ruhig bis gegen Mitternacht. Da wurde der Hund unruhig, und er sah den Riesen kommen. Er stand auf, ging ihm entgegen und gab ihm einen guten Abend, sagte dann, es sei ihm nicht erlaubt, ein Schaf zu stehlen. »Wie sollt‘ es mir nicht erlaubt sein, ich bin doch viel stärker als du. Oder kannst du einen Stein pressen, daß Wasser herausfließt?« – »Wie sollt‘ ich nicht, sieh nur her.« Der Hirte nahm aber nicht einen Stein, sondern einen Käse und preßte ihn, daß die Milch herausfloß. Der Riese wunderte sich sehr über solche Kraft und fragte ihn, ob er ihm dienen wolle? »Ja, ich will, warte nur ein wenig, bis ich meine Schafe heimgetrieben, damit meine Kinder was zu essen haben.«
Zuerst führte er die ganze Herde zu seinem Herrn, und als dieser sah, daß nicht eines fehlte, freute er sich und gab ihm den vierten Teil. Er bedankte sich und schickte sie nach Hause, er selbst ging dem Riesen nach in Dienst. Als er in sein Haus kam, gab ihm dieser zwei Büffelhäute, er solle darin Wasser aus dem Brunnen bringen. Aber ach, waren die schwer, daß er sie leer kaum tragen konnte, und erst mit Wasser! »Oh, ich Armer, was soll ich machen? Ich will etwas versuchen, habe immer gehört, die Riesen wären ein wenig dumm.« Er zog sein Messer aus der Tasche und fing an am Brunnen zu schneiden. Der Riese wußte nicht, was der Knecht so lange beim Brunnen mache, und ging, um nach ihm zu sehen. »Was machst du, daß du nicht mehr mit dem Wasser kommst?«
»Sieh, ich will den Brunnen herausnehmen, immer nur mit zwei Büffelfellen um Wasser gehen, ist ja doch zu wenig.« Der Riese erschrak, wenn der Knecht den ganzen Brunnen ins Haus trage, würden sie alle ertrinken, und sagte: »Laß nur sein, ich trage auch weniger, der Brunnen ist noch von meiner Großmutter, und meiner Mutter würde es leid um ihn sein, wenn wir ihn von dort wegnähmen. Aber geh du in den Wald und bring eine Eiche, daß wir Feuer machen.«
Der Knecht dachte wieder: »Wie kann ich wohl diesen dummen Kerl noch betrügen, denn ich bin um die Welt nicht stark genug, eine ganze Eiche zu tragen.« Er nahm sich einige Ranken von der Waldrebe und ging in den Wald. Der Riese mit seiner Mutter wartete lange Zeit, das Feuer verlosch, aber der Knecht kam nicht. »Du Kind, so geh doch bis in den Wald, und sieh ein wenig, was macht dieser Mann, ich fürchte, er fängt wieder die Arbeit einfältig an.« Gut. Er ging, und wie er an den Waldesrand kam, sah er die Eichen alle mit Waldrebenranken gebunden. »Du Mensch, was machst du denn, daß du nicht mehr nach Hause kommst?«
»Schau, ich will die Eichen alle mit der Wurzel herausziehen, damit ich den Wald auf einmal nach Hause trage und nicht um jeden einzelnen Baum kommen muß.« Wieder erschrak der Riese und fürchtete, er werde ihm das Haus anzünden, und sprach: »Laß den Wald in Ruhe, ich will schon selbst eine Eiche herausnehmen und sie nach Hause tragen.« Er zog eine heraus und trug sie wie einen Besen auf dem Rücken.
Nun beriet er mit seiner Mutter, wie sie diesen starken Knecht aus dem Hause bekommen könnten, denn sie fürchteten, er werde ihnen doch einmal einen starken Schaden antun. »Geh in der Nacht und schlag ihn auf den Kopf«, sagte seine Mutter. Der Knecht dachte sich so was, oder wird er auch zugehört haben; als er schlafen ging, legte er sich unters Bett und legte ins Bett einen Holzklotz. Um Mitternacht kam der Riese leise mit einem dicken Schlägel und hieb auf den Holzklotz ein, daß die Späne flogen. »Nun, meine Mutter, dieser ist tot. Die Knochen flogen alle heraus.« Er legte sich beruhigt nieder, weil er sich von dem argen Knecht befreit glaubte.
Am Morgen kam der Knecht fröhlich herbei, wünschte einen guten Morgen seinem Herrn und fragte, was er arbeiten solle. Der Riese war entsetzt und fragte ihn, ob er in Frieden geruht? »Ich hätte wohl Ruhe gehabt, doch war es mir, als ob mich jemand gejuckt.« Dann fing der Riese an ihm zu sagen, es sei jetzt keine Arbeit mehr, er könne nach Hause gehen, seinen Lohn fürs ganze Jahr, einen Sack voll Dukaten, werde er ihm selbst nach Hause tragen. Dies freute den Knecht sehr. Der Riese aber wollte den Sack deshalb selbst tragen, um zu sehen, wo der Knecht wohne, um dann in der Nacht den Sack wieder stehlen zu können. Der Knecht lief aber voraus zu seinen Kindern und lehrte sie, wenn der Riese in die Nähe käme, sollten sie rufen: »Wir essen Menschenfleisch, wir essen Menschenfleisch.« Der Riese kam keuchend mit dem schweren Sack auf dem Rücken, wie er ganz nahe war, hörte er die Kinder schreien: »Wir essen Menschenfleisch, wir essen Menschenfleisch.« Als er diese Worte hörte, warf er den Sack auf die Erde und floh und kehrte nicht mehr um. Gott behüte. Der Knecht aber und seine Kinder lebten gut und hatten zu essen, so viel sie brauchten, so lange sie lebten.

Sive Bîrsan, Alzen
[Rumänien: Pauline Schullerus: Rumänische Volksmärchen aus dem mittleren Harbachtal]

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