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Jakub und seine Brüder

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Zu einer Zeit, als die Tiere noch sprechen konnten, in den Wäldern Trolle, Hexen und Feen hausten, begab es sich, dass die Hexe Toxa ein gerechtes Schicksal ereilte. Sie gehörte zu den bösesten Zauberinnen überhaupt. Wann immer es ihr möglich war, brachte sie Leid und Schmerz über die Menschen. So hatte sie vor Jahren dem braven Köhler Pittersch, und dessen Weib, zwei der drei Söhne gestohlen. Verhexte die hilflosen Kinder in hässliche Geier und machte sie zu ihren ergebenen Untertanen. Den schmerzlichen Verlust ihrer beiden älteren Söhne konnte die Mutter nicht verwinden und starb kurz darauf an gebrochenem Herzen. Seither lebte Pittersch nun mit seinem zwölfjährigen Jakub allein. Ihr bescheidenes Holzhäuschen stand am Waldrand, nahe der Meiler des Vaters.

Toxa hielt ihre Geier, Nork und Pork überaus streng. Jede Unfolgsamkeit bestrafte sie hart. Je öfter die beiden leiden mussten, um so mehr sannen sie auf Rache. Schon zu lange quälte sie die Buben oft grundlos. Eines Tages, als die Hexe mal wieder ihren Unterschlupf verließ, sprach Nork:
,,He Pork, warum lässt du deinen hässlichen Kopf so hängen?”
,,Na, schöner bist du ja wohl auch nicht!”
,,Sage schon, Bruder, was bedrückt dich so?”
,,Wie kannst du nur die Gemeinheiten des arglistigen Weibes so tapfer aushalten, Nork?”
,,Denke bloß nicht, dass die Bosheiten mich nicht treffen. Ich verhehle es der Alten nur.”
,,Gibt es denn so gar keine Erlösung für uns?”
,,Glaube mir Pork, ich möchte auch wieder ich sein und heimkehren können.”

Das Gespräch der Knaben wurde durch die Rückkehr Toxas unterbrochen. Krachend warf sie ihr Holzbündel zu Boden, schaute sich prüfend um und meinte gehässig:
,,Na, ihr beiden Galgenvögel, was habt ihr wieder angestellt?”
,,Nichts, Meisterin, absolut nichts”, stotterte Pork ängstlich.
,,Aha! Unschuldsbeteuerungen sind Schuldeingeständnisse”, keifte sie, „also muss ich euch bestrafen!”

Blitzschnell packte das Höllenweib die Geier an ihren Hälsen, band sie zusammen und hängte sie kopfüber an einen Baumast, der durchs Fenster gewachsen war.
,,So! Hihihi, da könnt ihr baumeln und um Gnade winseln!”

Lange, sehr lange mussten die Vögel so gehangen haben, als die Zauberin sie endlich abschnitt und achtlos in eine Ecke warf. Unfähig auch nur ein Glied zu rühren flüsterte Pork kaum hörbar:

,,Großer Bruder lebst du noch?”
,,Pssst! Ja, sei lieber still!”

So verhielten sie sich ruhig, um nicht erneut dem Zorn der Alten zum Opfer zu fallen. Langsam wich nun auch die Starre aus den Knochen und sie beobachteten, wie Toxa emsig ihren geliebten Flugbesen putzte.

,,Nork, was macht die da? Die führt doch was im Schilde!”
,,Das sehe ich ganz genau so. Warten wir es erst einmal ab.”

Auf einmal putzte sich das Frauenzimmer selber noch heraus. Schwärzte mit Ruß ihr Gesicht, rieb sich mit Stinktierfett ein, flocht Spinnweben ins ungekämmte Haar und legte eine lebende Schlange als Gürtel um. Dann hockte sie sich auf den Besen, starrte die Geier warnend an und sauste wortlos davon.

,,Ich weiß, wonach ihr der Sinn steht, Pork. Sie will zum alljährlichen Hexentreffen am Teufelsberg. Dort berichten sich die bösen Xanthippen gegenseitig von ihren Untaten, tanzen mit dem Teufel selbst und brüten neue Gemeinheiten aus. Das treiben sie volle drei Tage.”
,,Woher weißt du das?”
,,Ich hörte, wie die Großmutter es unserer Mutter erzählte,” antwortete Nork, während er im Hexenbau herumstöberte.
,,Sag mal, was machst du da eigentlich, Nork? Warum kriechst du in allen Ecken herum?”
,,Ich suche die Hexenfibel, und habe sie schon gefunden!”

Er zerrte das schwere Buch hinter der wurmstichigen Truhe hervor, bugsierte es näher zum Licht und begann darin zu blättern.
,,Könntest mir ruhig sagen, was das soll”, schmollte Pork.
,,Komm Bruder, in dieser Schwarte hier müssen doch auch Gegenzauber stehen.”

Eifrig studierten die zwei Seite für Seite. Sie fanden tatsächlich eine Möglichkeit den Zauber zu brechen und gleichzeitig die Hexe Toxa zu vernichten. Aber diese schwierige Aufgabe konnten sie nicht alleine bewältigen. Es bedurfte menschlicher Hilfe. Da hatte Pork eine Idee.

,,Komm, lass uns sofort hinfliegen.”
,,Meinst du wirklich, dass er versteht und helfen wird? Schließlich war er damals noch viel zu klein”, meinte Nork zweifelnd.
,,Ein Versuch ist es wert, wenn wir nicht ewig hässliche Geier bleiben wollen.”
,,Du hast ja recht. Machen wir uns also auf den Weg.”

Die Abendsonne lag wie ein goldenes Tuch über der Lichtung. Pittersch mühte sich noch mit den Holzmeilern ab. Jakub tobte vor der Hütte mit seinem Hund herum.
,,Na hol das Stöckchen, Harro, hole es!”
Aber er wollte es nicht holen, sondern knurrte warnend zum Dach hinauf.
,,Was hast du?”, fragte der Junge und schaute nach oben. Da sah er zwei große Geier, die ihm gefährlich erschienen.
,,Vielleicht sollte ich besser den Vater holen”, meinte er zu seinem kleinen Freund. Doch noch, ehe er nach ihm rufen konnte, redete plötzlich einer der Vögel:

,,Jakub, Bruder, höre mich erst an.”
,,Du, du kennst meinen Namen, und nennst mich Bruder?”
,,Ja, weil du es bist.”

Dann erfuhr der Bub von seinen verhexten Brüdern die ganze Geschichte. Sie mussten ihn auch nicht lange um seine Hilfe bitten. Von Herzen gern wollte er ihnen beistehen, denn schon lange wünschte er sich Geschwister. Nork und Pork erklärten ganz genau was und wann Jakub zu tun hatte. Der Knabe hörte aufmerksam zu, wiederholte im Stillen alles, um ja nichts zu vergessen oder gar falsch zu machen. Die Geier bedankten sich bei dem Kleinen und verschwanden.

Einige Zeit ging ins Land, Jakub zählte brav die Vollmonde und wartete geduldig auf den richtigen Tag.

,,Heute Nacht ist es soweit, Harro, der fünfte Vollmond steht bevor. So wie der Vater schläft, schleichen wir ins Dorf.”

Wenn Pittersch von der schweren Arbeit heimkam, schlief er meist nach dem kargen Mahl gleich ein. Dieser Umstand schenkte dem Jungen genügend Zeit, bis Mitternacht den dörflichen Gottesacker zu erreichen. Dort allein wuchs der Elfenfarn, der nur einmal im Jahr bei Vollmond, eine Stunde lang blühte. Und genau dann musste der Farn gepflückt werden.
Schlag zwölf betrat Jakub den Totenhain. Es gruselte ihn heftig, beim Anblick der vielen Gräber. Gänsehaut bemächtigte sich seiner und der Haarschopf stand ihm zu Berge. Aber er hatte den Brüdern ein Versprechen gegeben, also begann er nach dem Kraut zu suchen. Zum Glück wich ihm der treue Hund nicht von der Seite. Eine ferne Turmuhr schlug schon die dritte Viertelstunde, aber weit und breit nichts vom Elfenfarn zu sehen.

,,Wenn wir das komische Gewächs nicht gleich finden…., Harro! Rumtreiber, wo bist du?”

Plötzlich ertönte dumpfes Rufen eines Uhus, der Bub erschrak heftig und begann zu rennen. Er stolperte, schlug lang hin und lag genau vor der Ruhestätte des einstigen Dorfweisen. Das Grab war völlig bedeckt mit violett blühendem Elfenfarn. Sofort streckte Jakub seine Hand danach aus, hielt einen Moment inne und meinte bittend:

,,Oh, ihr Schönen der Nacht, es tut mir leid euch Schmerz zuzufügen, aber ich muss es tun.”

Als verstünden die Pflanzen ihn neigten sie sich ihm entgegen. Geschwind pflückte er einen dicken Strauß und verließ erleichtert den unheimlichen Ort.
Der Morgen dämmerte bereits herauf, als der Kleine im Köhlerhaus eintraf. Gerade noch rechtzeitig, um dem Vater, der eben zu seinem Tagewerk aufbrach, nicht zu begegnen. Obwohl das Kind nun lieber schlafen würde, machte es sich sofort daran, aus dem Kraut einen Sud zu kochen. Ausschließlich die Blüten, reines Quellwasser, ein wenig Baumharz und genau zwei Tollkirschen gab es in den Kessel, zählte zehn Mal bis Hundert, dann war das Elixier fertig. Ein ausgehöhlter Flaschenkürbis diente als Gefäß. Jetzt mussten die Brüder das Ihrige zum Gelingen dazutun.
Am späten Nachmittag, Jakub löffelte gerade etwas Brotsuppe, rief es vom Dach herunter:

,,Kleiner bist du da?”
,,Ja, ja, ich habe den Trank fertig.”
,,Hast du auch alles ganz genau befolgt?”, wollte Nork wissen.
,,Seid beruhigt, es fehlt keine Zutat!”
,,Nun, dann muss es ja gelingen”, rief Pork erfreut und kam vom Haus herunter.

Jakub hängte dem Vogel die Kalebasse um seinen langen, dünnen Hals und rief den Davonfliegenden hinterher:

,,Viel Glück! Und kommt bald heim, wir warten auf euch!”
,,Ja, bis bald, Kleiner, bis bald!”

Unbemerkt kehrten die Geier ins Hexenhaus zurück. Da die Alte nicht in der Nähe war, schüttete Nork augenblicklich etwas von dem Sud in Toxas Nachtmahl. Vier bis fünf Mal mussten sie ihr heimlich davon verabreichen, dann sollte es Wirkung zeigen. Und siehe da, bereits nach der zweiten Portion traten Veränderungen ihrer Hexenkunst ein. Nun musste die Zauberin ihre Sprüche mehrmals wiederholen, damit sie funktionierten. Sie fand das zwar merkwürdig, aber noch schob sie es auf ihr erhebliches Alter von einhundertachtzig Jahren.

Zunächst gelang es den Brüdern nicht, weiteren Elfenfarnsud dem Essen der Hexe beizumischen. Witterte das Weib etwa die Gefahr, dass es seit Tagen keinen Schritt nach draußen setzte? Geduldig warteten die Geierknaben auf passende Gelegenheiten. Dann kam endlich der richtige Moment. Ihre Meisterin benötigte dringend frische Kröteneier aus dem Schwarzen Sumpf.

,,Sie ist weg. Gieße ordentlich was vom Sud in den Suppenkessel, Pork. Von diesem Schlangen-Frosch-Kreuzspinnen-Gebräu kann sie ja nie genug bekommen.”
,,Stimmt! Die muss doch bald sämtliches Ungeziefer des Waldes verspeist haben.”
,,Pork, Halt! Nicht auch noch in den Wasserkrug!”
,,Zu spät, Nork. Nun löscht sie ihren Durst nach dem Essen mit einer weiteren Elixierzugabe.”
,,Na, hoffentlich geht das nicht schief, gleich zwei Portionen an einem Tag.”

Das sausende Herannahen des Flugbesens war deutlich zu vernehmen. Toxa erschien gut gelaunt in der Hütte. Sie hatte wohl reichlich Beute ergattert und machte sich, wie erwartet, über ihre Lieblingssuppe her. Igitt, ein Ekelerregender Anblick. Sie schlürfte laut schmatzend aus der großen Kelle, tauchte dabei ihre lange, dünne Nase tief ein, fischte mit den dürren Fingern Fleischklumpen heraus und schlang sie gierig hinunter. Gesättigt plumpste die Alte auf ihren Strohsack und hielt ein Nickerchen.

,,Wieso trinkt sie denn nicht?”, zischte Nork enttäuscht.
,,Das macht sie ganz sicher nach ihrem Schläfchen.”

So kam es auch. Kaum erwacht, griff die Hexe zum Krug und leerte ihn in einem Zug. Ihr Blick fiel auf die Vögel, und hinterhältiges Grinsen machte sich in ihrer Fratze breit.

,,Ich könnte ein wenig Zerstreuung brauchen”, meinte sie bedrohlich, „mal sehen, Pork, wie du als nackter Hamster aussiehst, hihihi.”
Beschwörend murmelte sie eine Formel. Aber, oh weh, kein haarloses Nagetier lag vor ihr, sondern ein riesiger Berg dampfender Kuhmist. Ungläubig glotzte sie auf den Haufen:
,,Was? Das ist mir ja noch nie passiert, habe niemals Zaubersprüche verwechselt oder gar vergessen.”
Noch bevor sie den Spruch wiederholen konnte, verwandelte sich der Kothaufen wieder in den Geier.
,,Ho, ho! Dieses Missgeschick geht nicht mit rechten Dingen zu”, zeterte Toxa wütend, „ich finde die richtige Formel, um euch zu beweisen, wer die Macht hat!”

Nun wendete das Hexenweib einen Zauberspruch nach dem anderen an und verwünschte die Brüder zu immer neuen Jammergestalten. Doch durch den Elfenfarnsud schlug alles fehl. Die beiden wurden zu süßer Grütze, duftenden Blüten, kostbaren Gewändern, blinkenden Silbertalern, schönen Mädchen und vieles mehr. Aber schon nach wenigen Sekunden wirkte der Zauber nicht mehr und sie erhielten ihre Vogelgestalt zurück. Das versetzte die boshafte Alte in einen regelrechten Wutrausch und sie hexte, wie vom Teufel besessen, bis sie völlig entkräftet zusammenbrach.

,,Och, wie die Meisterin so hilflos daliegt, könnte sie mir fast leidtun”, bemerkte Pork zynisch. ,,Noch ist es nicht vollbracht, Bruder, oder sind wir schon wieder Menschen?”
,,Nur keine Angst, ist es bisher geglückt, so wird sie auch den Rest vom Elixier noch schlucken”, versicherte Pork leise.

Der Mond ging gerade auf, als sich die Zauberin aufrappelte, ihre Untertanen lange anblickte und ihnen siegessicher androhte:
,,Ich hole mir jetzt das Kräutlein Teufelskralle aus dem Wald, es heilt meine Krankheit und dann bekommt ihr eure Strafe!” Eilig verließ sie die Hütte.

,,Au weh, Nork, war nun alles umsonst?”
,,Nein, das glaube ich nicht”, meinte er beruhigend, während er in der Hexenfibel blätterte, und gleich darauf bestätigte:
,,Siehst du, hier steht es geschrieben, die Teufelskralle ist gegen das
Elfenfarnkraut machtlos. Wir müssen also überlegen, wie die letzten Tropfen Sud verabreicht werden können.”
,,Hast du schon eine Idee?”, fragte Pork mit hängendem Kopf.
,,Hm, also pass auf. Toxa muss das Kraut bestimmt auskochen und wird ihr Gebräu nicht aus den Augen lassen. Ich werde sie irgendwie ablenken und so wie die Alte dem Kessel ihren Rücken zuwendet, musst du geschwind den Flaschenkürbis ausleeren.”
,,Gut Bruder, das soll mir nicht schwerfallen.”

Es schien gar nicht so einfach zu sein besagtes Wunderkraut zu finden. Die Sonne hatte den Mond bereits abgelöst, als die Hexenmeisterin triumphierend mit dem Gewächs zurückkehrte:
,,So, ihr hässlichen Kreaturen, gleich ist es um euch geschehen!”

Sie begann tatsächlich sofort mit der Zubereitung ihres Heilmittels. Die Aussicht auf Erfüllung ihrer Rache, ließ sie in Hochstimmung ein flottes Liedchen krächzen.

,,Achtung, ich lege los”, warnte Nork leise und begann mit dem Ablenkungsmanöver.
,,Verehrte Meisterin, was machst du denn da?”, frotzelte er das Weib.
,,Still du Bastard, ich kann dein Gesabbel nicht mehr ertragen!”
,,Du willst uns doch wohl kein Leid antun”, redete der Geier unbeirrt weiter.
,,Halt den Schnabel, sage ich, sonst drehe ich dir den Hals schon vorher um!”
,,Das würdest du doch niemals machen, mir so weh tun.”

Nun kochte es nicht nur im Suppentopf, sondern auch in dem Teufelsweib. Hochrot vor Zorn ging sie wutschnaubend auf Nork los. Der flüchtete kreuz und quer durch das Häuschen, während dessen Pork unbeobachtet das Elixier der Brühe beimischte. Dann schrie er so laut er vermochte:
,,Böses Weib, lass meinen Bruder in Ruhe, sonst stürze ich den Kessel um!”

Das saß, augenblicklich ließ sie von ihrem Opfer ab, widmete sich dem Zaubertrank, rührte ihn gründlich durch, schmeckte ab und säuselte gefährlich ruhig:
,,So, so, du willst also meine Suppe vernichten? Zu spät, mein kleines Vögelchen, sie ist fertig und ich lasse sie mir sofort schmecken.”

Sie packte das Kochgeschirr mit bloßen Händen und goss sich den brodelnden Teufelskrallensud in ihren Schlund. Bis zum letzten Tropfen landete das heiße Zeug in ihrem Wanst. Zufrieden wischte Toxa über den Mund, lachte gehässig und wurde plötzlich schneeweiß im Gesicht:

,,Ihr Satansbraten! Was habt ihr mir angetan”, kreischte sie in Todesangst, „ich hätte euch schon längst….!”

Die Knaben sahen mit großen Augen, wie ihr Quälgeist sekündlich mehr und
mehr zusammenfiel, bis sie nur noch eine vertrocknete Mumie war, die schließlich zu Staub verpuffte. Das Hexenhaus samt Inhalt löste sich in Luft auf. Die beiden verwunschenen Kinder standen mitten im Wald. Pork begann bitterlich zu weinen.

,,Warum weinst du denn? Wir haben die böse Hexe Toxa doch besiegt”, tröstete Nork.
,,Oh ja, gewiss haben wir das, aber wir sind immer noch Geier”, schluchzte er.

Tatsächlich, an ihnen hatte keine Verwandlung stattgefunden. Die beiden Brüder drängten sich aneinander und glaubten ihr Schicksal sei für ewig besiegelt. Auf einmal klagte Pork:

,,Meine Füße und Flügel schmerzen entsetzlich, geradeso, als wolle sie jemand herausreißen.”
,,Ich empfinde den gleichen Schmerz, Bruder, es ist …, aber sieh doch, was geschieht. Sieh!”

Aus den Vogelfüßen wurden menschliche Beine, die Flügel wandelten sich in Arme, so nach und nach verschwand ihr Federkleid, bis sie wieder ganz und gar Menschen waren.
Splitternackt aber überglücklich lagen sie sich in den Armen, sprangen übermütig wie junge Ziegenböcke umher und hatten nur einen Wunsch, heimzukehren.

Köhler Pittersch kannte keinen Ruhetag, auch an Sonn- und Feiertagen übte er gewissenhaft seinen Beruf aus. So wartete Jakub an einem Sonntagabend auf den Vater. Er hatte fürs Nachtmahl gesorgt, das Stübchen gesäubert, den Tisch gedeckt und die Blumen vor dem Köhlerhaus begossen. Es dunkelte bereits, als Pittersch heimkam. Er wusch sich den Ruß ab, setzte sich zu seinen Sohn, der am Tisch eingeschlafen war, strich ihm liebevoll übers Haar und flüsterte zärtlich:
,,Jakub, mein lieber kleiner Jakub, du bist alles, was ich noch habe.”
Der Knabe erwachte von den Liebkosungen des Vaters. Sie unterhielten sich noch ein Weilchen und legten sich dann zur Nachtruhe nieder. Beide schliefen sogleich friedlich ein.

Harros wütendes Gebell riss den Buben aus tiefem Schlaf. Jemand pochte unablässig an die Pforte. Plötzlich glaubte der Junge seinen Namen rufen zu hören. Barfüßig patschte er im Nachtgewand zur Tür.

,,Wer verlangt mitten in der Nacht so stürmisch Einlass”, fragte er gähnend.
,,Jakub, wir sind es, deine Brüder. Lass uns doch bitte ein, es ist kalt hier draußen.”
,,Seid ihr es denn wirklich?”, fragte der Kleine und öffnete vorsichtig.

Als er der nackten Burschen ansichtig wurde musste er herzhaft lachen. Jakub führte sie in die Stube, gab jedem ein Hemd und ging den Vater holen. Der war schwer aus seinem festen Schlaf zu wecken und verstand erst gar nicht, was der Bub von ihm wollte. Trotzdem ging er mit ihm. In den zwei fremden Knaben erkannte Pittersch nicht gleich seine Söhne. Erst als alle drei Brüder dem Vater die ganze Geschichte ausführlich berichtete hatten, schloss er seine verloren geglaubten Kinder in die Arme. Er schämte sich nicht, seinen Freudentränen freien Lauf zu lassen.

Von diesem Tage an konnte niemand mehr die Köhlerfamilie trennen. Alle drei Söhne wurden ebensolche braven Köhler wie ihr Vater. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann brennen sie noch heute ihre Holzmeiler.

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