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Märchenbasar

Jammerhans, der Zufriedene

2.5
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Vor ewigen Zeiten lebte einmal ein einfacher Mann namens Jammerhans. Der Name wurde ihm gerecht, da er ständig jammerte und sich über alles beklagte. So hielt er die laute Stimme seiner Frau nicht mehr aus, konnte das Geschrei seines kleinen Jungen nicht mehr ertragen oder war mit seiner kleinen Hütte unzufrieden. Etwas musste geschehen, damit sein Leben wieder erträglicher wurde.

Eines schönen Tages, als er sich auf dem Weg zur Arbeit befand, die ihm mehr Last wie Freude war, wurde sein Flehen erhört. Jammerhans sah am Rande des Weges etwas glitzern und glänzen. Er bückte sich und hob ein Funkelsteinchen auf, drehte es hin und her und dachte dabei: „Wer weiß, vielleicht ist das ein Zauberstein, mit dem man sich etwas wünschen kann!“
Er schloss seine Augen und träumte, wie es wäre, noch einmal Kind zu sein.
Und schnipp fand er sich in seiner Kindheit wieder. Jammerhans freute sich und schlenderte sorglos und unbekümmert den Weg entlang.
Nach einer Weile hörte er eine verärgerte Stimme nach ihm rufen: „Jammerhans! Wo bist du denn?“
Schnell drehte er sich um und sah einen Mann mit großen Schritten auf sich zukommen. Der Mann fuchtelte wild mit einem Stock herum, wollte ihn schlagen und brüllte: „Was glaubst du denn, wer du bist? Wir haben den ganzen Tag nach dir gesucht. Weißt du, welche Ängste Mutter deinetwegen ausgestanden hat? Du frecher Lümmel!“
Jammerhans erschrak fürchterlich. So hatte er sich das Kindsein nicht vorgestellt und dachte, wenn er doch der junge Mann von früher wäre. Dann würde er manch andere Entscheidung treffen, die ihm viel Glück bescheren könnten und ein schönes Leben bereiten würden. Vielleicht als gerechter und gefürchteter Mann?
Schnell fasste Jammerhans nach dem Funkelsteinchen. Der Zauber hatte einmal funktioniert, also würde es auch ein zweites Mal seine Gedanken lesen können. Er schloss abermals die Augen und träumte vor sich hin. Er stellte sich vor, wie gut es ein Ritter im Leben haben müsste. Ein Ritter war mächtig, konnte sich behaupten und um das kämpfen, was ihm wichtig war.
Und schnipp wuchs er zu einem kräftigen Mann heran, der in einer silbernen Rüstung steckte. Auch ein Pferd stand bereit. Jammerhans freute sich und fühlte sich richtig stark. Er stieg auf das Pferd und ritt davon. Er kam an einem Schloss vorbei. Eine wunderschöne Prinzessin schaute aus dem Fenster. Er verliebte sich auf Anhieb in sie. So beschloss Jammerhans, um die Hand der Königstochter anzuhalten. Doch leider war die Prinzessin bereits mit Prinz Artur, dem Einzigartigen, vermählt. Jammerhans stellte fest, dass alles Kämpfen keinen Sinn hatte, ihm auch sonst, ohne Heldentaten zu vollbringen, keinerlei Ehren zuteil wurden. Doch für derlei Dinge war ihm sein Leben zu kostbar.
Wieder fasste er nach dem Funkelsteinchen, schloss die Augen und träumte, ein König zu sein. Denn so einer führte wohl das schönste und glücklichste Leben auf dieser Welt.
Und schnipp verwandelte sich der einfach Mann in einen König, der mit seiner Krone und einem von Edelsteinen besetzten Gewand auf einem prachtvollen Thron in einem prunkvollen Schloss saß. Anfangs gefiel Jammerhans seine Rolle als König sehr. Er wurde von allen Seiten bedient, doch das Königsleben hatte auch seine Schattenseiten. Ständig musste er Befehle erteilen, sich um die Belange des Volkes kümmern, Entscheidungen treffen und vieles mehr. Oft verirrte er sich im eigenen Schloss, so viele Räume und Säle hatte der Palast. Vor lauter gutem Essen wurde sein Bauch kugelrund, sodass ihm das Gehen immer mehr Mühe bereitete. Der König wurde griesgrämig. Das Regieren war ihm zu anstrengend. Nein, ein König zu sein, war auch nicht viel besser, wie das, was er von früher her gewohnt war. Da wäre er schon lieber wieder der alte Jammerhans, der ein Zuhause hatte, eine liebevolle Frau und einen kleinen Sohn.
Jammerhans griff nach dem Funkelsteinchen, schloss seine Augen und träumte von seiner Hütte, in der man sich nicht verlaufen konnte, seiner Frau, die ihm ein einfaches, gesundes Essen zubereitete und seinem kleinen Jungen, der neugierig und lebendig war.
Und schnipp stand Jammerhans unweit seiner Hütte. Er hörte seine Frau mit dem Jungen reden. Ihm kam ihre Stimme auf einmal gar nicht mehr so laut vor. Der Junge lief in den Garten, bemerkte seinen Vater, schrie vor lauter Freude und winkte ihm zu. Da nahm Jammerhans seine Füße in die Hand und beeilte sich, seinen kleinen Sohn in die Arme zu schließen. Dabei ist ihm das Funkelsteinchen aus der Hosentasche gefallen. Jammerhans vermisste es nicht, denn eigentlich gab es kaum mehr etwas zum Jammern. Sein Leben war schön. Viele hätten ihn darum beneidet.
Und wenn Jammerhans nicht gestorben ist, dann lebt er noch heute als zufriedener Ehemann und Vater in einer kleinen, einfachen Hütte.

Quelle: Carmen Kofler

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