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Märchenbasar

Märchen vom Fischer und dem Fischlein

1
(1)

Lebte einst mit der Alten ein Alter
am Ufer des blauen Meeres;
eine Erdhütte war ihre Wohnung,
drin sie dreiunddreißig Jahre hausten.
Mit dem Sacknetz fing Fisch der Alte,
die Alte saß spinnend am Spinnrad.
Einstmals warf er sein Sacknetz ins Meer aus –
doch nur Schlamm zog das Netz ans Ufer;
wieder warf er das Sacknetz ins Meer aus –
doch nur Seegras brachte das Sacknetz;
und zum drittenmal warf er das Netz aus –
sieh, da brachte das Netz ihm ein Fischlein,
ein gar seltenes Fischlein, ein goldnes.
Da flehte das goldene Fischlein
und sprach mit menschlicher Stimme:
»Laß mich, Alter, zurück in die Meeresflut,
will dafür dir ein Lösegeld zahlen:
Wie du’s selber bestimmst, will ich’s zahlen.«
Staunen faßte den Alten und Schrecken:
Dreiunddreißig Jahr lang fing er Fische
und hörte doch nie einen sprechen.
Er ließ frei das goldene Fischlein,
sprach zu ihm die freundlichen Worte:
»Gott sei mit dir, du goldenes Fischlein!
Deines Lösegelds nimmer bedarf ich;
tauch zurück in die blauende Meerflut
und ergehe dich lustig im Freien!«
Heim zur Alten ging wieder der Alte
und erzählte vom Wunder, dem großen:
»Heute hatt ich ein Fischlein gefangen,
ein gar seltenes Fischlein, ein goldenes;
so wie wir sprach das goldene Fischlein,
bat, nach Hause, ins Meer es zu lassen,
wollte mir ein Lösegeld zahlen,
wie ich selber es sollte bestimmen,
ich mochte kein Lösegeld nehmen,
ließ umsonst in die Meerflut das Fischlein.«
Doch da schalt die Alte den Alten:
»Ach, du Erznarr, du alberner Tölpel!
Warum hast du kein Lösegeld genommen?
Einen Trog hättest du sollen verlangen,
da der unsere längst schon geborsten!«
An das blauende Meer ging der Alte –
sieh, da kräuselte leicht sich die Fläche.
Er rief laut nach dem goldenen Fischlein,
und es kam das Fischlein und fragte:
»Sprich, Alter, was willst du haben?«
Und der Alte verneigt sich und bittet:
»Hab Erbarmen, allmächtiges Fischlein!
Meine Alte, die schilt mich und zankt mich,
läßt mich Alten daheim nicht in Ruhe:
Sie begehrt einen Trog, einen neuen,
da der unsere längst schon geborsten.«
Antwort bietet das goldene Fischlein:
»Sei getrost, geh mit Gott deines Weges!
Einen neuen Trog sollt ihr haben.«
Heim zur Alten kehrt der Alte –
sieh, der neue Trog war zur Stelle!
Doch noch ärger schalt ihn die Alte:
»Ach, du Erznarr, du alberner Tölpel!
Warst so dumm, einen Trog zu begehren!
Welchen Nutzen kann bringen ein Trog mir?
Geh zurück, du Narr, zu dem Fischlein,
verneig dich und bitt um ein Häuschen!«
An das blauende Meer ging der Alte
– war das blaue finster geworden –,
er rief laut nach dem goldenen Fischlein,
und es kam das Fischlein und fragte:
»Sprich, Alter, was willst du haben?«
Und der Alte verneigt sich und bittet:
»Hab Erbarmen, allmächtiges Fischlein!
Ärger schilt nur und zankt mich die Alte,
läßt mich Alten daheim nicht in Ruhe:
Gar ein Haus will die Keiferin haben!«
Antwort bietet das goldene Fischlein:
»Sei getrost, geh mit Gott deines Weges!
So sei’s denn, ein Haus sollt ihr haben!«
Heim zur Erdhütte kehrte der Alte,
aber diese ist spurlos verschwunden.
Vor ihm steht ein Häuschen mit Erkern,
mit getünchtem Schornstein aus Ziegeln,
vorn – ein Tor von behobelten Eichen.
Die Alte sitzt vor dem Fenster:
Was das Zeug hält, schilt sie den Alten:
»Ach, du Erznarr, du alberner Tölpel!
Warst so dumm, nur ein Haus zu begehren!
Geh zurück zu dem Fischlein und sag ihm:
Eine Bäuerin will ich nicht bleiben,
eine Edelfrau will ich nun werden!«
An das blauende Meer ging der Alte
– es wogte und brauste die Fläche –,
er rief laut nach dem goldenen Fischlein,
und es kam das Fischlein und Fragte:
»Sprich, Alter, was willst du haben?«
Und der Alte verneigt sich und bittet:
»Hab Erbarmen, allmächtiges Fischlein!
Immer ärger treibt’s meine Alte,
läßt mich Alten daheim nicht in Ruhe:
Eine Bäuerin will sie nicht bleiben –
eine Edelfrau will sie nun werden!«
Antwort bietet das goldene Fischlein:
»Sei getrost, geh mit Gott deines Weges!«
Heim zur Alten kehrte der Alte.
Und was sieht er? Ein Herrenhaus!
Auf der Freitreppe steht seine Alte
in kostbarem Zobelfellpelzchen.
Auf dem Scheitel brokatenes Häubchen,
um den Hals ein Geschnüre von Perlen,
an den Fingern goldene Ringe,
an den Füßen rotjuchtene Schuhe.
Vor ihr stehen dienstwillige Diener,
sie schlägt sie, zieht sie am Schopfe.
Der Alte sagt zu der Alten:
»Gott zum Gruße, vielgnädige Herrin!
Sprich, ist nun deine Seele zufrieden?«
Doch voll Zornes fuhr an ihn die Alte
und befahl ihm, als Stallknecht zu dienen.
Eine Woche verstreicht und die zweite,
noch närrischer wurde die Alte.
Wieder schickt sie den Alten zum Fischlein:
»Geh zurück zu dem Fischlein und sag ihm:
Eine Edelfrau will ich nicht bleiben,
will als Zarin uneingeschränkt herrschen!«
Da erschrak der Alte und flehte:
»Aber Weib, hast du Tollkraut gefressen?
Kannst mit Anstand nicht gehen noch sprechen,
wirst dich lächerlich machen im Reiche!«
Da ergrimmte die Alte noch grimmer,
einen Backenstreich gab sie dem Alten.
»Was, du Bauer, du wagst es zu trotzen,
einer Edelfrau zu widersprechen?
Geh zum Meer, ich rat es dir gütlich,
gehst du nicht, so wird man dich zwingen!«
An das blauende Meer ging der Alte
— ganz schwarz war das Meer nun geworden –,
er rief laut nach dem goldenen Fischlein,
und es kam das Fischlein und fragte:
»Sprich, Alter, was willst du haben?«
Und der Alte verneigt sich und bittet:
»Hab Erbarmen, allmächtiges Fischlein!
Wiederum schlägt Krach meine Alte:
Eine Edelfrau will sie nicht bleiben,
will als Zarin uneingeschränkt herrschen!«
Antwort bietet das goldene Fischlein:
»Sei getrost, geh mit Gott deines Weges!
Deine Alte soll herrschen als Zarin.«
Heim zur Alten kehrte der Alte.
Sieh – ein Zarenschloß reckt seine Hallen.
In dem Schlosse, da sitzt seine Alte,
thront als Zarin an zarischer Tafel,
Edelleut und Bojaren sind Diener;
überseeischen Wein trinkt die Zarin,
Honigkuchen dazu ißt die Zarin;
die Leibwächterschar steht da im Kreise,
auf den Schultern die Streitäxte tragend.
Als der Alte das sah, da erschrak er,
zu Füßen der Alten warf er sich nieder:
»Gott zum Gruße, du vielgestrenge Zarin!
Sprich, ist nun deine Seele zufrieden?«
Keines Blicks ward gewürdigt der Alte,
von sich zu treiben befahl ihn die Alte.
Alle Edelleut und Bojaren,
ins Genick stießen fort sie den Alten;
an der Tür mit der Axt die Wachen,
hätten bald ihn niedergehauen.
Und das Volk verlachte ihn höhnisch:
»Alter Tölpel, recht ist dir geschehen,
wird in Zukunft als Lehre dir dienen:
Laß den Vorwitz, was nicht deines Amts ist!«
Eine Woche verstreicht und die zweite,
noch närrischer wurde die Alte,
schickt die Höflinge nach ihrem Manne,
endlich fand man den Alten, bringt aufs Schloß ihn.
Spricht die Alte zu ihrem Alten:
»Geh zurück zu dem Fischlein und sag ihm:
Zarin will ich länger nicht bleiben,

will nun werden die Herrscherin des Meeres,
will nun leben im Ozean-Meere,
daß das goldene Fischlein mir diene,
daß es Botendienste mir leiste!«
Keinen Widerspruch wagte der Alte,
sprach kein einziges Wörtchen dagegen.
An das blauende Meer ging er wieder.
Sieh – da brandet tiefschwarz die Fläche,
hochauf bäumen sich zornig die Wogen
und heulen mit hohlem Geheule.
Nach dem goldenen Fisch rief der Alte,
und es kam das Fischlein und fragte:
»Sprich, Alter, was willst du haben?«
Und der Alte verneigt sich und bittet:
»Hab Erbarmen, allmächtiges Fischlein!
Meine Alte ist vollends des Teufels!
Zarin will sie länger nicht bleiben,
will nun werden die Herrscherin des Meeres,
will nun leben im Ozean-Meere,
daß du selber, Fischlein, ihr dienest,
daß du Botendienste ihr leistest!«
Nicht ein Wort sprach das goldene Fischlein,
mit dem Schwanze nur schlug es das Wasser
und tauchte hinab in die Tiefe.
Lange harrte der Alte auf Antwort,
doch vergebens. Da ging er zur Alten.
Sieh – vor ihm hockt die Erdhütte wieder,
auf der Schwelle sitzt seine Alte,
und vor ihr liegt der Trog, der geborstne.

Quelle:
(Alexander Puschkin)

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