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Märchen vom Iwan Zarensohn

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In einem Land, in einem Reich lebte einmal ein Zar, der hieß Vyslav Andronowitsch. Er hatte drei Söhne, der erste hieß Dimitrij Zarensohn, der zweite hieß Vasilij Zarensohn, und der dritte hieß Iwan Zarensohn. Der Zar besaß einen Garten, der war so herrlich wie es in seinem Reich keinen zweiten mehr gab. Darin wuchsen Obstbäume und Zierbäume. Der Zar aber hatte einen Lieblingsapfelbaum, der trug Früchte aus purem Gold. Nacht für Nacht fand sich ein Feuervogel ein, der hatte goldenes Gefieder und Augen aus Crystal. Er setzte sich auf den Lieblingsapfelbaum, pickte goldene Äpfel ab und flog wieder davon. Zar Vyslav grämte sich darüber so sehr, dass er seine drei Söhne zu sich rief und also sprach: „Meine guten Kinder! Wer von euch kann den Feuervogel fangen? Wer ihn mir lebend bringt, dem gebe ich die Hälfte meines Zarenreiches und nach meinem Tod das ganze Reich.“ Da riefen sie alle drei durcheinander und sprachen: „Liebes Väterchen, Kaiserliche Majestät! Es wird uns eine Freude sein! Wir werden keine Mühe scheuen und wollen den Feuervogel lebend fangen.“

In der ersten Nacht ging Dimitrij Zarensohn in den Garten, um zu wachen. Aber er schlief ein und hörte nicht, wie der Feuervogel näher kam, sich in den Apfelbaum setzte und die Früchte stahl. Am anderen Morgen fragte Zar Vyslav: „Nun, mein guter Sohn, hast du den Feuervogel gesehen oder nicht?“ Und Dimitrij Zarensohn antwortete: „Nein, gnädiger Herr Vater! In dieser Nacht ist er nicht gekommen!

„In der zweiten Nacht ging Vasilij Zarensohn in den Garten, um zu wachen. Er saß dort eine Stunde, zwei Stunden, aber dann schlief er fest ein und hörte nicht, wie der Feuervogel kam und die goldenen Äpfel stahl. Am anderen Morgen fragte ihn der Zar: „Mein guter Sohn, hast du den Feuervogel gesehen oder nicht?“ „Nein, gnädiger Herr Vater! In dieser Nacht ist er nicht gekommen!“

In der dritten Nacht ging Iwan Zarensohn in den Garten, um zu wachen. Er setzte sich unter den Apfelbaum mit den goldenen Früchten und wartete dort eine Stunde, zwei Stunden, drei Stunden. Plötzlich wurde der Garten so hell, als seien Lichter entzündet worden. Es war der Feuervogel, der sich auf dem Apfelbaum niederließ und begann, Äpfel abzureißen. Iwan Zarensohn schlich sich so geschickt heran, dass er den Feuervogel am Schwanz zu fassen bekam. Aber er konnte ihn nicht festhalten. Der Feuervogel riss sich los, flog davon, und lwan Zarensohn hielt nur die Schwanzfeder, die er fest in der Hand gehalten hatte.

Als der Zar am anderen Morgen gerade aufgewacht war, kam Iwan zu ihm und überreichte ihm das Federchen des Feuervogels. Zar Vyslav freute sich über die Maßen, als er die Feder sah, die so wunderbar leuchtete, und bewahrte sie in seiner Schatzkammer auf. Seit jener Zeit kam der Feuervogel nicht mehr in den Garten geflogen.

Eines Tages ließ Zar Vyslav seine beiden ältesten Söhne rufen und sprach: „Meine lieben Kinder: Hört! Ich gebe euch meinen Segen. Macht euch auf, zieht in die Welt hinaus und schafft mir den Feuervogel her. Ihr wisst, was ich euch früher versprochen habe. Wer ihn lebend fängt, dem gebe ich mein Reich. „Dimitrij und Wasilij aber waren auf ihren Bruder neidisch, weil er die goldene Feder erlangt hatte. Sie nahmen den Segen des Vaters und ritten zusammen in die Welt hinaus. Auch Iwan Zarensohn bat um den Segen, aber Zar Vyslav sprach: „Mein guter Sohn, liebes Kind! Du bist noch so jung und für einen so langen und schwierigen Weg nicht vorbereitet. Warum willst du mich verlassen? Deine Brüder sind schon fort. Was soll aus mir werden? Ich bin schon alt, der Herr kann mich jeden Tag zu sich rufen. Wer soll dann mein Reich regieren?“ Aber schließlich musste er lwans inständigen Bitten nachgeben, ihn segnen und ziehen lassen. lwan Zarensohn suchte sich ein Pferd aus und machte sich auf den Weg, ohne zu wissen, wohin er reiten werde. Er ritt lange Wege, er ritt kurze Wege. Bergauf ging es und bergab. Schnell ist das Märchen erzählt, nicht so schnell ist die Sache getan! Schließlich ritt er ins freie Feld, auf grüne Wiesen. Mitten auf dem Feld stand ein Pfahl, und auf dem Pfahl stand geschrieben: Wer da reitet geradeaus: der hat Hunger und Frost. Wer da reitet nach rechts: der bleibt gesund, doch hin ist das Pferd. Wer da reitet nach links: tot ist der bald, doch das Pferd bleibt gesund.

lwan las die Inschrift, wandte sich nach rechts und dachte, wenn er nur selbst gesund bleibe, ein anderes Pferd könne er bald wieder erwerben. Er ritt einen Tag, er ritt zwei Tage, er ritt drei Tage. Plötzlich kam ihm ein riesiger, grauer Wolf entgegen und sprach: „Ach, du bist es, Iwan Carevic, jung an Jahren. Du hast doch gelesen, was auf dem Pfahl steht. Warum nur bist du hierher gekommen!“ Mit diesen Worten riss er das Pferd und verschwand. lwan Zarensohn weinte heftig und ging zu Fuß weiter. Er wanderte den ganzen Tag und war todmüde.

Gerade als er sich hinsetzen wollte, um auszuruhen, holte ihn der graue Wolf ein und sprach: „Es tut mir leid, dass ich dein braves Ross zerriss. Komm, setz dich auf mich und sage mir, dem grauen Wolf, wohin du willst und was du suchst!“

Iwan Zarensohn erzählte ihm, dass er den Feuervogel finden wolle. Da jagte der graue Wolf mit ihm davon, schneller als das schnellste Ross. Mitten in der Nacht hielt er an einer Steinmauer, die nicht allzu hoch war, Und sprach: Iwan Zarensohn, steig ab und klettere über diese Mauer. Hinter der Mauer liegt ein Garten. Mitten in diesem Garten steht ein goldener Käfig, und in dem Käfig sitzt der Feuervogel. Den Vogel nimm! Aber den Käfig darfst du nicht berühren. Sonst wird man dich fangen und nicht mehr fortlassen.“

Iwan kletterte über die Mauer, sah den Feuervogel in seinem Käfig Und konnte kaum hinschauen, weil ihn das Licht blendete. Er nahm ihn heraus und ging zurück. Aber dann dachte er: „Wenn ich den Vogel ohne Käfig mitnehme, wohin soll ich ihn dann setzen?“ Er kehrte um und nahm auch den goldenen Käfig. In demselben Augenblick erscholl ein Gepolter und Getöse. Die Wachen fuhren sogleich aus dem Schlaf auf, ergriffen lwan mit dem Feuervogel und führten ihn zu ihrem Zaren, der Dolmat hieß. Der Zar war sehr zornig, und er schrie so laut, dass es Iwan wie Donner in den Ohren klang: „Schäme dich, du Dieb. Wer bist du, woher kommst du. Wessen Sohn bist du?“ Der Junge antwortete ihm: Ich komme aus dem Zarenreich Vyslavs. Ich bin der Sohn des Zaren Vyslav Andronovic, und ich heiße Carevic lwan. Dein Feuervogel kam jede Nacht in unseren Garten geflogen. Er riss die goldenen Äpfelchen vom Lieblingsapfelbaum meines Vaters ab und beschädigte jeden Baum. Deshalb sandte mich mein Vater aus, um den Feuervogel zu suchen Und zu ihm zubringen.“

„Du machst mir schöne Sachen, Iwan Zarensohn“, sagte Zar Dolmat. „Wenn du zu mir gekommen wärest, hätte ich dir den Feuervogel in Ehren geschenkt. Wie soll es jetzt aussehen, wenn ich in alle Reiche die Botschaft aussende, dass du als ehrloser Dieb in mein Reich eingedrungen bist. Aber höre, ich will dir verzeihen und gebe dir den Feuervogel samt dem goldenen Käfig, wenn du mir einen Dienst erweist. Reite in das dreimal zehnte Reich, welches hinter den dreimal neun Ländern liegt, und verschaffe mir von Zar Afron das Pferd mit der goldenen Mähne. Wenn du aber meine Bitte abschlägst, so werde ich an alle Reiche Botschaften senden, dass du ein gemeiner Dieb bist.“

lwan Zarensohn war sehr traurig und klagte dem grauen Wolf sein Leid. „Ach lwan Zarensohn, warum hast du meine Worte nicht befolgt und den Käfig an dich genommen. Aber geschehen ist geschehen! Setz dich auf mich, den grauen Wolf. Ich werde dich tragen, wohin du musst!“ lwan saß rittlings auf, und der Wolf glitt wie ein Pfeil dahin. Endlich kam er , ob nach langer Zeit, ob nach kurzer Zeit, in das Reich des Zaren Afron. Es war nachts, als der Wolf geradewegs zu den Reitställen lief und zu Iwan Zarensohn sagte: „Geh zu dem Stall aus weißem Stein. Das Pferd mit der goldenen Mähne führe heraus. An der Wand hängt goldenes Zaumzeug. Das darfst du nicht mitnehmen. Sonst wird dir Unglück widerfahren!“ Iwan Zarensohn trat in den Stall ein, holte das Pferd und wollte es schon hinausführen. Da erblickte er an der Wand das goldene Zaumzeug, das ihn bezauberte. Er nahm den Zügel vom Nagel herunter, und kaum hatte er ihn in der Hand, da gab es ein Gepolter und Getöse, dass die Stallknechte erwachten. Sie ergriffen lwan Zarensohn und führten ihn zu Zar Afron, welcher ein Verhör anstellte.

„Wer bist du? Woher kommst du und wessen Sohn bist du?“ Und Iwan antwortete: „Ich stamme aus dem Zarenreich Vyslavs. Ich bin der Sohn des Zaren Vyslav Andronovic, und ich heiße Iwan Carevie.“ „Höre, junger Mann“, sagte Zar Afron, „gehört sich das für einen ehrbaren Ritter? Wärest du zu mir gekommen, ich hätte dir das Pferd mit der goldenen Mähne mit Vergnügen gegeben. Aber ich will dir verzeihen Und schenke dir das Pferd samt dem Zaumzeug, wenn du mir einen Gefallen erweist. Reite hinter die dreimal neun Länder in das dreimal zehnte Reich und bringe mir von dort die Königstochter Elena, die Wunderschöne. Ich habe mich schon vor langer Zeit mit Haut und Haaren in sie verliebt und sie doch nicht bekommen. Wenn du mir aber meine Bitte abschlägst, werde ich in allen Reichen verkünden, dass du auf unehrliche Weise und als gemeiner Dieb hier eingedrungen bist.“ Iwan Zarensohn versprach ihm alles, verließ den Palast und weinte bittere Tränen.

So kam er zu dem grauen Wolf und erzählte ihm alles, was sich zugetragen hatte. „Ach, Iwan Zarensohn, warum hast du meinen Rat nicht befolgt und das goldene Zaumzeug an dich genommen. Aber geschehen ist geschehen! Setz dich auf mich, den grauen Wolf. Ich werde dich tragen, wohin du musst!“ Iwan saß rittlings auf, und der Wolf glitt wie ein Pfeil dahin. Er lief und kam , wie man im Märchen zu sagen pflegt , „alsbald“ in das Reich der Königstochter Elena, der Wunderschönen. Und als sie das goldene Gitter erreicht hatten, welches einen wunderbaren Garten umzäunte, sagte der Wolf: „Höre, Iwan Zarensohn, steig herab und geh denselben Weg zurück, den wir hergekommen sind. Warte auf mich unter der grünen Eiche auf dem freien Feld.“ lwan Zarensohn tat wie ihm befohlen. Der graue Wolf aber setzte sich in der Nähe des goldenen Gitters nieder und wartete darauf, dass die Königstochter einen Spaziergang unternehme. Als der Abend kam und das Söhnchen sich nach Westen neigte, war die Luft angenehm kühl.

Da wollte die Königstochter Elena, die Wunderschöne, mit ihren Kammerzofen und Hofdamen ein wenig in dem Garten lustwandeln und näherte sich der Stelle, an welcher der graue Wolf hinter dem Gitter saß. Mit einem mächtigen Satz sprang er hinüber, ergriff die Königstochter, setzte wieder zurück und rannte aus Leibeskräften mit ihr davon. Er lief in das freie Feld hinaus, wo Iwan auf ihn unter der grünen Eiche wartete. „Schnell, Iwan Zarensohn, setz dich auf mich, den grauen Wolf. Und so brachte er die beiden in das Reich des Zaren Afron. Die Kammerzofen und Hofdamen schickten Reiter und Jäger aus, um den grauen Wolf zu fangen, aber sie mühten sich vergebens.

Als nun Iwan Zarensohn mit Elena, der Wunderschönen, auf dem grauen Wolf saß, verliebte er sich von Herzen in sie, und auch sie gewann ihn lieb. Als der graue Wolf im Reich des Zaren Afron ankam und Iwan sich von Elena, der Wunderschönen trennen sollte, wurde er todtraurig und weinte bitterlich. Der graue Wolf fragte: „lwan Zarensohn, warum weinst du?“ Da antwortete er: „Grauer Wolf, mein Freund, wie soll ich nicht traurig sein und mich grämen. Ich habe Elena, die Wunderschöne, von Herzen lieb gewonnen und soll sie jetzt für das Pferd mit der goldenen Mähne hergeben? Und wenn ich es nicht tue wird Zar Afron mich in allen Reichen für ehrlos erklären.“ „Ich habe dir schon so manchen Dienst erwiesen“, sagte der graue Wolf, „ich werde dir auch jetzt helfen. Hör mir zu, Iwan Zarensohn, ich werde mich in die schöne Elena verwandeln, du führst mich zu dem Zaren Afron. Er wird mich für Elena halten und dir das Pferd geben. Und wenn du auf dem goldmähnigen Pferd weit genug fortgeritten bist, werde ich den Zaren bitten, dass er mich mit meinen Kammerzofen und Hofdamen auf freiem Feld spazieren lässt. Dann sollst du nur an mich denken, Und sogleich werde ich bei dir sein.“

So sprach der graue Wolf und verwandelte sich in die schöne Elena. Iwan Zarensohn nahm den grauen Wolf bei der Hand und ging an den Hof des Zaren Afron. Vorher bat er die echte Elena, sie möge hinter der Stadt auf ihn warten. Als Iwan Zarensohn mit der vermeintlichen Elena, der Wunderschönen, zu dem Zaren Afron kam, freute der sich über die Maßen Endlich bekam er den Schatz den er sich so lange gewünscht hatte, und er übergab dem Zarensohn das Pferd mit der goldenen Mähne. Iwan saß auf, ritt aus der Stadt hinaus, setzte die schöne Elena hinter sich auf das Pferd, und sie ritten bis zum Reich des Zaren Dolmat. Der graue Wolf aber blieb in Gestalt der schönen Elena einen Tag, zwei Tage und einen dritten Tag bei dem Zaren Afron. Am vierten Tag bat er den Zaren, ob er sich nicht auf das freie Feld begeben dürfe, um das Heimweh zu vertreiben. Der Zar erfüllte diesen Wunsch gerne; und sofort befahl er den Kammerzofen und Hofdamen, die schöne Königstochter auf ihrem Spaziergang zu begleiten.

Unterdessen ritt Iwan Zarensohn mit Elena, der Wunderschönen dahin, unterhielt sich mit ihr und hatte seinen grauen Wolf fast vergessen. Endlich erinnerte er sich: „Ach, wo ist denn mein grauer Wolf?“ und augenblicklich stand der vor ihm und sprach: Iwan Zarensohn, du setze dich auf mich, den grauen Wolf. Lass die schöne Elena auf dem Pferd mit der goldenen Mähne reiten!“

Ob sie nun lange Zeit ritten oder kurze Zeit ritten, endlich erreichten sie das Land des Zaren Dolmat. Drei Werst hinter der Stadt hielten sie an, und Iwan bat: „Höre, grauer Wolf, mein lieber Freund! Du hast mir schon so oft geholfen, nun erweise mir auch diesen letzten Dienst. Verwandle dich in das Pferd mit der goldenen Mähne, denn ich kann mich nicht mehr von ihm trennen!“ Da verwandelte sich der graue Wolf vor seinen Augen in das goldmähnige Pferd. Der Zarensohn ließ die schöne Elena auf der grünen Wiese zurück und ritt auf dem vermeintlichen Pferd mit der goldenen Mähne in den Hof des Zaren Dolmat ein.

Aus lauter Freude ließ der Zar ein Festmahl richten, und sie tafelten zwei volle Tage, aßen, tranken und ergötzten sich. Am dritten Tag schenkte ihm Zar Dolmat den Feuervogel samt dem goldenen Käfig. Iwan Zarensohn nahm ihn entgegen, ging aus der Stadt heraus, stieg zu der schönen Königstochter auf das Pferd mit der goldenen Mähne und ritt in sein Vaterland, in das Reich des Zaren Vyslav. Am nächsten Tag wollte Zar Dolmat mit seinem goldmähnigen Pferd ausreiten. Er befahl seinen Knechten, es zu satteln und ritt los. Als Dolmat das Pferd ärgerte, warf es ihn ab, verwandelte sich wieder in den grauen Wolf und holte den Zarensohn bald ein. „lwan Carevic“, sagte er, „setz dich auf mich, den grauen Wolf. Lass die Königstochter auf dem Pferd mit der goldenen Mähne reiten.“

Als sie an die Stelle kamen, an welcher der Wolf Iwans Pferd einst gerissen hatte, hielt er an und sprach: „Höre, Iwan Zarensohn, ich habe dir treu gedient. Steige ab von mir, dem grauen Wolf. Du hast jetzt ein goldmähniges Pferd, reite los, wohin du willst und musst.“ So sprach der graue Wolf und lief davon. lwan Zarensohn weinte heftig, und der Verlust des grauen Wolfs schmerzte ihn, aber er ritt mit seiner schönen Königstochter weiter.

Sie ritten lange Wege, sie ritten kurze Wege, zwanzig Werst vor der Grenze seines Reiches hielt Iwan Zarensohn an und legte sich mit der schönen Königstochter unter einem Baum nieder, um in seinem Schatten auszuruhen. Das Pferd mit der goldenen Mähne band er an dem Baum fest, den Käfig mit dem Feuervogel stellte er neben sich. So lagen sie in dem weichen Gras, führten manche Liebesrede und schliefen tief und fest ein.

Gerade zu derselben Zeit kehrten die beiden Brüder Dimitrij und Vasilij mit leeren Händen in ihr Vaterland zurück. Unverhofft trafen sie auf ihren schlafenden Bruder. Sie erblickten unter dem Baum das goldmähnige Pferd, den Feuervogel in dem goldenen Käfig und Elena, die Wunderschöne. Da beschlossen sie, ihren Bruder zu töten. Dimitrij Zarensohn zog sein Schwert aus der Scheide, erstach Iwan Zarensohn und zerstückelte ihn. Dann weckte er Elena und fragte sie, wer sie sei und woher sie komme. Als sie lwan Zarensohn tot daliegen sah, erschrak sie furchtbar, weinte bitterlich und sprach: „Ich bin die Königstochter Elena Prekasnaja. Iwan Zarensohn hat mich befreit, ihr aber habt ihn im Schlaf getötet. Gute Ritter hätten zum offenen Kampf im freien Feld herausgefordert. Aber ein Schlafender ist wie ein Toter, dafür könnt ihr kein Lob erwarten!“

Da richtete Dimitrij die Spitze seines Schwertes gegen das Herz der schönen Königstochter und drohte ihr: „Höre, Elena Prekasnaja, du bist in unserer Hand! Wir werden dich zu unserem Väterchen führen, und vor ihm wirst du aussagen, dass wir es gewesen sind, die dich errungen haben, ebenso wie das goldmähnige Pferd und den Feuervogel. Und wenn du nicht willst, wie wir wollen, so töte ich dich auf der Stelle!“ Die schöne Elena fürchtete sich vor dem Tod und schwor bei allen Heiligen, dass sie so tun werde.

Danach warfen die beiden Zarensöhne das Los, wer die Königstochter und wer das Pferd erhalten solle. Das Los entschied, dass Dimitrij das goldmähnige Pferd erhalten solle und Vasilij die schöne Königstochter. Dimitrij bestieg das goldmähnige Pferd und nahm den Feuervogel, um ihn seinem Vater zu überreichen. So machten sie sich auf den Weg.

Dreißig Tage lag Iwan Zarensohn tot unter dem Baum. Gerade zu dieser Zeit lief der graue Wolf an ihm vorbei und erkannte die Seele des Carevic. Er wollte ihm helfen, hätte ihn gern wieder lebendig gemacht, aber er wusste nicht wie. Da sah er eine Krähe, die mit ihren Jungen über der Leiche ihre Kreise zog, und sich an dem Fleisch des Zarensohnes satt fressen wollte.

Der graue Wolf versteckte sich hinter einem Strauch. Und als die Jungvögel sich niederließen und an Iwans Leib herumhackten da sprang er hinter dem Strauch hervor, fasste ein Krähchen und wollte es in zwei Teile zerreißen. Da ließ sich die alte Krähe zur Erde nieder und bat flehentlich: „Grauer Wolf, lass mein Kind leben, es hat dir nichts getan!“ „Hör mir zu, Krähe“, sagte der graue Wolf. „Dein Kind bleibt am Leben, aber du musst mir einen Dienst erweisen. Fliege hinter die dreimal neun Länder in das dreimal zehnte Reich und bringe mir Wasser des Lebens und Wasser des Todes.“ Die Krähe versprach alles, flog auf und war bald nicht mehr zu sehen. Am dritten Tag kehrte sie zurück und brachte zwei Fläschchen, in dem einen war Wasser des Lebens, in dem anderen war Wasser des Todes.

Der graue Wolf riss die Jungkrähe mitten entzwei, besprengte sie mit dem Wasser des Todes, und sogleich fügten sich die beiden Teile wieder zusammen. Sodann besprengte er sie mit dem Wasser des Lebens. Da schlug sie mit den Flügeln und flog davon. Danach besprengte der graue Wolf lwan Zarensohn mit dem Wasser des Todes, und die Stücke fügten sich zu seinem Körper zusammen. Als er ihn mit dem Wasser des Lebens besprengt hatte, erhob sich lwan Zarensohn, stand auf und sagte: „Ach, was habe ich lange geschlafen.“ Da sprach der graue Wolf. Ja lwan Zarensohn! Du hättest ewig geschlafen, wenn ich nicht wäre, denn deine Brüder waren es, die dich töteten, und die schöne Elena, das goldmähnige Pferd und den Feuervogel geraubt haben. Dein Bruder Vasilij wird heute deine Braut, die schöne Königstochter Elena heiraten. Jetzt musst du dich beeilen! Und damit du schneller in dein Vaterland gelangst, setze dich auf mich, den grauen Wolf.

Ob sie nun lange reisten oder kurz, sie kamen in die Stadt. lwan stieg vom Rücken des grauen Wolfes herunter und eilte durch die Stadt, erreichte den Hof seines Vaters, lief durch den Palast und kam gerade an, als Vasilij die schöne Elena heiraten wollte. Sie saßen beim Hochzeitsmahl, als die Königstochter ihn erblickte. Da sprang sie vom Tisch auf, küsste ihn und rief: „Dieser Iwan Zarensohn ist mein lieber Bräutigam und nicht der Bösewicht, der am Tisch sitzt!“ Zar Vyslav Andronovic erhob sich von seinem Hohen Sitz und wollte wissen, was das alles zu bedeuten habe, und wovon sie spreche.

Elena Prekasnaja erzählte ihm die ganze Wahrheit, wie Iwan Zarensohn sie gewonnen habe, ebenso wie auch das goldmähnige Pferd und den Feuervogel. Und wie die beiden Älteren den Jüngsten umgebracht und sie gezwungen hätten, alle diese Lügen zu erzählen. Zar Vyslav ärgerte sich sehr über seine beiden Söhne und schickte sie ins Gefängnis. Iwan Zarensohn und Elena, die Wunderschöne, feierten Hochzeit und lebten zusammen in Liebe und Frieden.

Quelle: Märchen aus Russland

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