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Märchenbasar

Märchen von einem Schuster und seinem Diener Prituitschkin

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In einem Reiche lebte ein berühmter und ausgezeichneter Fürst, Mistafor Skurlatowitsch; der hatte einen Diener namens Gorja, Sohn von Krutschinin. Mistafor übergab ihn einem geschickten Meister zur Lehre in der Schuhmacherkunst unter der Bedingung, daß er der erste unter allen Meistern, der beste und geschickteste würde. Und so lernte Gorja einige Jahre, und er lernte so gut aus, daß er die Schuhe zur Probe besser nähete, als sein Meister. Da nahm ihn Mistafor Skurlatowitsch in sein Haus und stellte ihn an, bei ihm Schuhe zu machen, und er machte zwanzig Dutzend Schuhe, doch seinem Herrn Mistafor Skurlatowitsch gefiel nicht ein einziges Paar. Deßhalb schlug er ihn unbarmherzig; von diesen Prügeln wäre der Schuster Gorja Krutschinin beinahe toll geworden, und vor Kummer wurde er sehr krank. Und er war krank zehen Wochen.

Und als er anfing zu genesen und nach und nach herumzugehen, da stellte Mistafor Skurlatowitsch den Gorja Krutschinin wieder an, bei ihm Schuhe zu machen. Aber als er einige Paar gemacht hatte, und sie ihm brachte, daß er sie anprobire, da gefiel diesem nicht ein einziges Paar. Und Skurlatowitsch warf ihm diese Schuhe an den Kopf und schlug ihm das ganze Gesicht blutig. Aber Gorja Krutschinin, der eine Altine Geld bei sich hatte, ging in eine Kneipe und sprach diese Worte: »Wenn mich doch der Teufel von diesem Herrn befreite!«

Da stand plözlich vor ihm ein unbekannter Mensch und sprach: »Ueber wen ereiferst du dich, guter Jüngling?« – Darauf antwortete ihm der Schuster Gorja: »Wie sollte ich guter Jüngling nicht aufgebracht sein? Mein Herr ist boshaft, wie ein böser Hund. Du siehst, wie er mich heute zugerichtet hat, und vor zehn Wochen schlug er mich noch mehr, als dieses Mal.« – Der Unbekannte fragte ihn: »Warum schlug er dich so?« – Darauf entgegnete ihm Gorja: »Ich habe die Schuhmacherkunst gelernt, und besser ausgelernt, als mein Meister. Und ich fing an, Schuhe für meinen Herrn zu machen. Doch wie viel ich ihm auch machte, ich konnte nicht seine Art treffen, und statt mir Dank zu sagen, prügelt er mich ganz unbarmherzig, wie du auch selbst siehst, daß mein ganzes Gesicht zerschlagen ist.«

Darauf sagte der Unbekannte: »Ich kenne deinen Herrn hinlänglich; es ist nöthig, dich von ihm zu befreien; und wenn du willst, verheirathe ich dich an die Tochter Mistafor’s anstatt des Fürsten, dem sie schon versprochen ist.«

»Was? bist du toll?« sprach Gorja zu ihm. »Was schwatzest du da für Zeug? Das ist ja eine unmögliche Sache!«

»Glaube mir,« fuhr der Unbekannte fort, »daß ich Alles das machen kann.« – Aber der Schuster zweifelte und sagte: »Was du mir auch vorplaudern magst, ich glaube nicht daran.« – »Nun, so will ich dich überzeugen, daß ich Alles machen kann.«

Darauf befahl er ihm, die Augen zuzumachen, sich der Sonne gegenüber auf den Boden zu werfen und dann zwei Schritte zurückzutreten. – Als Gorja dies Alles gethan hatte, befahl er ihm, sich selbst zu betrachten. Gorja erstaunte, als er sich in einem kostbaren Schmuck erblickte, und sagte: »Ohne Zweifel bist du ein Teufel in Menschengestalt?“

»Allerdings bin ich ein Teufel; du hast mich ja gerufen, und auf deinen Ruf bin ich zu dir gekommen. Ich will dir dienen, und dich an die Tochter Mistafor’s verheirathen.« »Wie ist das möglich?« sprach Gorja zu ihm. »Dort kennen mich ja Alle; selbst der Hund kann mich erkennen.« – Und dieser entgegnete ihm: »Nein, das ist nicht so. Niemand wird dich erkennen: du wirst die Gestalt jenes Fürsten Dardawan haben, an welchen Dogada, Mistafor’s Tochter, versprochen und verlobt ist.«

»Gut, sehr gut, wenn es so geschieht, wie du mir sagst,« sprach Gorja zu ihm. – »Es wird schon so geschehen, wie ich dir sage.« – Und noch ein Mal befahl er ihm, drei Schritte zurückzutreten und die Augen zu schließen, und dann sie wieder zu öffnen. Da sah Gorja einen prachtvollen weißsteinernen Pallast vor sich, und sich höchlich wundernd, woher derselbe so schnell erschienen sei, rief er voll Ueberraschung: »Du bist in Wahrheit ein Teufel und kein Mensch, daß du so große und schwierige Dinge schaffest.«

»Ich sage dir die Wahrheit und hintergehe dich nicht,« antwortete ihm der Unbekannte, »und jezt schenke ich dir diesen steinernen Pallast und werde bei dir bleiben als treuer Diener; nenne mich Prituitschkin.«

Darauf führte dieser Diener seinen neuen Herrn Gorja, den Schuster, auf den breiten Hof, und dort sah der Schuster Gorja eine große Menge Diener, Pferde, Wagen und Alles im größten Schmucke, und diese Diener verneigten sich vor ihm, wie vor dem Fürsten, und die Musikanten spielten auf verschiedenen Instrumenten, und als die Musik aufhörte, ging der Schuster Gorja in den weißsteinernen Pallast und sah einen Tisch mit verschiedenen Speisen gedeckt; er setzte sich an diesen Tisch, aß und trank sich ordentlich satt, und lebte in diesem Hause einige Zeit, wie ein vornehmer Herr.

Um diese Zeit reiste der Fürst Dardawan, nachdem er sich mit seiner Braut Dogada verlobt hatte, in seinen Angelegenheiten in eine andere Stadt, und der treue Diener Prituitschkin hielt diese Zeit für günstig, den Schuster Gorja an Dogada zu verheirathen. Deßhalb ging er zu seinem Herrn, dem Schuster, und sagte zu ihm: »Jezt ist es nöthig, es so zu machen, daß Mistafor dich für den Fürsten Dardawan erkennt.« Als er dies gesagt hatte, ging er vor den weißsteinernen Pallast, schlug dem Pallaste gegenüber ein großes Lager auf, und befahl allen Musikanten, plözlich aufzuspielen. Als die Musik erschallte, hörte Mistafor verschiedene angenehme Melodien und dachte bei sich, es sei gewiß Fürst Dardawan gekommen, und schickte sogleich, Erkundigungen darüber einzuziehen. Vergewissert in dieser Sache von den dort Anwesenden, daß der vermeinte Fürst Dardawan selbst gekommen sei, schickte er zu ihm viele ausgezeichnete Leute, um seinen herzlich geliebten Schwiegersohn, den Fürsten Dardawan, zu einem Gastmahl zu ihm zu rufen. Die Boten Mistafor’s kamen zu dem Schuster Gorja, verneigten sich demüthig vor ihm, und baten ihn im Namen ihres Fürsten Mistafor Skurlatowitsch, er möchte ihn besuchen und sein Gast sein. Der Schuster Gorja antwortete ihnen: »Geht und berichtet dem Mistafor Skurlatowitsch, daß ich bald zu ihm kommen würde.«

Die Abgeordneten alle verneigten sich tief vor dem Schuster Gorja und schilderten und erzählten ihrem Fürsten Mistafor, was sie von dem vermeinten Zarewitsch Dardawan gehört und was sie bei ihm gesehen hatten. Nach dem Abgang der Gesandten Mistafor’s kam der Diener Prituitschkin zu dem Schuster Gorja und sagte zu ihm: »Nun, jezt mußt du zu Mistafor gehen. Höre, was ich dir rathen werde: wenn du auf den Hof zu Mistafor kommst, und von deinem guten Rosse absteigst, so binde dein gutes Roß nicht an, und laß es von Niemandem halten, sondern huste nur stark und setze mit aller Kraft den Fuß auf den Boden. Wenn du in das Zimmer kommst, so setze dich auf den Stuhl, der die erste Nummer hat. Wenn sie dich Abends nöthigen, zu übernachten, so bleibe, und wenn sie dir ein Bette zurecht machen, so lege dich nicht darauf, denn Fürst Dardawan legt sich immer auf sein eigenes Bette, welches hundert Pud schwer ist; ich werde dir ein solches Bette besorgen, und wenn ich damit zögere, so schlage mich dafür im Angesichte Mistafor’s und seiner Tochter. Wenn du zu Bette gehst und man dir eine Menge Lichter gibt, so sage ihnen, daß sie diese Lichter wegnehmen, und befiel mir einen Stein zu bringen, welchen Fürst Dardawan immer bei Nacht auf den Tisch legt. Ich bringe dir diesen Stein, und wenn dieser Stein bei Nacht auf dem Tische liegt, so leuchtet er besser, als tausend Lichter.« –

Der Schuster Gorja, solche Rede von seinem Diener Prituitschkin hörend, gelobte Alles dies zu beobachten. Und Gorja kam auf den breiten Hof, und sein Diener Prituitschkin führte ihm das gesattelte Pferd vor. Der Schuster Gorja setzte sich auf dieses Pferd, und Prituitschkin auf ein anderes. Und sie ritten zu Mistafor Skurlatowitsch, und als sie auf den breiten Hof gekommen waren, ging Mistafor Skurlatowitsch seinem geliebten Schwiegersohne, dem vermeinten Fürsten Dardawan, entgegen. Und der Schuster Gorja stieg dort ab von seinem guten Rosse und band es nicht an und ließ es von Niemandem halten; er hustete nur stark und setzte den Fuß auf den Boden, so derb er konnte. Das Roß stand an derselben Stelle, wie eingewurzelt. Dann ging Gorja in das Zimmer, betete zu Gott verneigte sich nach allen vier Seiten, küßte den Wirth und setzte sich in die vordere Ecke auf den Stuhl mit der ersten Nummer. Mistafor ging zu seiner Tochter Dogada und sagte ihr, sie möchte kommen und mit ihrem verlobten Bräutigam, dem Fürsten Dardawan, kosen. Dogada war schlau und klug, und antwortete ihrem Vater: »Mein gnädiger Herr Vater, Mistafor Skurlatowitsch, das ist ja nicht Fürst Dardawan, das ist unser Schuster Gorja Krutschinin.« – »Fasele nicht,« sagte Mistafor zu ihr, »ich habe den Fürsten Dardawan ja vorher von Angesicht gesehen und kenne ihn. Das ist derselbe, und nicht der Schuster Gorja.«

»Wolan, Herr!« sagte Dogada, »ich gehe zu ihm und begrüße ihn, doch gebt Acht und denkt an mich: es ist nicht Fürst Dardawan, sondern der Schuster Gorja in seiner Gestalt, und habt Acht darauf: wenn wir uns an den Tisch setzen, um zu essen, so lasset Weißbrod und Schwarzbrod geben, und wenn ihr bemerket, daß dieser Gast zuerst Schwarzbrod abschneidet, so ist er nicht Fürst Dardawan, sondern der Schuster Gorja Krutschinin, denn Fürst Dardawan schneidet immer zuerst Weißbrod ab.«

»Gut, ich werde darauf sehen,« sagte Mistafor zu ihr.

Da bittet Mistafor Skurlatowitsch den Schuster Gorja, sich zu Tische zu setzen, und als sie sich gesetzt hatten und Weiß- und Schwarzbrod gereicht wurde, nahm der Schuster Gorja das Brod und fing an, zuerst Schwarzbrod abzuschneiden und nicht Weißbrod, so daß Mistafor und Dogada es bemerkten. Und Mistafor fing an, ihn zu fragen: »Mein geliebter, geehrter und theurer Schwiegersohn, Fürst Dardawan, warum beliebt eurer Gnaden zuerst so viel Schwarzbrod abzuschneiden und nicht Weißbrod?«

Als dies der Diener Prituitschkin hörte, erschien er unsichtbar und flüsterte dem Schuster Gorja folgende Worte in’s Ohr: »Sage dem Mistafor auf diese Frage, daß dein Vater, wenn er sich zu Tische setzte, immer erst den Armen, einem Jeden ein Stück Brod zu essen gab, und statt des Salzes ihnen einen Beutel mit Gold hinschüttete. Und wenn du diese Worte sprichst, so befiehl mir, den Sack mit dem Golde zu bringen.«

Der vermeinte Zarewitsch Dardawan sprach dieselben Worte zu Mistafor, schnitt schwarzes Brod ab, und rief seinem Diener Prituitschkin zu, er solle den Beutel mit dem Golde herbeibringen. Der rasche Prituitschkin brachte sogleich den Beutel mit dem Golde, den er aus Mistafor’s Vorrathskammer genommen, oder, eigentlich zu sagen, gestohlen hatte, und Gorja befahl ihm, eine Gesellschaft von Bettlern zusammenzubringen. Der Diener eilte fort und brachte sogleich eine große Menge Arme, und der Schuster fing an, Brod auszutheilen, und jedem aus der Kasse ein Goldstück hinzuschütten. Nachdem er alles Brod und die goldnen Münzen ausgetheilt hatte, begann er selbst zu essen.

Nach dem Essen sagte Mistafor zu seiner Tochter: »Sieh, du hast gesagt, dies sei nicht Fürst Dardawan; jezt wirst du selbst sagen, daß er es ist.« – »Nein, Väterchen«, antwortete Dogada. »Das ist nicht der Fürst, sondern unser Schuster Krutschinin.« – »Du hast den Verstand verloren,« sagte drauf Mistafor, »ich hoffe, daß der Teufel schon längst den Schuster Gorja Krutschinin geholt hat.« »Und gebt Acht, ich beweise, daß er dieß gewiß nicht ist,« sagte Dogada. »Wenn ihr ihn einladet, bei euch zu übernachten, so lasset ihm ein Bette zurecht machen; legt er sich auf dieses Bette, so ist er nicht Fürst Dardawan, sondern der Schuster Gorja.«

Als der Abend kam, und es schon spät war, befahl Mistafor, dem Schuster sein gutes Bette zu schicken, und als sie das Bette brachten, sagte Mistafor zu dem vermeinten Zarewitsch, er würde sich nun bei Annäherung der Nacht entfernen und zur Ruhe begeben. Gorja ging in’s Schlafgemach, sah, daß das nicht das Bette sei, von welchem ihm sein Diener Prituitschkin gesagt hatte, rief sogleich den, Prituitschkin, als wäre er in großem Zorne und schlug ihn sehr heftig in’s Gesicht, indem er sagte: »Wenn du Schurke weißt, daß ich hier übernachte, warum hast du mir mein Bette nicht zurechtgemacht? Du weißt ja, daß ich immer auf meinem hundertpudigen Bette schlafe. Gehe schnell und bringe dieses Bette hierher.« – Prituitschkin lief eilig und brachte das hundertpudige Bette, welches er bei dem Fürsten Dardawan gestohlen hatte.

Der Schuster Gorja entkleidete sich und legte sich auf das Bette, und Dogada befahl vorsätzlich eine Menge Lichter anzuzünden und in sein Schlafzimmer zu bringen; doch Gorja zauderte nicht, sie alle fortzujagen mit den Lichtern, und befahl dem Prituitschkin, ihm den Stein zu geben, welchen ihm dieser auch sogleich brachte, denn er hatte auch diesen leuchtenden Stein zugleich mit dem Bette dem Fürsten Dardawan gestohlen. Gorja stellte diesen Stein auf den Tisch und legte sich schlafen, und von diesem Stein verbreitete sich ein so helles Licht, daß es – wovor Gott behüte! – heller, als ein Feuerschein am Himmel glänzte. Mitten in der dunklen Nacht schickte Dogada zu dem Schuster Gorja in’s Schlafgemach eine ihrer Mägde und befahl ihr, diesen leuchtenden Stein vom Tische zu stehlen. Kaum aber kam die Magd in’s Schlafzimmer und wollte den Stein wegnehmen, so sprang plözlich der Diener Prituitschkin, welcher neben der Thüre lag, hervor und sagte: »Ist es nicht schändlich von dir, hübsches Mädchen, deinen zukünftigen Herrn zu bestehlen? Dafür mußt du mir jezt ein Pfand lassen.« Er zog der Magd die Jupe und das Wamms aus, nahm ihr das Kopftuch und entließ sie so. Die Magd ging zu ihrer Herrin Dogada, und erzählte ihr den ganzen Vorfall; doch Dogada verzagte nicht, und nach einer Stunde schickte sie in der Meinung, daß der Schuster Gorja und sein Diener Prituitschkin schliefen, ein andres Mädchen, den Stein zu stehlen. Als diese in das Schlafgemach kam, verfuhr Prituitschkin auf gleiche Weise, nahm ihr die Jupe, das Wamms und das Tuch vom Kopfe, und ließ sie wieder fort. Darauf abermals nach einer Stunde kam Dogada in der Meinung, daß sie endlich eingeschlafen wären, auf den Gedanken, selbst zu gehen und den Stein zu stehlen; aber kaum trat sie in das Schlafgemach zu dem Schuster Gorja und legte die Hand an den Stein, so sprang Prituitschkin auf, ergriff sie sogleich und sagte: »Wie? ist es nicht eine Schande für eure Gnaden, solches Unheil anzustiften? Es schickt sich nicht für die Tochter eines so angesehenen Vaters, zu solchem Geschäft auszugehen, und dafür, schönste Fürstin, bitte ich, mir ein Pfand zu lassen.« – Nach dem Gesagten, wie nach dem Geschriebenen, nahm Prituitschkin ihr die Jupe, das Wammes und das Kopftuch, und entließ Dogada mit Scham und Reue.

Als den folgenden Tag früh der Schuster Gorja Krutschinin aufstand, erzählte ihm sein Diener Prituitschkin, was in der Nacht vorgegangen war, und gab dem Schuster Gorja den Rath, wenn er zu Mistafor käme, und Mistafor finge an, ihm Räthsel aufzugeben, so möchte er ihm antworten, »er rathe keine Räthsel, sondern er gebe selbst Räthsel auf:« »und dann,« fuhr er fort, »gib dem Mistafor folgendes Räthsel auf: »Ich ging spazieren auf euren grünen Wiesen, fing drei Ziegen, und zog von jeder drei Felle ab.« Wenn Mistafor zweifelt und sagt, es sei nicht möglich, daß sich drei Felle auf einer Ziege befänden, so rufe mich und befiehl mir, diese Felle zu bringen.

Als der Schuster Gorja den neuen Unterricht seines Dieners Prituitschkin vernommen hatte, ging er zu Mistafor, und Mistafor fing an, ihm Räthsel aufzugeben. Gorja antwortete darauf: »Ich löse nicht Räthsel, sondern gebe sie selbst auf.« Und er sprach zu ihm: »Ich ging spazieren auf euren grünen Wiesen, fing drei Ziegen, und zog von jeder drei Felle ab.« – Mistafor zweifelte sehr und sagte: Es ist unmöglich, daß auf jeder Ziege drei Felle seien.« – »Allerdings ist es so und gewiß richtig,« sagte der Schuster Gorja, rief den Prituitschkin und befahl ihm, die drei Felle zu bringen, welche er den drei Ziegen abgezogen. Der Diener brachte dieselben sogleich zu ihm. Als Mistafor die Kleider seiner Tochter sah, betrübte er sich sehr, zürnte auf sie in seinem Herzen, und fragte den vermeintlichen Zarewitsch, wie ihm Dogada’s Kleider in die Hände gekommen seien? Der Schuster erzählte ihm, wie sich Alles begeben. Mistafor, auf seine Tochter aufgebracht, sprach zu ihr: »Sieh, du hast mir gesagt, dies sei nicht der Fürst Dardawan, sondern der Schuster Gorja Krutschinin, und so will ich nun nicht länger Geduld haben und mit deiner Verehelichung zaudern: mache dich heute zur Hochzeit bereit.« Und auf diese Weise heirathete der Schuster Gorja denselben Tag Dogada.

Einige Zeit nach seiner Verheirathung kam der Diener Prituitschkin zu dem Schuster Gorja, und sprach: »Nun, ich habe dich jezt glücklich genug gemacht, so thue nun auch für mich das, worum ich dich bitte: in eurem Garten ist ein Teich, in diesem Teiche hielt ich mich früher auf. Einmal wusch ein Mädchen Wäsche in diesem Teiche und ließ einen Ring hineinfallen, und dadurch vertrieb sie mich aus dem Teiche. Befiehl du nun, aus diesem Teiche das Wasser abzulassen und ihn zu reinigen, befiehl, daß der, der den Ring dort findet, ihn zu mir bringe, und wenn er gefunden ist, so befiehl, wieder reines Wasser in den Teich zu lassen, und eine Schaluppe zu bauen; auf dieser Schaluppe fahre mit deiner Gemahlin und mir zusammen. Ich werde mich dann in das Wasser stürzen, und wenn deine Gemahlin ausruft: »Ach, der Diener Prituitschkin ist ertrunken!« so sage blos zu ihr: »Der Teufel hole ihn!«

Als der Schuster Gorja diese Worte von seinem Diener Prituitschkin gehört hatte, befahl er, den Teich im Garten abzulassen und zu reinigen, und, was man in diesem Teiche fände, zu ihm zu bringen. Als der Teich gereinigt wurde, fand dort ein Knabe den Ring und brachte ihn zu dem Schuster Gorja, und der Schuster Gorja befahl, Wasser in den Teich zu lassen, und eine Schaluppe zu bauen. Als Alles fertig war, setzte er sich mit seiner Gemahlin und seinem Diener Prituitschkin in die Schaluppe und fuhr auf diesem Teiche, der Diener Prituitschkin warf sich plözlich in das Wasser, und Dogada rief: »Ach, der Diener Prituitschkin ist ertrunken.« – Da sagte der Schuster Gorja: »Der Teufel hole ihn! Mir ist er nicht mehr nöthig.«

Fürst Dardawan, der wahre verlobte Bräutigam Dogada’s, wurde in eine Schlacht geschickt, und verlor darin sein Leben. Der Schuster Gorja Krutschinin wurde mit seinem Namen genannt, und lebte mit Dogada viele Jahre in großer Freude und Seligkeit, sein früheres unglückliches Schicksal vergessend.

Anton Gotthelf Dietrich (Russische Volksmärchen)

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