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Märchenbasar

Max, der Hütejunge und der mürrische Bauer

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Max war zehn Jahre alt und ein sehr armer Junge. Seine Mutter, mit der er alleine lebte, hatte nie genug Geld, um ihn zu ernähren oder ordentlich zu kleiden. Deshalb ging er jeden Samstag, Sonntag und in den Ferien, zu einem Bauern im Nachbarort arbeiten, um seine Mutter zu unterstützen. Geld bekam er nicht dafür, aber der Bauer war großzügig mit Speck, Kartoffeln und Gemüse.
„Wenn er nur nicht so griesgrämig und so barsch wäre“, dachte Max oft, „man könnte ihn direkt lieb haben!“ An manchen Tagen ging Max nicht gerne zu ihm hin, aber das behielt er für sich. Er wusste, dass seine Mutter auf das, was er als Lohn bekam, angewiesen war.
Heute war wieder so ein schlimmer Tag für Max. Nichts konnte er dem Bauern recht machen. Deshalb war er froh, dass er mit den Schafen auf die Weide sollte. Sie blökten zwar, aber nicht mit ihm, wie es der Bauer immer tat.

Es war Sommer, die Sonne strahlte vom Himmel und kein Wölkchen war am Himmel zu sehen.
Die Schafe grasten friedlich, oder dösten vor sich hin. Elsa, sein Lieblingsschaf, war immer in seiner Nähe. Es war ein ganz besonderes Schaf, mit dichter, lockiger Wolle, in der man so richtig schön kraulen konnte. Es hörte ihm zu, wenn er von seinem Ärger mit dem Bauern und seinem Kummer sprach. Oft hatte Max das Gefühl, Elsa verstand jedes Wort, was er ihr erzählte.
Max hatte sich an einen Baumstamm gelehnt und Elsa lag neben ihm und ließ sich kraulen.
„Ach, Elsa“, begann Max zu erzählen, „ich bin heute so traurig! Ich habe Sommerferien und muss drei Wochen bei diesem Griesgram bleiben.
Meine Klassenkameraden fahren in den Urlaub, in die Berge oder ans Meer. Und ich sitze hier und hüte euch. Dabei wünsche ich mir schon so lange, einmal das große Meer zu sehen!“
Elsa hob den Kopf und blickte ihn mit ihren kleinen Augen an.
„Den Wunsch kann ich dir erfüllen!“, begann es zu sprechen.
Max glaubte zu träumen, deshalb fragte er: „Elsa, hast du eben mit mir gesprochen?“
„Ja! Aber erzähle es keinem. Es soll unser Geheimnis bleiben. Versprich es!“
„Aber ja doch!“, antwortete Max. „Die halten mich doch für bekloppt, wenn ich jemandem erzähle, dass ich mich mit einem Schaf unterhalte. Aber sag mal, wie hast du das gemeint, das mit dem Wunsch kann ich dir erfüllen?“
„Ich denke schon lange darüber nach, wie wir den Bauern testen können, sagte Elsa. „Mag er dich und kann es nur nicht zeigen oder duldet er dich nur, weil du willig bist und deine Arbeit tust! Ich will endlich wissen, ob der Bauer für dich ein Herz hat!“
„Wie willst du das anstellen?“, fragte Max.
„Ganz einfach“, antwortete Elsa, „du verschwindest für ein paar Stunden spurlos. Damit jagen wir dem Bauern einen tüchtigen Schrecken ein.
Max winkte ab. „Und wohin soll ich verschwinden? Ich kann euch doch nicht alleine lassen!“
„Klar, kannst du das. Du willst doch das Meer sehen. Na, also. Über uns mach dir mal keine Gedanken. Ich passe auf, während du fort bist!“
„Und wie komme ich ans Meer?“, wollte Max wissen.
Elsa verzog ihr Maul. „Meine Freundin Loretta, eine kleine Wolke, zieht täglich hier vorbei und winkt mir zu. Sie nimmt dich mit, zeigt dir das Meer und bringt dich wieder zurück. Wenn der Bauer kommt und nach dir schaut, bist du weg. Basta! Dann werde ich sehen, was für ein Gesicht er macht!“
Elsa zeigte in den Himmel.
„Schau hinauf, dort kommt sie schon, meine Loretta. Bleib hier, ich erkläre ihr alles.
Es dauerte nicht lange und Elsa kam mit der Wolke zurück. Sie streckte ihre Arme nach Max aus und hob ihn hoch.
„Mach` es dir bequem“, sagte sie, winkte dem Schaf zu und zog los.
Hui, war das schön! So hatte sich Max die Welt von oben nicht vorgestellt! Dörfer, Städte, Wälder und Seen glitten unter ihnen dahin und im Nu waren sie über dem Meer.
Schiffe fuhren kreuz und quer, Delfine flitzten mit lustigen Sprüngen durchs Wasser. Vor Aufregung konnte Max nicht still sitzen.
„Zappel nicht so herum“, rief die Wolke ihm zu, „sonst plumpst du noch ins Meer und wirst von den großen Fischen ausversehen verschluckt!“

In der Zwischenzeit war der Bauer zur Weide gekommen, um Max sein Vesper zu bringen. Die Herde graste friedlich, aber der Junge war nicht zu sehen.
Elsa kam ihm entgegen und blökte ihn an.
„Hau ab, du blödes Schaf! Oder kannst du mir sagen, wo der Junge ist?“
„Könnte ich, aber ich will nicht!“, dachte Elsa und trottete davon. Als es in den Himmel blickte, sah sie die Wolke zurückkommen.
„Oh, weh“, dachte Elsa und sah sich nach den Bauern um. Doch der hatte ihnen den Rücken zugekehrt und war auf dem Weg zurück, um Max wahrscheinlich im Haus und Hof zu suchen. Elsa atmete erleichtert auf.
Die Wolke kam näher.
„Beeilt euch!“, rief sie ihnen entgegen, der Bauer kommt bestimmt gleich wieder zurück!“
Da sahen sie ihn auch schon kommen.
Loretta, die Wolke, schwebte soweit sie konnte nach unten, doch dann rief sie: „Spring ab, Max! Weiter runter kann ich nicht. Du musst bei der Herde sein, bevor der Bauer hier ist!“
Elsa hatte gehört, was die Wolke zu Max sagte.
Bevor Max sprang, war Elsa schon bei ihm. Sie legte sich wie ein ausgebreiteter Teppich ins Gras, fing ihn auf und lachte mit halberstickter Stimme: „Puh, das ist ja noch mal gut gegangen!“
Unbemerkt hatte sich die Schafherde um Elsa und Max gescharrt, sodass der Bauer sich erst durch die Herde wühlen musste.
Max erwartete ein Donnerwetter, aber nichts geschah.
„Ich habe dich gesucht“, sagte der griesgrämige Bauer ganz aufgeregt, aber in einem Ton, den Max vorher von ihm nie vernommen hatte. „Ich habe mir große Sorgen gemacht!“ Er riss ihn in seine Arme und drückte ihn an seine breite Brust.
Dem Jungen wurde es ganz warm ums Herz. Elsa kam näher, stupste ihn leicht in den Po und meinte: „Siehste, er mag dich! Er hat doch ein Herz. Nun wird alles gut!“
Und von diesem Tag an war der Bauer immer nett zu Max.    

Anna-Lena

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