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Märchenbasar

Nelke, Rose und Jasmin

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Eine Frau hatte drei Töchter. Als die Alteste an einem Fluß spazierenging, sah sie eine Nelke im Wasser, bückte sich, um sie zu ergreifen, und verschwand darin. Am folgenden Tag stieß der anderen Schwester dasselbe zu, denn sie sah im Fluß eine Rose. Schließlich verschwand auch die Jüngste, denn sie wollte eine Jasminblüte erhaschen. Die Mutter der drei Mädchen war sehr traurig und sie weinte und weinte, bis sie einen Sohn gebar, und als dieser ein Mann geworden war, warum sie so sehr weinte. Die Mutter erzählte ihm, wie es dazu kam, daß sie ihre drei geliebten Töchter verlor. »Nun, Mutter, dann gib mir deinen Segen, denn ich will, durch die Welt ziehen und sie suchen.« Und er ging fort. Unterwegs begegnete er drei Burschen, die heftig miteinander stritten. Er ging zu ihnen und sagte: »Holla, was gibt’s?« Einer von ihnen antwortete: »Ach, Herr, mein Vater hatte ein Paar Stiefel, einen Hut und einen Schlüssel, die er uns hinterließ. Wenn man die Stiefel anzog und zu ihnen sagte: Stiefel, tragt mich fort, dann verschwand man, wohin man wollte. Der Schlüssel öffnet alle Türen, und setzt man sich den Hut auf den Kopf, dann sieht einen keiner mehr. Unser ältester Bruder will alle drei Sachen für sich behalten, und wir wollen, daß sie durch das Los aufgeteilt werden.« »Das läßt sich regeln,« sagte der Junge, der die Eintracht unter ihnen wieder herstellen wollte. »Ich werfe diesen Stein weit weg, und wer ihn zuerst fängt, der soll die drei Sachen behalten.« Darauf einigten sie sich, und als die drei Brüder hinter dem Stein herliefen, zog der Junge die Stiefel an und sagte: »Stiefel! tragt mich an den Ort, an dem meine älteste Schwester sich befindet.« Sogleich war er in einem steilen Gebirge, wo es ein großes Schloß gab, das mit dicken Vorhängeschlössern verschlossen war. Er steckte den Schlüssel hinein, und alle Tore öffneten sich ihm. Er ging durch Säle und Flure, bis er auf eine gut gekleidete Dame stieß, die sehr fröhlich war, bei seinem Anblick aber mit Entsetzen ausrief: »Herr, wie habt ihr hier eintreten können?« Der Junge sagte ihr, daß er ihr Bruder sei, und erzählte ihr, wie er habe dorthin gelangen können. Auch sie erzählte ihm von ihrem Glück; der einzige Kummer, den sie habe, sei jedoch, daß ihr Ehemann den Zauber, der auf ihm lag, nicht brechen könne, denn sie habe ihn immer sagen hören, er wäre erst dann von dem Zauber frei, wenn ein Mann stürbe, der die Gabe des ewigen Lebens habe.
Sie unterhielten sich lange Zeit, und schließlich bat ihn die Dame fortzugehen, denn ihr Mann könnte kommen und ihm etwas zuleide tun. Der Bruder sagte, sie solle unbesorgt sein, denn er trüge bei sich einen Hut, wenn er den aufsetzte, würde niemand ihn sehen. Plötzlich öffnete sich die Tür und ein großer Vogel erschien. Aber er sah nichts, denn als er Lärm hörte, hatte sich der Junge sogleich den Hut aufgesetzt. Die Dame holte eine große goldenen Schüssel, und als der Vogel sich hineinsetzte, verwandelte er sich sofort in einen schönen Jüngling. Darauf schaute er die Frau an und rief: »Hier war jemand!« Zuerst leugnete sie, aber dann sah sie sich gezwungen, alles zu gestehen. »Aber wenn es dein Bruder ist, warum hast du ihn dann weggehen lassen? Wußtest du nicht, daß dies ein Anlaß war, ihn schätzen zu lernen?
Wenn er wieder herkommt, sage ihm, daß er bleiben soll, denn ich will ihn kennenlernen.« Der Junge setzte den Hut ab und begrüßte seinen Schwager, der ihn umarmte. Beim Abschied gab dieser ihm eine Feder mit den Worten: »Wenn du dich in irgendeiner Bedrängnis sehen solltest, dann soll alles so ausgehen, wie du es willst, wenn du sagst: Der König der Vögel steh‘ mir bei!«
Der Junge verschwand, denn er sagte zu den Stiefeln, sie sollten dorthin tragen, wo seine mittlere Schwester wäre. Es geschah mehr oder weniger das gleiche. Beim Abschied gab ihm der Schwager eine Schuppe: »Wenn du dich in irgend einer Bedrängnis sehen solltest, dann sage: Der König der Fische steh‘ mir bei!« Letztlich gelangte er auch zum Haus seiner jüngsten Schwester. Er fand sie in einer finsteren Höhle, die mit dicken Eisengittern versperrt war. Er ging dem Ton der Tränen und dem Schluchzen nach und fand sie ganz abgemagert, und sowie sie ihn sah, schrie sie: »Wer Ihr auch sein mögt, holt mich hier heraus!« Darauf gab er sich zu erkennen und erzählte ihr, wie er die anderen beiden Schwestern ganz glücklich und froh angetroffen habe, und daß sie nur den Kummer hätten, daß ihre Ehemänner sich von ihrem Zauber nicht befreien könnten. Die jüngste Schwester erzählte ihm, daß sie bei einem abscheulichen Alten sei, einem Ungeheuer, daß er sie mit Gewalt heiraten wolle und sie hier gefangen halte, weil sie sich nicht herbeiließ, ihm zu Willen zu sein. Jeden Tag würde das Ungeheuer sie aufsuchen, um sie zu fragen, ob sie schon entschlossen sei, ihn zum Mann zu nehmen; und daß sie sich daran erinnern möge, daß sie ihre Freiheit nie wiedererlangen würde, denn er würde ewig leben.
Sowie der Bruder dies hörte, dachte er an den Zauber, der auf den beiden Schwägern lag, und er nahm sich vor, das Geheimnis, durch das jener ewig lebte, aufzudecken. Er riet der Schwester, das Versprechen zu geben, den Alten zu heiraten, jedoch nur, wenn er ihr sagte, was ihm ewiges Leben gäbe. Plötzlich erzitterte der ganze Boden, man spürte gleichsam einen gewaltigen Orkan, und der Alte trat ein, ging zu dem Mädchen und fragte es: »Bist du immer noch nicht entschlossen, mich zu heiraten? Du wirst so lange weinen müssen, wie die Welt besteht, denn ich bin ewig und ich will dich heiraten.« »Ich werde dich nur heiraten,« entgegnete sie, »wenn du mir sagst, was bewirkt, daß du niemals stirbst.« Der Alte brach in großes Gelächter aus: »Ha, ha, ha! du denkst, du könntest mich töten! Nur wenn es jemanden gäbe, der vom Grunde des Meeres eine eiserne Kiste holte, in der sich eine weiße Taube befindet, die ein Ei legen muß, und der dieses Ei hierher brächte und es mir an der Stirn zerschlüge.« Und er schüttelte sich vor Lachen, in der Gewißheit, daß es niemanden gab, der auf den Grund des Meeres tauchen könnte, noch fähig wäre, den Ort der Kiste zu finden oder sie auch nur zu öffnen, und all das andere zu tun, was man weiß. »Jetzt mußt du mich heiraten, denn ich habe dir mein Geheimnis enthüllt.« Das Mädchen bat noch um eine Frist von drei Tagen, und der Alte ging sehr zufrieden fort. Der Bruder sagte ihr, sie solle die Hoffnung nicht sinken lassen, denn in drei Tagen würde sie frei sein. Er zog die Stiefel an und befand sich am Ufer des Meeres. Dann nahm er die Schuppe, die ihm der Schwager gegeben hatte, und sagte: »Der König der Fische steh‘ mir bei!« Sogleich erschien der Schwager und er war sehr zufrieden. Sobald er von dem Geschehenen gehört hatte, befahl er allen Fischen vor ihm zu erscheinen. Der letzte, der kam, war eine kleine Sardine, die sich für ihre Verspätung entschuldigte, denn sie sei über eine eiserne Kiste gestolpert, die auf dem Grunde des Meeres läge. Der König der Fische gab den größeren Befehl, die Kiste vom Meeresgrund zu holen. Sie brachten sie herbei. Sowie der Junge sie sah, sagte er zu dem Schlüssel: »Schlüssel! öffne mir diese Kiste!« Die Kiste öffnete sich, aber trotz aller Vorsicht entflog ihm daraus eine weiße Taube. Da sagte der Junge zu der Feder: »Der König der Vögel steh‘ mir bei!« Sogleich erschien sein Schwager bei ihm um zu erfahren, was er wollte. Sobald er das erfahren hatte, ließ er alle Vögel vor sich erscheinen. Alle kamen und es fehlte nur eine Taube, die zu allerletzt kam und sich entschuldigte, denn zu ihrem Schlag sei eine alte Freundin gekommen, die seit vielen Jahren gefangen gewesen war, und sie hätte ihr etwas zu essen gemacht. Der König der Vögel sagte, sie solle dem Jungen zeigen, wo das Nest war, in dem die Taube sich befand. Sie begaben sich dorthin und der Junge nahm das Ei, das die Taube dort schon gelegt hatte. Dann sagte er den Stiefeln, sie sollten ihn zu der Höhle führen, in der sich seine jüngste Schwester aufhielt. Es war schon der dritte Tag und der Alte kam, um die Einlösung des Wortes des Mädchens zu verlangen. Sie, die von ihrem Bruder schon unterrichtet worden war, sagte, er solle sich in ihren Schoß zurücklehnen. Kaum hatte er sich hingelegt, da zerbrach sie ihm mit sicherer Hand das Ei an der Stirn, und mit einem lauten Schrei starb das Ungeheuer. Im gleichen Augenblick brach der Zauber, der auf den anderen beiden Schwagern lag. Sie begaben sich dorthin und besuchten mit ihren Frauen, die Prinzessinnen wurden, die Schwiegermutter. Diese sah in Gesellschaft ihrer jüngsten Tochter, die ihr alle Schätze mitgebracht hatte, die das Ungeheuer in der Höhle zusammengetragen hatte, ihre Tränen sich in Freude verwandeln.

[Portugal: T. Braga: Contos tradicionaes do povo portuguez]

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