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Märchenbasar

Prinz Omars Jagderlebnis

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Es war einmal ein vergnügungssüchtiger Königssohn. Eines Tages nun schickte er sich an, in einem unheimlichen Wald zu jagen. Aber seine treu ergebenen Mannen fürchteten sich und wollten ihn nicht begleiten.
,,Feiges Pack“, tobte Prinz Omar, ,,Waschweiber haben in meinem Gefolge nichts zu suchen!“
,,Vergebt mir, mein Gebieter“, wagte Bhagavan, sein erster Gefolgsmann, zu erwidern, ,,aber bedenkt doch, dass schon seit sehr langer Zeit ein böser Fluch über dem Wald liegen soll. Immer wieder hört man von verschollenen Kaufleuten.“
,,Nichts weiter als Ammenmärchen. Nun gut, die Hasenfüße sollen sich ruhig unter den Röcken ihrer Weiber verkriechen. Jene aber, welche Manns genug sind und mich zur Jagd begleiten, erwartet eine reiche Belohnung.“
Auch dem greisen König missfiel das Vorhaben seines Sohnes. Deshalb befahl er den eigenen Jägern, dem Thronfolger zur Seite zu stehen.

Einige Tage später.
Die umfangreichen Vorbereitungen waren beendet und im Morgengrauen versammelte sich die große Jagdgesellschaft im Schlosshof. Dem Auge des Zuschauers bot sich ein wahres Spektakulum zum lautstarken Auszug der geharnischten Männer. Stolz ritt Omar auf seinem edlen Ross allen voran. Ihm folgten Trommler und Bläser. Hinter ihnen ritten dreißig Jäger, ausgestattet mit Armbrüsten, Hirschfängern und Netzen. Als Nachhut folgten zwei Fuhrwerke mit reichlich Proviant, mehreren Fässern Wein sowie Zelten und Decken. Denn schließlich hatte der Prinz mindestens sechs Tage für seine Wildhatz vorgesehen.

Nach einem Tagesritt erreichten sie im Sonnenuntergang den Waldrand. Dort befahl Bhagavan, das Lager aufzuschlagen. Vor ihnen ragten düster und dicht an dicht die Bäume empor. Während die Jäger und Knechte sich am Feuer wärmten, flüsternd über den Fluch redeten, schritt ihr Prinz unruhig umher. Dem ungestümen Königssohn dauerte die Nacht viel zu lang. Er wollte alsbald in das geheimnisvolle Dickicht vordringen.
Noch bevor die ersten Vögel ihr Morgenlied anstimmten, riefen Jagdhörner zum Aufbruch. Von ihrem Instinkt getrieben, stob die Hundemeute laut bellend voran. Die königliche Jagd begann. Treiber lärmten, scheuchten verängstigtes Wild auf und hetzten es ihren Herren entgegen. Auf einmal gewahrte Omar im Dickicht einen stattlichen Hirsch. Vorsichtig schlich er mit der gespannten Armbrust näher, verursachte ärgerlicherweise ein Geräusch und das Tier flüchtete. Wütend setzte ihm der Königssohn nach.

Er musste bereits seit Stunden hinter seiner Beute hergejagt sein, als ihm auffiel, dass er nunmehr völlig allein war. Außerdem hatte er sich hoffnungslos verirrt. Der junge Thronfolger verharrte, lauschte angespannt und vernahm in der Ferne dumpfes Hundegebell. Zielstrebig schlug er die mutmaßliche Richtung ein. Nach einigen Schritten jedoch hörte er Hörner vom anderen Ende des Waldes. So geschah es, dass Prinz Omar sich immer tiefer im Dickicht verlief, bis er plötzlich in der Dunkelheit ein Licht erblickte. Kurz darauf stand er vor einer efeuüberwachsenen Hütte. In seiner Not pochte er kräftig an die Pforte. Als sich nichts rührte, klopfte Omar erneut. Daraufhin hörte er eine ängstliche Stimme fragen:
,,Bist du ein Wesen des Lichtes oder der Dunkelheit?“
Seltsame Frage, dachte er und antwortete:
,,Nun, finster ist es hier draußen schon. Aber wenn du wissen willst, ob ich ein Halunke bin, so sei getrost, denn ich gehöre zur königlichen Jagdgesellschaft.“
Nach einer Weile öffnete sich die Tür langsam und eine Jungfrau warnte flüsternd:
,,Nein! Hier ist nicht gut verweilen. In diesem Wald lauert eine grauenvolle Gefahr.“
,,Höre Mädchen, ich habe mich verirrt und benötige nur ein schlichtes Nachtlager.“
,,Es ist mir unmöglich, deiner Bitte nachzukommen“, erwiderte sie und schloss die Pforte.
Gerade wollte er sich abwenden, als die Maid herauskam, ihn bei der Hand packte und wispernd sagte:
,,Pst, verhalte dich ganz still und folge mir. Ich bringe dich in Sicherheit.“

Über einen schmalen, verschlungenen Pfad gelangten sie zu einer versteckten, aber geweihten Kapelle. Nachdem die Fremde einige Kerzen angezündet hatte, bemerkte der Prinz ihre atemberaubende Schönheit. Ihr nachtschwarzes langes Haar rahmte das anmutige Antlitz ein und traurige grüne Augen blickten unruhig umher.
,,Nur an diesem heiligen Ort wirst du die Nacht überleben, denn hier wagt es sich nicht hinein“, gab sie ihm zu verstehen.
Omar schaute die Maid unverwandt an, konnte sich von so viel Liebreiz nicht losreißen und erwiderte:
,,Wer bist du? Was betritt die Kapelle nicht?“
,,Nuria lautet mein Name. Ich wurde als zweites Kind eines Herrscherpaares aus fremden Landen geboren. Aber nun bitte ich dich inständig, verlasse nicht vor Sonnenaufgang diese heilige Stätte.“
,,Mädchen aus der Ferne, so erkläre dich doch deutlicher, sage mir endlich was hier geschieht!“
Die Jungfrau seufzte tief, ihre Augen füllten sich mit Tränen und sie brachte schluchzend hervor:
,,Einst tötete mein älterer Bruder die tierische Tochter eines verfluchten Dschinn. Dieser nahm dann furchtbare Rache an uns beiden.“
,,Warum an dir?“
,,Ich half meinem Bruder, die Bestie in eine Falle zu locken.“
,,Was wurde euch danach angetan?“
,,Der dämonische Geist versetzte uns bei wachem Verstand in Unbeweglichkeit. Dann bekamen wir ein Elixier eingeflößt, die Augen verbunden und wurden auf einen Greif gesetzt. Bevor der Riesenvogel mit uns davonflog, erklärte der Dschinn, dass mein Bruder nunmehr nächtens zum grausamen Dämonen wird. Ich hingegen müsse bis zur Erlösung an seiner Seite leben und mit ansehen, wie er Menschen vernichtet.“
,,Also ist es dein Bruder, der in diesem Wald sein Unwesen treibt.“
Sie nickte schuldbewusst.
,,Aber du sprachest doch von Erlösung, Nuria. Hast du auch Kenntnis davon, wie es zu bewerkstelligen wäre?“
,,Gewiss mein Prinz, aber das wird dir nicht gefallen.“
,,Sprich, meine Schöne.“

Nachdem Nuria alles berichtet hatte und nur noch wenig Zeit bis zum Sonnenaufgang blieb, schickte sich Omar an, die Kapelle zu verlassen. Das Mädchen flehte ihn an, von seinem Vorhaben abzulassen. Aber da sich der Königssohn in die Jungfrau verliebt hatte, wollte er sie unter Einsatz seines Lebens erretten. Also lief er beherzt in den nächtlichen Wald, verursachte absichtlich Lärm, um den Unhold anzulocken. Es brauchte auch nicht lange und ein hässliches, übel riechendes Geschöpf brach aus dem Unterholz. Es stürzte sich auf sein vermeintliches Opfer, packte Omar an der Kehle und entblößte seine messerscharfen Reißzähne.
,,Halt! So halte ein“, keuchte der Prinz. ,,Ich biete dir für mein Leben zehn gut genährte Männer.“
Das dämonische Wesen ließ sich auf den verlockenden Handel ein und folgte ihm bis zum Waldrand.

Im Lager der Jagdgesellschaft herrschte Aufregung und Ratlosigkeit. Außer dem Thronfolger waren alle von der Hatz unversehrt zurückgekehrt. Gerade stieg die Sonnenscheibe am Horizont empor, als Bhagavan zum Waldrand deutete und rief:
,,Unser Herr! Seht doch, er lebt!“

Während Omar im Licht verharrte, duckte sich die Bestie im Schatten der Bäume.
,,Nun gut. Ich gehe also die zehn Männer für dich holen.“
Während der Prinz zum Lager hinüber lief, beobachteten ihn aus dem Dickicht misstrauische Augen.
Bei seinen Gefolgsmännern angekommen, nahm er Bhagavan zur Seite und schenkte ihm reinen Wein ein.
,,Mein Gebieter, ein wahrlich gefährliches Unterfangen. Aber wenn wir die Jäger im Unklaren lassen, dann könnte es gelingen.“
Im Glauben, es gälte ein verwundetes Wild aus dem Unterholz zu bergen, folgten die ausgewählten Männer zum Walde. Dort knüpfte Bhagavan sie wie Perlen auf einer Schnur an ein dickes Tau und erklärte ihnen:
,,Prinz Omar wird die Schlinge am anderen Ende dem Eber überwerfen, dann gebe ich das Zeichen und ihr zieht das Tier heraus. Aber wagt euch nicht das Seil fahren zu lassen, sonst rollen eure Köpfe!“

,,Es ist soweit“, log der Königssohn und streifte im schummrigen Gebüsch dem Untier unbemerkt die Schlinge über. Dann pfiff er schrill und augenblicklich straffte sich das Tau. Noch ehe jenes dämonische Wesen die Falle erkannte, glitt es aus dem Wald direkt ins Sonnenlicht. Die plötzliche Helligkeit blendete es so sehr, dass ihm keine Orientierung mehr möglich war. Blitzschnell sprang der Königssohn hinzu, schlug dem Geschöpf das Spitzhorn von der Stirn und rammte es tief in den Boden. Zugleich trockneten die sengenden Sonnenstrahlen die Haut der Bestie aus, sodass sie zu bersten begann.
Inzwischen war Nuria herbeigeeilt. Sie beobachtete mit klopfendem Herzen, wie ihr Bruder gesund und unversehrt der schrumpfenden Hülle entstieg. Die beiden zogen mit der königlichen Jagdgesellschaft zum Schloss.

Prinz Omar gestand der schönen Nuria seine Liebe und sie willigte ein, seine Gemahlin zu werden. Ihr Bruder wurde einige Zeit später zu Bhagavans Nachfolger berufen. Das junge Königspaar übernahm die Regentschaft und schenkte dem greisen König viele reizende Enkelchen.

Quelle: Ulla Magonz

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