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Märchenbasar

Prinz Setna und das Zauberbuch

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Die Königliche Barke fuhr stromabwärts, ohne daß irgend ein Mensch auf Erden den Ort wußte, an dem sich Neneferkaptah befand. Als sie nach Memphis gelangte, da teilte man dem Könige diese Ereignisse mit. Der König stieg hinab zum Flusse, zu der Königlichen Barke. Er trug Trauerkleider, und die ganze Besatzung von Memphis und die Priester des Gottes Ptah und der Oberpriester des Ptah und die ganze Umgebung des Königs hatten Trauerkleider angelegt. Da erblickten sie Neneferkaptah, der sich, Kraft seiner Kenntnisse als ausgezeichneter Schreiber, an die Steuerruder der Königlichen Barke angehängt hatte. Man hob ihn aus dem Wasser und sah das Buch an seinem Körper befestigt. Da sprach der König: »Man soll das Buch, das an seinem Körper sich befindet, verbergen.« Aber die Leute aus der Umgebung des Königs, die Priester des Gottes Ptah und der Oberpriester des Gottes Ptah sagten vor dem Könige: »O du, der du unser großer Herr bist! Möge dir die Lebensdauer des Sonnengottes Râ zuteil werden! Neneferkaptah war ein vortrefflicher Schreiber und ein sehr gelehrter Mann, er wird also auch nicht ohne Grund das Zauberbuch an sich festgebunden haben und ist es daher besser, es ihm zu belassen.« Der König ließ Neneferkaptah samt dem Buche zu Grabe tragen. Die Einführung in die Gräberstadt dauerte sechzehn Tage, die Umwickelung mit Mumienbinden fünfunddreißig Tage, die Bestattung siebzig Tage. Dann setzte man ihn in seiner Grabkammer innerhalb seiner Grabanlagen bei.
Ich habe dir, schloß Ahure ihre Rede, das Leid berichtet, das uns wegen dieses Buches betroffen hat, wegen des Buches, von dem du gesagt hast: »Man soll es mir geben. Du hast kein Anrecht an das Buch, nachdem uns seinetwegen unsere Lebenszeit auf Erden verkürzt worden ist.«
Setna aber blieb ungerührt und sagte: »Ahure! Lasse mir das Buch geben, welches ich zwischen dir und Neneferkaptah erblicke, sonst werde ich es mir mit Gewalt nehmen.« Da richtete sich Neneferkaptah auf seinem Lager auf und sagte: »Bist du nicht Setna, dem diese Frau all dieses Leid erzählt hat, das du nicht zu ertragen brauchtest. Wirst du imstande sein, dieses Buch vermöge deiner Kraft als vortrefflicher Schreiber dir zu nehmen, oder willst du es dadurch zu erringen suchen, daß du mich im Brettspiel überwindest? Laß uns um das Buch das Brettspiel Zweiundfünfzig spielen« . Da sagte Setna: »Ich bin bereit«.
Da stellte man das Spielbrett mit seinen Spielsteinen in der Gestalt von Hunden hin und sie spielten das Spiel Zweiundfünfzig. Neneferkaptah gewann dem Setna ein Spiel ab, er sprach einen Zauberspruch über ihn, er hielt das Spielbrett, das vor ihm stand, über ihn und ließ ihn bis zu den Beinen in die Erde versinken. Er tat das Gleiche bei dem zweiten Spiele, er gewann es Setna ab und ließ ihn bis zu der Hüfte in die Erde versinken. Er tat das Gleiche bei dem dritten Spiele und ließ Setna bis zu den Ohren in die Erde versinken. Da schlug Setna den Neneferkaptah mit seiner Hand, Setna rief seinen Bruder An-Hor-erru, den die Menchart geboren hatte und sagte: »Steige ohne Verzug hinauf auf die Erde, berichte dem Pharao alles, was mir begegnet ist und bringe die Talismane meines Vaters, des Gottes Ptah, und meine Zauberbücher hierher.«
An-Hor-erru stieg ohne Verzug auf die Erde hinauf und berichtete dem Pharao alles, was Setna begegnet war. Der König sagte: »Bringe ihm die Talismane seines Vaters, des Gottes Ptah!« An-Hor-erru stieg ohne Verzug wieder in das Grab hinunter, er legte die Talismane auf den Körper des Setna, im gleichen Augenblicke erhob dieser sich aus der Erde. Setna streckte seine Hand aus nach dem Buche und ergriff es. Als Setna nunmehr mit dem Buche aus dem Grabe hinausging, da ging Licht vor ihm her und Finsternis folgte ihm nach. Ahure aber weinte und sagte: »Preis sei dir, du Herr der Finsternis (die jetzt über uns kommt); lebe wohl, du Herr des Lichtes das uns mit dem Buche verläßt; alle Kraft ist aus unserem Grabe gegangen.« Neneferkaptah aber sagte zu Ahure: »Sei nicht betrübten Herzens, ich werde dafür sorgen, daß er das Buch hierher zurückbringt. Dabei soll er einen gabelförmigen Stock in der Hand halten und auf dem Kopfe ein Feuerbecken tragen.«
Setna stieg aus dem Grabe auf die Erde hinauf und verschloß hinter sich das Grab genau so, wie es einst verschlossen gewesen war. Setna begab sich zu dem Könige und erzählte dem Könige alle Dinge, die ihm wegen dieses Buches begegnet waren. Da sagte der König zu Setna: »Wenn du ein kluger Mann bist, so bringe dieses Buch freiwillig in das Grab des Neneferkaptah zurück, sonst wird er dafür sorgen, daß du es zurückbringen mußt und dabei einen gabelförmigen Stock in der Hand hältst und ein Feuerbecken auf dem Kopfe trägst.« Aber Setna hörte nicht auf ihn, vielmehr beschäftigte sich Setna mit nichts anderem mehr auf der Welt als damit, daß er die Schriftrolle, die das Buch enthielt, aufrollte und allen möglichen Menschen aus dem Buche vorlas.
Nachdem sich diese Ereignisse zugetragen hatten, da geschah es eines Tages, daß Setna bei dem Tempel des Ptah spazieren ging. Hier erblickte er eine Frau, die sehr schön war, und es gab keine Frau, die ihr an Schönheit gleich gekommen wäre, sie trug viele goldene Gegenstände an sich, junge Mädchen gingen hinter ihr her, und sie hatte zweiundfünfzig Bediente bei sich. Sobald Setna diese Frau erblickte, wußte er nicht mehr, wo auf der Welt er sich befinde. Setna rief seinen Diener und sagte ihm: »Gehe ohne Verzug an den Platz, an dem sich diese Frau befindet, und erkundige dich, welchen Standes sie ist.« Der Diener ging ohne Verzug an den Platz, an dem die Frau sich befand, er rief die Dienerin, die hinter ihr herging, und befragte sie und sagte: »Wer ist das?« Sie sagte zu ihm: »Das ist Tabubuë, die Tochter des Priesters der Göttin Bast von Ânch-ta-ui (einem Stadtteil von Memphis), die hierher gekommen ist, um vor dem großen Gotte Ptah zu beten.«
Der Diener kehrte zu Setna zurück und berichtete ihm alle Worte ohne Ausnahme, welche die Dienerin ihm gesagt hatte. Da sagte Setna zu dem Diener: »Gehe hin und sage der Dienerin folgendes: Setna- Chamoïs, der Sohn des Königs User-maâ-Râ  ist es, der mich sendet und dir sagen läßt: Ich werde dir, deiner Herrin, der Tabubuë, zehn Goldstücke geben, damit du eine Stunde mit mir verbringst. Wenn aber Gewalt nötig ist um dich dazu zu veranlassen, so wird er, Setna, solche anwenden und wird dich an einen Ort bringen lassen, der so verborgen ist, daß kein Mensch in der Welt dich wiederfinden wird.«
Der Diener kehrte an den Platz zurück, an dem sich Tabubuë befand, er rief ihre Dienerin und sprach mit ihr. Diese aber antwortete entrüstet, geradeso als wäre das, was er sagte, eine Beleidigung. Tabubuë, die den Wortstreit gehört hatte, sagte aber zu dem Diener: »Höre doch auf, mit dieser verächtlichen Dienerin zu sprechen, komme hierher und sprich mit mir selbst.« Der Diener eilte an den Platz, an dem Tabubuë sich befand, und sagte ihr: »Ich werde dir zehn Goldstücke geben, damit du eine Stunde mit Setna-Chamoïs, dem Sohne des Königs User-maâ-Râ, verbringst. Wenn aber, um das zu erreichen, Gewalt nötig ist, so wird er diese anwenden und dich an einen Ort bringen lassen, der so verborgen ist, daß dich kein Mensch in der Welt wiederfinden wird.« Da sagte Tabubuë: »Gehe hin und sage dem Setna: Ich bin eine Priesterin, ich bin keine gewöhnliche Person. Wenn du das, was du wünschest, mit mir tun willst, dann mußt du nach der Stadt Bubastis, in mein Haus kommen. Dort ist alles vorbereitet und dort kannst du mit mir das tun, was du tun möchtest, ohne daß irgend ein Mensch mich dabei ausfindig machen kann, und ohne daß ich nach der Art eines Mädchens von der Straße handelte.« Der Diener kehrte zu Setna zurück und berichtete ihm alle Worte ohne Ausnahme, die ihm Tabubuë gesagt hatte. Setna sagte: »Das ist mir recht.« Aber jedermann in der Umgebung Setnas war hierüber entrüstet.
Setna ließ sich eine Barke bringen, er ging an Bord und gelangte ohne Verzug nach Bubastis, wo er sich nach dem Westen des Stadtteiles Kemi wendete. Dort fand er ein Haus, das war sehr hoch, eine Mauer lief um dasselbe, auf der Nordseite lag ein Garten, und vor dem Tore war eine Bank. Da frug Setna und sagte: »Wessen Haus ist denn das Haus da?« Da sagte man ihm: »Das ist das Haus der Tabubuë.« Setna ging in das Innere der Umwallung des Hauses und wandte sich nach dem Gartenhause. Man teilte das der Tabubuë mit, sie kam (vom obern Stocke, wo sich die Frauengemächer zu befinden pflegten) herunter, nahm Setna an der Hand und sagte ihm: »Ich schwöre bei dem Glücke des Hauses des Priesters der Bast, der Herrin von Ânch-ta-ui, zu dem du gekommen bist, daß ich sehr erfreut bin. Komme mit mir herauf!«
Setna stieg mit Tabubuë die Treppe des Hauses herauf. Er fand das obere Stockwerk geschmückt und geziert, der Fußboden war mit echtem Lapislazuli und echtem Smaragd bedeckt, es standen da mehrere Ruhebetten, die waren mit feiner Leinewand bedeckt, und auf dem Kredenztisch standen viele goldene Schalen. Man füllte eine goldene Schale mit Wein, gab sie Setna in die Hand, und die Frau sagte ihm: »Wäre es dir gefällig, deine Mahlzeit hier einzunehmen.« Er antwortete ihr: »Das kann ich nicht, dazu bin ich zu verliebt«. Da legte man wohlriechende Stoffe in die Räucherpfanne und brachte Salben herbei, wie man sie einem Könige zu bringen pflegt. Setna verbrachte einen vergnügten Tag mit Tabubuë, denn er hatte noch niemals etwas gesehen, was ihr gleich gekommen wäre.
Da sagte Setna zu ihr: »Laß uns das vollenden, um dessentwillen wir hierher gekommen sind.« Die Frau aber sagte zu ihm: »Du bist hier in dein Haus gekommen und dein Haus ist das Haus, in dem du dich befindest. Aber ich hin eine Priesterin, ich bin keine gewöhnliche Person. Wenn du mit mir das tun willst, was du mit mir tun möchtest, so mußt du mir schriftlich einen Besitz an Geld zusichern, und das muß sich beziehen auf alle Dinge und jeglichen Besitz, den du hast.« Er sagte zu ihr: »Man möge den Schreiber der Schule kommen lassen.« Man ließ diesen sofort herbeikommen, und Setna ließ ihr schriftlich einen Besitz an Geld zusichern, der sich auf alle Dinge und jegliches Besitztum bezog, das ihm gehörte.
Eine Stunde verging, da teilte man Setna mit und sagte ihm: »Deine Kinder sind unten«. Er sagte: »Man möge sie heraufbringen.« Da stand Tabubuë auf und legte ein Gewand aus feiner Leinewand an, und Setna erblickte durch das Gewebe hindurch alle ihre Glieder und seine Begierde wurde noch stärker als sie schon vorher gewesen war. Setna sagte zu Tabubuë: »Laß mich das vollenden, um dessentwillen ich hierher gekommen bin.« Sie sagte zu ihm: »Du bist hier in dein Haus gekommen und dein Haus ist es, in dem du dich befindest. Aber ich bin eine Priesterin, ich bin keine gewöhnliche Person. Wenn du mit mir das tun willst, was du tun möchtest, dann wirst du veranlassen, daß deine Kinder das Schriftstück unterschreiben, welches du mir gegeben hast, damit sie nicht später mit meinen Kindern wegen deiner Güter Streit anfangen.« Er ließ seine Kinder herbeiführen, und ließ sie das Schriftstück unterschreiben.
Setna sagte zu Tabubuë: »Laß mich das vollenden, dessentwegen ich hierher gekommen bin.« Sie sagte zu ihm: »Du bist hier in dein Haus gekommen, und dein Haus ist es, in dem du dich befindest. Aber ich bin eine Priesterin, ich bin keine gewöhnliche Person. Wenn du mit mir das tun willst, was du tun möchtest, so lasse deine Kinder töten, damit sie nicht später mit meinen Kindern wegen deiner Güter Streit anfangen.« Setna sagte: »Man möge an ihnen die abscheuliche Tat vollbringen, die dir dein Herz eingegeben hat.« Sie ließ seine Kinder vor seinen Augen töten, sie ließ sie aus dem Fenster den Hunden und Katzen zuwerfen. Diese fraßen ihr Fleisch, und Setna hörte sie, während er mit Tabubuë trank. Setna sagte zu Tabubuë: »Laß uns das vollenden, dessentwegen wir hierher gekommen sind, denn alles das, was du mir als dein Verlangen gesagt hast, das habe ich für dich getan.« Da sagte sie ihm: »Begib dich dort in jenen Raum!« Setna ging in den Raum und legte sich auf ein Ruhebette von Elfenbein und Ebenholz, damit seine Liebe ihren Lohn empfinge. Tabubuë legte sich neben Setna. Setna streckte seine Hand aus, um sie zu berühren, da riß sie ihren Mund weit auf und stieß einen lauten Schrei aus.
Als Setna, er bei dem Schrei der Tabubuë, die sich dabei als Gespenst entpuppte, vor Schrecken in Ohnmacht gefallen war, erwachte, war er in einem heißen Raum, er war nackend, kein einziges von all den Kleidungsstücken, die man auf Erden zu tragen pflegt, bedeckte ihn. So verging eine Stunde, dann sah Setna einen Mann auf einer Erhöhung stehen, und unter den Füßen des Mannes befanden sich zahlreiche Leute, und der Mann sah wie ein König aus. Setna wollte sich erheben, aber er konnte sich nicht erheben, denn er schämte sich, da er kein Gewand anhatte. Da sprach der König: »Was bedeutet das, daß du dich in solcher Gestalt befindest?« Setna sagte: »Das war Neneferkaptah, der mir alle diese Dinge angetan hat.« Der König sagte: »Gehe nach Memphis, denn siehe! deine Kinder verlangen nach dir, sie stehen auf ihren Füßen (lebendig) vor dem Könige.«
Da sagte Setna vor dem Könige: »O du mein großer Herr, mein König! Möge dir die Lebensdauer des Sonnengottes Râ beschieden sein! Auf welche Weise soll ich nach Memphis kommen, da mich keinerlei irgendwie geartetes Gewand bedeckt?« Der König rief einen Diener, der dabei stand und ließ dem Setna ein Gewand geben. Der König sagte dann: »Setna, gehe nach Memphis, denn siehe! deine Kinder leben, siehe! sie stehen auf ihren Füßen vor dem Könige.«
Setna ging nach Memphis, er umarmte seine Kinder, er fand sie am Leben. Der König  sagte: »War es nicht Betrunkenheit, die dich zu allen diesen Taten veranlaßt hat?« Setna erzählte alle die Dinge, die ihm mit Tabubuë und Neneferkaptah begegnet waren. Der König sagte: »Setna! ich habe bereits früher mein möglichstes für dich getan als ich dir sagte: Sie werden dich umbringen, wenn du dieses Buch nicht an die Stelle, von der du es fortgenommen hast, zurückbringst. Aber bis jetzt hast du nicht auf mich gehört. Lasse jetzt dieses Buch dem Neneferkaptah zurückbringen, und nimm dabei einen gabelförmigen Stock in die Hand und trage ein Feuerbecken auf dem Kopfe.«
Da ging Setna von dem Könige fort und trug eine Gabel und einen Stock in der Hand und ein Feuerbecken auf dem Kopfe, er stieg hinab in das Grab, in dem sich Neneferkaptah befand. Da sagte Ahure zu ihm: »Der große Gott Ptah ist es, der dich heute hierher geführt hat.« Neneferkaptah aber lachte und sagte: »So geschieht denn jetzt das, was ich dir bereits früher vorher gesagt hatte.« Setna und Neneferkaptah unterhielten sich miteinander und da fand Setna, daß, während sie sprachen, das Sonnenlicht, das von dem Buche ausging, in dem ganzen Grabe war. Ahure und Neneferkaptah unterhielten sich freundlich mit Setna. Setna sagte: »Neneferkaptah! Gibt es nicht irgend etwas, was du unangenehm empfindest?« Da sagte Neneferkaptah: »O Setna! du weißt, daß Ahure und ihr Kind Merab in Koptos begraben sind. Gleichzeitig weilen sie, Dank der Zauberkraft eines guten Schreibers, hier in diesem Grabe. Unterziehe du dich doch der Mühe nach Koptos zu gehen und sie auch körperlich mit ihren Mumien hierher zu bringen«.
Setna stieg aus dem Grabe hinauf auf die Erde, er trat vor den König und erzählte vor dem Könige alles, was ihm Neneferkaptah gesagt hatte. Der König sagte: »Setna! Gehe nach Koptos und bringe Ahure und ihr Kind Merab (hierher nach Memphis) zurück.« Setna sagte vor dem Könige: »Man möge mir die Königliche Barke samt ihrer Bemannung zur Verfügung stellen.« Man übergab ihm die Königliche Barke samt ihrer Bemannung, er schiffte sich ein, er segelte fort, er gelangte ohne Verzug nach Koptos. Man meldete dies auch dieses Mal den Priestern der Isis von Koptos und dem Oberpriester der Isis.
Siehe! Da kamen diese ihm entgegen an den Nil hinunter, sie führten ihn an das Ufer, und er ging mit ihnen das Ufer hinauf. Er trat in den Tempel der Göttin Isis von Koptos und des Gottes Harpocrates ein. Er ließ einen Stier, Gänse und Wein herbei bringen und brachte ein Opfer und eine Spende vor Isis von Koptos und vor Harpocrates dar. Dann begab er sich mit den Priestern der Isis und dem Oberpriester der Isis in die Gräberstadt von Koptos. Sie brachten dort drei Tage und drei Nächte zu und suchten in den Gräbern, die in der Gräberstadt von Koptos sich befanden. Sie wendeten die (umgestürzten) Grabsteine der Schreiber des Lebenshauses um und lasen die Inschriften, die auf ihnen standen. Aber die Grabstätten, in denen Ahure und ihr Kind Merab ruhten, die fanden sie nicht.
Da merkte Neneferkaptah, daß sie die Ruhestätten der Ahure und ihres Kindes Merab nicht fanden. Er erhob sich von den Toten in der Gestalt eines Greises, eines Priesters von sehr hohem Alter und trat Setna entgegen. Setna erblickte ihn, und da sagte Setna zu dem Greise: »Du hast das Aussehen eines alten Mannes. Kennst du da nicht vielleicht die Ruhestätten, in denen sich Ahure und ihr Kind Merab befinden?« Der Greis sagte zu Setna: Der Vater des Vaters meines Vaters sagte einst zum Vater meines Vaters: »Der Vater meines Vaters sagte zum Vater meines Vaters: Die Ruhestätten der Ahure und ihres Kindes Merab liegen in der Südecke der Behausung des Priesters …«
Setna sagte zu dem Alten: »Vielleicht hat dich dieser Priester einmal geschädigt und nun lügst du, die Gräber wären unter seinem Hause und willst nun deswegen sein Haus zerstören lassen.« Der alte Mann sagte zu Setna: »Man möge mich bewachen während man das Haus des Priesters zerstört, und wenn man dann nicht Ahure und ihr Kind Merab unter seiner Südecke findet, dann möge man mir eine schimpfliche Strafe zufügen.« Man bewachte den Priester und entdeckte dann die Ruhestätte der Ahure und ihres Kindes Merab unter der Südecke des Hauses des genannten Priesters. Setna ließ diese vornehmen Persönlichkeiten Ahure und Merab zu der Königlichen Barke bringen und ließ die bei der Ausgrabung zerstörte Priesterwohnung wieder in ihrer alten Gestalt aufbauen. Dann ließ Neneferkaptah den Setna erkennen, daß er es gewesen war, der nach Koptos gekommen wäre, um ihn die Ruhestätte, in der Ahure und ihr Kind Merab ruhten, finden zu lassen.
Setna schiffte sich auf der Königlichen Barke ein, er segelte fort und gelangte ohne Verzug mit seiner ganzen Begleitung nach Memphis. Man teilte dies dem Könige mit, und der König stieg zu dem Nile zu der Königlichen Barke hinab und ließ diese vornehmen Persönlichkeiten in die Grabstätte bringen, in der sich Neneferkaptah befand. Ihre oberirdische Grabkammer in der man sich an Festtagen zur Darbringung der Totenopfer zu versammeln pflegte ließ er sorgfältig verschließen.
Das ist die ganze Erzählung, welche die Geschichte von Setna-Chamoïs und von Neneferkaptah und von seiner Frau Ahure und von ihrem Kinde Merab berichtet. Sie wurde  niedergeschrieben im Monate Tybi des fünfzehnten Regierungsjahres des augenblicklich auf dem Throne sitzenden Pharaos, dessen Namen der Abschreiber aber nicht verzeichnet hat.

Quelle: Alfred Wiedemann, Altägyptische Sagen und Märchen

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