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Radu Bolfe

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Zu der Zeit, da die Zigeuner noch nicht so arbeiteten wie jetzt und jeder nur einen stapîn (Herrn) hatte, lebte ein Zigeuner, der hieß Radu. Der hatte so viele Kinder wie Löcher in einem Siebe sind und noch eines mehr, aber noch immer waren sie satt geworden von dem, was ihr Vater vom stapîn heimschleppte. Nie war er auch nur auf den Gedanken gekommen, zu stehlen.
Zum ersten Male in seinem Leben war er eines schönen Sommertages nicht auf dem Platz zum stapîn, er hatte verschlafen, als er dann aber doch hinlief, war dieser schon längst mit den Leuten auf dem Feld. Zum ersten Male auch sollten seine Kinder einen ganzen Tag hungern. Dieser Gedanke machte ihn ganz betrübt. So kam er heim. Auf halbem Wege traf er die ganze Schar, sie war ihm entgegengekommen, um die rîncezala (vergilbter Speck) in Empfang zu nehmen. Über diese herbe Enttäuschung schlugen sie ein fürchterliches Geheul auf, daß sich der arme Zigeuner nur hinter den Ohren kraute, bis er mit der heulenden Bande zu seiner Frau kam. »Du Frau, seit ich bin, habe ich noch nie gestohlen, aber heute muß ich, sieh her, wie die schreien.« »Nicht geh, der Tag wird ja vergehen auch hungrig, nicht geh, man erwischt dich und wirft dich ins Gefängnis, nicht geh«, suchte die Frau ihn zu beruhigen. »Ich will essen, ich will essen, auch ich, auch ich«, schrie es durcheinander. »In meinem Leben hab‘ ich noch nie gestohlen, heute muß ich, ich tu’s ja für die Kinder. Frau, unser Herrgott wird mir helfen, von diesen vielen Kindern, für die ich Speise schaffen muß, wird ja eines Glück haben, daß man mich nicht erwischt.« Mit diesen Worten lief er fort.
Er lief, bis er in einen Garten kam, wo ein Baum stand, ganz blau von Pflaumen. Vorsichtig stieg er hinauf, füllte sich den Busen und kam nach Hause. Aber, o weh, das reichte ja kaum für zwanzig, und da erhielt jedes nur eine. Kurz entschlossen kehrte er wieder um, kletterte auf den Baum, nahm soviel er im Busen und in den Taschen bergen konnte. Nun waren aber auch alle befriedigt und die Ruhe hergestellt, aber nicht die seines Gewissens, es brannte und fraß in ihm. »Du Frau, gewiß hat mich jemand gesehen, bald sind sie hinter mir, wohin soll ich mich verstecken? Ich krieche in den Ofen, du stellst dich davor, als ob du Feuer anmachen wolltest, und wenn sie dann kommen, mußt du sagen, du wüßtest nichts von mir, hörst du, Frau? Ich sterbe vor Angst.« Er hockte im Ofen, seine Frau stand davor. So verging eine Stunde nach der andern, aber niemand kam, den Radu zu fangen. Endlich sprang er heraus, gab seiner Frau eine Ohrfeige aufs rechte Ohr und schrie: »Du, ich bin der größte Räuber, den Gott auf seiner ganzen Welt hat.« – »Nicht schrei so, man hört dich ja, und du bist ja kein Räuber«, beruhigte ihn die Frau. Da fühlte sie seine rauhe Faust auch auf dem linken Ohr. »Du, ich muß zum stapîn gehen und es ihm auch sagen, ich sei der größte Räuber, den Gott auf seiner Welt hat.« – »Aber was fällt dir ein, bleib doch hier«, fing sie wieder an, aber Radu hörte nicht mehr.
Als er zu seinem Herrn kam, war der grade vom Felde heimgekehrt und rief voll Mitleid: »Ach, du armer Radu, was hast du heute gemacht, sind deine Kinder nicht verhungert? Wart nur, die stapîneasa (Herrin) soll dir eine Schüssel voll rîncezala bringen und Paluckesmehl, damit die Armen wenigstens ein gutes Abendessen kriegen und nicht hungrig zu Bett gehen müssen«. – »Nein, stapîne, ich will, ich brauche nichts, bin nur gekommen, um dir zu sagen, daß unser Herrgott auf seiner ganzen Welt keinen größeren Räuber als mich hält. Nur um dir dies zu sagen, bin ich gekommen.« – »Aber Radu, bist du denn närrisch geworden? Seit du ein Kind warst, bist du in meinem Hause herumgegangen, und noch nie hab‘ ich dich beim Stehlen ertappt. Was fehlt dir denn?« – »Nichts fehlt mir, aber ich bin doch der größte Räuber in dieser Welt.« – »Nun gut, aber beweise es mir, daß du der größte Räuber bist. Morgen schicke ich zweihundert Leute mit hundert Pflügen und hundert Paar Ochsen auf mein Land unter den Bergen, wenn du die stehlen kannst, so erhältst du hundert Gulden und darfst dir das Paar Ochsen nehmen, das dir am besten gefällt. Kannst du aber nicht, so, siehst du den Baum dort, hänge ich dich an ihn auf und haue dir obendrein den Kopf ab.« – »Gut, stapîne, es sei. Machen wir also ein wenig Kontrakt, und gib mir zehn Gulden Handgeld.« Der Herr gab es.
Radu kaufte nun einen Sack voll Hühner, einen voll Enten und einen voll Gänse und versteckte sich hinter den Berg. Um die Mittagszeit des nächsten Tages, als die zweihundert Pflüger sich zum Essen setzten, ließ er den Sack mit den Hühnern hinunterfliegen. »Seht, da kommt eine ganze Herde wilder Hühner, laßt sie uns fangen, wir machen uns mit diesen Ehre beim Herrn«, riefen sie durcheinander. Die meisten sprangen auf und jagten hinter den Hühnern her. Die andern blieben sitzen. Da ließ er die Enten frei. »Seht, da kommt eine Herde wilder Enten, wir wollen sie fangen, dem Herrn eine Freude machen, uns aber Ehre.« Wieder standen so viele auf und liefen die Enten zu fangen, daß nur noch zwanzig sitzen blieben. Aber fort mußten sie alle, darum ließ Radu zuletzt auch die Gänse den Berg hinunterfliegen. Nun standen auch die letzten auf und riefen: »Seht, da kommt eine Herde wilder Gänse, die wollen wir fangen, heut‘ abend dem Herrn eine Freude und uns Ehre damit machen.« Nun waren alle 200 Menschen hinter dem Geflügel her, entfernten sich immer mehr vom Lande, das sie pflügen sollten. Da kam der Zigeuner schnell hinter dem Berge hervor, trieb alle Ochsen zusammen und brachte sie zum stapîn in den Hof, klopfte ans Fenster und rief: »Herr, sieh, die Ochsen sind da.« – »Wie zum Teufel hast du das angestellt, oder hast du meine Leute bestochen und willst den Hunderter mit ihnen teilen.« – »O nein, Herr, die wissen nichts davon, ich hab sie auf die ehrlichste Weise gestohlen, aber den Lohn will ich nicht, bis die Leute nicht selbst herbeikommen, damit du sie fragst.« Die Leute kamen aber nicht, es verging ein Tag und noch einer, und auch der dritte brach an, da endlich keuchten sie herbei. »Wie kommt es denn, ihr Leute, daß ihr erst heute mit dem Pflügen fertig geworden, sonst brauchtet ihr ja nur einen Tag zu der Arbeit?« – »Ach, Herr, und erst sind wir nicht halb fertig geworden.« Und sie erzählten, es sei zuerst eine Herde wilder Hühner, dann eine Herde wilder Enten und zuletzt eine Herde wilder Gänse aufs Land gerade zwischen sie geflogen, sie hätten ihm eine Freude und sich bei ihm Ehre machen wollen und hätten versucht, sie zu fangen, hätten auch viele gehabt, doch zu dem Lande zurückgekehrt, wären sie vor Schreck fast gestorben, denn alle Ochsen wären fort gewesen, in der Aufregung hätten sie auch das Geflügel freigelassen. Dann hätten sie sich auf die Suche nach den Ochsen gemacht, wären durch dick und dünn, durch Feld und Wald gelaufen, hätten sich an den Dornen die Kleider zerrissen und nichts gefunden. Nun würden die, welche eigne Ochsen hätten, sie ihm geben, die andern müßten sie aber abdienen. Da lachte der stapîn und fragte: »Wißt ihr, wer die Ochsen gestohlen: Es war der Radu, der Zigeuner.« Die Leute bekreuzigten sich. Wie das doch in der Welt geht: der ehrliche Radu, der größte Räuber! Der aber erhielt die versprochenen hundert Gulden, wählte sich die schönsten Ochsen und führte sie heim. Dort nahm er eine Axt und schlug einen auf den Kopf, daß er gleich tot zusammenbrach. Die Kinder fielen darüber her, schnitten sich Stücke mit Haut und Haar ab und brieten sie, und im Augenblick war der Ochse aufgefressen von der heißhungrigen Schar. Am nächsten Morgen sprach der Herr: »Radu, gestern hast du deine Sache gut gemacht, aber jetzt sollst du mir auch mein Reitpferd aus dem Stall stehlen, kannst du dies, so soll es dein sein und obendrein noch hundert Gulden. Aber wisse, wenn du nicht kannst, dann kommst du doch an den Baum dort, und ich hau dir obendrein noch den Kopf ab.« – »Gut, Herr, ich will’s versuchen noch in dieser Nacht.«
Nun ließ der Herr viele Wachen um das Pferd herum aufstellen. An jedem Fuß einen, jedes Ohr mußte von einem gehalten werden und der Schwanz, und auf dem Rücken saß auch einer. Es war also sehr gut bewacht.
Um Mitternacht hörte man im Gänsetümpel neben dem Tore eine klägliche Stimme ächzen und stöhnen: »Ihr lieben Leute, kommt einem armen, alten, elenden Krüppel zu Hilfe, sonst muß ich hier sterben. Schon seit neun Jahren und neun Tagen trage ich diese Last mit mir herum, es ist ein Fäßchen alter Wein und ein Fäßchen Branntwein, wer mir heraushilft, dem soll alles sein, denn ich kann ihn nicht mehr auf meinem alten Rücken tragen, ach weh, weh.«
Als die Leute dies hörten, wässerte ihnen der Mund nach den guten Getränken. Die Hälfte von ihnen kam richtig zu Hilfe, übernahmen die beiden Fäßchen und tranken mit den andern neben dem Pferde. Bis ein Fäßchen geleert, waren alle vollständig betrunken. Nun kam Radu, der »arme alte Krüppel«, gab den vieren anstatt den Pferdefüßen je einen Fuß von einem Webestuhl in die Hand, denen, welche die Ohren hielten, die Scheiden, den andern statt den Schwanz eine Hanfreiste, und den auf dem Pferd sitzenden, setzte er oben auf den Webstuhl, sich aber setzte er aufs Pferd, ritt heim und band es an seinen Zaun, kehrte dann wieder um, klopfte dem stapîn ans Fenster und rief: »Stapîne, stapîne, komm heraus, ich hab dir das Pferd gestohlen.« – »Wie zum Teufel hast du das angestellt? Die Wachen halten es doch fest.« – »Komm und sieh, wie fest sie halten.« Als er in den Stall trat, bot sich ihm ein solcher Anblick dar, daß er in schallendes Gelächter ausbrach. Die Wachen hielten krampfhaft am Webstuhl, der [Mann] obenauf ritt, als ob es einen Ritt um die Welt gelte. Des Herrn lautes Lachen ermunterte sie so weit, daß sie aufmerksam wurden und plötzlich ganz nüchtern. Er aber klopfte dem Räuber auf die Schulter: »Radule, das hast du gut gemacht, komm, daß ich dir den ehrlich verdienten Hunderter gebe.« Radu ließ sich nicht viel bitten, und während er sich das Geld in die Tasche des Riemens versorgte, sagte der Herr: »Du hast zwar gezeigt, daß du ein großer Räuber bist, aber den Ring vom Finger meiner Frau kannst du doch nicht stehlen?« – »Warum nicht? Ich will’s versuchen.« – »Gut, gelingt dir auch dies, so soll der Ring dein sein, obendrein noch hundert Gulden, aber du kennst nun den Baum da drüben, an dem wirst du doch noch baumeln ohne Kopf.« – »Das hat noch Zeit, Herr, ich stehle den Ring.« Na, gut. In der nächsten Nacht nahm der Herr alle Pistolen und anderen Schießgewehre hervor, denn er hatte sich vorgenommen, den Ring selbst zu bewachen. Gegen Abend ging der Zigeuner zum Galgen, schnitt einen Aufgehängten ab, band ihn an eine Stange und ging damit vor die Fenster seines stapîn, hielt den Leichnam, dem er seinen Hut aufgesetzt, bald an das eine, bald an das andere Fenster. Drinnen dachten sie, Radu wäre es selbst und versuche einzubrechen. Der Herr nahm eine Pistole, feuerte ab und hatte ihn mitten durchs Herz getroffen, er hörte ihn mit großem Gepolter hinunterfallen. Jetzt wurde es ihm doch bang vor dem Gericht. Da sprach seine Frau: »Aber geh doch hinaus, es ist so dunkel, niemand sieht dich, grabe geschwind im Garten ein Grab und verscharre ihn, wer wird weiter nach dem Zigeuner Radu fragen?« – »Du hast recht, meine Frau, ich gehe.« Und er ging.
Nach einer Weile kam er wieder ganz müde und erhitzt, wischte sich die Stirne und sprach gedämpft außer Atem: »Endlich bin ich den Räuber frei, ich hab solche Angst ausgestanden, aber der Ring ist Gott sei Dank gerettet. Gib mir die Hand, laß mich ein wenig mit deinem Fingerchen, an dem du den Ring hast, spielen. Du könntest jetzt gut mir ihn ein wenig zum Tragen geben, ich hab’s wohl verdient.« – »Natürlich, mein Lieber, sollst du ihn jetzt auch ein wenig behalten, zieh mir ihn ab und steck dir ihn an.« Kaum hatte ihn der Mann am Finger, so klagte er wieder über große Hitze, er müsse sich noch ein wenig draußen abkühlen. Nur einen Augenblick war er gegangen, so kam er wieder herein, ganz müde und erhitzt wie vorhin, wischte sich die Stirne und sprach gedämpft, außer Atem: »Endlich bin ich den Räuber frei, hab‘ solche Angst ausgestanden, aber der Ring ist Gott sei Dank gerettet.« Die Frau wußte nicht, was das zu bedeuten hatte, daß ihr Mann seine Worte von vorhin wiederholte. »Gib mir die Hand, laß mich ein wenig mit dem Fingerchen, an dem du den Ring trägst, spielen, du könntest jetzt gut mir ihn ein wenig zum Tragen geben.« – Da sprang die Frau entsetzt auf: »Aber um Gottes willen, Mann, was redest du, bist du denn irre? Ich gab dir doch den Ring vorhin.« – »Mir hast du den Ring gegeben?« – »Na ja, als du zum ersten Male hereinkamst.« – »Du verfluchter Zigeuner, den Ring hättest du doch nicht stehlen sollen!«
Der Zigeruner stand unter dem Fenster und lachte: »Was verlangst du noch von mir, stapîne?« – »Bring mir um Mitternacht den rumänischen Pfarrer in einem Sack in den Gänsestall, hundert Gulden sind dein, kannst du aber nicht, so kommst du an den Baum, du kennst ihn, den Kopf hau ich dir ab.« – »Gut, ich gehe, es ist bald Mitternacht.« Er ging zur Kirche, seit kurzem hatte auch die rumänische Kirche ein Schloß mit einem Schlüssel, sie war aber zum Glück nicht zugesperrt. Er ging hinein, zündete alle Kerzen an, stellte sich an den Altar und begann laut zu singen: »Wenn nur der Pfarrer bald käme und brächte die hundert Gulden, die er in der Lade hat und einen großen Sack, ich, der Geist Gottes bin von Christus geschickt worden, um ihn im Sack hinauf ins Paradies zu tragen, Christus will ihn zum Protopop machen, wenn er nur bald käme, damit wir uns nicht verspäten.« Der Pfarrer sah die erleuchtete Kirche, hörte den Gesang, um besser zu verstehen, öffnete er’s Fenster. Eben wurde der Gesang wiederholt. Dem Pfarrer klang der Gesang gar lieblich. »Höre, Frau, der Geist Gottes weiß, daß wir hundert Gulden in der Lade haben, nicht mehr, nicht weniger, das muß doch ein großer Geist sein, geschwind gib mir den Sack, du hörst, ich darf mich nicht verspäten.« In der Eile fand die Frau keinen leeren Sack, nahm daher den mit dem Paluckesmehl, leerte ihn mitten auf den Boden und übergab ihn dem davoneilenden Pfarrer.
Als er die Kirche betreten wollte, vernahm er wieder den Gesang: »Schließe fest die Augen, auf daß du mich nicht siehst, sonst mußt du sterben, schließ die Augen fest und leg den Hunderter auf den Altar. Kriech hinein in den Sack.« – »Aber heiliger Geist Gottes, wie soll ich in den Sack kriechen, ich kann ja nicht?« – »Steck nur den Kopf hinein, dann drücke ich dich schon ganz hinein.« Der Pope legte mit festgeschlossenen Augen den Hunderter auf den Altar (sofort steckte ihn der Zigeuner in die Tasche), brachte dann nicht sehr zart den Popen in den Sack, band ihn zu und warf ihn über die Schulter. Als er mit dieser Last zur Türe hinaus wollte, schrie der Pfarrer: »Nur behutsam, nur behutsam, Geist Gottes, du hast mir die Nase angeschlagen, das Blut rinnt mir in den Busen.« Der Zigeuner hatte den Gänsestall schnell erreicht, warf den Pfarrer im Sack zwischen die Gänse, die schlugen ein Geschrei auf: Gigagak, gigagak, stürzten sich über den nicht ausgeschüttelten Mehlsack und bohrten gleich hundert Löcher hinein. Der Zigeuner brachte seinen stapîn heraus. Der kam, äußerlich ernst, innerlich fast zerplatzend vor Lachen, zum Stall, schnitt mit seinem Messer den Sack auf und befreite den Betrogenen. »Aber Herr Pfarrer, das hatte ich von Euch doch nicht geglaubt, Ihr solltet kommen, mir die Gänse zu stehlen.« – »Das will ich auch nicht, aber ein Teufel hat mich genarrt, zum Glück hatte ich mich verspätet, sonst hätte er mich in die Hölle getragen. Jetzt muß ich aber gleich sieben Popen zusammenrufen, daß sie slusbe machen und beten, damit ich auf immer vom Teufel befreit werde.« – »Wißt Ihr auch, wer der Teufel ist, wie er heißt? Es ist ja mein Genugtuer Radu, der Zigeuner, ich habe ihm hundert Gulden versprochen, wenn er Euch im Sack in meinen Gänsestall bringen könnte.« – »Verzeiht mir, Pope, ich will die hundert Gulden mit Euch teilen, seht, da habt Ihr fünfzig.« – »Na gut, aber gib mir auch meine hundert zurück.« – »Eure? Na, ich hab ja keine.« – »Aber du hast sie doch vom Altar genommen.« – »Habt Ihr Beweise? Habt Ihr Zeugen?« Der Pfarrer konnte gegen den Zigeuner nicht aufkommen, er mußte den kürzeren ziehen und war schließlich noch froh, daß ihn nicht der Teufel geholt.
Nun machte der stapîn noch einen letzten Versuch, seinen teuren, im wahren Sinne des Wortes teuren Radu, doch noch an den Baum zu bringen: »Sage mir deinen Familiennamen (porecla), wenn du ihn nicht weißt, so mußt du sterben, weißt du ihn aber, so sei das Häuschen rückwärts im Hof dein, dort magst du wohnen mit deinen Kindern, solange du lebst.« Da fing der Zigeuner an zu weinen und zu klagen. »Ach Herr, jetzt muß ich sterben, woher soll ich denn meinen Familiennamen wissen, ich armer, armer Zigeuner. Sei so gut, Herr, tu mir vor meinem Ende nur den einen Gefallen, laß meine Frau und Kinder kommen, damit sie, bis sich die Richter zusammenfinden, mit mir zusammen weinen und klagen.«
Seine Frau und alle Kinder, so viele Löcher in einem Sieb und noch eines mehr, kamen herbei, um einen Tisch saßen die Richter. Da fing er an zu klagen: »O ich armer, o Bolfe, Bolfe (Geschwulst), du hast mir deinen Kopf gefressen.« Da fingen die Richter an zu lachen und zu rufen: »Du bist gerettet, Radu Bolfe, du hast deinen Namen erraten.«
Nun zog er in das Häuschen rückwärts im Hof mit allen seinen Kindern und lebte von den vielen, in wenigen Tagen durch seine Spitzfindigkeit verdienten Hundertern und von seinem stapîn, dem er wieder treu diente. Solange er lebte, hat er nicht wieder gestohlen, und seine Kinder sind auch nicht verhungert.
 
[Rumänien: Pauline Schullerus: Rumänische Volksmärchen aus dem mittleren Harbachtal]

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