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Märchenbasar

Richilde

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Über diese Rede wunderten sich die weise Aja und alle Damen nicht wenig, vermeinten, das Fräulein habe diesen Fund erdacht, der abgenötigten Wahl eines Gemahls auszuweichen; aber sie beharrte bei ihrer Erklärung standhaft, keinen anderen Sponsen sich aufdringen zu lassen, als den ihr der fromme Bischof Medardus im Traum angetrauet habe. Die Ritter hatten bei dieser Kontroverse lang‘ im Vorgemach geharrt und wurden nun eingelassen, ihre Sentenz zu vernehmen. Die schöne Richilde trat auf, hielt einen herrlichen Sermon mit vieler Würde und Anstand und beschloss mit dieser Apostrophe: „Vermeinet nicht, edle Herren, dass ich mit trügerischen Worten zu euch rede, ich will euch Anzeige tun von der Gestalt und den Merkzeichen der Waffen des unbekannten Ritters, ob jemand sei, der mir Bericht gebe, wer er sei und wo er zu finden ist.“ Hierauf beschrieb sie die Gestalt desselben vom Kopf zum Fuß und fügte noch hinzu: „Sein Harnisch ist gülden, lasurblau verschmelzt, auf dem Schilde schreitet ein schwarzer Löwe in silbernem, mit roten Herzen bestreutem Felde, und die Livrei seiner Feldbinde und des Wehrgehänges ist die Farbe der Morgenröte, Pfirsichblüt und Orangengelb.“ Als sie nun schwieg, nahm der Graf von Brabant, des Landes Erbe, das Wort und sprach: „Wir sind nicht hie, geliebte Base, mit Euch zu rechten; Ihr habt freie Macht und Willkür, zu tun, was Euch gefällt. Uns genügt. Eure Meinung zu wissen, dass Ihr uns ehrlich verabschiedet und nicht weiter mit trüglicher Hoffnung täuschen möget, dafür gebührt Euch billig Dank. Was aber den ehrenfesten Ritter anbelangt, den Ihr im Traum gesehen habt und von welchem Ihr wähnet, dass er vom Himmel Euch zum ehelichen Gemahl beschieden sei, so mag ich Euch nicht verhalten, dass mir derselbe wohlbekannt und mein Lehnsmann ist; denn nach Eurer Beschreibung und den Merkzeichen seiner Livrei kann das kein andrer sein als Graf Gombald von Löwen; doch der ist bereits beweibt und kann nicht der Eure werden.“
Bei diesen Worten entfärbte sich die Gräfin, dass sie dachte umzusinken. Sie hatte nicht vermutet, dass ihr der Spiegel den Streich spielen und einen Mann darstellen würde, dessen gesetzmäßiger Liebe sie nicht teilhaftig werden konnte, auch hatte sie keinen Arg, dass der schönste Mann in Brabant andere Fesseln als die ihrigen tragen könnte. Bei so bewandten Umständen kam der heilige Medardus ziemlich ins Gedränge, dass er mit seinen geistlichen Pflegetöchtern solch Possenspiel treibe und sie in verbotner Liebesglut entbrennen lasse. Dennoch wollte die Gräfin ihren Schutzpatron bei Ehren erhalten und behauptete, ihr Traumgesicht könne vielleicht eine verborgene Deutung haben, wenigstens schien es anzuzeigen, dass sie sich vor der Hand in keine Ehetractaten einlassen sollte. Die Freier zogen also insgesamt davon, der eine da hinaus, der andre dort hinaus, und der Hof der Gräfin war auf einmal einsam und verödet.
Das hundertzüngige Gerücht breitete indessen die seltsame Novelle von dem wunderbaren Traum auf allen Heerstraßen aus, und sie kam auch dem Grafen Gombald warm zu Ohren. Dieser Graf war ein Sohn Theobalds, Bruderherz genannt, weil er seinem jüngeren Bruder Botho mit so treuer Liebe zugetan war, dass er mit ihm in beständiger Eintracht lebte und den Nachgebornen an allen Prärogativen der Erstgeburt Anteil nehmen ließ. Beide Brüder wohnten in einem Schlosse beisammen, ihre Gemahlinnen liebten sich gleichfalls als Schwestern, und weil der ältere Bruder nur einen Sohn, der jüngere nur eine Tochter hatte, gedachten die Eltern, das Band der Freundschaft auch auf die Kinder auszudehnen und verlobten sie in der Wiege. Das junge Paar wurde beisammen auf erzogen, und als der Tod die Erbverbrüderung von selten der Eltern frühzeitig trennte, verklausulierten sie ihren letzten Willen dergestalt, dass den Kindern keine andre Wahl übrig blieb, als sich zu heiraten. Seit drei Jahren waren sie bereits vermählt und lebten nach dem Beispiel ihrer friedlichen Eltern in einer glücklichen Ehe, als Graf Gombald den wunderbaren Traum der schönen Richilde vernahm. Der Ruf, der alle Dinge vergrößert, setzte noch hinzu, sie sei so heftig in ihn verliebt, dass sie das Gelübde getan habe, ins Kloster zu gehen, weil sie seiner Liebe nicht teilhaftig werden könne. Graf Gombald hatte bisher im Schoß einer friedlichen Familie und in den Armen einer liebenswerten Gattin nur die stillen Freuden der häuslichen Glückseligkeit gekannt, es war noch kein Funken in den Zunder seiner Leidenschaften gefallen, sie zu entflammen; aber plötzlich erwachten in seinem Herzen mächtige Begierden, Ruhe und Zufriedenheit schwand daraus hinweg, es gebar törichte Wünsche, nährte sich insgeheim mit der schandbaren Hoffnung, dass der Tod das Ehebündnis vielleicht trennen und ihm seine Freiheit wiedergeben werde. Kurz, das Ideal der schönen Richilde verdarb das Herz eines sonst guten und tugendhaften Mannes und macht‘ es aller Laster fähig. Wo er ging und stund, schwebte ihm das Bild der Gräfin von Brabant vor, es schmeichelte seinem Stolz, der einzige Mann zu sein, der die spröde Schöne überwunden habe, und die erhitzte Phantasie malte ihm den Besitz derselben mit so bunten Farben ab, dass seine Gemahlin dabei ganz in Schatten zu stehen kam; alle Liebe und Zuneigung verlosch gegen sie, und er wünschte nur ihrer los zu sein. Sie bemerkte bald den Kaltsinn ihres Herrn und verdoppelte deshalb ihre Zärtlichkeit gegen ihn, sein Wink war ihr Gebot. Aber sie könnt ihm nichts mehr zu Danke tun, er war finster, mürrisch und grämisch, absentierte sich von ihr bei jeder Gelegenheit, trieb sich auf seinen Landschlössern und in den Wäldern umher, indes die Einsame zu Haus sich grämte und jammerte, dass es einen Stein hätte erbarmen mögen.
Eines Tages überraschte er sie in einer Anwandelung ihrer Leidensergießung: „Weib“, fuhr er auf, „was hast du stets zu winseln und zu stöhnen, dass mir die Ohren gellen, was soll das Eulengeschrei, das mir Unlust macht und weder dir noch mir zu etwas frommen kann?“
„Lieber Herr“, antwortete die sanfte Dulderin, „lasst mir meinen Schmerz. Ich bin ein betrübtes Weib, des ich wohl Ursach habe, sintemal ich Eurer Lieb und Gunst verlustig gehe und nicht weiß, wodurch ich diesen Unwillen verschulde. Hab ich Gnade für Euch gefunden, so tut mir kund Euer Missbehagen, dass ich sehe, wie ich’s wenden mag.“ Gombald wurde durch diese Rede gerührt: „Gutes Weib“, sprach er und fasste sie traulich bei der Hand, „Ihr habt nichts verschuldet, doch will ich Euch nicht verbergen, was mir’s Herz abdrückt, und das möget Ihr nicht wenden. Unser beider Eh macht mir Gewissensskrupel; ich denke, sie sei Blutschand und große Sünd, die sich nicht abbüßen lässt, weder in dieser noch in jener Welt. Wir sind im verbotnen Grad geheiratet, Geschwisterkind, das ist bald als eine Ehe zwischen
Bruder und Schwester; dafür hilft keine Absolution und keine Dispensation. Sehet, das quält mein Gewissen Tag und Nacht und brennt mich auf der Seele.“
In den Zeiten, wo es noch ein Gewissen gab, war dieses, absonderlich bei großen Herren, so fein, zart und empfindsam, wie das Häutlein Periostium genannt, wo die geringste Verletzung große Qual und Angst verursacht, denn obgleich es durch den Schlaftrunk der Begierden gar leicht zu betäuben und einzuschläfern war, dass man daran sägen und drein bohren konnte wie man wollte, ohne dass es sich regte oder bewegte, so erwacht‘ es doch über kurz oder lang, und verursachte Brennen und Jucken unter der Hirnhaut. Bei keiner Gelegenheit aber war es reizbarer, als wenn ein Zweifelsknoten über einen verbotnen Ehegrad es drückte. Alle christlichen Könige und Fürsten gehören, wie bekannt, zu einer Familie; folglich, da sie von jeher nicht außer ihrem Clan heiraten durften, mussten sie sich mit ihren Muhmen und Basen vermählen, und solange diese jung und schön waren, wiegte das sinnliche Gefühl der Liebe alle moralischen Gefühle in einen narkotischen Schlummer. Wenn aber die geliebte Cousine an der Seite ihres Eheherrn zu altern begann, oder Sättigung Überdruss gebar, oder eine andre Dame seinen Augen besser gefiel, erwachte mit einemmal das zarte Gewissen des tugendhaften Gemahls, zwängte und drängte ihn, dass er weder ruhen noch rasten konnte, bis er einen Scheidebrief in Rom vom heiligen Vater gelöst hatte, Frau Base ins Kloster wandern und ihre ehelichen Gerechtsame einer andern einräumen musste, an welche das kanonische Recht keinen Anspruch hatte. So schied sich Heinrich VIII. von Catharinen von Arragonien, seiner Schwägerin, bloß auf Antrieb seines zarten Gewissens, obgleich er mit dessen völliger Zustimmung zwo Nachfolgerinnen derselben einer angeblichen Liebelei halber enthalsen ließ, und so schieden sich laut Zeugnis der Geschichte vor ihm gar viele gewissenhafte Fürsten und Monarchen von ihren Gemahlinnen, obwohl keiner nachher in des frommen Königs Fußtapfen getreten ist. Es war also kein Wunder, dass Graf Gombald, der Sitte und Denkungsart seines Zeitalters gemäß, eine schwere Gewissensrüge über die zu nahe Verwandtschaft mit seiner Gemahlin empfand, sobald ihm eine Liebschaft vorkam, die seiner Sinnlichkeit mehr behagte als diese. Die gute Dame mochte remonstrieren, soviel sie wollte, das Gewissen ihres Herrn zu beruhigen, es war vergebne Müh. „Ach, liebster Gemahl“, sprach sie, „wenn Ihr kein Erbarmen mit Eurer unglücklichen Gattin habt, so erbarmet Euch des unschuldigen Pfandes Eurer erstorbnen Liebe, welches ich unterm Herzen trage. Könnt ich’s doch augenblicks Euch in die Armen geben, vielleicht rührte Euch der Anblick der Unschuld und brächte mir Euer abwendiges Herz zurück.“
Ein Strom bittrer, gesalzener Zähren stürzte diesen Worten nach. Aber die eherne Brust des hartherzigen Mannes fühlte nicht die siebenfachen Leiden seiner Gemahlin, er verließ sie eilends, schwang sich aufs Ross und ritt gen Mecheln zum Erzbischof, löset‘ mit schwerem Gelde einen Scheidebrief und verstieß sein treues, gutes Weib ins Kloster, wo sie sich so härmte und abzehrte, dass ihre Gestalt ganz zerfiel. Als ihre Stunde kam, genas sie eines Töchterleins, welches sie brünstiglich herzet‘, an den treuen mütterlichen Busen drückte und mit heißen Zähren netzte. Aber der Engel des Todes stund neben ihr und drückt‘ ihr schnell die Augen zu, dass sie sich des Anblicks des holden Kindes nicht lang‘ erfreuen konnte. Bald darauf kam der Graf angeritten, nahm das Kindlein zu sich, tat es unter die Hand einer Gouvernante in eins seiner Schlösser und gab dem zarten Fräulein einige Dirnen und Hofzwerge zur Aufwartung; er aber rüstete sich aufs stattlichste aus: denn sein Streben und Sorgen war, die schöne Brabanterin zu erlangen.
Frohen Mutes zog er an den Hof der Gräfin Richilde, warf sich wonnetrunken ihr zu Füßen, und als sie den herrlichen Mann erblickte, nach welchem ihr Herz so lange geseufzt hatte, fühlte sie darinnen unausredbares Entzücken und schwur dem Ritter von Stund an den Bund der Treue. Ihr Palast verwandelte sich in ein Ida und Paphos, denn die Göttin Cythere schien ihre Residenz dahin verlegt zu haben. In dem süßen Freudentaumel, unter den ausgesuchtesten Ergötzlichkeiten, entschwanden dem glücklichen Paare Tage und Jahre wie ein heitrer Morgentraum, und Gombald und Richilde beteuerten einander oft, dass man in den Vorhöfen des Himmels nicht glücklicher sein könne, als er und sie zusammen lebten; kein Wunsch war ihnen übrig als der, äonenlang ihr wechselseitiges Glück zu genießen ohne Wandel. Allein das glückliche Paar besaß zu wenig Philosophie, um einzusehen, dass ein fortwährender Genuss des Vergnügens eigentlich das Grab des Vergnügens ist, und dass diese Würze des Lebens, in zu starken Dosen genommen, demselben allen Hochgeschmack und Anmut raubt. Unvermerkt erschlafft die Reizbarkeit der Organen, das Gefühl der Lebensfreuden; alle Ergötzlichkeiten gewinnen einen einförmigen Gang, und die raffinierteste Abwechslung wird endlich auch ein fades Einerlei. Dame Richilde, nach ihrer veränderlichen Gemütsart, verspürte diese Unbequemlichkeit zuerst, wurde launisch, herrisch, kalt und mitunter eifersüchtig. Der Herr Gemahl befand sich auch nicht mehr in der ehemaligen Lage der Behaglichkeit: ein gewisser Spleen drückte seine Seele, der Minneblick im Auge war erloschen, und das Gewissen, womit er ehedem heuchlerischen Scherz getrieben, fing nun an, zu ernsten. Es kam ihm der Skrupel ein, dass er seine erste Gemahlin gemordet habe; er gedachte derselben öfters mit Wehmut und vielen Lobsprüchen, und der Sage nach soll’s nie gut Geblüt in der zwoten Ehe geben, wenn von der seligen Frau zu oft die Rede ist; es gab oft verschiedne Debatten mit Dame Richilde, und er sagt‘ ihr zuweilen gerade ins Angesicht, dass sie die Stifterin alles Unglücks sei. „Wir können nicht ferner zusammen hausen“, sprach er einstmals nach einem Ehezwist zu seiner Gemahlin, „mein Gewissen drängt mich, meine Schuld zu versühnen, ich will gen Jerusalem wallfahrten zum Heiligen Grabe und versuchen, ob ich dort die Ruhe meines Herzens wieder finden kann.“
Gesagt, getan! Richilde widersetzte sich diesem Vorschlag nur schwach; Graf Gombald rüstete sich zur Wallfahrt, machte sein Testament, nahm lauen Abschied und zog davon. – Eh ein Jahr verging, kam Botschaft nach Brabant, dass der Graf in Syrien an der schwarzen Pest gestorben sei, ohne den Trost gehabt zu haben, am Heiligen Grabe seine Sünden abzubüßen. Die Gräfin empfing diese Zeitung mit großer Gleichmütigkeit, gleichwohl beobachtete sie äußerlich alle Regeln des Wohlstandes, sie wehklagte, weinte, hüllte sich in Boy und Flor nach den Vorschriften der Etikette, ließ auch dem seligen Herrn ein prächtiges Zenotaphium errichten, an welchem weinende Genien mit ausgelöschten Fackeln und Tränenkrügen nicht fehlten. Inzwischen hat ein schlauer Menschenspäher längst bemerkt, dass junge Witwen geartet sind wie grünes Holz, welches an einem Ende brennt, wenn am andern das Wasser herausträufelt. Das Herz der Gräfin Richilde konnte nicht lange unbeschäftigt bleiben. Die Trauer erhob ihre Reize so sehr, dass sich jedermann herzudrängte, die schöne Witwe zu sehen. Viel Glücksritter zogen an ihren Hof, ihr Heil zu versuchen und diese reiche Beute zu erhaschen, sie fand Anbeter und Bewunderer in Menge, und die Hofschmeichler waren, was das Lob ihrer Gestalt betraf, wieder vollkommen in Odem gesetzt. Das gefiel der eitlen Frau ungemein wohl, weil sie aber doch gern Gewissheit von der Sache zu haben und überzeugt zu sein wünschte, dass der Finger der Zeit in fünfzehn Jahren keinen ihrer Reize verwischt habe, ratfragte sie deshalb ihren Wahrheitsfreund, den magischen Spiegel mit dem gewöhnlichen Spruche:
Spiegel blink,
Spiegel blank,
Goldner Spiegel an der Wand,
Zeig mir das schönste Weib
in Brabant
Schauer und Entsetzen befiel sie, als der seidne Vorhang aufrauschte und eine fremde Gestalt ihr ins Auge fiel, schön wie eine Huldgöttin, der liebenswürdigste weibliche Engel voll sanfter Unschuld, aber das Bild hatte von ihr selbst keinen Zug. Es ist schwerlich zu entscheiden, ob hier zwischen Frag und Antwort nicht ein Missverstand obwaltete. Die Gräfin nahm das Wort Weib vielleicht im engern Sinn und verlangte zu wissen, ob sie unter den Frauen ihrer Provinz, mit Ausschluss junger, aufblühender Mädchen, noch den Preis der Schönheit behaupte, der Genius des Spiegels aber gab dem Wort eine größere Ausdehnung und verstand darunter die ganze Flora des Geschlechts. Dem sei wie ihm wolle, die schöne Witwe geriet über die unerwartete Antwort auf ihre Frage in große Wut, und es fehlte wenig, dass sie den indiskreten Spiegel solches hätte entgelten lassen, und das hätte man ihr verzeihen müssen: denn für eine Dame, die kein anderes Talent als Schönheit empfangen hat, gibt es keine größere Kränkung als die, wenn der Wahrheitsfreund auf der Toilette den unwiederbringlichen Verlust des ganzen Wertes ihrer Existenz verkündet.
Dame Richilde, untröstlich über die gemachte Entdeckung, fasste gegen die unschuldige Schöne, die sich im Besitz ihres prätendierten Eigentums befand, einen tödlichen Hass, sie prägte sich das liebliche Madonnengesicht genau ins Gedächtnis, und forschte mit großem Fleiß nach der Inhaberin desselben. Diese Entdeckung kostete wenig Mühe; sie erfuhr gar bald, dass der Beschreibung nach ihre eigne Stieftochter Blanca, von ihr der Balg zubenannt, ihr den Preis der Schönheit abgewonnen habe. Alsbald gab ihr der Satan ins Herz, diese edle Pflanze, die dem Garten Eden zum Schmuck würde gedient haben, zu vernichten. Die Grausame berief in dieser Absicht den Hofarzt Sambul zu sich, gab ihm einen gezuckerten Granatapfel, zählt‘ ihm fünfzig Goldstücken in die Hand und sprach: „Richte mir diesen Apfel so zu, dass die eine Hälfte davon ganz unschädlich sei, die andere aber von Gift beschwängert werde, dass, wer davon geneußt, in wenig Stunden sterbe.“
Der Jud strich freudig sich den Bart und das Geld in seinen Säckel und verhieß zu tun, wie ihm die arge Frau geboten hatte. Er nahm eine spitze Nadel, grub damit drei Löchlein in den Apfel und ließ darein fließen einen scharfen Liquor, und nachdem die Gräfin den Apfel in Empfang genommen, stieg sie auf ihr Ross und trabte in Begleitung weniger Hofdiener zu ihrer Tochter Blanca hin, auf das abgelegne Schloss, wo das Fräulein hauste. Unterwegs schickte sie einen reitenden Boten voraus, der ansagen sollt, dass die Gräfin Richilde im Anzuge sei, das Fräulein heimzusuchen und mit ihr über des Papas Verlust zu weinen.
Diese Botschaft brachte das ganze Schloss in Aufruhr. Die feiste Duena watschelte im Haus umher, treppauf, treppnieder, setzte alle Kehrbesen in Bewegung, ließ eilends aufputzen, die Spinnweben zerstören, die Gastzimmer schmücken und die Küche bereiten; schalt und trieb die trägen Mägde zu Fleiß und Arbeit an, lärmte und kommandierte mit lauter Stimme wie ein Kaperkapitän, der einen Kauffahrer in der Ferne wittert. Das Fräulein aber schmückte sich bescheiden, kleidete sich in die Farbe der Unschuld, und wie sie die Rosse antrappeln hörte, flog sie ihrer Mutter entgegen, empfing sie ehrerbietig und mit offenen Armen. Die Gräfin fand das Fräulein beim ersten Anblick siebenmal schöner als die Kopie, welche sie im Spiegel erblickt hatte, und dabei so klug, so verständig und so sittsam. Das engte ihr das Herz ein; aber die Schlange verbarg das Nattergift tief in ihrem Busen, tat falschfreundlich gegen sie, klagte über den hartherzigen Papa, der ihr, solang er lebte, den holden Anblick des Fräuleins geweigert hätte, und verhieß von nun an, mit treuer Mutterliebe sie zu umfangen. Bald darauf bereiteten die Zwerglein die Tafel und trugen ein herrlich Mahl auf. Beim Dessert ließ die Hofmeisterin das köstlichste Obst aus dem Schlossgarten aufsetzen. Richilde kostete davon, fand es dennoch nicht schmackhaft genug und forderte von einem Diener ihren Granatapfel, womit sie, wie sie sagte, jede Mahlzeit zu beschließen pflegte. Der Diener reichte ihr solchen auf einem silbernen Teller dar. Sie zerlegt‘ ihn gar zierlich und bot der schönen Blanca gleichsam zum Zeichen ihres Wohlwollens, die Hälfte davon.
Sobald der Apfel verzehrt war, saß die Mutter mit ihrem Hofgesinde wieder auf und ritt von dannen. Bald nach ihrem Abzug ward dem Fräulein weh ums Herz, die rosenfarbenen Wangen erbleichten, alle Glieder ihres zarten Leibes erbebten, die Nerven zuckten und hüpften, ihre liebevollen Äuglein brachen und schlummerten in den endlosen Todesschlaf hinüber.
Ach, was erhob sich für Jammer und Herzeleid innerhalb der Mauren des Palastes über das Hinscheiden der schönen Blanca, die wie eine hundertblätterige Rose von einer räuberischen Hand in der schönsten Blüte gepflückt wurde, weil sie die Zierde des Gartens war. Die wohlbeleibte Duena regnete Tränenströme wie ein aufgedunsener Schwamm, der durch einen heftigen Druck alle eingesogne Feuchtigkeit auf einmal von sich gibt. Die kunstreichen Zwerge aber zimmerten einen Sarg von Föhrenholz, mit silbernen Schildern und Handhaben, und machten, um des Anblicks ihrer holden Gebieterin nicht auf einmal beraubt zu sein, ein Glasfenster darein, die Dirnen fertigten ein Sterbekleid vom feinsten Brabanter Linnen, kleideten die Leiche darin, setzen die Keuschheitskrone, einen frischen Myrtenkranz, auf ihr Haupt, und brachten mit Trauergepränge den Sarg in die Schlosskapelle, wo der Pater Meßner das Seelamt hielt und das Glöcklein vom Morgen bis zur späten Mitternachts stunde dumpfen Sterbeklang tönte.
Indessen langte Donna Richilde wohlgemut in ihrer Heimat an. Das erste, was sie tat, war, dass sie ihre Frage an den Spiegel wiederholte und behänd den Vorhang aufflattern ließ. Mit inniger Freude und der Miene des Triumphs erblickte sie ihre eigne Gestalt zwar wieder, aber auf der metallenen Oberfläche hatten sich hie und da große Rostflecken angesetzt, wodurch die helle Politur derselben, wie durch Blatternarben ein jungfräuliches Gesicht, entstellt war. Was schadet’s, dachte die Gräfin bei sich selber, immer besser, dass sie auf dem Spiegel haften, als auf meiner Haut, er ist dennoch zu gebrauchen und vergewissert mich wieder meines Eigentums. In Gefahr, ein Gut zu verlieren, lernt man gemeiniglich den Wert desselben erst schätzen. Die schöne Richilde hatte oft Jahre vorübergehen lassen, ohne den Spiegel über ihre Schönheit zu quästionieren, jetzt ließ sie keinen Tag vorbei. Sie genoss verschiedene Mal das Vergnügen, ihrer Gestalt ein Götzenopfer zu bringen. Wie sich aber eines Tages zu eben dieser Absicht der Vorhang hob, Wunder über Wunder, da schwebte im Spiegel ihren Augen wieder die Gestalt der reizenden Blanca vor. Bei diesem Anblick wandelte die eifersüchtige Frau eine Ohnmacht an, aber sie zog eilends ihr Riechfläschgen hervor, und durch Hülfe des Hirschhorngeistes ging das Übel bald vorüber, sie sammelte alle Kräfte, um zu erforschen, ob sie ein falscher Wahn getäuscht habe, doch der Augenschein belehrte sie eines andern.
Sogleich brütete sie über einer neuen Bosheit. Sambul der Hofarzt wurde vorbeschieden, zu dem sprach die Gräfin mit zornmütiger Gebärde: „Oh, du schändlicher Betrüger, schelmischer Jud! verachtest du also mein Gebot, dass du meiner spotten darfst? Hieß ich dir nicht einen Granatapfel also zurichten, dass sein Genuss töte, und du hast Lebenskraft und Balsam der Gesundheit hineingelegt? Das sollen mir dein Judasbart und deine Ohren entgelten.“ Sambul der Arzt entsetzte sich ob dieser Rede seiner erzürnten Gebieterin, antwortet‘ und sprach: „Au, weih mir! Wie geschieht mir? Weiß nicht, gestrenge Frau, wie ich Eure Ungnade verwirkt hab. Was Ihr mir befohlen, hab ich fleißig ausgerichtet; hat die Kunst falliert, so ist die Ursach davon, was ich nicht weiß.“ Die Dame schien sich etwas zu besänftigen und fuhr fort: „Diesmal sei dir dein Fehl verziehen, doch mit dem Beding, dass du mir eine wohlriechende Seife bereitest, die das unfehlbar leiste, was der Granatapfel verfehlt hat.“ Der Arzt verhieß, sein Bestes zu tun, sie zahlte ihm wieder fünfzig Goldstücken in seinen Säckel und entließ ihn. Nach Verlauf einiger Tage brachte der Arzt der Gräfin die mörderische Komposition. Flugs staffierte sie ihre Amme, ein abgefeimtes Weib, als eine Krämerin mit kurzer War heraus, gab ihr feinen Zwirn, Nähnadeln, wohlriechende Pomade, Riechfläschgen und marmorierte Seifenkugeln mit rotem und blauem Geäder in ihren Kasten und hieß sie damit zu ihrer Tochter Blanca wandern, um ihr die Giftkugel in die Hand zu spielen, verhieß ihr dafür große Belohnung. Das feile Weib zog hin zu dem Fräulein, welches keinen Betrug ahndete und sich durch die arglistige Schwätzerin bereden ließ, die Seife, welche die Schönheit der Haut bis ins höchste Alter konservieren sollt, einzuhandeln und ohne Vorwissen ihrer Duena einen Versuch damit zu machen. Die arge Stiefmutter konsultierte indes den verrosteten Spiegel fleißig, vermutete aus der Beschaffenheit desselben, dass ihr Anschlag müsse geglückt sein, denn die Rostflecken hatten sich wie Salpeterfraß in einer Nacht über die ganze Spiegelfläche ausgebreitet, dass sich auf ihr Befragen nur ein trüber Schatten auf der matten Oberfläche darstellte, welchem keine Gestalt mehr abzugewinnen war. Der Verlust des Spiegels ging ihr zwar zu Herzen, doch glaubte sie dadurch den Ruhm, die erste Schönheit im Lande zu sein, nicht zu teuer bezahlt zu haben.
Eine Zeitlang genoss das eitle Weib mit geheimer Zufriedenheit dieses eingebildete Vergnügen, bis ein fremder Ritter an ihren Hof kam, der in dem Schloss der Gräfin Blanca unterwegs eingesprochen und sie nicht in der Gruft, sondern an der Toilette gefunden, und von ihrer Schönheit gerührt, sie zur Dame seines Herzens erkoren hatte. Weil er nun die Gräfin von Brabant gern erlustieren und sich vor ihr auf dem Turnierplatz zeigen wollte, doch nicht vermeinte, dass die Mutter auf die Tochter eifersüchtig sei, warf er bei einem Freudenmahl, von Weindunst erhitzt, seinen eisernen Handschuh auf den Tisch und sprach: Wer das Fräulein Blanca von Löwen nicht für die schönste Dame in Brabant erkläre, solle den Handschuh an sich nehmen, zum Zeichen, dass er tags darauf zu Schimpf oder Ernst eine Lanze mit ihm. brechen wolle. Über diese Unbesonnenheit des Gaskoniers skandalisierte sich der ganze Hof höchlich, man schalt ihn insgeheim Meister Duns und Ritter Großbrot. Richilde erbleichte über die Novelle, dass Fräulein Blanca nochmals aufgelebt sei; die Ausforderung war ihr ein Dolchstich ins Herz; doch zwang sie sich zu einem huldreichen Lächeln und genehmigte die Partie, hoffend, dass die Ritter ihres Hofes sich um den Handschuh reißen würden. Wie aber keiner hervortrat, den Kampf anzunehmen, denn der Fremdling hatte ein keckes Ansehen, war fast nervich und von starken Knochen, machte sie ein gar trübselig Gesicht, dass männiglich Verdruss und Herzeleid ihr abmerken konnte. Das erbarmt‘ ihren getreuen Stallmeister, dass er den eisernen Handschuh aufnahm. Aber wie der Kampf des folgenden Tages begann, behielt der Gaskonier nach einem wackern Rennen den Sieg und empfing den Ritterdank von der Gräfin Richilde, die vor Unmut zu sterben gedachte.
Vorerst ließ sie ihren Zorn an dem Arzt Sambul aus, er ward in den Turm geworfen, in Ketten geschlossen, und ohne weitern Verhör ließ ihm die gestrenge Frau den ehrwürdigen Bart Haar bei Haar ausraufen und reinweg beide Ohren abschneiden. Nachdem der erste Sturm vorüber war und die Grausame bedachte, dass ihre Tochter Blanca dennoch über sie triumphieren werde, wofern es ihr nicht gelingen sollte, sie durch List hinzurichten, denn das väterliche Testament hatte ihr alle Gewalt über die Tochter geraubt, so schrieb sie einen Brief an das Fräulein, so zärtlich, und freute sich ihrer Genesung so mütterlich, als ob ihr das Herz jedes Wort in die Feder diktiert hätte. Diesen Brief gab sie ihrer Vertrauten, der Amme, ihn dem eingekerkerten Arzt zu bringen, benebst einen Zeddel, darauf stunden geschrieben diese Worte: „Schleuß in diesen Brief Tod und Verderben ein für die Hand, die ihn öffnet. Hüte Dich, zum dritten Mal mich zu täuschen, so lieb Dir Dein Leben ist.“ Sambul der Jud simulierte lang‘, was er tun sollte, und klimperte nachdenklich an dem Geschmeide, als bet er sein jüdisch Paternoster an den Ketten ab. Endlich schien die Liebe zum Leben, obgleich in einem traurigen Kerker, mit einem Kopf ohne Ohren und einem Kinn ohne Bart, alle andre Betrachtungen zu überwiegen und er verhieß zu gehorchen. Die Gräfin schickte den Brief durch einen reitenden Boten ab, der bei seiner Ankunft viel Grimassen machte, als enthalte der Brief Wunderdinge, auch wollt er nicht sagen, von wo er gekommen sei. Das Fräulein, begierig, den Inhalt zu erfahren, löste behänd das Siegel, las einige Zeilen, fiel auf den Sofa zurück, schloss die lichtvollen, blauen Augen und verschied. Seit der Zeit erfuhr die mörderische Stiefmutter nichts mehr von ihrer Tochter, und obgleich sie oft Kundschafter ausschickte, so brachten ihr diese keine andere Botschaft, als dass das Fräulein aus ihrem Totenschlummer nicht mehr erwacht sei. Also war die schöne Blanca durch die Ränke des hässlichen Weibes dreimal gestorben und dreimal begraben. Nachdem die getreuen Hofzwerge sie zum ersten Mal beigesetzt hatten und die Seelmessen angeordnet waren, hielten sie nebst den weinenden Dirnen bei der Gruft fleißig Wacht und schauten durch das Fensterlein oft in den Sarg, des Anblicks ihrer teuren Gebieterin noch solange zu genießen, bis die Verwesung ihre Gestalt vernichten würde. Aber mit Verwunderung wurden sie gewahr, dass sich nach einigen Tagen die bleichen Wangen mit einer sanften Röte überzogen, auf den erblassten Lippen fing an der Purpur des Lebens wieder zu glühen, bald darauf schlug das Fräulein die Augen auf. Als das die aufwartenden Diener wahrnahmen, hoben sie freudig den Deckel vom Sarge, die schöne Blanca richtete sich auf und wunderte sich bass, da sie sich in einer Totengruft, und ihre Bedienung um sich her in tiefer Trauer erblickte. Eilends verließ sie den grausenvollen Ort und zitterte wie die Eurydice mit wankendem Knie aus dem Schattenreiche zum erquickenden Tageslicht herauf.
Der Arzt Sambul war im Grunde ein frommer Israelite, der an keiner Büberei Gefallen trug, außer wenn die Prädilektion für die edlern Metalle sein enges Gewissen zuweilen ins weite dehnte. Bei dem Granatapfel, welchen die Gräfin ihm darreichte, fiel ihm der Unglücksapfel aus dem Paradies ein, auch der goldne Apfel aus dem Garten der Hesperiden, welcher drei Göttinnen entzweite und Ursach war, dass eine herrliche Königsstadt verwüstet wurde, und er dachte alsbald bei sich selbst, es sei genug an dem Unfug, welchen zwei Äpfel bereits in der Welt gestiftet hätten, der dritte solle die Äpfelschuld nicht mehren. Anstatt des Giftes, den er darin verbergen sollte, tingiert‘ er die Hälfte davon mit einer narkotischen Essenz, welche die Sinnen betäubte, ohne den Leib zu zerstören. Ebenso verfuhr er das zweite Mal mit der Seifenkugel, nur dass er die Poition des Mohnsafts mehrte, daher das Fräulein nicht zu der Zeit wie vorher erwachte und die Zwerglein wähnten, sie sei und bleibe tot, trugen sie also abermals zu Grabe und hüteten solches mit großem Fleiße, bis sie zur Freude ihres Hofgesindes dennoch wieder erwachte. Der Schutzengel des Fräuleins sah die Gefahr, in welcher das Leben seiner Pflegebefohlnen schwebte, als die Todesfurcht den Arzt entschlossen machte, das Bubenstück der Vergiftung wirklich zu begehen. Darum schlüpft‘ er unsichtbar ins Gefängnis und begann mit der Seele des Juden einen heftigen Streit, die er nach langem Kampfe überwältigte und dem Überwundnen den Entschluss abnötigte, seiner Gewissenhaftigkeit den Hals ebenso standhaft aufzuopfern, als vorher den Bart und beide Ohren. Vermöge seiner einmischen Kenntnisse quintessentierte er seinen einschläfernden Liquor in ein flüchtiges Salz, welches von der freien Luft alsbald aufgelöst und eingesogen wurde, damit bestrich er den Brief an die schöne Blanca, und als sie solchen las, empfing ihre ganze Atmosphäre eine betäubende Eigenschaft, indem sie den verfeinerten Magsamengeist einatmete. Die Wirkung davon war so gewaltsam, dass die Erstarrung des Körpers länger dauerte, also dass die ungeduldige Duena an dem Wiederaufleben ihrer jungen Herrschaft gänzlich verzweifelte und ihr zum dritten Mal die Exequien halten ließ.
Als das Hofgesinde eben mit dieser traurigen Feierlichkeit beschäftiget war und das Trauergeläut unablässig tönte, kam ein junger Pilger angeschritten, ging in die Kapelle, kniete sich vor den Altar in der Frühmetten und verrichtete seine Andacht. Er hieß Gottfried von Ardenne, war ein Sohn Teutebald des Wüterichs, den die heilige Kirche seiner bösen Taten halber ausgestoßen und mit dem Bann beleget hatte, darunter er gestorben war, weshalb er von den Flammen des Fegfeuers wohl gepeinigt ward. Weil’s ihm nun in der Glut viel zu heiß war, bat er den Engelpförtner flehentlich, ihn ein wenig hinaus ins Freie zu lassen, frische Luft zu schöpfen und den Seinen kund zu tun, welche Qual er leide. Diese Bitte ward ihm, auf sein Ehrenwort, sich zu rechter Zeit und Stunde wieder einzustellen, leicht zugestanden; denn in den damaligen Zeiten war gar schlechte Polizei in der Unterwelt, die Seelen schweiften scharenweise in die Oberwelt herauf, gaben ihren hinterlassenen Freunden nächtliche Besuche und hatten Freiheit, mit ihnen nach Belieben zu kosen. Heutzutage sind sie dagegen unter strenger Klausur, dürfen nicht mehr so frank und frei herumtosen und spuken gehen, die Lebenden molestieren und zu fürchten machen. Teutebald nützte die Zeit seiner Beurlaubung aufs fleißigste, erschien seiner tugendsamen Wittib drei Nächte hintereinander, weckte sie aus dem süßen Schlafe, indem er ihre Hand mit der Spitze seines glühenden Fingers berührte und sprach: „Liebes Weib, habt Erbarmen mit Eurem abgeschiedenen Gemahl, den die Qualen der Vorhölle peinigen, versöhnet mich mit der heiligen Kirche und erlöset meine arme Seele, auf dass Euch auch dereinst Barmherzigkeit widerfahre.“ Die Wittib nahm diese Worte zu Herzen, redete davon mit ihrem Sohn, gab ihm Juwelen und Geschmeide, und der biedere Jüngling nahm einen Pilgerstab in seine Hand, wallfahrtete barfuss nach Rom zum Papst und erhielt Ablass für seinen Vater unter dem Beding, auf dem Heimwege in jeder Kirche, wo er vorüberzöge, eine Messe zu hören. Er nahm einen großen Umweg, um viele heilige Orte zu besuchen, und so kam er auch durch Brabant.

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