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Märchenbasar

Robert der Teufel befreit Rom von den Türken

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In ihrer Verzweiflung, kein Kind vom Himmel zu erhalten, vergaß sich einst die Herzogin der Normandie soweit, eines vom Teufel zu erbitten, und sie gebar einen Sohn von außergewöhnlicher Stärke und Schönheit, der den Namen Robert erhielt. Aber bald zeigte sich die höllische Herkunft des Knaben: er biß seine Ammen, erschlug seine Erzieher und mißhandelte die Priester. Sein Vater suchte vergebens edlere Gefühle in ihm zu erwecken, indem er ihm den Ritterschlag erteilte; bei dem aus diesem Anlaß abgehaltenen Turnier zeigte Robert der Teufel, wie man ihn von nun an nannte, erst seine ganze Grausamkeit. Als ihn sein Vater daraufhin von seinem Hofe verjagte, wurde er zu einem Banditen, mißhandelte die frommen Wallfahrer und ermordete die Einsiedler. Solange setzte er sein zügelloses Räuberleben fort, bis ihn selbst vor dem Schrecken, den er einflößte, grauste; da zwang er seine Mutter, ihm die näheren Umstände seiner Geburt zu enthüllen. Als er seine Herkunft erfahren hatte, warf er seine Waffen weg, bekleidete sich mit Bußgewändern und wallte nach Rom, um beim Heiligen Vater Vergebung für seine Sünden zu suchen. Der Papst glaubte die Verantwortung einer solchen Absolution nicht übernehmen zu können und wies Robert an einen Eremiten, der ihn wieder zu einem zweiten und dritten schickte. Auf Befehl des Himmels legte ihm der letzte diese Buße auf: wie ein Narr solle er sich gebaren, solle sich der menschlichen Stimme entwöhnen und mit den Hunden seinen Fraß suchen, bis der Himmel ein Zeichen der Versöhnung gebe.
Von nun ab wohnte Robert unter einer Stiege des Kaiserpalastes in Rom, wo ein Hund seine Unterkunft hatte, der mitleidig sein Stroh mit ihm teilte.
Der Kaiser hatte eine Tochter, welche stumm geboren war, um diese warb ein Seneschall seines Hofes, dessen Werbung aber abgewiesen wurde. Aus Groll rief dieser die Türken, welche Rom mit einem gewaltigen Heere belagerten. Unter Führung des Kaisers zogen die Römer zur Schlacht. Die Frauen und Jungfrauen Roms geleiteten das Heer zu den Toren der Stadt und empfahlen unter Tränen den Kaiser und sein Heer dem Schlachtenlenker. Als Robert in seiner Hundehütte das Heer ausziehen sah, war er dem Weinen nahe. Wie gern wäre er mitgezogen, wenn er nicht gefürchtet hätte, die Gnade dessen zu verscherzen, um dessen willen er Buße tat. Denn einen anderen als Gott fürchtete er nicht. »O Gott,« betete er in Gedanken, »der du so manche Seele aus den Krallen des Teufels gerettet hast, wie gerne eilte ich dem Kaiser zu Hilfe und kämpfte für ihn gegen die stolzen Türken! Aber es ist nicht dein Wille und ferne sei es von mir, mich in einen Kampf einzulassen. Aber wenn du mich würdigtest, es zu wollen, so sollte die Sarazenen meine Ankunft bitter schmerzen, mit meinem blanken, hartgeschmiedeten Schwert würde ich ihre Leiber zerschneiden, und wären ihrer auch tausendmal tausend.« Seufzend erhob er sich und ging weinend in den Garten. Da, wo eine klare Quelle sprudelte, abseits vom Wege, ließ er sich nieder, denn er wünschte mit seinem Schmerz allein zu sein. Er betete zu Gott, daß er dem Kaiser in der Schlacht beistehen möge. Während er so betete, trat die wunderschöne Jungfrau, des Kaisers Tochter, zur schattigen Quelle, und als sie sich umwandte, erblickte sie den Narren, wie er seine Hände ausbreitete und Gott anzurufen schien. Das wunderte sie sehr und sie bedachte, daß einer, der solches tue, kein Narr sein könne. Sie schaute ihm lange zu und Mitleid mit ihm ergriff sie. Dann blickte sie über das Meer, wo die Türken heranrückten, um Rom zu vernichten. Sie sah die Römer, die gegen sie zogen und ihnen schon auf Bogenschußweite nahegekommen waren. Noch beobachtete sie den Zusammenstoß der Vorhut, da trat plötzlich an die Quelle, wo Robert seinem Schmerze nachhing, ein Ritter von leuchtender Schönheit. Mit einem silberweißen Harnisch war er angetan und weißer als Lilienblüten waren seine Waffen und sein Schild. Ein gewaltiges Schwert trug er an den Hüften, dessen Klinge so weiß war wie frisch gefallener Schnee, und das Roß, auf dem er saß, war weißer als eine eben aufgeblühte Blume, einen weißen Mantel hatte er umgeschlagen. Vor Robert stieg er ab, neigte sich vor ihm und sagte ihm diese Botschaft Jesu Christi: »Freund Robert, Gott befiehlt dir und trägt dir durch mich auf, daß du unverzüglich in die Schlacht eilst. Und willst du mir nicht glauben, so nimm dies zum Zeichen: ich weiß, daß du ins Gebirge gegangen bist, um beim heiligsten Manne des Landes Buße zu suchen, und daß dieser dir solche Lebensweise auferlegt hat.« Als Robert diese Botschaft hörte, wurde er froh und sein Herz pochte; er warf sich zu Boden und sagte seinem Schöpfer Dank. Dann nahm er die Waffen und die Kleider, die der Engel ihm gab, und legte sie an. Die Jungfrau aber wunderte sich gewaltig, als sie ihn sich waffnen sah, und weinte aus Mitleid und Liebe. Robert gürtete sich das Schwert um, schnallte den Helm fest und sprang dann ganz in Waffen gehüllt auf das Schlachtroß, das ihm der Himmel gesendet hatte. Er ergriff den Schild geschickt wie einer, der im Waffenhandwerk erfahren ist, zog ihn an sich und nahm die große und gerade Lanze, mit der er manchen Sarazenen in den Tod zu senden gedachte, ehe die Sonne sinken würde. Darauf schied er vom Boten Gottes und ritt davon. Nie sah man einen besser gewaffneten und schöner geschmückten Ritter.
Gewaltige Heldentaten verrichtete der Unbekannte in der Schlacht und entschied sie zugunsten der Römer. Zwanzigtausend Türken lagen am Strande, die alle ihr Leben verloren hatten, ungerechnet jene, die die Schiffe nicht mehr schwimmend erreichen konnten und im Meer versanken. Als Robert bemerkte, daß die Schlacht zu Ende war, stahl er sich von hinnen, so daß niemand erfuhr, was aus ihm geworden sei. Er eilte wieder zur Quelle, wo ihn der Engel erwartete. Schild und Helm waren ihm gräulich zerschlagen, sein Antlitz war von den Schlägen, die er auf das Nasenband erhalten hatte, mit Blut überströmt, und die Maschen des Halsbergs waren von den unzähligen Streichen in sein Gesicht eingedrückt. Der Bote kehrte mit den Waffen zu Gott zurück. Robert aber wusch sein blutiges Antlitz im Bach, und seine Wunden schmerzten ihn heftig. Darauf ging er an seinen gewohnten Platz unter die Stufen und häufte sich Stroh zum Lager. Er überdachte in seinem Sinn die heilige Tat und entschlummerte. Die Jungfrau aber hatte die ganze Begebenheit mit angesehen und sie war verwundert und erfreut über das große Werk, das Robert vollbracht hatte.
Der Kaiser, der sehr betrübt war, seinen Retter nicht aufzufinden, um ihm danken zu können, kehrte in seinen Palast zurück und setzte sich zum Mahl. Um diese Zeit erwachte Robert, sein Herz war tief betrübt und er richtete sein zerfleischtes Gesicht zum Himmel. Sodann verließ er sein Lager und ging langsam und müde in den Saal und trat auf den Kaiser zu. Sobald ihn die stumme Prinzessin bemerkte, erhob sie sich gegen ihn und neigte tief ihr Haupt, dann setzte sie sich wieder ganz züchtig neben ihren Vater. Der Kaiser aber schämte sich, denn er wußte nicht, warum sie solches getan hatte, noch mochte er sie zur Rede stellen. Die Tafelgesellschaft sprach manches spottende Wort über den garstigen Narren und die törichte Jungfrau, die man für toll hielt, weil sie diesen so geehrt hatte. Dem Narren wurde Fleisch vorgeworfen, welches er mit den Hunden teilte, während der Kaiser in höchsten Lobeserhebungen den unbekannten weißen Ritter pries, der die Stadt gerettet habe, und die Prinzessin bemühte sich vergeblich, durch Zeichen anzudeuten, daß Robert der Gesuchte sei.
Nach einiger Zeit kehrten die Türken zurück, um für die Niederlage Rache zu nehmen, die gleichen Vorgänge wiederholten sich, wieder entschied Robert unerkannt in der Rüstung des Engels die Schlacht, wieder begrüßte ihn die Jungfrau, die alles beobachtet hatte, mit tiefer Verneigung, während der Seneschall sich grollend vom Kampfe zurückhielt. Zum drittenmal zogen die Türken mit ungeheuren Heeren heran, der Kaiser rüstete sich zur Verteidigung und beriet sich mit seinen Truppenführern. Lange dauerte der Kriegsrat, schließlich ergriff der Kaiser das Wort und sprach: »Ihr Herren! Gott unser Vater hat uns zweimal einen Ritter zugesandt, der uns gewaltiglich gegen die Türken verteidigt hat. Sicher wäre Rom längst zerstört, wäre nicht die Kraft und der Glanz des weißen Ritters und seiner Waffen. Höret nun, was ich beschlossen habe. Der mir zweimal so geholfen hat, hat großen Lohn verdient, wenn er ihn nur von mir annehmen wollte. Kommt er uns diesmal wie sonst zu Hilfe, so will ich ihn festnehmen lassen, damit ich ihm den Lohn für seine Dienste erstatten kann. Dreißig gute Ritter will ich in ein Gehölz in Hinterhalt legen, wo er, wie man mir berichtet, nach der Schlacht vorbeireitet. Dort soll er überfallen und festgenommen werden, wenn er kommt und Gott ihn dahinführt.«
Die dritte Schlacht endete durch Roberts Eingreifen mit einer endgültigen Niederlage der Türken. Als Robert in sein Versteck zurückkehren wollte, sah er sich von den Rittern, die aus dem Hinterhalte hervorbrachen, angegriffen. Er sprach kein Wort, sondern sah schweigend die Ritter an, um die er sich wenig zu kümmern schien; doch war er traurig und wußte nicht, was er tun solle. Er scheute sich, ihnen Widerstand zu leisten, denn er wußte wohl, daß der Kaiser sie hierher bestellt hatte, damit er ihn belohnen könne. Aber danach trug er kein Verlangen. Wurde er andererseits festgenommen, so war sein Geheimnis verraten und er konnte nicht mehr bleiben. So begann er in Gedanken zu Gott dem Herrn zu beten, daß er ihn schütze und kein Ritter ihn fangen könne, und er floh talabwärts, so schnell ihn sein Roß zu tragen vermochte, hinter ihm aber erhob sich eine Staubwolke von denen, die ihn verfolgten. Solange eilten sie ihm nach, bis ihre eigenen Pferde, der langen Verfolgung müde, erschöpft stehen blieben. Nur einem gelang es, auf einem Seitenpfade in Roberts Nähe zu gelangen. Eben wollte er dem fliehenden Roß in die Zügel fallen, als Robert eine plötzliche Schwenkung machte. Als jener sah, daß er ihn nicht fangen konnte, drohte er ihm, er würde sein Pferd erstechen, wenn er nicht stillhalte. Er legte seine Lanze ein, um das Tier am Gürtel zu treffen, aber der Stahl verfehlte sein Ziel und traf Robert in den Schenkel. Bis zum Schaft drang die Waffe in das Fleisch, aber trotzdem hielt Robert nicht an, sondern eilte unter Schmerzen und blutend von dannen. Er drückte seine Wunde mit der Hand zu, damit das Blut nicht zu Boden tropfe und ihn verrate. Der Ritter, der ihm die Wunde beigebracht hatte, blieb hinten und zog seine verbogene Lanzenspitze zurück. Das Eisen aber trug er nicht heim, das steckte in Roberts Wunde.
Als Robert in großen Schmerzen heimgekommen war, zog er das Eisenstück aus dem Schenkel und vergrub es. Wieder neigte sich beim Mahl die Königstochter vor dem Narren und gab durch Zeichen zu verstehen, daß sie ihn für den Sieger halte.
Um den Fremden zu veranlassen, sich zu entdecken, ließ der Kaiser auf offenem Markte ausrufen, daß der weiße Ritter, der sich durch das Eisenstück ausweisen müsse, die Prinzessin zur Gemahlin erhalten solle. Solches erfuhr der verräterische Seneschall. Er ließ sich weiße Waffen verfertigen, brachte sich eine Wunde am Schenkel bei und ließ das Eisen darin. Vor den versammelten Baronen empfing ihn der Kaiser, und alles war überzeugt, daß der Seneschall der Retter Roms sei. Schon wollte der Kaiser die Hand seiner Tochter in die des Verräters legen, da geschah ein Wunder. »Meine Tochter,« sagte der Kaiser, »sei heiter und freundlich und schmücke dich schön, denn ich führe dir deinen Gemahl zu. Es ist der Seneschall meines Reiches, der einst mit mir um deinetwillen Krieg geführt hat. Er ist der tapfere Ritter mit den weißen Waffen, der uns gerettet hat. Dreimal war er uns ein so guter Schutz, daß die Türken uns keinen Schaden zufügen konnten, sondern weichen mußten. Tochter, zeig ihm ein freundliches Gesicht und laß das Weinen, denn das weiß Gott, der höchste König, daß er derselbe Ritter ist, der sich im Sturm so gut gehalten hat.« »Lieber Vater,« antwortete die Stumme, »wisset, daß er es nicht ist!« Staunend wich die Menge zurück und der Kaiser wollte seinen Ohren nicht trauen. »Ich bin jederzeit stumm gewesen,« fuhr die Jungfrau fort, »bis zu dieser Stunde, da Ihr auf mich eindranget, daß ich den Seneschall zu meinem Liebsten nähme. Gott will nicht, daß er mich erhalte, denn nicht er trug die Wunde beim Heimweg aus der Schlacht davon. Was er Euch auch erzählen mag, alles ist Lüge. Ein anderer als er ist der Retter Roms, da steht er, der büßende Narr. Gott will, daß er seine Buße ende, und darum hat er dieses Wunder bewirkt.« Um ihre Worte zu bekräftigen, grub sie die Lanzenspitze aus, denn sie hatte beobachtet, wie Robert sie vergraben hatte, und der Ritter, der ihn verwundet hatte, erkannte sie als zu seiner Lanze gehörig. Alles Volk jubelte und Robert gab sich zu erkennen, doch nur, um auf die Hand der Kaisertochter zu verzichten und sein Leben in der Tiefe des Waldes als Einsiedler zu enden.

[Ernst Tegethoff: Französische Volksmärchen]

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