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Soldatino

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Es war einmal eine arme Frau, die hatte einen Sohn namens Soldatino. Eines Tages sprach Soldatino zu seiner Mutter: »Wißt Ihr was, Frau Mutter, ich will zur Königstochter gehen und ihr drei Rätsel aufgeben.« — »Was sind denn das für Flausen, Junge? Fürsten und Edelleute haben ihr Heil versucht, doch sie hat alle Rätsel geraten.« — »Ich will es aber doch versuchen.« — »Höre, Junge, wenn die Königstochter die Rätsel löst, kostet es deinen Kopf. Aber warte wenigstens noch ein Weilchen, damit ich dir ein Brot backen kann, einen schönen Fladen.« Die Frau dachte bei sich: >Ehe ihn die Königstochter umbringt, töte ich ihn lieber selbst.< Und sie mischte unter den Teig für den Fladen ein Giftpülverchen. Sie gab ihm den Kuchen, und Soldatino sagte, bevor er aufbrach: »Mama, ich nehme Paula mit.« Paula war nämlich seine Mieze.
Als er ein ganzes Stück gewandert war, knurrte sein Magen vor Hunger. Da sah er einen Vogel, schoß aber statt des Vogels einen Hasen, der war trächtig. Soldatino trennte ihm die Jungen aus dem Leib; in der Tasche hatte er ein paar beschriebene Bogen Papier, die verbrannte er, briet die Häschen über dem Feuer und aß sie auf. »Das wäre ein hübsches Rätsel für die Königstochter«, sagte Soldatino bei sich:
»Ich zielte auf etwas, was ich sah,
Traf aber etwas, was ich nicht sah,
Aß lebendiges, doch nicht geborenes Fleisch,
Das ich im Rauch von Worten briet.«
Er schritt weiter und gelangte zu einer Quelle. »Du kommst mir gelegen, da kann ich ein Stück Fladen essen.« Und er ließ sich mit seiner Paula nieder. Da sprach er zu sich selbst: »Ich glaube nicht, daß meine Mutter etwas in den Fladen gebacken hat. Trotzdem will ich lieber erst meiner Paula ein Stückchen geben; ist etwas drin, dann sehe ich es ja.« Er brach ein Stück Kuchen ab und gab es Paula zu essen. Diese zuckte drei-, viermal und fiel tot zur Erde. Als er die tote Paula sah, meinte er: »Das wäre wieder ein hübsches Rätsel für die Königstochter: >Der Fladen tötete Paula.« Während er noch in Nachdenken versunken ist, wendet er sich um und schaut der Quelle zu; das herabstürzende Wasser fließt über einen Felsblock, den es ausgehöhlt hat. Sagt Soldatino: »Schau einer an, das gäbe noch ein Rätsel für die Königstochter: >Das Weiche besiegt das Harte«, werde ich zu ihr sagen. Freu dich, Soldatino, jetzt haben wir sie!«
Während er sich zum Weitergehen anschickt, erblickt er drei Frauen. »Ach, du mein Gott, da kommen drei Weiber her! Die werden jetzt anfangen zu schwätzen und kein Ende finden; ich werde mich schlafend stellen.«
Die Frauen gingen vorüber, es waren drei Feen. »Da liegt ja Soldatino«, rief die eine, »er ist auf dem Weg zur Königstochter, um ihr drei Rätsel aufzugeben. Der Arme!« meinte die zweite: »Lassen wir dem armen Burschen doch eine Gabe hier!« Die eine sagte: »Ich lasse ihm die Serviette da«; die zweite: »ich diesen Geldbeutel«; die dritte: »und ich diese Hirtenflöte«. Und damit entfernten sie sich.
Soldatino konnte es gar nicht abwarten, bis sie außer Sicht waren, vor lauter Begierde, die Gaben anzuschauen. Er richtet sich auf und breitet die Serviette aus; und diese füllt sich mit einer solchen Fülle von Leckerbissen, daß Soldatino beim bloßen Anblick das Herz im Leibe lacht. Er aß sich satt, faltete seine Serviette zusammen und spricht: »Jetzt will ich nachschauen, was sich im Geldbeutel befindet.« Er schüttelt ihn, und heraus fielen hundert Skudi, und der Beutel wurde niemals leer. »Und nun will ich die Flöte ausprobieren.« Und er begann zu spielen. In der Nähe waren ein paar Bauern bei der Feldarbeit, Frauen und Männer. Als nun Soldatino die Flöte an die Lippen setzte, begannen jene sich im Tanz zu wiegen, hüpften und tanzten und flehten schließlich: »Soldatino, hör auf, hör auf, Soldatino, wir brechen uns die Beine!« Da nämlich die Flöte verzaubert war, mußten sie solange tanzen, wie er spielte.
Soldatino hört auf und begibt sich in die Stadt; er geht zum Königspalast und sagt, er wolle der Königstochter drei Rätsel aufgeben. Der König warnt ihn: »Überlegt es Euch gut! Wenn meine Tochter sie rät, seid Ihr des Todes.« Er ist ein rechter Bauerntölpel, der Bursche, und sie lassen ihn nur ungern passieren. Die Königstochter sitzt in einem schönen Saal inmitten von Edelleuten und vornehmen Herren. »Los, laßt Euer Rätsel hören«, fordert sie ihn auf. Da Soldatino jeden Tag ein anderes aufsagen muß, beginnt er mit dem ersten:
»Ich zielte auf etwas, was ich sah,
Traf aber etwas, was ich nicht sah,
Aß lebendiges, doch nicht geborenes Fleisch,
Das ich im Rauch von Worten briet. —
Ohne Deuteln, klipp und klar,
Ratet, was dieses Etwas war.«
Die Königstochter schlägt bald das eine, bald das andere Buch auf, zerbricht sich den Kopf und meint schließlich: »Ich weiß es nicht.«
Der Junge verläßt den Palast, und die Königstochter ist ganz aufgeregt, denn wenn sie die Lösung nicht findet, muß sie den Bauernburschen heiraten. Sie geht zum Vater und jammert: »O liebster Vater, ich habe das Rätsel nicht gelöst, wenn ich nun diesen Tölpel heiraten muß!« — »Daran hättet Ihr früher denken müssen, mein liebes Kind! Aber seid nur guten Mutes, es folgen ja noch zwei andere Rätsel.«
Inzwischen ist der zweite Tag angebrochen; der junge Bursche erscheint pünktlich und gibt das zweite Rätsel auf:
»Der Fladen tötete Paula. —
Ohne Deuteln, klipp und klar,
Bringt des Rätsels Lösung dar.«
Die Prinzessin wälzt in den Büchern, sinnt hin und her, aber ihr fällt die Lösung nicht ein. Verzweifelt geht sie zum Vater und weint: »Liebster Vater, was soll ich tun? Ich habe das zweite Rätsel auch nicht herausbekommen. Muß ich diesen Bauernlümmel nun heiraten?« — »Verliert nur nicht die Geduld, es folgt ja noch eins!« beruhigt sie der Vater. Soldatino wartet den dritten Tag ab und sagt das letzte Rätsel auf:
»Das Weiche besiegt das Harte. —
Ohne Deuteln, klipp und klar,
Bringt des Rätsels Lösung dar.«
Und sie sucht und sucht, doch ach, sie kann auch dieses Rätsel nicht raten. Da ruft Soldatino: »Die Königstochter gehört mir!« — »Aber gewiß, lieber Soldatino«, versichert der König, »habt nur einige Tage Geduld, im Augenblick könnt Ihr sie nicht heiraten. Steigt einstweilen mit den andern ins Gefängnis hinunter!« Sprach Soldatino: »I wo; ich habe die Rätsel aufgegeben, die Prinzessin hat sie nicht gelöst, und nun gehört sie mir.« — »Ihr habt ja recht, aber geduldet Euch nur noch wenige Tage.« Und der König redete so lange auf ihn ein, bis der arme Soldatino schließlich zu den zum Tode Verurteilten ins Gefängnis herabstieg. Kaum kommt er unten an, da brüllen sie ihm entgegen: »He, du Dummkopf, bist du auch gekommen, um mit uns zu sterben?« — »I wo, ich nicht«, erwidert er.
Nun sendet ihnen der König zu Mittag einen Topf Bohnen ins Gefängnis, und der Wärter stellt sie auf den Tisch. Fegt Soldatino daher und gibt dem Topf einen Stoß, daß die Bohnen alle zu Boden kullern. Die andern: »O du blöder Schelm, umbringen sollte man dich! Wir vergehn vor Hunger, und du kippst die Bohnen auf die Erde!« — »Haltet doch den Mund, was ereifert ihr euch denn so?« Er zog seine Serviette aus der Tasche, breitet sie auf dem Tisch aus, und schon begann alles zu schmausen. »Brav, Soldatino!« Und sie lärmten vor Begeisterung, umarmten und küßten ihn. Und so geschah es Tag für Tag; alles Essen, das ihnen der Hof sandte, wiesen die Gefangenen zurück. Das kommt dem König zu Ohren; verwundert steigt er ins Gefängnis hinab, um nachzuschauen, was da los sei; und die Gefangenen erzählen ihm, Soldatino habe eine Serviette, die ihnen zu essen liefere. Der König wendet sich an Soldatino. »Hör einmal, Soldatino, du mußt mir einen Gefallen tun und mir deine Serviette leihen!« — »I wo, die leih ich nicht her.« — »Doch, tu mir den Gefallen, ich muß ein paar Einladungen geben; ich bringe sie dir dann sofort zurück.« Und der König schmeichelt so lange, bis er ihm die Serviette ausgespannt hat. Die Gefährten: »O du Esel, jetzt kannst du den Riemen enger schnallen, jetzt iß nur die Bohnen!« — »I wo, regt euch nur nicht auf. Schaut lieber her, was ich hier habe!« Und er zeigt ihnen den Geldbeutel. Die allerbesten Sachen, die auf dem Markt zu finden sind, wandern nun ins Gefängnis. Das erfuhr der König und begab sich zu Soldatino. »O Soldatino, du mußt mir eine Bitte erfüllen. Leih mir doch deinen Geldbeutel, ich muß eine größere Schuld bezahlen; später erhältst du dann all die geliehenen Sachen zurück, die Serviette und den Beutel.« Der Dummkopf von Soldatino gibt ihm den Beutel, und die andern spotten. »O du Einfaltspinsel, jetzt bleibt dir nichts andres übrig, als Bohnen zu essen.« Und er: »I wo! I wo!« Da aber Soldatino an dem Tage der Hunger plagte, mußte er sich wohl oder übel über die Bohnen hermachen.
Am Tag darauf brachte ihm der König weder Beutel noch Serviette zurück. Meint Soldatino: »Wartet nur, ich werde Euch schon Beine machen!« Er zieht seine Flöte hervor und setzt zum Spielen an. »Ihr werdet sehen, wie rasch er mir alles zurückbringt, der König!« Alles beginnt zu tanzen: im Gefängnis, am Königshof, heißassa, hopsassa, es gibt kein Ende; der bricht ein Bein, der einen Arm; der König, die Königstochter tanzen, und alle sind schon halbtot. Da fängt Soldatino erst richtig an. Unaufhörlich tanzend schreit der König: »Soldatino, hör auf, Soldatino, hör auf! Wir sind halbtot!« Soldatino aber hörte nicht auf, er spielt und spielt. »Ich will meinen Geldbeutel und meine Serviette!« Mehr tot als lebendig holt der König, immerfort tanzend, den Geldbeutel und die Serviette. »Gut, Majestät, die beiden Dinge habe ich erhalten. Aber jetzt möchte ich wenigstens eine Nacht bei Ihrer Tochter schlafen; hernach verzichte ich gern darauf, sie zu heiraten. Sonst spiele ich weiter!« Da sagt der König zu seiner Tochter: »Hör, liebes Kind, geh doch eine Nacht mit dem Mann schlafen, sonst bringt er uns alle um!« Sagt Soldatino: »Majestät, hören Sie mich gut an: Auf alles, was ich Eure Tochter frage, muß sie mit Nein antworten. Sie kann also unbesorgt kommen. Sie soll Wachen aufstellen, Türen und Fenster offen lassen, Licht im Zimmer anzünden, und im Bett liegt jeder für sich auf einer Seite. Mir scheint. . .« Erleichtert sagt der König zu seiner Tochter: »Also, liebes Kind, du kannst ganz ruhig schlafen gehen, du legst dich auf die eine Seite und Soldatino auf die andere.«
Und so geschieht es. Als sie im Bett liegen, sagt Soldatino: »Prinzessin, finden Sie es schön, daß die Tür aufsteht?« — »Nein.« — »Habt ihr’s gehört, Wachen? Macht sie zu! Prinzessin, finden Sie es schön, daß die Wachen die Tür behüten?« — »Nein.« — »Habt ihr’s gehört? Fort mit euch! Prinzessin, finden Sie es schön, daß das Fenster offensteht?« — »Nein.« — »Habt ihr’s gehört? Geschwind, schließt es zu! Prinzessin, finden Sie die vielen Lichter schön?« — »Nein.« — »Habt ihr’s gehört? Löscht sie aus. Prinzessin, finden Sie es richtig, daß Sie auf der einen und ich auf der anderen Seite liege?« — »Nein.« — »Rücken wir also aneinander! Prinzessin, finden Sie es schön, daß wir gar nicht Arm in Arm liegen?« — »Nein.« — »Umarmen wir uns also!«
Am nächsten Morgen erscheint der König, um Soldatino fortzujagen; da sieht er, daß keine Wachen mehr dastehen, alle Lichter erlöscht sind und Soldatino mit der Tochter in zärtlicher Umarmung liegt. Und die Königstochter sagt: »Das ist mein Mann.« Und Soldatino sagt: »Das ist meine Frau.« Und lebten glücklich und zufrieden
Nur mir war nichts davon beschieden.
Der Hochzeit folgte ein leckerer Schmaus.
Und was ist für mich geblieben?
Eine gebratene Maus.

Quelle:
(Italien)

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