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Märchenbasar

Tischlein, Hütlein, Stöcklein

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Es war einmal ein Mann, der hatte einen Sohn und hielt ihn für albern. Eines Tages schickte er ihn mit zwei Ochsen pflügen. Als er jetzt anfing zu pflügen, saß ein Rabe am Wege und sagte: »Hör, Knabe, gib mir einen Ochsen, ich bin so hungrig, wenn du mir ihn nicht gibst, so sterbe ich oder fresse dich.« – »Ich möchte dir ihn ja gerne geben, aber mit was soll ich dann pflügen, mein Vater bringt mich um, wenn ich nach Hause komme.« – »Aber so gib mir einen, dann geh zu meinem Vater, dem Rabenkönig, und sage ihm nur, warum du gekommen, er gibt dir eine ganze Herde Ochsen, wenn er hört, du hättest mir deinen gegeben, und er wird dir geben, was du verlangst, auch Schafe, Schweine, Pferde und Kühe.« – »Wohin soll ich gehn, ich kenne den Weg nicht.« – »Der Weg führt grade von hier zu uns, aber ich will ihn dir mit den Flügeln schlagen.« Der Rabe aß den Ochsen, dann schlug er den Weg von dort bis zu seinem Haus mit den Flügeln. Aber der Knabe ging mit einem Ochsen und dem Pfluge nach Hause. Als ihn sein Vater sah, fragte er: »Mein Sohn, wo hast du den andern Ochsen gelassen?« – »Ich habe ihn einem Raben zum Essen gegeben.« – »Du dummer Kerl, was für eine Dummheit hast du jetzt wieder gemacht!« – »Ich habe keine Dummheit gemacht, für diesen einen erhalte ich eine ganze Herde, wenn ich ihn nicht gegeben hätte, würde er mich gefressen haben.« – »Es wäre gut gewesen, wenn er dich gefressen, kaum hätte ich keinen Schaden mehr durch dich.« – »Gute Gesundheit, Vater, ich gehe, um mir meinen Lohn zu bringen.« – »Geh meinetwegen zum Teufel, daß du mir aus den Augen kommst, daß ich nicht auch noch eine Sünde begehe.«
Der Bursch ging immer auf dem Wege, welchen der Rabe mit den Flügeln bezeichnete. Er kam an einer Schweinsherde vorbei und rief dem Hirten: »Wem gehört diese Herde?« – »Dem König der Raben.« – »Füttert sie nur gut, sie gehören auch mir.« Der Schweinshirt packte ihn und prügelte ihn gut durch. Er ging weiter, bis er eine Schafherde antraf. »Wem gehören diese Schafe?« – »Dem Rabenkönig.« – »Füttert sie nur gut, sie sind auch mein.« Der Schafhirt packte ihn und prügelte ihn gut durch. Er ging weiter bis zu einer Ochsenherde. »Wem gehören diese Ochsen?« – »Dem Rabenkönig.« – »Füttert sie nur gut, sie sind auch mein.« Auch der Ochsenhirt prügelte ihn, und er ging weiter, bis er zu der Pferdeherde kam. »Wem gehören diese Pferde?« – »Dem Rabenkönig.« – »Füttere sie nur gut, sie sind auch mein.« Der Pferdehirt fragte den Knaben: »Mein Sohn, wohin gehst du?« – »Sieh, so und so« und erzählte ihm alles wahr. »Hör, was ich dir sage: Wenn du zum König kommst, verlange nichts außer das Tischlein, das Hütlein und das Stöcklein. Wenn du zum Tischlein sagst: ‚Decke dich, mein Tischlein in allen vier Ecken mit Speisen‘, hast du gleich Speisen und Getränke aller Art. Wenn du zum Hütlein sagst: ‚Trop‘, dann kommen so viele Soldaten heraus, als du ‚Trop‘ sagst, wenn du sie nicht mehr brauchst, sagst du ‚trop hinein‘, dann gehen alle wieder hinein. Zum Stöcklein mußt du sagen: ‚Dreh dich, mein Stöcklein‘, dann dreht es sich auf dem Rücken und haut den, welchen du willst.«
Der Jüngling ging weiter, bis er zum König der Raben kam. Als er hineinkam, sagte er: »Guten Tag, Herr König!« – »Ich danke, mein Sohn, was bringt dich so weit bis zu mir?« – »Seht, Euer Sohn hat mich geschickt, Ihr solltet mir das Tischlein, Hütlein und Stöcklein geben, weil ich ihm meinen Ochsen zum Essen gegeben.« – »Du Knabe, die kann ich dir nicht geben, die sind zu teuer, aber ich gebe dir alle Herden, die du gesehen.« Nur einmal kam der Rabe heraus und sprach: »Vater, freust du dich denn nicht, daß mich dieser Bursch vom Hungertod errettet? Wenn er mir nicht seinen Ochsen gegeben, wäre ich vor Hunger gestorben, jetzt gib ihm auch, was er verlangt.« Darauf ging der König und brachte ihm diese Sachen. Dieser dankte und ging heimwärts.
Als er zur Pferdeherde kam, rief er den Hirten, stellte das Tischlein auf die Erde und sagte: »Decke dich, mein Tischlein, in alle vier Ecken mit Speisen.« Gleich standen Speisen und Getränke aller Art, sie setzten sich beide und aßen und tranken, bis sie satt waren. Dann nahm er sich das Tischlein auf den Rücken, das Hütlein auf den Kopf, das Stöcklein in die Hand und ging weiter bis zur Ochsenherde. »Dreh dich, mein Stöcklein.« Nur einmal flog das Stöcklein auf den Rücken des Hirten und schlug ihn und schlug ihn, bis er immer »tulai« schrie. Dann ging er weiter zum Schafhirten. »Dreh dich, mein Stöcklein.« Da lief es auf den Rücken des Hirten und prügelte auch diesen, bis er genug hatte. Dann ging er weiter bis zum Schweinehirten. »Dreh dich, mein Stöcklein.« Auch dieser bekam, was er brauchte. Dann ging er weiter und kam nach Hause. »Nun Vater, nun Mutter, kommt und seht und eßt euch einmal satt: ‚Deck dich, mein Tischlein, in alle vier Ecken mit Speisen‘.« Die Eltern wunderten sich und zankten nicht mehr mit ihm und nannten ihn auch nicht mehr prost (dummer Kerl).
Als sie gegessen, schrieb er einen Brief dem König, er solle morgen zu ihm zum Essen kommen, setzte auf den Brief seinen Namen und Hausnummer. Aber sein Haus war das elendeste aus dem ganzen Dorf, nur mit Stroh gedeckt. Als der König mit seinen Soldaten auf einer Kutsche gefahren kam, sah er nach der Hausnummer und sah diese Hütte und schüttelte den Kopf. Aber es war dieselbe Zahl, die im Brief stand. Er ging hinein, und der Bursch kam ihm entgegen und setzte ihn hinter den Tisch und brachte so viel Speisen und Getränke, wie auch der König noch nie gesehen. Er wunderte sich und sprach zum Kutscher, er solle sehen, von wo dieser so gute Speisen bringe. Der Kutscher ging hinter dem Burschen und hörte, wie dieser sagte: »Decke dich, mein Tischlein, in alle vier Ecken mit Speisen.« – »Diese Sache gefällt mir, geh und stiehl das Tischlein und versteck es in die Kutsche«, befahl der König dem Kutscher. Als er dann gegessen, fuhr er mit dem Tischlein fort. Als der Bursch abends essen wollte, sah er, daß das Tischlein fort war. Er dachte gleich, das könne niemand anders gestohlen haben als der König, und schrieb, er solle ihm das Tischlein gleich zurückschicken, sonst käme er mit seinen Soldaten und mache Krieg. Der König aber dachte, von wo sollte dieser arme Mann Soldaten haben, und schickte ihm 40 entgegen. Aber der Bursche nahm das Hütlein und sagte: »Trop, trop, trop, trop usw.«, nur einmal kamen die Soldaten heraus, und diese schlugen die 40 gleich, daß nicht einer übrig blieb. Der König schickte wieder und wieder, aber die aus dem Hütlein schlugen sie alle. Als der König sah, es sei nicht Spaß, kam er selbst mit einem Regiment, aber wie erschrak er, als er sah, wie viele dieser Bursch hatte! Jetzt gab er ihm das Tischlein und sein halbes Königreich und seine Tochter zur Frau. Dann lebten sie gut und in Frieden und Gesundheit von der Jugend bis ins Alter, und als der Alte starb, wurde er König.

Iuon Brezoi, Alzen
[Rumänien: Pauline Schullerus: Rumänische Volksmärchen aus dem mittleren Harbachtal]

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