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Märchenbasar

Tumult im Land der Träume

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„Im Land der Träume
gibt es sprechende Bäume,
und viele Fabelwesen dazu,
sie verzaubern dich im Nu.“

Kennst du das Land der Träume? Es befindet sich hoch oben über dem schillernden Regenbogen. Steigt man die Leiter bis zu den Wolken empor, so gelangt man ins Land der Träume. Kaum jemand weiß von dessen Existenz, trotzdem ist es lohnenswert darüber zu berichten.
Im Land der Träume herrschte Frieden. Alle waren nett zueinander, sangen fröhliche Lieder und tanzten dazu. Es war ein Ort zum Wohlfühlen und Glücklichsein.
Wenn du deine Augen schließt, dann siehst du das Land in seinen bunten Farben vor dir. Lauter Fabelwesen, von Einhörnern, über Drachen, Elfen, Kobolden, Feen bis hin zu sprechenden Tieren, waren dort zu Hause. Ja, sogar die Bäume konnten sprechen.
Damals sagten auch noch Fuchs und Hase liebevoll „Gute Nacht“ zueinander. Weder Hass und Streit noch Neid und Geiz kannten sie dort, bis sich eines Tages das friedvolle Leben der Bewohner schlagartig änderte.

Die Hexe Rikelrax schaute gelangweilt durch ihre kristallene Kugel, als sich darin die Farben eines ihr unbekannten Landes widerspiegelten. Sofort hatte die Alte Lust, die Gegend hoch oben am Himmel aufzusuchen. Ein bisschen Abwechslung könnte nicht schaden, meinte sie. In ihrem Hexenwald kannte sie schließlich jeden Winkel. Zudem fand sie keine Zuhörer mehr für ihre boshaften Lügen und ekelhaften Geschichten. Also begab sie sich, ausgestattet mit ihrem Hexenzauberbuch, das ihr ständiger Begleiter war, in unerforschtes Gebiet auf Abenteuersuche. Seit diesem Tag war die Ruhe im Land der Träume gestört, nichts war mehr wie vorher. Der Hexe gruselte nämlich die Stille und Friedseligkeit des Landes. Dem wollte sie augenblicklich ein Ende bereiten. Schon zog sie ihr Hexenzauberbuch zu Rate, um die Gegend ihren Vorstellungen entsprechend zu verändern.
Zu allererst meinte sie, sollten die Drachen sich so benehmen, wie es sich für Drachen gehörte und murmelte: „Krötenei und Drachenblut, Feuer speien tut so gut!“
Kurz darauf rauschte aus den eigentlich friedsamen Drachen ein Feuerschwall heraus, welches viele Bäume in Brand und natürlich so manchen Bewohner in Angst und Schrecken versetzte. Für Rikelrax hingegen war es eine große Freude zuzusehen.
Die Farben des Landes empfand die Hexe als viel zu grell. Ihre müden Augen waren davon geblendet, erneut brabbelte sie: „Spinnenbein und Rattenwunden, alle Farben sind verschwunden!“
Da erloschen alle Farben und die Hexe rieb sich vergnügt die Hände.
Doch auch an den Elfen und Feen hatte sie allerhand auszusetzen und sprach boshaft: „Hexenzauber sei bereit, Elfen, Feen zankt voll Neid.“
Schon flogen diese Wesen wild durch die Gegend und rissen sich an den Haaren. War das ein Durcheinander! Kein Wort war mehr zu verstehen. Rikelrax hingegen hatte ihren Spaß und hüpfte dabei vor lauter Schadenfreude von einem ihrer dünnen Beine aufs andere.
Auch den netten Kobolden spielte sie einen lausigen Streich mit dem Zauberspruch: „Sonnenlicht und Zwergenmist, die Zunge zeigt ihr ohne Frist!“
Daraufhin hüpften die unglücklichen Kobolde wie verrückt umher und streckten dabei wie dumme Buben ihre Zungen heraus. Natürlich ärgerten sich die anderen darüber sehr und fühlten sich verspottet.
Die Unordnung im Land der Träume nahm kein Ende, denn der Hexe fiel ständig neuer Schabernack ein, wäre da nicht der kleine, alte Wichtel Knuddelknu gewesen. Er zählte zu den ältesten Bewohnern im Land der Träume und war demnach auch sehr weise und erfahren. Rikelrax hatte alles so durcheinander gebracht, dass Knuddelknu nicht länger zusehen konnte. Er schlich heimlich zur Hexe, die sich von ihren Boshaftigkeiten im Gras ausruhen wollte, stahl ihr das Hexenzauberbuch und beschloss, es zu vernichten. In Zukunft sollte die Hexe keine Macht mehr über das Land der Träume und deren Bewohner besitzen.
Zuvor verwandelte er alles und jeden wieder in seinen ursprünglichen Zustand zurück. Doch trotzdem war das Land der Träume nicht mehr das, was es einmal war.

Am nächsten Tag versammelten sich alle Fabelwesen und ließen ihrem Unmut freien Lauf. Sie bestanden darauf, dass die Hexe das Land verlassen sollte. Sie hatte für genügend Unruhe gesorgt!
Als Knuddelknu das Wort ergreifen wollte, platzte auch noch zu allem Überfluss die Hexe in die Runde, ließ ihrer Wut freien Lauf und schrie: „Ihr habt mich bestohlen und betrogen! Ich will sofort mein Hexenzauberbuch zurück!“
Nachdem der kleine, alte Wichtel erklärte, dass er das Buch verbrannt hätte, waren auch die Bewohner schockiert.
„Warum hast du das gemacht? Gut, die Hexe hat damit allerlei Schaden angerichtet. Aber warum hast du nicht an uns gedacht? Wenn wir im Besitze dieses Buches wären, könnten wir uns so manchen Wunsch erfüllen!“, jammerte ein alter Kobold.
Noch bevor Rikelrax ein Wort erwidern konnte, sagte der kleine, alte Wichtel: „Wir leben doch im Land der Träume! Seid ihr denn nicht wunschlos glücklich?“
Nein, das waren sie keineswegs.
Die Elfen entgegneten: „Wir wünschen uns wieder die Stille und den Frieden zurück!“
„Und wir hätten gerne etwas Abwechslung – natürlich in den allerschönsten Farben wie ein Regenbogen!“, erwiderten die Kobolde.
„Uns würde etwas Musik gut gefallen!“, warfen die Einhörner in die Runde.
„Oder wie wär’s mit etwas zum Träumen und zum Zeitvertreib?“, dachte ein Drache laut vor sich hin.
Jeder äußerte seinen Wunsch. Die Tiere wünschten sich schließlich etwas zum Teilen.
„Und ich brauche noch etwas, womit mir warm ums Herz wird!“, fügte eine Fee hinzu.
„Ja, ich wünsche mir, dass wir wieder Freunde sind!“, sagte eine andere.
Es wurden noch viele Herzenswünsche angetragen. Knuddelknu machte sich viele Notizen. Ihm kam ein Geistesblitz. Er legte seinen rechten Zeigefinger samt Schreibfeder an die Nase, wobei ein dicker Tintenklecks auf selbiger Gestalt annahm und sinnierte: „Ich weiß, wie ich all eure Wünsche erfüllen kann!“
Die Kleinen grinsten nun wegen Knuddelknus blauer Nase. Die Erwachsenen starrten ihn neugierig an. Die Hexe gewann ihre Stimme wieder und fragte: „Wäre vielleicht auch was Zauberhaftes dabei?“
Der kleine, alte Wichtel sprach: „Lasst euch überraschen und kommt morgen gleich nach Sonnenaufgang wieder hierher. Bis dahin will ich versuchen, eure Wünsche zu erfüllen.“
Erstaunt schauten sich die Fabelwesen und die Hexe an. Wie sollte das möglich sein? Das Hexenzauberbuch war schließlich zerstört. Rikelrax tat die ganze Nacht kein Auge zu. Den anderen Bewohnern erging es nicht anders. Sie konnten es kaum bis zum Tagesbeginn erwarten.

Am nächsten Morgen eilten alle wie der Wind an den vereinbarten Ort und starrten mit Verwunderung auf ein riesengroßes Paket, das in Goldpapier gehüllt war. Wem mochte es gehören?
Jeder überlegte, was wohl im Paket stecken mochte. War es ein neues Zauberbuch? Oder gar ein Sack voll Traumsand zum Träumen? Womöglich ertönten schöne Klänge aus dem Paket? Vielleicht leckere Köstlichkeiten?
Es dauerte nicht lange und Knuddelknu erschien. Freundlich wünschte er allen einen Guten Morgen und fuhr fort: „In diesem Paket sind alle eure Herzenswünsche verpackt. Ich hoffe, dass ihr nach dem Auspacken wieder Zufriedenheit in euch spürt.“
Gespannt begann eine Fee das Paket auszupacken. Welch eine Überraschung! Im Paket war ein weiteres Paket, gehüllt in Silberpapier. Es war mit einem Zettel versehen, auf dem geschrieben stand: Das Paket gehört allen zu gleichen Teilen! Sie reichte das Paket an ihre Nachbarin weiter. Und wiederum tauchte ein anders verpacktes Paket auf einem angehefteten Etikett: Für zauberhafte Stunden!
Der nächste war an der Reihe auszupacken. Natürlich hielt auch dieser ein verpacktes Paket mit einem Zettel darauf in der Hand: Etwas zum Träumen! So langsam fanden die Fabelwesen Gefallen an diesem Spiel. Die Pakete wurden immer kleiner mit den unterschiedlichsten Botschaften darauf. „Zum Zeitvertreib!“, „Zum Genießen!“, „Hört ihr die Stille?“, „Spürt ihr die Zufriedenheit?“, „Zum Nachdenken!“, „Zum Wohlfühlen!“ „Für Überraschungen ist gesorgt!“, „Zur Unterhaltung!“, „Bunt wie ein Regenbogen!“, „Es geht um den Frieden!“ und so weiter und so fort.
Als der Papierberg riesengroß war, lag nur mehr ein unscheinbares Päckchen auf dem Boden, darauf stand: Das hehört allen zusammen. Enttäuscht blickten alle darauf und glaubten, Knuddelknu hätte sie zum Narren gehalten.
„Wie kann ein so kleines Geschenk uns allen zusammen gehören?“, raunte es durch die Runde. Die Hexe fasste nach dem Paket und entfernte entschlossen das letzte Stück Papier, öffnete es vorsichtig und lugte hinein. Ihre Augen begannen zu strahlen wie die eines kleinen Kindes.
„Sag schon! Was ist drinnen?“, wollten die anderen wissen.
Wortlos holte die Hexe das Wunderding, das allen gehören sollte und alle ihre Wünsche erfüllen konnte, heraus.
Es war ein Märchenbuch! Ein uraltes, golden glitzerndes Märchenbuch!
Tatsächlich, der kleine, alte Wichtel Knuddelknu hatte nicht zu viel versprochen.
Schon hatte er das Buch aufgeschlagen und begann laut vorzulesen: „Es war einmal ein Land, welches das Land der Träume genannt wurde. Es befindet sich hoch oben über dem schillernden Regenbogen. Steigt man die Leiter bis zu den Wolken empor, so gelangt man hinein. Kaum jemand weiß von dessen Existenz, trotzdem ist es lohnenswert darüber zu berichten.…“
Stundenlang las der kleine, alte Wichtel von mutigen Rittern, geraubten Prinzessinnen, freundlichen Hexen und sprechenden Tieren.

„Aber das ist ja unser Land“, platzte ein kleiner Kobold laut in ein Märchen. Ringsherum saßen seine Freunde und schmunzelten, auch Knuddelknu. Alle schmolzen nur so dahin, ihnen wurde richtig warm ums Herz. Eine friedliche Stille breitete sich über dem Land aus, befanden sich doch alle im Rausch der Geschichten. Die Blumen sprossen hoch und blühten in den prächtigsten Farben, während die Vögel lebensfroh und überschwenglich ihre Melodien zum Besten gaben. Und so wurden schlussendlich alle Wünsche erfüllt. Ja, sogar der Hexe Rikelrax gefielen die Märchen und Geschichten viel besser als das Zauberbuch mit den bösen Sprüchen. Oft besuchte sie nun das Land der Träume. Ihre Boshaftigkeit hatte sie abgelegt. So kehrte wieder Ruhe und Frieden ins Land der Träume ein.
Falls auch du einmal Lust hast, dich ins Land der Träume zu begeben, so nimm einfach nur ein Märchenbuch zur Hand und lass dich verzaubern!

Quelle: Carmen Kofler

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