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Märchenbasar

Vom armen Fischerssohn

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Es lebte einst ein sehr armer Fischer, der hatte sieben Kinder. Er ging täglich zum Fischfang, aber nie fing er mehr Fische als immer nur neun, so daß jeder einen Fisch hatte, er aber keinen verkaufen konnte. Da grämte er sich furchtbar über seine Armut. Und so sprach er eines Tages, als er zu Bett ging: „O Gott, mein Gott! Könntest du doch eines meiner Kinder zu dir nehmen, damit ich wenigstens einen Fisch täglich verkaufen kann!“ Und der Herr erhörte ihn, eines seiner Kinder starb.
Er ging fischen – und fing einen Fisch weniger. Darüber war er zutiefst bekümmert und sprach, wie schon einmal, den Wunsch aus, daß der Herrgott eins seiner Kinder zu sich nehmen möge. Und der Herr nahm das zweite Kind zu sich. Aber wieder fing er beim Fischen einen Fisch weniger als zuvor.

Einmal ging er des Nachts auf Fischfang und fischte lange. Er warf sein Netz einmal ins Wasser und zog es leer heraus, er warf es ein zweites Mal und zog es leer heraus, da dachte er: „Morgen wird es wohl nichts zu essen geben!“ Zum dritten Mal warf er das Netz aus und holte es ein: es war furchtbar schwer! So furchtbar schwer, daß er es kaum einholen konnte, und er sprach: „Wenigstens einmal! Wenn ich diesen Fisch verkaufe, das wird eine Freude.“ Er zog heraus: da hing ein riesiger Fisch im Netz, der hatte einen Menschenkopf mit wunderschönen langen blonden Haaren! Er erschrak fürchterlich, der Fisch aber sagte zu ihm: „Schick morgen deinen ältesten Sohn zu mir, er kann mir helfen! Inzwischen gebe ich dir sechzig Dukaten, da brauchst du nicht mehr auf Fischfang zu gehen.“ Der Fischer freute sich sehr, er ging nach Hause und erzählte alles seiner Frau. Gleich am nächsten Tag schickte er seinen ältesten Sohn zum Fluß.

Dort zeigte sich ihm derselbe Fisch, der mit seinem Vater gesprochen hatte, und sagte: „Hinter der Stadt erhebt sich ein riesiger Felsen, auf diesem Felsen steht mein Schloß! Ich gebe dir aber den Rat, gib, wenn du drei Nächte hindurch dort sitzt, kein Sterbenswörtchen von dir!“ Er antwortete, er wolle es so halten. Dann ging er zur Kirche, legte die Beichte ab, nahm einen Weihwedel, geweihtes Wasser, geweihte Kreide und begab sich in jenes Schloß. Als er das Schloß erreichte, stand er vor einem gewaltigen eisernen Tor, er klopfte an, und es öffnete sich von selbst. Er betrat das Schloß und stieg zum ersten Stockwerk empor. Dort war in einem schön eingerichteten Esszimmer ein Frühstück für ihn angerichtet, und es war so köstlich, daß er selbst nicht wußte, wie er alles essen sollte. Er wußte auch nicht, wie man sich in den Sessel zu setzen hatte. Er aß also, ging danach in den Salon und versteckte sich unter einem Kanapee. Da saß er nun, sagte den Rosenkranz her, sprach die Gebete, sang die Psalmen und dabei rückte die Nacht heran. Über alldem wurde er schrecklich müde und sank in tiefen Schlaf. Er schlief. Da hörte er aber im Schlaf, in der Nacht – wohl um Mitternacht – dicht neben sich einen inferalischen Tanz.

Er erwachte, und zog mit der geweihten Kreide einen Kreis um sich. Dann lauschte er, was weiter geschah. Er schaute und sah den Fußboden schwarz von Teufeln, die es sich dort den bequem gemacht hatten, unter das Kanapee linsten und ihm zuriefen: „Jakob! Komm und tanz mit uns!“ Er aber regte sich nicht. Da sagte ein anderer Teufel: „He! Laß den in Ruhe! Er schläft ja!“ „Gewiß! Und wie er schläft! Bei solcher Musik, solchem Gelage da, da wird er wohl schlafen können!“
Da kam ein dritter Teufel zu ihm: „Nun, was ist, Jakob?! Feierst du mit uns? Oder nicht? Wenn ich für dich an die Glocke schlage, wird dein Herz gleich hüpfen!“ Er aber gab keinen Mucks von sich. Da wandte sich ein vierter Teufel an ihn, ein hinkender: „Jakob! Ich weiß, daß du mit keinem anderen gehen wiollst, nur mit mir, Du hinkst“ (aber Jakob war kein Hinkerfuß) und ich hinke, wir werden hübsch langsam tanzen.“ Er schwieg beharrlich, denn hätte er etwas entgegnet, dann hätte er vortreten und tanzen müssen.

Doch dann wäre es um seinen Kopf geschehen gewesen. Als sich die Teufel nun über ihn erzürnten, warfen sie alles, was Im Zimmer stand, nach ihm, nach dem Kanapee. Dann begannen sie so wild zu tanzen, daß es klang, als ob das ganze Schloß zusammenstürzte.
Und diese Teufel waren hundert an der Zahl. Doch Jakob unter dem Kanapee machte sich nichts daraus. Die Teufel lärmten, bis die zwölfte Stunde herangerückt war. Um Mitternacht wurde es überall still, doch Jakob kroch erst um halb zwei Uhr unter dem Kanapee hervor, denn er hatte Angst. Er trat zum Schrank und trank etwas Wein, denn morgens hatte ihm ein Lakai gesagt, daß darin Wein für ihn stünde. Dieser Lakai war ebenfalls ein Teufel, denn dieses Schloß war nur von Teufeln bewohnt, am Tag jedoch besaßen sie keinerlei Macht. Er trat also zu dem Schrank, trank den Wein, reckte die Glieder und setzte sich; da vernahm er plötzlich im Nebenzimmer leichte Schritte und das Rascheln eines Seidenkleides.

Eine schöne junge Frau trat ins Zimmer. Sie trug ein schwarzes Kleid und darüber eine weiße Tunika. Und sie sagte zu ihm: „Du hast dich gut gehalten, mein Söhnchen! Aber sieh dich vor, denn in der zweiten Nacht werden es zweihundert sein!“ Und er antwortete, er habe auch davor keine Angst. Sie verabschiedete sich und verschwand. Er legte sich in das Bett, das die Frau ihm hatte richten lassen, und schlief bis in die zehnte Stunde in der Frühe. Da kam sein Vater, der äußerst besorgt war, daß er den Sohn nicht mehr lebend vorfände. Er kam und freute sich sehr, als er Jakob bei einem köstlichen Frühstück antraf, an dem auch er sich ein wenig laben konnte. Dann verabschiedete sich der Vater, er aber ging im Schloßgarten spazieren, wo herrliche Äpfel und wunderschöne Blumen wuchsen. Er hätte gern welche gepflückt, doch fürchtete er, daß auch sie Teufelswerk wären.

So vertrieb er sich den ganzen Tag, teils frohgemut, teils traurig; traurig, weil er sich langweilte, und frohgemut, weil ihm die Dame das schöne Schloß und sich selbst versprochen hatte, wenn er sie erlösen würde. In der nächsten Nacht kroch er hinter einen Schrank, zog um seinen Versteck einen Kreis mit geweihter Kreide………, und sank dann erschöpft in Schlaf. Da hörte er, wie alle Türen aufgingen, ein Gewirr heiserer Stimmen drang herein, und der Gestank von Pech breitete sich im ganzen Zimmer aus. Nun wurde er hellwach und wartete, was sich weiter begab. Endlich kamen alle Teufel in das Zimmer, in dem er sich befand, und sie sprachen: „Pfui! Pfui! Es stinkt nach einer Menschenseele!“ Da ließ sich der Hinkefuß vernehmen: „Sei doch still! Schimpf hier nicht herum! Wenn du Jakob verärgerst, wird er nicht mit uns tanzen wollen!“ „Suchen wir mal, wo er steckt!“ sagte einer der Teufel, und sie guckten unter das Kanapee. „Heute hat er sich woanders verkrochen, hier ist er nicht!“ „Aber er muß hier sein! Sein Duft ist doch in der Luft.“

Sie suchten ihn überall und tanz mit uns! Wie bist du doch dumm, hier spielt die Musik, und du sitzt da wie eine Eule!“ Er aber antwortete nicht darauf. „Jakob, komm tanzen! Tut dir der Fuß weh? Oder bist du gar krank? Komm, komm, wir werden langsam tanzen!“ Um ihn versammelten sich alle Teufel, so daß es drückend heiß wurde, weil sie einen fürchterlichen Pechgestank verbreiteten. Als er den Sprengwedel ins Weihwasser tauchte und die Teufel damit besprengte, stoben sie je auseinander. Aber sie kamen wieder, und zwar schrecklich wütend, riefen ihm alle erdenkliche Schimpfwörter zu und riefen alle möglichen Sünden auf ihn herab. Mit glühenden Schüreisen stießen sie nach ihm und mit Gabeln, und Jakob entgegnete nichts, er besprengte sich nur dauernd mit Weihwasser. Schließlich sagte einer der Teufel: „Wartet nur! Wenn ich ihm aufspiele.muß er aus seinem Versteck hervorkriechen!“

Als dieser Teufel wunderschön und feurig spielte, kam auch Jakob hinter seinem Schrank die Tanzlust an, aber er trat nicht hervor, sondern tanzte nur für sich allein hinter dem Schrank, und alle Teufel lachten ihn aus. „Haha! wie schlau er doch ist! Plagt sich allein mit dem Tanz ab, dabei würde er besser daran tun, mit uns gemeinsam zu tanzen!“ Jakob blieb aber still, er gab keine Antwort. Immerzu sprangen die Teufel um ihn herum und schleuderten heißes Pech nach ihm. Wenn er sie aber mit Weihwasser besprengte, sagten sie: „Unser Pech brennt doch fürchterlich, aber ihm tut es nichts! Was hat er nur für Zeug, das uns so arg verbrennt?“ Und einer der Teufel entgegnete: „Weiß du, er ist ein Heiliger! Diese Heiligtümer hat er mitgebracht! Er wird uns aber doch in die Hände fallen, und wir werden ihn hinter diesem Schrank hervorzerren, wenn morgen noch mehr von uns da sein werden.“

Doch sie kamen mit ihren Flüchen und Drohungen nicht weiter, denn ihre Stunde war abgelaufen. Sie sammelten sich alle und verschwanden – und es wurde ganz still. Jakob war sehr erschöpft und schlief hinter dem Schrank ein. Und er sah und hörte nicht, wie jene Dame das Zimmer betrat, sie kam zu ihm hinter den Schrank, weckte ihn und sprach: „Weshalb schläfst du hinter diesem Schrank?
Ich hatte doch befohlen, dir ein bequemes Bett zu richten! Weshalb schläfst du also hinter dem Schrank?“ Da entgegnete er: „Ach, ich war so müde, daß ich mich nicht einmal ins Bett legen wollte!“ Und sie antwortete: „Siehst du, wenn du auch morgen so tapfer bist, dann bin ich übermorgen deine Frau. Dann hast du es nicht mehr nötig, dich zu quälen und nicht zu schlafen!“ Sie war glücklich und entwich nicht so schnell wie gestern. sie verplauderten fast zwei Stunden mit ihm, bevor sie sich verabschiedete und verschwand. Er legte sich noch für ein Weilchen hin und schlief, aber nicht lange, denn der Morgen graute bereits. Voll Erwartung kam auch sein Vater, doch weniger, um ihn zu ,sehen, als – wie am Vortag – das prachtvolle Frühstück zu genießen. Sie aßen gemeinsam, danach nahmen sie Abschied voneinander, und Jakob lief mehrmals durch den Schloßgarten, nahm sein Mittagessen ein, schlief eine Zeitlang und suchte sich wieder ein anderes Versteck.

In der Nähe hörte er: etwas Gewaltiges stürzte über ihm zusammen. Schuttmassen, Ziegel, Steine fielen in riesigen Mengen herab, daß es ihm schien, er könnte nicht mehr darunter hervorkommen. Schließlich warf er einen Blick aus dem Versteck und sah, daß alle Kerzen in den Räumen brannten, auch alle Lampen, und unzählige Herren umherliefen, so daß alle Zimmer im ersten Stock brechend voll waren. Sie speisten furchterregend, lange und viel. Danach tanzten sie miteinander und begannen sich entsetzlich zu streiten und zu schlagen, aber er konnte von all diesem Geszänk nichts verstehen, nur so viel, daß es um eine Frau ging. Einer fiel über den anderen her: „Du bist schuld!“ „Nein, du!“ Ein dritter sagte: „Das ist nicht wahr! Der da ist schuld!“
Es war ein fürchterliches Gezänk im Gange, und alle ballten sich zu einem einzigen Haufen.

Noch am Tage hatte Jakob seine geweihte Kreide auf eine lange Stange gespießt; als er nun all die Streitenden auf einem Haufen zusammengedrängt sah, beugte er sich aus seinem Versteck und zog um den ganzen Schwarm einen Kreis, so daß sie nicht mehr auseinandergehen konnten, nur der hinkende Teufel befand sich nicht in diesem Haufen. Da verließ Jakob sein Versteck, nahm das Weihwasser und begann, diesen Teufelsschwarm tüchtig zu besprengen, daß sie ihn händeringend baten, sie nicht dauernd zu verbrennen, weil es furchtbar weh täte. Der hinkende Teufel hatte sich versteckt, weil er fürchtete, gleichfalls besprengt zu werden.

Da fragte Jakob die übrigen Teufel: „Und wo ist der Hinkefuß?“ Keiner der Teufel wollte preisgeben, wo sich der Hinkefuß befand.
Da sagte Jakob, daß er sie nicht nur besprengen, sondern sogar begießen würde, wenn sie es ihm nicht verrieten. Nun, da sagten sie es ihm. Jakob ging zu ihm, doch der Hinkende bat hastig, Jakob möge ihn verschonen. Darauf forderte dieser: „Dann komm, und führ mich überall herum!“ Der Teufel nahm die Schlüssel zu den Hofgebäuden, wo sich ein großer Speicher befand. Dort angekommen, sagte er zu Jakob:
„Schließe du auf!“ Aber Jakob entgegnete: „Nein, du wirst öffnen!“ „Nein, du wirst öffnen!“ Der Teufel wollte anfangs nicht öffnen, als aber Jakob den Weihwedel hob, blieb ihm nichts anderes übrig. So betraten sie den ersten Raum.

Dort war lauter Gold angehäuft, und der Teufel sprach: „Das wird dir gehören!“ Dann betraten sie den zweiten Raum; hier war alles von Silber. „Das ist für die Kirche!“ Danach gingen sie in den dritten Raum; dort war alles von Kupfer. „Das ist für die Armen!“ Schließlich betraten sie den vierten Raum; da waren viele teure Edelsteine.
„Die werden dir gehören!“ Der Teufel schloß danach den fünften Raum auf; dort hingen die allerschönsten Kleider, wie sie sich für ein königliches Haus schickten. „Das alles ist für deine Frau bestimmt!“ Im sechsten Raum waren Schüsseln, Pokale und anderes Geschirr gelagert, alles aus Silber und Gold und mit wertvollen Edelsteinen besetzt. „Das wird ebenfalls dein Eigentum sein!“ Den Rest konnte ihm der Teufel nicht mehr zeigen; er hatte nicht einmal die Zeit, alle offenen Kammern wieder zu verschließen.

Kaum war er nämlich durch die Tür des Speichers getreten, da zerfloß es zu einer klebrigen, übelriechenden Masse, denn seine Stunde war gekommen. Jakob kehrte wieder nach oben zurück und fand im Salon einen ungeheuren Kothaufen, das Haus aber voll von Dienerschaft, von echten Menschen, die Jakob von ihrem Zauber erlöst hatte. Und er fand auch (wie es ihm versprochen hatte) seine künftige Frau, so frei und glücklich, daß sie kaum Worte finden konnte, ihm für seinen Mut und seine Ausdauer zu danken. Sogleich ließ sie seine Eltern herbeirufen, um ihnen ein besseres Obdach zu geben, als sie es bisher hatten, und sie verkündete Jakobs Vater, sie wolle seinen Sohn zum Manne nehmen.
Sie heirateten also und waren beide sehr glücklich – aber nur für kurze Zeit.

Eines Morgens betrat Jakob das Zimmer seiner Frau und fand dort nicht sie, sondern nur ein Kärtchen auf ihrem Frisiertisch, auf dem geschrieben stand: „Gräm dich nicht, mein lieber Mann! Mich hat der Hexenmeister vom Glasberg entführt. Deine dich liebende Frau!“
Sogleich nahm er Abschied von seinen Eltern und sagte, daß er seine Frau suchen wollte, bis er sie fände. Dann machte er sich auf den Weg. Und er wanderte sehr weit, mehr als einhundert Meilen. Endlich stieß er auf eine kleine Hütte im Walde, er sah durch das Fenster; drinnen saß ein grauhaariger Greis am Tisch, ein sehr alter Mann, denn er zählte schon einhundertzehn Jahre, und nahm mit seiner Frau das Abendbrot ein. Jakob pochte an die Tür; man öffnete ihm, und der Alte begrüßte ihn ganz väterlich und sprach: „Oh! Nun wohne ich schon so lange hier, von Jugend an, aber noch nie hat mich jemand besucht! Von wo, mein Sohn, hast du dich hierher verirrt?“ Es war aber der König aller Tiere. Und Jakob antwortete ihm, daß er auf der Suche nach seiner Frau sei, die ihm der Hexenmeister vom Glasberg gestohlen habe.
„Wißt Ihr vielleicht, Alterchen, wo sich dieser Glasberg befinden könnte?“
„O nein, mein Sohn! Ich weiß es nicht! Ich lebe schon über einhundert Jahre, aber von einem Glasberg habe ich noch nie etwas gehört, doch vielleicht wissen meine Tiere etwas darüber. So Gott uns den morgigen Tag erleben läßt, rufe ich sie alle zusammen und befrage sie. Inzwischen aber“ wandte er sich an seine Frau, „richte doch unserem Gast ein bequemes Lager, denn er ist müde!“

Der Alte setzte dem Wanderer ein Abendmahl vor, das dieser mit großem Appetit zu sich nahm, denn er war ungemein hungrig.
Danach wünschte er seinen alten Gastgebern eine gute Nacht und legte sich schlafen. Er schlief so köstlich und ruhig ein, daß er sogar seine geliebte Frau vergaß, um die er sich so sehr sorgte. Am nächsten Morgen erwachte er und bekam ein so gutes Frühstück vorgesetzt, wie er das in der Hütte dieses armen Alten nie erwartet hätte. Später trat der Alte aus der Hütte und pfiff auf zwei Fingern. Da kamen alle Tiere herbei, die es auf der Welt nur gab. Und der Alte sagte: „Wißt ihr wohl zufällig, wo der Glasberg zu finden ist?! Sie zuckten alle die Achseln: „Nein!…Nein!“ und jenes entfernte sich in seiner Richtung.
Da sagte der Alte: „Nun, da kann ich Euch nicht helfen, Herr, aber ich gebe Euch einen Brief an meinen älteren Bruder mit, der wohnt hundert Meilen von hier. Er hat die Macht über alle Vögel, und am besten werden bei ihm wohl die Adler Bescheid wissen.“

So verabschiedete sich Jakob von den beiden Alten und wanderte weiter. Er mußte sehr weit gehen, furchtbar weit, und kam schließlich in einen Wald. Dort sah er, wie ein Wolf, ein Bär, und ein Löwe miteinander um einen Hirsch kämpfen. Er ging näher heran und fragte die drei: „Worum geht es euch denn?“ Da gab der Löwe zurück: „Uns geht es darum, daß wir niemanden haben, der den Hirsch aufteilen könnte, damit jeder von uns einen gleichgroßen Anteil bekommt!“ Jakob zog seinen Säbel aus der Scheide, zerteilte den Hirsch in drei Stücke und sprach:
„Hier, Freunde, habt ihr eure Anteile, schlagt euch nicht länger!“ Da packte jeder der drei sein Stück und verspeiste es. Nachdem sie sich gesättigt hatten, fragten sie: „Was können wir dir dafür geben, daß du Frieden zwischen uns gestiftet hast?“ Er aber sagte: „Was könntet ihr mir denn geben?“

Der Wolf sagte: „Ich gebe dir ein Paar Stiefel!“ Der Bär: „Von mir bekommst du einen Hut!“ Der Löwe: „Und ich gebe dir einen Mantel!“ „Wenn du die Stiefel anziehst, wirst du mit einem einzigen Schritt hundert Meilen zurücklegen.“ „Wenn du den Hut aufsetzt, kann dich niemand erkennen, wohin du auch gehst.“ „Wenn du aber den Mantel umlegst, muß selbst der bösartigste Mensch, wenn er dir begegnet, erbeben, denn er wird denken, du bist der Tod.“ So setzte er seinen Weg fort. Er tat einen Schritt und war sogleich hundert Meilen weiter beim älteren Bruder des Alten, dem Beherrscher der Vögel. Er sah zum Fenster hinein und erblickte in der Hütte einen Greis, einen alten Mann, wie er sein Leben lang noch keinen mit eigenen Augen gesehen hatte. Er klopfte an die Tür – öffnete ihm ein ebenso altes Mütterchen, sie war so alt, daß sie vor Schwäche zitterte. Sie begrüßten ihn überaus herzlich, denn sie sehnten sich nach einem Gast, weil sie gewöhnlich niemand besuchen kam. Die beiden fragten ihn also, woher er denn käme und wieso er sich in eine Gegend verirrt habe, wo sich sonst nur Füchse gute Nacht sagten. Sie setzten ihm sein Abendbrot vor, und während des Essens erzählte Jakob sein ganzes Abenteuer.

Darauf sagte der Alte: „Von einem Glasberg, habe ich, solange ich lebe, noch nicht gehört, aber meine Adler werden vielleicht etwas darüber wissen.! Anderntags bekam Jakob sein Frühstück; danach trat der Alte vor die Hütte und pfiff seine Vögel herbei. Und sie kamen in Scharen hergeflogen, nur die Adler waren nicht dabei: „Wißt ihr nicht, meine Vögelchen, wo der Glasberg ist?“ Alle antworteten, daß sie es nicht wüßten. Er pfiff nach den Adlern. Und schon kamen die riesigen Adler herbei. Der Alte fragte sie, ob sie wüßten, wo der Glasberg sei. Die Adler antworteten: „Und ob wir das wissen! Wir sitzen schon den ganzen Tag auf der Lauer, denn am Abend findet dort eine Hochzeit statt, da fällt sicher auch für uns etwas ab!“ „Wenn ihr es also wißt, dann führt diesen Hernn dort hin.“ „Nun gut!“ Jakob schwang sich auf einen Adler, und der trug ihn im Handumdrehen auf den Glasberg.

Dieser Berg war ganz und gar aus Glas, und auf dem Gipfel stand ein Schloß. Der Adler trug ihn also auf den Glasberg hinauf und ließ ihn dort absteigen. Jakob nahm seinen Hut und wollte gehen, da schrie ihn der Adler fürchterlich an, er solle ihm dafür, daß er ihn bis auf den Glasberg getragen hatte, einen halben Ochsen geben. Aber Jakob entgegnete:
„Du weißt, daß ich keinen Ochsen bei mir habe; wenn du wartest, werfe ich dir einen ganzen Kalbsbraten aus dem Fenster!“
Jakob dachte dabei an den Hexenmeister, den er fangen und aus dem Fenster werfen wollte. Dagegen hatte der Adler nichts einzuwenden.
Unsichtbar betrat er nun das Schloß, denn er trug jenen Hut; er ging in den Salon, wo die Hochzeitsgäste sich bereits vergnügten, stellte sich neben seine Frau und flüsterte ihr zu: „Was hast du mir da Schönes eingebrockt?“ Und sie entgegnete sogleich: „Gut, daß du gekommen bist, denn du wirst mich ganz gewiß aus den Fängen dieses schrecklichen Menschen befreien!“ Sie schloß ihn in ihrem Zimmer ein, ging selbst in den Salon zurück und begann zu schreien und zu weinen.

Alle Gäste fragten, was ihr geschehen sei, sie antwortete, daß der Schlüssel zu ihrem Toilettentisch verloren gegangen sei.
Die Anwesenden versuchten, sie zu beschwichtigen, zu trösten, man könnte ja einen neuen Schlüssel kaufen. Sie entgegnete aber, daß ein zweiter niemals so sei wie der erste. Alle pflichteten ihr bei, daß stets das erste das beste sei. Da sagte sie: „Seht selbst! Ich habe einen ersten Mann, der so gut ist, daß ein zweiter Mann gar nicht so gut sein kann. Gebt mich also frei aus der Gefangenschaft, damit ich zu meinem ersten Mann zurückkehre!“ Danach ging sie in ihr Zimmer, in dem sie ihren Mann zurückgelassen hatte. Er versteckte sie unter seinem Mantel und entfloh mit ihr, von niemanden gesehen, denn er hatte ja den Wunderhut auf dem Kopf. Und so brachte er sie in seinen Palast, wo sie bis zu ihrem Tode glücklich lebten.

Quelle: Matyas K. Spoza rogatek kraskowskich „Swiat“ Märchen aus Polen

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